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Ottendorfer Zeitung : 08.04.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-04-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190404080
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19040408
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19040408
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-04
- Tag 1904-04-08
-
Monat
1904-04
-
Jahr
1904
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 08.04.1904
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poUtilcbe Aunälckau. Der rusftsch-japanische Krieg. * Die Sperrung des Hafens von Port Arthur scheint den Japanern ganz außerordentlich am Herzen zu liegen. Eine Meldung des ,Daily Expreß' besagt, daß die japanische Regierung 26 alte Handels dampfer gekauft habe, die fie zur Blo cki e- rung des Hafeneinganges von Port Arthur habe Herrichten lassen. Admiral Togo gedenke die Versuche iortzusetzen, jedesmal mit sechs alten Dampfern. (Es bleibt abzuwarten, ob diese Meldung richtig ist. Ist sie erfunden, so wäre es unmerhin bezeichnend für die Wichtig keit, die die Londoner der Lahmlegung der angeblich längst unschädlich gemachten Russen flotte beimessen.) * Trotz der scharfen Aufsicht treiben japa - nische Spione inWladiwostok noch immer ihr Wesen. Infolgedessen sah sich die Verwaltung veranlaßt, in der ganzen Stadt Bekanntmachungen anzuschlagen, wonach alle Japaner, vor allem aber solche, die sich verkleidet haben, zur Polizei zu bringen sind. Es hat sich nämlich herausgestellt, daß sich seit einiger Zeit viele Japaner als Chinesen oder Koreaner verkleidet haben und mit gefälschten Zöpfen umhergehen. Diese Aufforderung wird von den Beamten sehr eifrig befolgt; vielen Chinesen wird das Vorhandensein ihres Zopfes „fühlbar" gemacht. * Wegen angeblicher Verletzung der H a a g e r Ko nv e ntio n bei der Beschießung von Port Arthur hat Rußland bei der japanischen Regierung durch den französischen Gesandten Einspruch erhoben. Es handelt sich um die während des vierten Angriffs auf Port Arthur erfolgte Zerstörung der Quarantäne- station aus der Insel Sanschantau. Der japa nische Minister des Auswärtigen, Baron Komma, äußerte in seiner Antwort, der angezogene Artikel der Konvention komme einzig für Land schlachten in Betracht, denn die Konvention habe die Frage der Beschießung von der See seite aus offen gelassen. * Die in Japan lebenden Amerikaner haben einen Unterstützungsfonds für notleidende Familien japanischer Sol daten und Seeleute begründet. 75 000 Jen wurden sofort gezeichnet. In ganz Amerika soll für diesen Zweck gesammelt werden. * * * Der Herero-Aufstand. * Für den Kolonialdien st in Südwest - afrika wild jetzt von der Regierung auch eine größere Anzahl Handwerker, insbesondere Schmiede, Stellmacher, Klempner und Sattler gesucht. Es ist deshalb in den Militärwerkstätten in Spandau Um frage nach Bewerbern gehalten worden. Ungefähr 100 Mann, darunter viele verheiratete, haben sich gemeldet und sind deshalb auf ihre Tropcnsähigkeit untersucht worden. Sie müssen sich aus zwei Jahre zum Aufenthalt in der Kolonie verpflichten; ihre Aufgabe ist es dort, während des FeldzuqeS die Fahrzeuge und andere militärische Ausrüstungs- geqcnständc instand zu setzen. Jeder erhält eine Löhnung von 10 Mk. täglich, wovon 2 Mk. für die Verpflegung in der Kolonie abgezogen werden; bei Verheirateten wird von dem Betrage noch die Versorgung der zurückbleibenden Faniilie sichergestellt. * * Deutschland. * Der K a i ser hat als Zeichen besonderer Befriedigung mit den