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Ottendorfer Zeitung : 27.03.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-03-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190403271
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19040327
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19040327
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-03
- Tag 1904-03-27
-
Monat
1904-03
-
Jahr
1904
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 27.03.1904
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politische Aunäscbau. Der russisch-japanische Krieg. *Jn der Nacht auf den 22. d. erschienen vor Port Arthur von neuem japanische Torpedoboote. Die russischen Wachtschiffe und Batterien eröffneten das Feuer, das zwanzig Minuten anhielt. Um 4 Uhr morgens wieder holten die japanischen Torpedoboote ihren An griff. Um 7 Uhr morgens erschien das japani sche Geschwader, dem 4 Avisos voraufsuhren. Um 9 Uhr wurde daS Feuer gegen die Jnnenreede eröffnet und von den russischen Schiffen erwidert. (Wie die Affäre geendet hat, sagt die aus russischer Quelle stammende Mel dung nicht.) *Die russischen Offiziers-Patrouillen, die das nördIicheKorea bis zum 40. Breiten grade erkundet haben, berichten übereinstimmend, daß die Japaner große und starke Be festigungen quer über die Halbinsel an legen, und zwar mit vorgeschobenen Stellungen in Jöngpjöng und Hamgjöng, um ihre Rück - zugslinie zu sichern, falls der Feldzug in der Mandschurei einen unglücklichen Verlauf nehmen sollte. Viele Tausende von koreanischen Kulis arbeiten unter Leitung japanischer Ingenieur-Offiziere an diesen Befestigungen, die bald fertiggestellt sein werden; erst dann dürfte ein allgemeiner Vor st oß der Japaner stattfinden. Die erwähnten Be festigungen, werden als nahezu unein nehmbar angesehen, so lange die japanische Flotte die Herrschaft zur See behauptet. * Den Orden d er „P fl aum enb lüte" hat der Marquis Ito vom Kaiser von Korea erhalten. .Reuters Bureau' hebt zur Würdigung dieser Auszeichnung hervor, daß eine derartige Ehrung sonst nur Fürstlichkeiten verliehen wird. * Marquis Ito empfahl in einer Audienz, die er beim Kaiser von Korea hatte, diesem nachdrücklich Reformen, die erst allmäh - l i ch durchgeführt werden sollen, um eine Ver wirrung, wie sie durch die überstürzten Maßregeln des Jahres 1895 verursucht worden war, zu vermeiden. * * * Deutschland. * Das italienische Mittelmeergeschwader unter dem Befehl des Admirals Morin ist am Dienstag zur Begrüßung des deut schen Kaisers in Neapel eingetroffen. * Der Großherzog Ernst Ludwig von Hessen hat Darmstadt auf längere Zeit ver lassen, um seine bereits früher geplante Reise nach Italien anzutreten; er wird auf dieser nur von einem kleinen Gefolge begleitet sein. In den ersten Tagen des Monats April gedenkt der Großherzog kurze Zeit in Konstanti - nopel Aufenthalt zu nehmen. *Die deutsch - schweizerischen Handelsvertrags-Verhandlungen sollen ins Stocken geraten sein, weil der schweize rische Zolltarif zu hoch angelegt worden sei und deshalb keine geeignete Grundlage zu Verhand lungen mit Deutschland biete. (Die deutsche Tariferhöhung ist bekanntlich der schweizerischen vorangegangen und hat die letztere veranlaßt. Es ist übrigens bisher auf der Grundlage zweiter Tarife unterhandelt