Volltext Seite (XML)
Die „Gttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Host bezogen i,20 Mark. Druck und Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Kandel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bi, vormittag w Uhr. Inserate werden mit w Pf. für die Sxaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Verlag von Hermann Rühle in Groß-Mkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 38. Mittwoch, den 30. Mär; 1904. 3. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Bttendorf-Nkrilla, 2g. März 1904. — Zur Erleichterung des Besuches der Leip ziger Ostermesse wird die Sächsische Staatsbahn verwaltung auch in diesem Jahre wieder einen Sonderzug zu ermäßigten Preisen von Dresden nach Leipzig ablassen. Als Verkehrslag ist sicherem Vernehmen nach Sonntag, der 10. April in Aussicht genommen. — Die Sächsische Staatsbahnverwaltung ge währt für diejenigen Tiere und Gegenstände, die auf nachfolgenden Ausstellungen ausgestellt werden, frachtfreie Rückbeförderung auf den ihr unterstelltrn Linien unter den üblichen Beding ungen : Geflügel- und Kaninchenausstellung in Gablonz a. N. am 3. und 4. April, Hunde ausstellungen in Braunschweig am 16. und 17. Aprsi, in Jena am 11. und 12. Juni und in Crimmitschau am 31. Juli, Mastviehausstellung in Berlin vom 4. bis 5. Mai, Pferdeausstellung in Dresden-Seidnitz vom 14. bis 16. Mai und Ausstellung von lebenden Bienen, Bienen produkten und Geräten für Bienenzucht in Gera vom 7. dis 9. August. — Für die sogenannte Sachsengängerei ist jetzt die Hochsaison. Wie aus Myslowitz in Oberschlesiien berichtet wird, kamen dort dieser Tage 3000 galizische Arbeiter an. Sie wurden alsbald mit der Bahn weiterbesördcrt. Der Zuzug hält an und ist so stark, daß gar nicht genug Eisenbahnwagen vorhanden sind, um die Leute gleich alle weiter zu schaffen. — Um eine wirksame Vertretung der ge werblichen Interessen des Saalgewerbes herbei- zuführen, haben im Kreis Zwickau, und zwar im Bereiche der Amishauptmunnschaften Schwar zenberg, Auerbach, Plauen, Ölsmtz und Zwickau, in verflossener Woche Begründungen von B-zirks- vereinen des Verbandes der Saalinhuber Sach sens stattgefunden, welche abermals einen statt lichen Mitzliederzuwachs herbeiführten, so daß heute die Landesvereinigung bereits 1250 Mit glieder umfaßt. — In letzter Zeit ist wiederholt und ins besondere aus der Mitte des Landeskulturrates heraus, sowie von den Ständen über rücksichts loses, den sonstigen Straßenverkehr gefährdendes Fahren mit Kraftfahrzeugen Klage geführt wor den. Das Ministerium des Innern hat die Berechtigung dieser Klage anzuerkennen und würde auch bereits selbst zur Herbeiführung einer Abänderung der Verordnung über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen aus den öffentlichen Wegen vom 3. April 1901 verschulten sein, wenn nicht inzwischen, wie schon mrlgeteilt, eine einheitliche Ausgestaltung der einschlägigen Vorschriften inner halb aller Bundesstaaten in Aussicht unv Vor bereitung genommen worden wäre. Einstweilen muß und kann aber recht wohl mit den bis herigen Vorschriften ausgekommen werden, wenn deren Einhaltung nur seilen der zuständigen Polizeibehörden durch energische Aussicht, un nachsichtliches Einschreiten und strenge Bestra fung bei einer jeden Zuwiderhandlung erzwuu- gen wird. Insbesondere wird darauf zu halten sein, daß die zur Sicherung des Straßenverkehrs getroffenen Bestimmungen des Z 15 und vor nehmlich die in den Fällen des Z 16 der Ver ordnung vom 3. April 1901 vorgeschriebenen Fahrgeschwindigkeiten allenthalben befolgt werden. Die Polizei- und StraßenaufsichlSbeamten sind deshalb vor allem dahin anzuweisen, unnach- sichtlich überall einzuschreiten, wo ein Kraftfahr zeug bei Dunkelheit innerhalb von Ortschaften, auf abfallenden Wegstrecken, sowie beim Be gegnen und