Leistungen des Nord- denlschen Lloyddampfers „König Albert" während der Seereise von Bremerhaven nach Neapel, sowie aller für den Aufenthalt des Kaisers und seines Gefolges auf dem Schnelldampfer ge troffenen Einrichtungen den Wohltätigkeitsan stalten für die Angestellten des Norddeut schen Lloyd die Summe von 15000 Mark gespendet. * Ein Unstern scheint zurzeit über unseren Kolonien zu stehen. In Südwestasrika kämpfen unsere Truppen gegen die aufständischen Hereros, Kamerun ist durch den Aufstand am Croßflusse beunruhigt, jetzt kommt, von geringerer Trag weite zwar, aber doch von neuem beunruhigend, die Nachrichten von Mordtaten unserer jüngsten § Landsleute vom Bismarck-Archipel in der Südsee. Nach amtlichen Mitteilungen ist der australische Schoner „Will" ans den Admiralitäts-Inseln von den Ein geborenen genommen worden. Die Besatzung wurde zum Teil getötet. Europäer sind nicht darunter. Die Bestrafung erfolgt durch den „Kondor". Ferner sind auf der Durou r- Jnsel (im Norden von Kaiser Wilhelmland) der Händler Reimers und zwei Chinesen g e - tötet worden. Eine Strafexpedition wird nach Rückkehr des Gouvernementsdampfers „Seestern" erfolgen. Man befürchtet außerdem, daß Bootsausflügler aus Deutsch- Guinea auch abgeschlachtet worden seien, da nur ihr leeres Boot gefunden wurde. Mordtaten der Eingeborenen im Bismarck- Archipel sind nichts Seltenes. Erst im November v. wurden aut der Insel Deslaes eine Handelsstation der Neu-Guinea-Kompanie überfallen und zweiDeutsche, die sich nicht zu retten vermochten, niedergemacht. * Ein Gesetzentwurf über die Aufnahme einer Anleihe für dasSchutzgebietTogo wird in den nächsten Tagen dem Reichstag vor gelegt werden, nachdem er bereits die Zustimmung des Bundesrats erhalten hat. Der Gesetzentwurf will den Reichskanzler ermächtigen, zum Zweck des Baues einer 122 Kilometer langen Eisen bahn von Lome nach Palims eine mit 3V- Pro zent zu verzinsende und binnen 30 Jahren zu tilgende Anleihe in Höhe von 8 Millionen Mk. aufzunehmen. Die für Verzinsung und Til gung erforderlichen Beträge find von dem Schutz gebiet Togo aufzubringen, doch übernimmt das Reich die Garantie dafür, daß die fälligen Zahlungen pünktlich geleistet werden. In der dem Gesetzentwurf beigegebenen Be gründung wird ausgeführt, daß der Bau der Eisenbahn in Angriff genommen werden müsse, wenn nicht das deutsche Schutzgebiet in seiner wirtschaftlichen Entwickelung hinter den Nachbar ländern zurückbleiben solle. Dänemark. * Das Gesetz über die Einführung der Prügelstrafe für Roheitsver- brechen ist im Folkething auch in dritter Lesung, und zwar mit 54 gegen 23 Stimmen angenommen worden. Für das Gesetz stimmten die meisten Liberalen und Konservativen, dagegen die Sozialdemokraten, einige Konservative und Radikale. Unter denen, die sich der Abstimmung enthielten, befanden sich mehrere Liberale, die bei der zweiten Lesung gegen das Gesetz ge stimmt hatten. Balkanfkaaten. * Das Belgrader .Amtsblatt' veröffentlicht die Enthebung des Obersten Popowitsch vom Posten des ersten Adjutanten des Königs sowie die Enthebung der noch von der provi sorischen Regierung eingesetzten übrigen Adju tanten und Ordonnanzoffiziere des Königs. Damit find die an der Ermordung Alexanders und Dragas beteiligten Offiziere sämt lich aus ihren Stellungen am Hofe des Königs entfernt. Die Regierung verstän digte die italienische und die russische Regierung telegraphisch hiervon und erhielt aus Petersburg sofort die Antwort, daß der russische Gesandte beim Vatikan, Gubastow, zum russischen Gesandten in Belgrad ernannt worden