worden und an der schließlichen Verständigung beider Staaten wird im Ernste nirgends gezweifelt.) *Nach dem jüngsten Bericht der Reichs- fchuldenverwaltung ist auch die letzteSchuld des vormaligen NorddeutschenBundes aus der Welt geschafft worden. Von der zum 1. Januar 1873 gekündigten Anleche des Nord deutschen Bundes von 1870 waren immer noch Schuldverschreibungen im Betrage von 17 700 Mark rückständig geblieben. Sie waren auch innerhalb eines dreißigjährigen Zeitraums nach der Kündigung nicht zur Einlösung gelangt. Da somit jeder Anspruch aus diesen Schuld verschreibungen, die in der betr. Rechnung der Staatsschuldentilgungs-Kasse noch zum Soll standen, erloschen ist, sind sie nunmehr in Ab gang gestellt worden. * Für ein R es id e nzs ch l o ß in Posen hat die Budgetkommission des Preuß. Abge ¬ ordnetenhauses die erste Rate von 1 Million Mark bewilligt, jedoch mit der Einschränkung, daß die gesamte Summe des Staatszuschusses statt 5 150 000 Mk. auf 3 Millionen Mk. zu bemessen sei. *Eine Konferenz sämtlicher thüringi schen Staatsminister ist, wie der,Tägl. Rundschau' berichtet wird, auf den 12. April nach Koburg einberufen. Gutem Vernehmen nach handle es sich um die Beschlußfassung über einen engeren Zusammenschluß der thüringischen Staaten in Bundesrats fragen. * Um eine schnelle Verabschiedung des oldenburgischen Erbfolgegesetzes, das von zwei verschiedenen Landtagen genehmigt werden muß, zu ermöglichen, wird demnächst der Landtag, der bis 1906 gewählt ist, auf gelöst werden. Die Neuwahl findet im Sommer statt. Österreich-Ungarn. *Der österreichische Reichsrat ist von der Regierung vertagt worden, da die Obstruktion jede sachliche Verhandlung unmöglich macht. Frankreich. * Nach einer Meldung aus Paris wird dort in politischen Kreisen versichert, daß „keinen Augenblick" die Rede von einem Besuch des PräsidentenLoubetbeimPaPst während seiner italienischen Reise gewesen sei. *Oberst Marchand, der Held von Faschoda, geht nach Tongking, er ist zum Befehlshaber des 16. Kolonialregiments in Indochina ernannt und wird demnächst mit Verstärkungen dahin abgehen. Spante«. * Der Minister des Auswärtigen erklärte im Senat auf mehrere an ihn gerichtete Anfragen, es sei richtig, daß in London und Paris Ver handlungen bezüglich Marokkos im Gange seien. Indessen werde man sich gleich falls mit Spanien ins Einvernehmen setzen unter Bedingungen, die seinen Interessen in Marokko förderlich seien. Dian werde keinerlei Abmachungen treffen, die den Interessen der jenigen Mächte zuwiederliefeu, welche geneigt seien, den gegenwärtigen Zustand in Marokko aufrechtzuerhalten. Rustland. * Die Zarin hat nach der ,Post' be- schlossen, jedem Soldaten, der in den Krieg zieht, ein persönliches Geschenk überreichen zu lassen. Der Zar eröffnete ihr für diesen Zweck einen unbeschränkten Kredit. Die Geschenke werden in Tabak, Nähzeug und ähnlichen Dingen bestehen. (Die Schokolade der verstorbenen Königin Viktoria macht Schulei) Balkanstaaten. *Das vom Generalinspekteur Hilmi Pascha und den Zivilagenten ausgearbeitete Reglement für die Zurückführung mazedonischer! Flüchtlinge wurde von der Pforte im großen und ganzen gut geheißen. Die Durchführung verzögert sich jedoch vorläufig, da die Gendarmeriefrage, die den Mdiz und die Pforte vollkommen in Anspruch