Überholen anderen Fuhrwerkes schneller jährt als em Pferd in kurzem Trabe, und weiter auf schmalen oder unübersichtlichen Wegestrecken bei lebhaftem Straßenverkehre, an Abzweigungen oder Kreuzungen von Straßen, sowie beim AuS- und insbesondere Einfahren seine Fahrgeschwindigkeit nicht so weit ermäßig daß es auf der Stelle angehalten werden kann. — Das Pilsener Bürgerliche Brauhaus, das seinen „Urquell" bekanntlich vorzugsweise in Deutschland absetzt, seine Blüte und seinen Millionen-Gewinn in erster Linie seinem deut- chen Absatzgebiete zu verdanken hat, stellt sich, wir in der „Tägl. Rundsch." lesen, in die Reihen der fanatischen Deutschenhasser im Pil- ener Rathause. Die tschechischen Machthaber wollen an gehässigem Chauvinismus nicht hinter hren Prager Volksgenossen zurückstehen und beschlossen daher, rein tschechische Straßentafeln anzubringen. Das „Bürgerliche Brauhaus", das eine Virilstimme im Rathause besitzt und das jenen deutschfeindlichen Beschluß der Stadt väter hintanhalten konnte, hieß ihren Vertreter, denfalls für die Abschaffung der bisherigen chechisch-deutschen und für die Einführung rein chechischer Straßentafeln zu stimmen. Dies der Dank jenes Brauhauses, das durch deutsches Geld jene Höhe erreichen konnte, auf der es heute steht. Unter den Deutschen Pilsens herrscht große Erregung ob des Verhaltens des Bürger lichen Brauhauses. Die dummen Deutschen im Reich werden aber trotzdem weiter den „Urquell" trinken. Klotzsche. Am Donnerstag hat sich der zuletzt in Laubegast wohnhafte 24jährige Fleischer Oskar Gerber durch den vormittags 11 Uhr 48 Minuten von Arnsdorf nach Dresden ver kehrenden Personenzug' in der Nähe von hier überfahren lassen. Der Tod ist sofort ein getreten. Dresden. Aus Ärger darüber, daß ihm ron seinem Vater wegen eines verübten Un fuges das Ausgehen verboten worden war, er hängte sich Sonntag nachmittag in der Pirna- iichen Vorstadt ein mehrere Stunden zuvor kon firmierter 14 Jahre alter Knabs. — Am Sonnabend und Sonntag fanden in der Nähe von Dresden zwei Walübrände statt. Der eine entstand am Sonnabend mittag in einem zum Schloß Gauernitz gehörigen Walde, der andere am Sonntag auf dem zum Ritter guts Potschappel gehörigen Osterberge. Von den Feuerwehren wurden die Brände unterdrückt. Aus der Lößnitz. Das Projekt des Schulverbandes für die fünf Lößnitzorlschaften Radebeul, Kötzschenbroda, Serkowitz, Niederlößnitz und Oberlößnitz betreffend die Errichtung einer höheren Schule in Kötzschenbroda ist am Freitag abend endgültig gefallen. Mit 9 gegen 5 Stimmen lehnte der Gemeinde - Vorstand von Kötzschenbroda die Errichtung einer höheren Schule ab. Bautzen. Sonntag früh gegen 6 Uhr hat sich der aus Reichenberg in Böhmen stammende 47 Jahre alte Schlaffer Johann Horak von hier in einer Zelle des städtische Arresthauses enlleibt. Wilsdruff. Zu dem Streik der Holz arbeiter ist heute zu melden, daß zu den neuen Bedingungen nunmehr 59 Tischler arbeiten und 121 sich noch im Streik befinden, 8 sind ab gereist. Meißen. In verwichener Nacht wurden hierselbst in drei Gastwirtschaften Einbruchs- diebstähle verübt. Die Diebe haben sich, wie Anzeichen sicher deuten lassen, nach Großenhain zu gewendet. — Tödlich überfahren wurde am Sonnta nachmittag im rechtselbischen Stadtteil in Meiße ein vierjähriges Mädchen der Familie Grunert Das Kind hatte auf der Straße gespielt un war beim Anrufen des Kutschers direkt in das Gefährt, den Zaschendorfer Omnibus, hinein gelaufen. Riesa. In dem von mehreren Familien bewohnten Dachgeschosse des Bäckermeister Born- schen Hauses am Kaffer - Wilhelm - Platz brach heute nachmittag Feuer aus, das das Dachgeschoß einäscherte. Auch fast die gesamte Habe der Wohnenden, von denen eine Familie nicht ver sichert hat, verbrannte. W uxz e n. Selbstmord verübte der Kammer sergeant St. vom hiesigen