sei; der italienische Geschäftsträger in Belgrad wurde von Rom aus angewiesen, sofort einen offiziellen Besuch am serbischen Königshofe zu machen. König Peter hat aber auch nicht vergessen, daß die Königsmörder auch „Königsmacher" waren, er ernannte den Obersten Masch in zum Chef des General stabes. (!) Asten. *Die englische Tibetexpedition hat nunmehr ihre erstenZusammenstöße mit tibetanischen Truppen gehabt. In zwei Treffen wurden die Tibetaner zurückgeworfen. Ihr Lager bei Guru wurde genommen. Oberst Aounghusband und General Macdonald (die Führer der Expedition) waren von Tuna weiter vorgedrungen und vier Meilen davon mit den tibetanischen Führern zusammengetroffen, die auf den Rückzug der Expedition bestanden. Die Engländer setzten dessenungeachtet ihren Vormarsch fort, die Tibetaner leisteten Widerstand und gaben aus Luntengewehren Feuer, durch das englische Soldaten verwundet wurden. In den darauf erfolgenden beiden Scharmützeln büßten die Engländer 12 Mann ein. Die Verluste der Tibetaner werden auf 400 bis 500 Mann geschätzt. Unter den Toten befindet sich ein tibetanischer General. * Aus der türkischen Hauptstadt kommt die Kunde von einem furchtbaren Blutbade, das Beduinendes Hedschas unter mohamme danischen Pilgern angerichtet haben, als diese auf der Rückkehr von der Wallfahrt nach Mekka ihr Gebiet durchzogen; 4000 Pilger sollen von den grausamen Beduinen niedergemetzelt worden sein. Als Grund für die Mordtaten wird die Mittellosigkeit der von den heiligen Stätten zurückkehrenden Pilger augegeben, die infolge der Aussaugungen des Walis von Hedschas so von allem entblößt waren, daß sie den Durchzugstribut an die Beduinenhäuptlinge nicht zu entrichten ver mochten. (Die Pilgerfahrt nach Mekka und die Vollziehung der dazu gehörigen Umzüge um die Kaaba, das Nationalheiligtum des Islam, gehört zu den vornehmsten religiösen Pflichten der Mohammedaner. Nach der Lehre des Islam soll jeder Gläubige einmal im Leben dieser Pflicht Genüge leisten. Die Zahl der aus allen Himmelsrichtungen nach Mekka strömenden Pilger beläuft sich in neuerer Zeit ans ungefähr 80—100 000.) Das koreanische Uriegstheater. Das Vorpostengefecht von Tschöngdschu, über das bereits berichtet wurde, ist voraus sichtlich nur der Anfang einer Kette von Zu sammenstößen zwischen den Japanern und den Russen auf dem nordwestlichen koreanischen Kriegsschauplätze gewesen. Der weitere Gang der Operationen ist wesentlich durch die Topo graphie des Landes bedingt. Das für einen Vormarsch aus Korea nach der Mandschurei zu nächst in Frage kommende Grenzgebiet ist in folge seines gebirgigen Charakters und damit verbundener geringerer Dichtigkeit der Bevölke rung arm an Städten und auch an Dörfern. Die meisten größeren Orte find von Ziegel- odcr Lehmmauern, seltener steinernen Mauern, umgeben, die zum Teil von Türmen flankiert werden. Mögen diese uralten und arg ver nachlässigten Befestigungen auch auf die Dauer keinen Widerstand leisten können, so ist, wie die Merl. Ztg.' schreibt, ihre Verteidigungs fähigkeit für den FeldLisg doch nicht zu unter schätzen. Das gebirgige Grenzgebiet zeichnet sich durch wilde Formen bei völliger Waldlosigkeit aus und ist nicht in der Lage, eine Armee zu er nähren. Die fruchtbarsten und bestangebauten Teile Koreas liegen außerhalb des eigentlichen Kriegsschauplatzes. Die Hilfsquellen sind nicht so gering, wie vielfach angenommen wird. Korea mit seiner fast ausschließlich ackerbau treibenden Bevölkerung kann, wenn auch nicht in dem Maße wie die Mandschurei, zur Ver pflegung eines größeren