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Die „Vttendsrfec Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen y20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag so Uhr. Inserate werden mit so Pf. für die Sxaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Mkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr. 33. Freitag- den 18. Mär; 1904. 3. Jahrgang. Oertliches nnd Sächsisches. Bttendorf-Mkrilla, s7. März 1904. — Das Lotleriegesetz, welches nunmehr auch von der Zweiten Kammer des Landtags geneh migt ist und demnach mit dem 1. April in Kraft tritt, verbietet auch das Spielen derjenigen Kassenlose ausländischer Lotterien, in deren bis zum .,1. April laufenden Vorklassen man IN Sachsen spielen durste. Das begonnene Spiel in der Preußischen, Hamburger, Braun schweigischen, Mecklenburgischen oder in einer anderen dergleichen Staats- oder sonstigen Lotterie darf man also in jenen Klassen, die nach dem 1- April gezogen werden, in Sachsen nicht fortsetzen. — Nachdem im Königreiche Sachsen bereits am 1. Mä z die Schonzeiten für männnliches Not- und Damwild, weibliche W.lokälbsr und Ziemer (Krammetsvögel) begonnen hat, nahm am 15. März die bis zum 1. Juli dauernde Schonzeit für Wildenten ihren Anfang. Es dürfen nunmehr in sächsischen Revieren außer den jagdschutzlosen Tieren nur noch, und zwar bis 15. Mai, Auer- Birk- und Hasclhähne, sowie Schnepfen geschossen werden. — Bekanntlich war es bisher jeder einzelnen Eisenbahnverwaltung überlassen, Expreßgut zur Beförderung anzunehmen oder nicht. Mit dem 1. April wird hierin eine wesentliche Änderung insofern eintreten, als nunmehr für alle deut schen Bahnen einheitliche Bestimmungen hierüber eingeführt werden sollen. Expreßgut kann nämlich künftig nach allen Stationen aufgegeben werden, die für den direkten Gepäckverkehr eingerichtet sind. Als Begleitpapiere ist den Sendungen vom Absender eine Estenbahnpaketadreste (ähn lich der Postpaketadresse auf blauem Kartonpa piere) beizugeben. Auf eine Estenbahnpaket- adreste können bis zu fünf Stück aufgeliefcrt werden. Die Beförderung erfolgt mit den Per sonen- und den hierfür sreigegebenen Schnell zügen; die Lieferfrist endet in der Regel nach Ankunft des Zuges, mit dem die Beförderung zu geschehen Hal. Der Expreßguiverkehr wird daher für den Transport eiliger Sendungen, insbesondere leicht verderblicher Artikel, erhöhte Bedeutung erlangen. — Die Sterbekasse des Landesverbandes evangelischer Arbeitervereine im Königreiche Sachsen welche am 1. Oktober 1902 ihre Tä tigkeit begann, hat sich dem soeben erschienenen Rechenschaftsbericht zufolge im Jahre 1903 ge deihlich weiter entwickelt. Am 1. Januar des Berichtsjahres gehörten der Kasse 1398 Mit glieder mit einem Vermögen von 110 200 M. an, während am Jahresschjuß an der Kasse be teiligt waren 1707 Mitglieder mit einem Ver sicherungsbeitrag von 103 800 Mk. Die Mit glieder verteilen sich über das ganze Königreich Sachsen. Die Kasse leistet Sterbegelder von 50 bis 400 Mark und gestattet auch den Frauen der Mitglieder evangcltscher Arbeitervereine den Beitritt. Bilanz schließt mit 13 628 Mk. ab und weist unter anderem die Gewährung von 1660 Mark Sterbegeldern an 24 verstorbene Mitglieder nach. Das Vermögen der Kasse be ziffert sich auf 13 392 Mark Die Sterdekaste des Landesverbandes hat sich dadurch gut ent wickelt, daß sie mit dec ehemaligen Sterbekasse des Dresdner evangelischen Arbeitervereins ver einigt wurde. Im laufenden Jahre sind der nur im Interesse ihrer Mitglieder arbeitenden Versicherung bereits wieder 55 neue Mitglieder mit 9200 Mk. Versicherungsbetrag beigetreten — Die letzten Reichstagswahlen im König reich Sachsen haben der sächsischen Sozialdemo kratie, wre aus dem jetzt herauügegebenen Jahres bericht des Zentralkomitees hervorgeht, insgesamt 