Infanterie-Regiment, angeblich aus Furcht vor Strafe wegen Miß handlung Untergebener. Leipzig. Der Stadtrat beschloß die Auf nahme einer ll^-prozentigen Anleihe im Be- rage von 50 000 000 Mark, die zum Teil zur Aufbringung der Kosten des Leipziger Zentral- Bahnhofes bestimmt ist. — Ein Schwindler, der sich Dr. Normann nennt, brandschatzte in Leipzig unter der Angabe, daß er zweiter Anstaltsgeistlicher in Waldheim sii und Beiträge zur Fürsorge für entlassene Sträflinge sammle, eine ganze Anzahl wohl- ätiger Familien mit nennenswertem Erfolge. )er Gauner konnte leider noch nicht dingfest gemacht werden. Crimmitschau. Nach einer erneut vorge- wmmenen Zählung And insgesamt noch 400 Personen arbeitslos, die vom Verband Untei- 'tützung erhalten. Es ist nicht ausgeschlossen, daß sich dis Zahl der Ausgesperrten noch ver mindern wird, dennoch dürfte eine Anzahl Ar- witer für immer arbeitslos bleiben, da alle die jenigen, die während des Kampfes irgend eine führende Stellung bekleideten, keine Anstellung wieder erhalten. Zwickau. An Alkoholvergiftung verstarb in Oberlungwitz auf freier Straße ein Arbeiter von hier. — In einer vom Fabrikbesitzer William Hofmann im Auftrage des Verbandes sächsischer Industrieller nach dem Schwanenschloffe in Zwickau einberufenen Versammlung von In dustriellen aus Zwickau und Umgegend erfolgte Donnerstag abend nach einem einleitenden Vor trage des Verbandssekretärs Dr. Streesemann aus Dresden die Gründung einer Ortsgruppe Zwickau des Verbandes. Wie Dr. Streesemann mittsilte, zählt der Verband sächsischer Jndustrie- ellec infolge zahlreicher Neuanmeldungen gegen wärtig 1050 Mitglieder, welche 150 000 Arbeiter, das ist ein Drittel aller Industriearbeiter Sach sens beschäftigen. Plauen i. V. Unter der Spitzmarke „Hänsel und Gretel und noch eins" schreibt man: Drei Kinder im Alter von 2^/, bis 5 Jahren einer Familie in Pausa hatten sich am Donnerstag un Walde beim Weidensuchen verirrt. Sie fanden den Weg nicht mehr nach Hause und mußten in der Nacht im Walde verbleiben. Unter einem Strauch am Saume des Waldes in der Nähe von 'Oberböhmsdorf bei Schleiz sind die Kinder am Freitag von einem Hand werksburschen aufgefunden worden. Das kleinste der Kinder war schon so erstarrt, daß es nicht mehr zu gehen vermochte. Warmer Kaffee, der ihnen bald darauf in warmer Stube gegeben wurde, brachte aber wieder Leben in die steifen Glieder. Die Eltern weinten vor Freude, als sie ihre Lieblinge, die sie Tag und Nacht ver geblich gesucht hatten, wiedersahen. Aus der Woche. Vom ostasiatischen Kriegsschauplätze zu be richten, macht schon kein Vergnügen mehr; die Zeitungsberichterstatter werden weit zurückge halten, aber sie tun doch immer noch, was ir gend möglich ist. Jedenfalls sind sie fleißiger und mörderischer wie die kämpfenden Heere und Flotten selbst. Sie haben schon zweimal Port Arthur gestürmt, und wenn alle die von ihnen in Grund gebohrten oder doch gefechtsunfähij gemachten Kriegsschiffs wirklich diesem Schicksa verfallen wären, dann gäbe es im Osten keine russische Flotte mehr. Sie haben ferner die Japaner im Rücken der Ruffen landen lassen und teilweise sogar den Betrieb der sibirischen Bahn gestört. Und das alles ohne Dynamit Ekrasit, Lyddit und wie die mörderischen „ite" alle heißen, sondern mittels harmloser Tinte. Wie cs in Wirklichkeit in Ostasten aussieht un welche Aussichten für den einen und den andern Teil der Kriegführenden besteht, läßt sich bei der beiderseitigen Geheimhaltung der Lage ein fach nicht sagen. Ganz anders sieht es — leider! — in Südwestafrika aus, das ein rechtes Schmerzenskind unserer Kolonialpolitik zu werden droht. Der Überfall durch die Hereros, dem eine deutsche Kolonne vor kurzem bei Owiko- korero zum Opfer gefallen ist, zeigt, daß die AufräumunqSarbeiten doch nicht so leichter ind, wie man