Heeres wohl beitragen. Die Flüsse und Bäche entsprechen dem ge birgigen Charakter des Landes. Sie sind zu meist Gebirgsbäche Im Winter — von Mitte November bis Ende März, in dem Tempe raturen von — 25 Grad Celsius keine Selten heit find, frieren die kleineren Wasserläufe bis auf den Grund zu; im Sommer, der drückend heiß ist und in dein das Thermometer im Durchschnitt auf 24 bis 30 Grad Celsius zeigt, trocknen sie aus; in den Regenperioden im Mai und später von Mitte August bis Mitte Sep tember verwandeln sie sich in alles mit sich fort reißende Ströme. Größ« Überschwemmungen find dann die Regel. Die für die Kriegsoperationen wichtigsten Wasserläufe find der Jalu und der Turnen. Der Jalu, der einen Teil der Grenze zwischen der Mandschurei und Korea bildet, entspringt am Südwestfuße des Paktysan (Paischan). Seine Gesamtlänge beträgt 480 Werst (1 Kilo meter gleich 0,94 Werst.) Hauptsächlich wird er zum Holzflößen benutzt; er erschließt ein un gemein waldreiches Hinterland, was bei dem Holzmangel von großer Bedeutung ist. Bei Widschu erweitert sich das Jalutal bis zu 5 Werst Breite. Die Ränder des Tales erheben sich 100—120 Meter über den Wasserspiegel des Flusses; das mandschurische Ufer überhöht das koreanische. Unterhalb Widschu teilt sich der Fluß und mündet schließlich in einem Delta von 30 Werst Breite, das sich zurzeit der Regengüsse in einen zusammenhängenden See verwandelt. Westlich Widschu ist der 600 Meter breite Jalu zu passieren; die im Herbst nicht vom Wasser bedeckten Sandbänke erleichtern den Brückenschlag. — Der Tumen, der die Grenze zwischen Korea und dem russischen Küstengebiet sowie einen Teil der Grenze zwischen Korea und der Mandschurei bildet, mündet, 375 Werst lang, 40 Werst südlich Poßjet, in das Japa nische Meer. Sein Charakter ist der des Jalu; das koreanische Ufer überhöht das russische. Die vorhandenen Wege sind wenig zahlreich und schlecht. Kunststraßen gibt es nicht. Die günstigste Jahreszeit für den Verkehr ist noch der Winter. Zur Regenzeit verwandeln sich die Wege zum Teil in kaum passierbare Sümpfe, die Reisfelder im Norden Koreas werden ein grundloses Terrain. Truppenbewegungen sind dann so gut wie ausgeschlossen. Eine weitere Erschwerung für den Verkehr ist das Fehlen brauchbarer Brücken. Die meisten Flüsse und Bäche müssen mit Benutzung der Furten durch watet werden. Die Trains beider Armeen tragen den schlechten Wegeverhältnissen Rech nung, indem sie fast alle schweren Fahrzeuge ausschalteu und den zweirädrigen Karren als Haupttransportmittel benutzen. Schwierig wird jedoch der Transport der Artillerie sein. Der günstige Verlauf der Operationen wird wesent lich mit von dem Verpflegungsnachschub und der geschickten Benutzung der Transportmittel abhängen, wobei den Japanern die teilweise Herrschaft über das Meer zugute kommt. Von unä fern. Ein fetter Prozeß. Auf 37 Mill. Nik. hat das Gericht den Streitwert in dem Prozeß der Stadt Berlin gegen die Große Straßen bahngesellschaft festgesetzt. Hiernach beträgt die einfache Gerichtskostengebühr 185 040 Mk.; diese Gebühr verdoppelt sich, wenn es zum Urteil kommt, und verdreifacht sich, wenn eine Beweis aufnahme angeordnet wird; in der ersten Instanz können also rund 545 000 Mk. Gericbts- kosten entstehen. In der höheren Instanz sind die Kosten noch höher. Die Gebühren jedes Anwalts betragen 74 418 Mk., und, wenn es znr Beweisaufnahme kommt, 111627 Mk. Beim Reichsgericht erhöhen sich die Gebühren der Anwälte um 30 Prozent. Auf einige Milliönchen au Kosten kann sich demnach der unterliegende Teil gefaßt