nimmt, alle andern Angelegenheiten in den Hintergrund drängt Diesbezüglich besuchte der Minister des Äußern Tewfik Pascha die Botschafter der Mächte, um gewisse Auf klärungen einzuholen, und wobei er sich be mühte, eine Verringerung der Anzahl der fremden Gendarmerieosfiziere zu erlangen. Afrika. *Das englische Parlament in seinen beiden Häusern hat es gebilligt, daß in die ehemaligen Burenrepubliken chinesische Kulis als Arbeiter zugelassen werden. Die Folgen dieser neuesten „Freiheit" zeigen sich schon in schreck lichster Weise. In Johannesburg ist die Pest eingebrochen. Die Regierung verbot die Beförderung von Farbigen per Bahn aus Jo hannesburg. Von 45 befallenen Farbigen star ben bisher 37. Von sieben Europäern nur die Gattin des Dr. Marais. Ihre drei Kinder liegen gefährlich danieder. Wahrscheinlich wird das ganze Kuli-Viertel, das in entsetzlich schmutzigem Zustande ist, niedergebrannt werden. Asten. *Das chinesische Auswärtige Amt richtete an die ausländischen Regierungen das Ersuchen um eine Verlängerung derFrist zur Bezahlung der Kriegskostenentschädi gung um ein Jahr, damit es die für das laufende Jahr- zu zahlenden Summen zur Ver fügung haben könne. Im Abgeordnetenhause wurde am Dienstag in Fortsetzung der Beratung des Kultusetats das Kapitel „Elementarunterrichtswesen" noch nicht er ledigt trotz der mehrfach von der Rechten eingebrachten und mit Hilfe des Zentrums angenommenen Schlußanträge. Die Debatte drehte sich wie am Montag im wesentlichen um die Frage: konfessionelle oder Simultanschulen. Daneben wurden verschiedene lokale Wünsche laut. Am Mittwoch erledigte das Abgeordnetenhaus vom KultuSetat zunächst das Kapitel „Elementar unterrichtswesen". Anlaß zu längerer Debatte gaben noch die Ostmarkenzulagen für Lehrer. Die Rechte und die Nationallibcralen bewilligten die be treffenden Titel. Der Antrag Kreth (kons.f betr. Aus dehnung der Ostmarkenzulagen auf Ostpreußen und Oberschlesien sowie der Anttag Zedlitz (sreikons.) betr. Erhöhung des Remunerationsfonds um 500 000 Mark gingen an die Budgetkommission. Nach Er ledigung des Kapitels „Kultus und Unterricht gemein sam" vertagte sich das Haus dis zum 12. April. Oer weiblicke Poltäirektor. Unter der Ägide des Fräulein Dr. jur. Anita Augspurg hat der Verband fortschrittlicher Frauenvereine eine Petition an den Reichtag gerichtet, in der gefordert wird, daß man die höhere Postkarriere auch den weiblichen Post beamten öffne, und zwar, wie es in der Petition heißt, „durch Freigabe der Sekretärprüsung für weibliche Postbeamte unter den gleichen Be dingungen wie für männliche." Im Anschluß an diese Petition schreibt der,Straßb. Post' ein Leser: Die Petition leidet an einem grund legenden Irrtum. Die Sekretärprüfung eröffnet nämlich gar nicht den Zugang zu den höheren Stellen des Postdienstes, daher kann die Petition auch gar nicht den Erfolg haben, den die Veranstalterinnen von ihr erhoffen I Im Augenblick werden bekanntlich Anwärter für den höheren Post- und Telegraphendienst nicht an genommen; von den Anwärtern, welche späier eintreten, wird Abiturientenexamen und aka demische Vorbildung verlangt. In der Theorie würde also die Annahme von Frauen wohl zu bewerkstelligen sein, denn an weiblichen Abi turienten fehlt es nicht. Ob in der Praxis sich die Verwendung von