123 539 Mark gekostet. Wahlberechtigt waren in Sachsen 909 865 Personen, von denen 750 795 von ihrem Stimmrecht Gebrauch ge macht haben. Hiervon erhielt die Sozialdemo kratie 441 764 Stimmen (gegen 299 090 im Jahie 1898). Versammlungen zur Wahlagi tation veranstaltete die Sozialdemokratie 982, Flugblätter wurden in einer Gesamtauflage von 5 583 700 Exemplaren verbreitet. Was die Partei selbst anbelangt, so zählte diese im Ge- ickäftsjahre 1903/04 38 764 Mitglieder (gegen 29116 im Vorjahre). — Am Sonntage fanden im 20. sächsischen NeichstagSwahlkreise (Zschopau-Marienberg) nicht weniger als 20 sozialdemokratische Volks- und Wählerversammlungen statt. Dresden. Eure irtternationale Diebesbande, )eren Spuren nach Wien und London führen oll, treibt unmittelbar unter den Augen der Polizei ihr Wesen und erhält die hiesige Ein wohnerschaft in steter Aufregung. Insonderheit ;at es die Bande auf die großen Goldwaren- und Juwcliergeschäfte in der See- und Prager Straße abgesehen, und hier sind in letzterer Zeit verschiedene große Geschäfte vollständig auöge- plünüert und Wertsachen im Werte vieler Tau sende geraubt worden. Obgleich ein großes Polizei-Aufgebot, sowie die Beamten der Dres dener Schließgesellschaft seit Wochen fieberhaft mtig sind, die Diebesbande zu ermitteln, sind alle Bemühungen bislang ohne Erfolg geblieben, und zum Hohn hat die Bande in der Nacht vom Sonntag zum Montag abermals ein n Einbruch, und zwar in das Neubertsche Gold warengeschäft m Dresden-Neustadt, verübt, der alle anderen Einbrüche in den Schatten stellt Die Bande hat an stark belebter Straße gear beitet, das ganze Geschäft ausgeplündert und über 100 goldene und silberne Uhren, viele goldene Ketten, Broschen, Ringe usw. iin Werte von mehr als 3100 Mark erbeutet. Die Diebe sind, wie auch früher, unentdeckl geblieben. Die Polizei arbeitet fieberhaft, doch wächst die Er regung unter den Geschäftsinhabern bei der Un sicherheit ständig. Radeberg. Das Geschäftsjahr 1903 der sächsischen Glasfabrik hier erweist sich nach dem soeben erschienenen Geschäftsbericht als ein außer ordentlich günstiges. Er brachte einschließlich eines Vortrags aus dem Vorjahre in Höhe von 36 410,42 Mark einen Bruttogewinn von 383 461,67 Mark. Lößnitz. Die Kommission, welche die Frage der Vereinigung der Gemeinde N'ederlößnitz m l der Nachbargemeinde Kötzschenbroda zu erörtern hatte, ist zu dem Endbsschlusse gekommen, daß in rein finanzieller Beziehung das Interesse an der Vereinigung lediglich auf feiten der Ge meinde Kötzschenbroda liege, da bei Vereinigung eins kleine Höhcrbelastung von Niederlößnitz ein- lreten müßte. Es wird Aufgabe der beiden Gemeinderäte sein, zu beraten, ob Niederlößnitz freiwillig diesen kleinen Nachteil auf sich neh men und andererseits ob Kötzschenbroda der Gemeinde Niederlößnitz eine Steuerermäßigung auf eins gewisse Reihe von Jahren hinaus ge währen will. Meißen. Zu der Meldung, daß sich in Witten ein Johannes G. bei der Polizeibehörde mil der Angabe gestellt habe,, in der vorigen Woche seinen in Meißen als Prokuristen tätigen Bruder K. G. durch Cyankali vergiftet zu ha ben, und zwar, weil dieser sich geweigert Habs, ihm weiter in seinem Fortkommen behilflich zu sein, erfährt das hiesige „Tageblatt" zuverlässig, daß die Selbstbeschuldigung und die Inhaft nahme Tatsache ist, der Giftmord aber nur in cer kranken Phantasie des Johannes G- existiert oder von ihm erfunden wurde, um vorüber gehend ein Unterkommen zu erlangen. Johan nes G hat dieses Manöver sch n einmal aus geführt und damals wie jetzt konnte die hiesige Polizeibehörde der anfrageuden auswärtigen Behörde die beruhigende Gewißheit verschaffen, daß der angeblich Vergiftete noch wohl und ganz munter sei. Großenhain. Ein Unfall stieß in ver- wichener Nacht dem Weber Sch. zu. Er