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Ottendorfer Zeitung : 15.01.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-01-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190401151
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19040115
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19040115
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-01
- Tag 1904-01-15
-
Monat
1904-01
-
Jahr
1904
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 15.01.1904
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politische Armälcdau. Deutschland. * Die Eröffnung des preußischen Landtages wird am 16. d. im Weißen Saale des Königlichen Schlosses durch den Kaiser erfolgen. * König Georg von Sachsen ist in folge einer leichten Erkältung genötigt, das Zimmer zu hüten. * Eine deutsch-offiziöse Aus lassung zur Lage in Ostasien bringt an hervorragender Stelle die ,Nordd. Allg. Ztg.': „Wir sehen keinen Anlaß, unsern Standpunkt gegenüber den vielfach einander widersprechenden Meldungen zu ändern. Ängstliche Gemüter malen sich allerdings schon eine Seeschlacht im Mittel meer aus, die zwischen zwei auf der Genuaer Werft Ansaldo von Japan gekauften, unter eng lischer Flagge und Bemannung nach Ostasien abgehenden Panzerschiffen und dem vor Biserta liegenden russischen Geschwader ausgefochten werden solle. Es ist doch noch nicht Fasching! Manche Meldungen aus eng lischer Quelle machen freilich den Eindruck, als ob sie darauf berechnet find, harmlose Geister zu nasführen." * Das Börsen st euer-Gesetz befindet sich zurzeit im Reichsschatzamt in Bearbeitung, um alsdann dem Bundesrat zuzugehen. *Nach den Ergebnissen der letzten Plenar sitzung des Bundesrats ist es sicher, daß der Reichstag bei seinem Wiederzusammentritt drei wichtige Gesetzentwürfe zuge stellt erhalten wird, und zwar die Entwürfe über die Kaufmannsgerichte und über die Verlängerung des Friedens präsenzgesetzes, sowie die Novelle zum Servistarifhesetz. Von ihnen sollen zwei mit dem 1. April 1904 zur Geltung gebracht werden. Die Verabschiedung des Friedenspräsenzgesetzes vor dem Beginn der Osterferien darf wohl als sicher angesehen werden. Ob das gleiche bei der Novelle zum Servistarifgesetze der Fall sein wird, wird abzu warten bleiben. *Bei der Reichstagsersatzwahl im 22. sächsischen Wahlkreise Reichenbach-Auer bach am 5. d. wurden 25 552 Stimmen abgegeben; davon erhielten Stadtverordneter Hoffmann 15 772, Graf von Hoensbroech (b. k. F.) S749 Stimmen. Hoffmann ist somit gewählt. Österreich-Ungar«. *Jn Ungarn beginnt die politische Situation sich wieder znzuspitzen. Die Er klärung des Ministerpräsidenten Grafen Tisza über die Hoheitsrechte der Krone hat zahlreiche Mitglieder der Kossuthpartei veranlaßt, die Möglichkeit einer neuen Beteiligung ander Obstruktion zu erwägen. Die Re gierung soll das Unhaltbare der jetzigen Lage erkennen und zu entschlossenen Maßnahmen sich entschieden haben, besonvers da die Wiener Militärkreise wegen der diesjährigen Rekruten musterung Besorgnisse äußern. In den nächsten Tagen wird irgend ein entscheidender Schritt erwartet. Frankreich. * Zu der Meldung des ,Echo de Paris', daß Frankreich und England in nächster Zeit ein Abkommen unterzeichnen würden, das alle ste betreffenden kolonialenFragen regele, bemerkt die halbosfiziöse .Havasagentur', es sei allerdings richtig, daß Besprechungen ein geleitet seien, aber die Mitteilung, daß die Unterzeichnung des Abkommens schon in nächster Zeit erfolgen