anfangs anzunehmen Ursache ;atte. Dahinzu treten aber noch.allerhand Ver drießlichkeiten mehr äußerlicher Art. Den einen geht die vom Gouverneur v. Leutwein gefor- >erte Entsendung von Verstärkungen nicht schnell einig, den andern scheint die geforderte Zahl von 1000 Mann bei weitem nicht genügend, die dritten aber möchten vor allem die Schuld rage festgestellt wissen und dazu gehören nicht etwa die Sozialdemokraten allein, sondern auch in so frommes Blatt, wie der „Reichsbote". Daß da unten „Fehler" schwerwiegender Natur vorgekommen sind, läßt sich im Ernste wohl nicht ableugnen; aber der Staat hat immer in erster Linie dis Pflicht, sein Ansehen zur Gel tung zu bringen, denn sonst ist er gar nicht in der Lage, die von ihm bezw. seinen Angestellten gemachten Fehler wieder gut zu machen. Die deutsch-südwcstafrikanische Angelegenheit kommt uns auf alle Fälle sehr teuer zu stehen und es ist nur zu hoffen, daß seitens der verant wortlichen Stellen die nötigen Lehren daraus gezogen werden. Deutschlands Kolonialpolitik ist noch zu jungen Datums, als daß sich über sie schon ein abschließendes Urteil bilden ließe. Es ist früher oft genug beklagt worden, daß die Reichsregierung bei ihrem Kolonial-Regime die schneidigen Assessoren und Leutnants bevor zuge, statt der Kaufleute. Nun gibt es gewiß keinen, der dis Wehlan, Leist, Arenberg und andere ähnlichen Kalibers loben wollte, aber der Herero - Aufstand ist doch nun einmal — daran kann kein Zweifel existieren — den Händ lern zu danken, deren wucherische Härte die armen Halbwilden zu Verzweiflungstaten schlimm ster Art entflammt hat. Die Hereros sind deutsche Schutzgenoffen; aber nicht sie haben diesen Schutz nachgesucht, sondern wir haben ihnen denselben aufgedrängt nach dem Rechte des Stärkeren; deutsche Kaufleute haben ihnen für einige Fässer Schnaps und Pulver, für Spitze, Kattun und Glasperlen in aller Form Rechtens ihre Heimat abgekauft und machen nun von diesem Kaufe teilweise einen Gebrauch, dsr nicht mehr schön ist. Wir bringen die „Kultur" zu ihnen. Du lieber Himmel! Sie haben sich zweifellos früher ohne diese Kultur weit wohler befunden. Indessen ein- für alle mal: mit solchen Sentimentalitäten darf man keine Kolonialpolitik treiben. Hier kann und darf, wenn man Erfolge haben will, nur das Recht des Stärkeren in Anwendung gebracht werden; aber es muß dies — und das muß immer betont werden, — in einer Weise ge schehen, daß der Wilde Hochachtung vor den neuen Herren gewinnt und sich sein Empfinden diesen gegenüber nicht in Verachtung und Haß kehrt. — Mit Schlangenwindungen sucht sich die Pforte dem Drängen der Entente - Mächte nach endlicher Durchführung der versprochenen mazedonischen Reformen immer wieder zu ent- ziehen. Seit Wochen schon besteht wegen der Einrichtung der mazedonischen Gendarmerie ein Hinüber und Herüber. Darüber rückt der Frühling ins Land und lockt von neuem zu Gewalttaten die Komitatschis, die recht zu be halten scheinen mit ihrer Behauptung, daß sei tens der Pforte trotz aller feierlichen Zusage doch nichts geschehen. Der Osterhase, diesmal in warmen Socken und Pelzstiefeln, eilt durch die nur erst spärlich grünenden Wälder und Felder, um zeitig seine Eier zu legen, und di« Sonne weiß noch immer nicht recht, ob sie lä chelnd auf die Erde herniederblicken oder sich ärgerlich hinter Schneewolken verbergen soll; ärgerlich über die Menschen, die immer und immer wieder die frohe Auferstehungsbotschaft vernehmen und doch in ihrer Gesamtheit damit nichts Rechtes anzufangen wissen. Aber der Frühling ist nun einmal da, der Kalender und die allmählich länger werdenden Tage verkünden es, also hinein! Vielleicht wird es doch noch ein echter Frühling mit Blütenduft, Lerchen schlag und Nadelholzgeruch, der die Herzen weitet und über das kleinliche Tagesgezänk erhebt. H-ssm wu'o!