weiblichen Inspektoren und Direktoren besonders empfehlen würde, ist eine andere Frage. Kenner der Verhältnisse ver neinen sie. Einen weiblichen Arzt oder Rechts anwalt vermag man sich ohne jede Schwierig keit in seinem Berufe vorzustellen, von der all bekannten Figur der Lehrerin oder Oberlehrerin ganz abgesehen. Aber der weibliche Oberpost- inspektor, der ein Postamt revidiert, das von einem alten Major a. D. geleitet wird; der weibliche Postdirektor, der einem würdigen alten Postsekretär und Hauptmann der Landwehr oder einem flotten jungen Postassistenten „ernstliche Voi Haltungen" wegen Dienstvernachläsfigungen erteilt oder einen Postschaffner, der früher zwölf Jahre als Wachtmeister bei den Kürassieren ge standen hat, wegen Zuspätkommens rüffelt; der weibliche Oberpostdirektor, der den Spitzen der Militär- und Zivilbehörden ein Diner gibt — hm, das find doch Figuren, die wir uns in Europa nicht leicht vorzustellen vermögen! In den Ver. Staaten von Amerika kommen sie vor, gewiß, aber die Ver. Staaten sind eben auch „das Land der unbegrenzten Möglich keiten". In dem Städtchen Niagara-Falls gab der Schreiber dieser Zeilen einmal einen ein geschriebenen Bries auf; vielmehr, er versuchte ihn aufzugeben, denn der Beamte, ein älterer Herr, so da in Hemdärmeln, aber mit einem Zylinderhute auf dem Kopfe hinter dem Schalter fenster saß, wollte ihn nicht annehmen, sondern schleuderte ihn zweimal zurück, notabene ohne ein Wort dazu zu sprechen. Auf die ver wunderte Frage: „Warum?" ließ er sich end lich herbei, auf ein Plakat zu deuten, das ober halb des Schalters an der Wand hing. Auf diesem Plakat stand geschrieben: „Einschreibe briefe bis 6 Uhr nachmittags." Die Uhr aber zeigte schon nahezu 7. Ich machte geltend, daß man in Deutschland eingeschriebene Briefe und überhaupt alle Postsendungen bis zum Schluß der Dienststunden unbehindert aufgeben könne. Uncle Sam lächelte höhnisch in seinen Bart hinein. Ich bat. Uncle Sam schüttelte mit dem Kopfe. Ich wies darauf hin, daß ich Zeitungsmann und der Brief wichtig. „Zwei Fenster weiter rechts, zum Chef," bedeutete mich der amerikanische Postsekretär. Da saß, zum Staunen des in der Kultur zurückgebliebenen Europäers, ein niedliches junges Persönchen in einer roten Seidenbluse, ein schottisches Jockei mützchen auf dem rotblonden Haar, einen Kneifer auf der zierlichen Nase. Sie hatte das Gespräch natürlich mit angehört und besah mich mit einem halb mitleidigen, halb strasenden Blick, als ich ihr vortrug, ich reise noch den selben Abend nach New Jork weiter und müsse deshalb Gewicht darauf legen, daß der Brief noch angenommen werde. „Geben Sie acht, daß Sie nicht noch einmal zu spät kommen!", sagte sie mahnend und rief dann in befehlendem Tone dem Annahmebeamten zu: „Nehmen Sie den Brief an!" — ,.^sll, geben Sie den Brief her!" sagte Uncle Sam. Ich war dem „Fräu lein Vorsteher" sehr dankbar, aber — seltsam war die Geschichte doch! Von unci fern. Eiu Denkmal Kaiser Wilhelms i. ist am Dienstag in Thorn im Beisein des Kron prinzen enthüllt worden. Das Geburtshaus Köuig Friedrich Wilhelms LLL. ist ein schlichtes Bürgerhaus zu Potsdam. In dem an das königliche Kabinettshaus angrenzenden Hause Schwert- fegerstraße 8 erblickte der König am 3. August 1770 das Licht der Welt, worauf eine an dem Hause