stieg im Nachbargrundstück auf ein Pappdach, um von diesem in den Hof seiner Behausung zu springen und so in seine Wohnung zu gelangen. Dabei mag Sch. zu Falle gekommen sein, wo durch er sich einen Beinbruch zugezogen hat, in welcher Situation man ihn heute Morgen am Boden liegend vorfand. Es erfolgte seine Über- ührung nach dem Krankenhause. Pulsnitz. Für das hiesige Diakonat wurde der Predigtamtskandidat Resch in Leipzig gewählt. Freiberg. Hier Hat sich eine 38 Jahre alte Wirtschafterin vergiftet. Sie sollte in Kürze ihre Stellung verlassen. Wie aus dem hinter lassenen Briefe hervorgeht, fiel ihr der bevor stehende Abschied von den bisher ihrer Obhut anvertrauten Kindern so schwer, daß sie Selbst mord beging. Waldheim. Das in vielen sächsischen Pro- vinzstädten lebendige Bestreben der Erforschung und Darstellung der Vergangenheit hat hier die Absicht gezeitigt, ein Altertumsmuseum zu er richten. Der Stadtrat unterstützt die Sache aufs wärmste und fordert die Einwohnerschaft auf, ihm alle Altertümer schenkungs- oder leih weise zu überlasten. Außerdem sollen im Nat hause Räume für das Museum zur Verfügung gestellt werden. Es sind bereits wertvolle Schen- Kngen gemacht worden. Das Museum besitzt unter anderem die Wsißkerschen Sammlungen und kostbare Altertümer dec hiesigen Weber- Innung. Frankenberg. Die am letzten Sonntag in Chemnitz abgehaltene sozialdemokratische Par tsiversammlung des 15. sächsischen Reichstags wahlkreises (Frankenberg-Mittweida) beschloß, im Monat April für den 15. Kreis eine Ge meindevertreterkonferenz einzuberufen, in der die Beschlüsse der Landesversammlung in Gemeinde- angelegenheiten erörtert werden sollen. Chemnitz. In der gestrigen Sitzung des Schwurgerichts, das über den Mord auf dem Fichtelbergs zu verhandeln hat, wurde das Zeu genverhör fortgesetzt, das für Häckel einige be lastende Momente ergab, insbesondere die Aus sage des Oberförsters Müller-Unterwiesenthal, dem die Auffindung der Leiche des Ermordeten zuerst gemeldet worden war und dec nach der Bergung Häckel entdeckte, der in der Nähe ver steckt zugesehen hatte, dem Gendarmen Schubert- Oberwiesenthal jedoch gesagt hatte, er wolle zur Bergung der Leiche gehen, um sich dabei etwas zu verdienen. Vermutlich hat Häckel auch erst die Absicht gehabt, dann aber den Mut ver loren, seine Hilfe anzubieten. Als Sachver ständige wurden Herr Medizinalrat Dr. Stüber- Dresden, der die Obduktion der Leiche leitete, und Professor Dr. Kockel-Leipzig, der die Blut spuren an Häckels Gegenständen mikroskopisch zu prüfen gehabt hat, vernommen. — Beide Angeklagte wurden freigsspcochen. — Die Chemnitzer Paulikirche hat eine neue Orgel erhalten. Sie besitzt 77 beziehungsweise 80 Stimmen und ist nach dem Gutachten des Organist Gerhardt in Zwickau von den Orgel bauern Gebrüder Jehmlich in Dresden gebaut worden. Das Werk ist das viertgrößte Orgel werk Sachsens und besitzt große Klangschönhsit. Lugau. In einem hiesigen Gutshofe wurde am Sonnabend ein unbekannter Mann erfroren aufgesunden. In betrunkenem Zustande hatte er sich in den Hof eingeschlichen und dort die ganze Nacht geschlafen. Rochsburg. Am Sonnabend ereignete sich in der Braunfchen Fabrik ein schweres Unglück, dem der Werkführer Hendel zum Opfer fiel. Die Transmission erfaßte den Unglücklichen und schleuderte ihn solange herum, bis ihm das eine Bein vom Leibe gerissen, das andere ausgerenkt über dem Kopfs lag. Der Leib war aufgeristen, sodaß das Gedärm zutage trat. Nachdem das Getriebe zum Stillstand gebracht und der Ver unglückte an der Welle losgemacht worden wa^, hauchte er nach wenigen Minuten in^Gegenwart seines Sohnes, der Zeuge dieses traurigen Vor ganges war, seinen Geist aus. Leipzig. Das Reichsgericht hat die Re vision der Redakteure Paul Leid und Julius Kaliski, die wegen