machen. Billige Hase». In dem Hinterlande des Pachtgebietes Kiautschon haben sich, da seit Jahren Überschwemmungen nicht eintraten, die Hasen stark vermehrt. Der Chinese fängt sie in Netzen, schätzt aber ihr Fleisch nicht, sondern Verlaust sie an die Europäer. Sie stehen so niedrig im Preise, daß sie kaum mehr wert sind, als die Kosten eines Schusses Pulver. Ein Einbruch wurde in das Bahngebäude der Station Obernburg verübt. Die Billettkasse mit einem Betrage von 80 Mk. sowie Postwert zeichen und mehrere Postbeutel mit bedeutendem Inhalt wurden gestohlen. Man fand die Post- beutel entleert auf einem Lagerplatz. Von den Tätern fehlt jede Spur. Ein schreckliches Liebesdrama hat sich in der Nähe von Lenzfried zugetragen. Einige Personen bemerkten zwei Leichen auf dem Rasen liegend. Bei den Leichen fand man einen Zettel, der die Lösung des Rätsels geben sollte. Aus diesem war ersichtlich, daß der Herr der Photograph Hammer von Neuulm und die Dame die 25 jährige Restaurateurs tochter Emma Schneider aus Senden bei Neu ulm ist. Weiter war auf dem Zettel die Bitte ausgesprochen, den Onkel des Selbstmörders und die Eltern des unglücklichen Mädchens von dem Ereignis zu verständigen. Neben den Leichen lagen zwei Gistfläschchen, von denen eines noch ungeöffnet, während das andere zur Hälfte geleert war. A Vie Mläernkcken 6rben. 25s Roman von M. Brandrup. (Fortsetzung.) Eine Zeit voller Arbeit kam nun für Mutter und Tochter, aber sie erschien beiden wie ein wahrer Gottessegen. Besonders empfand Fanny die Wohltat einer ansprechenden Beschäftigung, denn in ihr gelangte sie, wenigstens für Stunden, zu einem gewissen Vergessen des Gespenstes, als welches ihr doch, trotz der guten Worte Marie Brauns, immer noch der in Aussicht gestellte Termin mit seinen Folgen vorschwebte. Etwa nach einer Woche holte Fräulein Braun Fanny spät abends zu sich herüber und erzählte ihr, daß ein ihr befreundeter Rechts anwalt ihr nach eingehender Unterhaltung ge sagt habe, er sei der Überzeugung, daß die ganze Sache im Sande verlaufen werde, da seiner Ansicht nach der Kriminalpolizist seine Befugnisse durch die Verhaftung der Dame bereits weit überschritten habe, was ja allerdings einzelnen übereifrigen Beamten öfter passiere. Fanny war über diese Mitteilung sehr froh, wenngleich sie es nicht verwinden konnte, daß man sie in der Gesellschaft eines gemeinen Verbrechers auf die Polizei gebracht und mit andern Verbrechern zusammen interniert hatte. Der Gedanke daran trieb ihr jedesmal heiße Schamröte ins Gesicht, und sie kam sich selber wie besudelt vor durch die unreinen Be rührungen, denen sie im Polizeigewahrsam aus gesetzt worden war. Die Ansicht des von Fräulein Braun befragten Juristen erwies sich übrigens als richtig. Nach etlichen Wochen er hielt Frau v. Hagel eine Vorladung, die sie aller dings so mit Schrecken und Angst erfüllte, daß das gute Fräulein Marie sie gar nicht allein gehen lassen wollte, sondern sie begleitete. Vor Ada hatten die Damen ihren Ausgang damit erklärt, das Fräulein Braun in Stiftsrenten- Angelegenten zum Notar müsse und Frau von Hagels Begleitung wünsche. Der freundliche Beamte, der die Vernehmung Fannys vorgenommen hatte, empfing fie im Gerichtszimmer und teilte ihr mit, daß von einem weiteren Verfolg der Angelegenheit abge sehen worden sei, da einmal Frau Auguste Michalska keinen Strafantrag gestellt habe und da es sich bei den angestellten Recherchen er geben habe, daß Frau v. Hagel eine an ständige, wenn auch bescheidene Existenz zu führen imstande sei durch ihre Aufträge für