angebrachte Gedenktafel hinweist. Bis vor wenigen Jahren befand sich das Haus in Privatbefitz; erst als der Kronprinz das Kabi- nettshaus als Wohnung erhielt, wurde es vom Hofmalschallamt zur Erweiterung des letzteren angekauft. Jetzt läßt das Hofmarschallamt, der ,Noidd. Allg. Ztg.' zufolge, die Wohnungen in dem Hause umbauen und große Kavalier wohnungen daraus machen. Es ist indessen darauf Bedacht genommen, daß die alte Fassade des Gebäudes und der schlichte Raum, in dem einst König Friedrich Wilhelm III. geboren wurde, erhalten bleiben. Entschädigung. Die Reichsregierung ließ durch das Auswärtige Amt in Kopenhagen dänischen Fischern 590 Kronen als Entschädi gung für Verluste zahlen. Deutsche Torpedo- bocue halten während der Herbstübungen 1903 die im Großen Belt ausgelegien Netze zerstört. Die Fischer stellten Ersatzansprüche durch den dänischen Minister des Auswärtigen. A Oie Mläern leben Erben. 20) Roman von M- Brandrup. (Fortsetzung.! Fanny schenkte den Kaffee ein, den das Stubenmädchen inzwischen gebracht hatte, und die Kinder verfügten sich zu ihren gewohnten Plätzen. Mäuschenstill tat sich dann das kleine Trio gütlich, und keiner der Jungen warf ein Wort in die Unterhaltung der Erwachsenen, obgleich dieselbe ausschließlich die Übersiedelung der beiden lieben Gäste nach Posen behandelte, die den oberförsterlichen „Miniaturausgaben" durch aus nicht recht war — um Adas willen, die sie wie eine Schwester liebten und Mr zu gern in Zarnowo behalten hätten. „Es ist mir ein Trost," sagte Frau Braun im Laufe des Gesprächs, „daß mein guter Mann Ihnen die kleine Wohnung im Hause seiner Schwester besorgen will. Sie ist nicht, allein das beste Geschöpf von der Welt, son dern besitzt auch einen klaren Blick für die Ver hältnisse des realen Lebens. Sie wird Ihnen eine wirkliche Stütze sein, Frau von Hagel. Ebenso gewiß hilft sie Ihnen auch, Ihr künftiges Heim so gemütlich als möglich auszustatten. Es ist ja freilich wenig, was Ihnen die Gläubiger Ihres Mannes an Möbeln und Hausrat ge lassen haben. Aber für Stube, Kammer und Küche, denn mehr kann Ihnen meine Schwägerin nicht bieten, reicht es, wenn man so praktisch ist wie Marie und Sie selbst, Verehrteste." „Und der dicke Braun dazu," fuhr der Ober förster fort. „Denn, daß du es schon heute weißt, Altchen, ich begleite die Damen nach Posen — vorausgesetzt, daß sie uns vorher hier wenigstens eine Woche Gesellschaft geleistet haben. In Posen aber weiche ich nicht eher, als bis sie sich das Nest eingerichtet haben. Die brave Marinka ist jetzt bei dir, mein krankes Huhn — da kann ich es schon wagen, dich ein mal auf ein paar Tage zu verlassen." „Gewiß, lieber Mann, gewiß!" entgegnete die Oberförsterin. Fanny aber faßte von neuem die Rechte Brauns und rief: „Das wollen Sie auch noch für uns tun?" Zum erstenmal nach dem Tode ihres Gatten flog dabei ein Freudenschimmer über das lieb liche Gesicht der jungen Witwe. * * ck Nahezu ein Vierteljahr war vergangen. Sternenhell war der kalte Winterabend. Da eilte eine tief in ihren langen Radmantel ge hüllte weibliche Gestalt, aus den verkehrsreichen Straßen kommend, nach einer der abgelegensten Vorstädte. Dort angelangt, machte sie vor einem kleinen Häuschen Halt, das mitten in einem umfangreichen Garten lag, dessen Beete von Eis und Schnee