Veröffentlichung des Kaiser insel-Artikels im „Vorwärts" am 16. Oktober v. I. vom Landgericht Berlin I verurteilt wor ¬ den waren, und zwar Leid wegen Majestätsbe leidigung zu neun Monaten Gefängnis und Kaliskr wegen Beleidigung des Hofmarschalls von Trotha zu vier Monaten Gefängnis, ver worfen. Meerane. Nachdem nun seit zwei Jahren unsere Wasserleitung im Betrieb ist, die einen Kostenaufwand von über 1 Million Mark ver ursachte, steht unsere Stadt wiederum an der Ausarbeitung eines kostspieligen Projektes, das ungefähr 100 000 Mark verschlingen wird, nämlich der Bau einer Kläranlage. Der durch die hiesige Stadt fließende Bach dient den Fär bereien der Stadt zur Ausnahme der sogenann ten „Färbeceiflotte", wodurch das Bachwasser in allen Farben schillert und einen unangeneh men Geruch verbreitet. Die unterhalb des Baches liegenden Ortschaften haben aus letzterem Grunde wiederholt Beschwerde geführt, so daß das Mi nisterium schließlich der Stadt ausgegeben hat, eine Kläranlage zu errichten, damit das Master das Stadtgebiet in gereinigtem Zustande ver lassen muß. Crimmitschau. Ein neuer wirtschaftlicher Kampf, und zwar ein Bierboykott scheint sich in unserer Stadt abspielen zu wollen. Herr Brauereibesitzec Mummert hat nach Beendigung der Mälzerei wie üblich zweien seiner Arbeiter gekündigt und dies wird benutzt, um einen neuen Kampf heraufzubejchwö en. In einer am heu tigen Abend abgehaltenen öffentlichen Volksver sammlung wurde in einer Resolution beschlosten, das Bier der genannten Brauerei so lange zu meiden, bis der Kampf zu grinsten derBrauerei- ocganisation beendet ist. Von den bei Herrn Mummert beschäftigten 8 Bcaugehilfen gehören 5 der Organisation an, infolge der dadurch her- beigefühcten öfteren Unzuträglichkeiten hat nun der Besitzer, zweien derselben und darunter dem Vertrauensmann gekündigt. Der Referent der Versammlung, Gauverlreter Schönlein-Leipzig, erklärte die Kündigung als einen Schlag gegen die Organisaiion, zu welchem die Arbeiterschaft Stellung nahmen müsse. — Über den gefaßten Beschluß wird in der ganzen Bürgerschaft be reits Mißfallen ausgesprochen, denn Herr Mum mert, welcher sich allgemeiner Beliebtheit erfreut, ist im stillen ein sehr großer Wohltäter und hat er dies auch im Textilarbeiterausstaud bewiesen. Die Sympatie unserer Einwohnerschaft steht ganz auf feiten des Herrn Mummert und ge schädigt werden dadurch jedenfalls nur eine An zahl Wirte. Cranz ahl. Am Sonnabend Nachmittag hat sich der 21jährige, hier konditionierende Kommis Walter M. aus Riltersgrün in Anna berg mittels Revolvers sechs Schüsse in den Oberkörper beigebracht, die jedoch edle Teile - icht verletzten. Der Lebensmüde behauptete zunächst, im WAde von einem unbekannten Mann eingeschossen worden zu sein, was sich jedoch durch die polizeilichen Erörterungen als fingiert hcrausstellte. Der Grund zur Tat ist in einer gegen ihn ausgesprochenen Verdächlgung zu suchen. Zwickau. Ein Raubanfall wurde vor ei nigen Tagen am Hellen lichten Tage in der Reinhoidscben Ziegelei auf Niederplanitzer Flur von einem unbekannten jungen Burschen an der 14 Jahre alten Tochter der Gutsbesitzerswitwe Schubert aus Stenn verübt, indem der von Lichtentanne kommende Fremde dem Mädchen, das Butter zu ihrer Tante in Niederplanitz trug, nachlief, es einholle, von hinten zu packen be kam, festhielt und ihm das Portemonnaie aus dec Rocktasche herauünahm. Zum Glück ist das Portemonnaie leer gewesen. Vor Schreck halte das Mädchen nicht schreien können. Als der Bursche das Portemonnaie leer bemerkte, hat er dem geängstigten Mädchen nachgerufen: „Warte nur, wenn Du wiederkommst, wirst Du schon Geld habm." In Begleitung eines Dienst knechts ist das Mädchen wieder nach seinem Wohnorte zurückgcbracht, der Fremde aber auf dem Rückwege nicht angetroffen worden.