Kunsthaudarbeiten, daß die Obrigkeit daher an nehme, der betreffende Kriminalbeamte sei in der Erregung über den bei Frau Michalska festgestcllteu Diebstahl etwas zu weit gegangen. Leichteren Herzens eilten die Damen nun nach ihrer Wohnung zurück. Bei ihrer Heimkehr wurden die Damen von den Kindern mit Jubel begrüßt, die sich damit belustigten, einen Schneemann im Garten zu bauen. Eben wollten fie ihm die Nase ansetzen, und waren nur uneinig, welches Modell fie kopieren sollten. „Pfui, ist das 'ne Gurke! — Nimm dir doch, wenn du es durchaus sein willst, der dem Kerl seine Stase gibt, eine zum Muster, wie fie, nun, wie fie Ada zum Beispiel hat!" Ada unterbrach sofort das Spiel — wodurch fie von ihrer Arbeit fort und in den Garten ge rufen worden war — und hielt der Mutter ein Schreiben hin, das der Briefträger soeben ge bracht hatte. „Denke nur, Mama," rief fie, ein Brief Ms Rumänien! Hast du denn dort Bekannte oder Freunde?" „Nein, Kind," entgegnete Fanny in hohem Grade erstaunt, nahm aber den Bries und schritt von den andem gefolgt ins HauS. Nachdem fie abgelegt, schnitt fie das umfangreiche, von einer ihr gänzlich unbekannten Hand adressierte Kuvert auf. Zum Erstaunen von Mutter und Tochter fiel nun ein zweiter Brief aus dem Umschlag, in dessen Aufschrift Fanny die Hand schrift Charlotte Mains erkannte. Der kleine Bogen aber, den man um dieses Schreiben gelegt, enthielt folgende Worte: „Frau Fanny von Hagel P.... in P Inliegender, mit Ihrer Adresse versehener Brief war in ein Päckchen mit Drucksachen ge raten. das mir unter Kreuzband Ms K . . . . gesendet wurde. Ich erlaube mir nun, Ihnen das für Sie bestimmte Schreiben zuzuschicken, und tue dies unverzüglich nach Empfang der inhaltreichen Sendung. Hochachtend Dr. Joseph Siamziew." „Welch ein sonderbarer Zufall I" rief Fanny und erklärte der Tochter das Mißgeschick, dem der Brief Charlotte Mains zum Opfer gefallen war. Dann erbrach fie diesen, an die acht Tage denkend, die er unterwegs gewesen. Nur einen Blick warf fie auf seine Zeilen, als fie einen Schrei ausstieß. „Schon wieder eine schlechte Nachricht?" fragte Ada. Ihre junge Stiefmutter aber faßte fie bei der Hand: „Laß uns zu Fräulein Braun gehen," rief fie, „dort sollst du alles erfahren - mit der Guten zugleich, die ja so viel Teil- nähme für unser Geschick hegt." Schluchzend sank die junge Frau der alten Dame um den Hals, und erst nach einer langen Weile erfuhr diese und die vor Erregung bebende Ada, daß Herr von Mildem gestorben sei, ohne vorher das so oft besprochene Testament ge macht zu haben. „Ich schreibe Ihnen, anstatt zu telegraphieren," hieß es in dem Briefe Charlotte Mains, „weil ich Sie ja doch nicht bitten kann, schon zu der Beisetzung Ihres Großonkels herüberzukommen. Mein Brotherr hat es mir nämlich sozusagen auf die Seele gebunden, ihn ohne jede Feierlichkeit, nur in meiner und seiner beiden Neffen Begleitung zur Gmft bringen zu lassen. Dazu bestimmte der Heimgegangene, daß dies in der Nacht geschähe. Hierin soll auch dem Willen meines Herm Genüge getan werden, und zwar findet die Bei setzung zwischen morgen und übermorgen statt. Der Tote ist also bereits neben seiner teuren unvergeßlichen Gattin zur ewigen Ruhe ge bettet, wenn Sie diese Zeilen erhalten. In Ihrem eigenen Interesse ersuche ich Sie aber, meine liebe Fanny, jetzt so bald es Ihnen nur irgend möglich ist, Ihren Hausstand in P. auf zulösen und in Begleitung Ihres Stieftöchter chens nach Groditten zu kommen, wo Sie alles übrige erfahren werden."
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