bedeckt waren. Seufzend öffnete sie das niedrige Staket- pförtchen des primitiven Grundstücks, eilte den Hauptweg des Gartens entlang und stand dann vor der Haustür. „Bist du da, Mamachen?" Hötte sie eine Stimme fragen. „Ja, Kind! — Aber was stehst du hier und setzest dich der eisigen Luft aus?" „Ach, es ist heute so spät geworden, ehe du endlich heimkamst, Mama! Dabei ward mir bange im Alleinsein. Du mußt nämlich wissen, es war stundenlang keine Menschenseele außer mir im Hause. Fräulein Braun ist gleich nach dem Kaffee in die Stadt gegangen, um eine erkrankte Bekannte zu besuchen." „Arme Ada," entgegnete Fanny, und beide traten ins Haus. Nur wenig später standen sie in ihrem kleinen wohldurchwärmten Stübchen. Trotz der geradezu armseligen Einrichtung sah es doch, wenigstens beim Schein der grün verhangenen Lampe, freundlich und traulich darin aus. Nicht allein, daß die peinlichste Sauberkeit auf jedem Gerät glänzte, es schmück ten auch kunstvoll gefertigte Zeugblumen in papierumhüllten Töpfen sowie geschmackvolle Efeu-Arrangements das alte Klavier, das sich Fanny gekauft hatte, Kommode, Fensterbretter und die kleinen Konsolen an den Wänden. Dies war eine Aufmerksamkeit Fräulein Brauns zum Empfang ihrer Mieterinnen gewesen, und ihre eigenen Hände hatten den anmutigen Zimmer schmuck hergestellt. Zur Stunde zeigte sich aber auch noch der Tisch vor dem Sofa zierlich gedeckt und für das Abendesfen bereit. „Ich habe den Tee schon gebrüht, Mama," sagte Ada, während sie der jungen Stiefmutter den Mantel abnahm und das schlichte Trauer hütchen vom Kopf löste. „Und Bratkartoffeln find auch da, weißt du? Fläulein hat mir dazu ein paar Neunaugen gebracht, die sie heute morgen durch eine alte Bekannte aus K. er halten hat. Nun können wir ganz vornehm speisen und — aber du siehst so traurig aus, Mamachen," unterbrach sich das freundliche junge Geschöpf. „Gewiß waren deine Gänge auch heute wieder ohne Erfolg." „Leider sind sie das gewesen, Kind," ent gegnete Fanny, „doch der alte Gott lebt ja noch, sage auch ich jetzt, und was ich heute nicht erreichen konnte, kann mir morgen oder übermorgen werden." Frau v. Hagel glaubte im Grunde ge nommen selbst nicht, was sie sprach. Denn wenn man Wochen hindurch auf der eifrigen Suche nach Erwerb ist und trotzdem nichts findet, so verliert man die Hoffnung und den Mut. Die arme junge Witwe hatte übrigens längst den Gedanken aufgegeben, für sich und ihr Stiefkind durch Klavierunterricht das tägliche Brot zu erwerben, denn alle diesbezüglichen Zeitungsinserate sowie die eifrigen Bemühungen Fräulein Brauns waren erfolglos geblieben. Sie hätte jetzt ebenso gern gemalt, Manuskripte abgeschrieben, literarische Werke übersetzt oder auch wissenschaftliche Nachhilfestunden erteilt. Aber überall, wo Fanny ansragte, und zumeist geschah es doch auf Annoncen hin, hieß es, sie käme zu spät und man sei bereits mit geeig neten Kräften versehen. Nur in einem einem Falle hatte man ihr die Aussicht eröffnet, sie später mit dem Malen von Fächern zu beschäfti gen. Aber das klang so unbestimmt. Dabei nahm der Inhalt ihrer Schatulle erschreckend ab. Der Umzug mit allem, was dazu gehörte, hatte doch eine Bienge Geld gekostet. Die Wohnungsmiete war auch auf ein Vierteljahr
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