werde, sei sehr verfrüht. *Der nationalistisches .Jntransigeant' ver sichert entgegen andern Meldungen, daß der Zustand Waldeck-Rousseaus sich derart verschlimmert habe, daß die Arzte ihn bereits aufgegeben haben. Er soll an einer krebsartigen Krankheit leiden. * Der nationalistische Deputierte Corrard des EssartS kündigt an, daß er in der französischen Deputiertenkammer eine Interpellation über die Ausweisung des elsässischen Reichstags-Abgeordneten Delsor einbringen werde. England. * Bei der Nachwahl zum englischen Unterhaus in Ashburton wurde der Liberale (Anhänger der F r e i h a n d e l s v a r t e i) mit 5034 Stimmen gewählt; lein Gegenkandidat, der Unionist (Anhänger Chamberlains), erlstelt 3558 Stimmen. Der frühere gleichfalls liberale Vertreter des Wahlkreises war nur mit 774 Stimmen Mehrheit gewählt worden. Belgien. *Aus Brüssel wird gemeldet, daß die Be ratungen des holländischen Kabinettschefs Kuyper iu Brüssel einen belgisch-holländischen Zollbund zur gemeinsamen Abwehr des englischen Zolltarifes betreffen. Holland. *Wie verlautet, wird der Schieds spruch in der Venezuela streitfrage nicht vor Ende Februar bekanntgegeben werden. Dänemark. *Da König Christian erst Ende des Monats in Kopenhagen erwartet wird und der Kronprinz nach Stockholm zu reisen wünscht, um dem 75. Geburtstage des Königs Oskar beizuwohncn, hat Prinz Christian die Regent schaft übernommen. Portugal. * Der Finanzminister hat den Cortes einen Gesetzentwurf zur Hebung desWechsel- kurses, zur Verminderung des Papiergeldumlaufes und zur Ver mehrung der Metallreserven der Bank von Portugal vorgelegk. Balkanstaateu. *Der französische Gesandte in Belgrad hat nun auch „aus Gesundheits rücksichten" einen Urlaub genommen. Ein Geschäftsträger ist zur Vertretung des Ge sandten von Paris abgereist. Außer einem Türken ist nun kein Gesandter mehr zum griechischen Neujahr in Peters Residenzstadt. *Um die Königsmörder allmählich vom Hofe los zu werden, hat König Peter zu einem eigentümlichen Mittel gegriffen. Durch Auslosung wurden die Adjutanten des Königs Bozanowitsch, Gjusttsch und drei Or donnanzoffiziere zum Austritt aus dem Hof dienst bestimmt. Vonden ausscheidenden Offizieren gehören alle außer Gjusttsch dem Kreise der Verschworenen an; die neu- ernannten Hofbeamten waren nicht unter den Verschworenen. * Divistonskommandant Maschin erließ ein geheimes Zirkular an die Komman danten, sie sollten darauf achten, daß die untergeordneten Offiziere ihren Chefs die vor geschriebene Ehrerbietung bezeigen. Maschin macht die Kommandanten persönlich verant wortlich für jede Verletzung der Bestimmungen nach dieser Richtung. Das Zirkular erfolgte, weil sich die Nichtverschwörer über das Be nehmen der Verschwörerbeklagten. *Die Mehrheit der Skupschtina weigerte sich ganz entschieden, den Mitgliedern der Familie Karageorgiewitsch die erhofften Apanagen zu bewilligen. *Boris Sarafow, der sich gegen wärtig in Genf aushält, hat die Absicht, von der Gesellschaft vom Roten Kreuz die Sen dung eines Vertreters nach Mazedonien zu er bitten. Er hofft einige Hülfe für die obdach losen Frauen und Kinder zu erlangen. *Die unter russischer Herrschaft stehenden Armenier sträuben sich noch immer heftig gegen die Aufhebung der Selbständigkeit ihrer Kirche und die Einziehung ihrer Kirchengüter durch Rußland. Sie möchten ihre geistliche Behörde auf türkisches Gebiet verlegen. Das armenisch-gregorianische Patriarchat befragte in einem längeren Schreiben den Bischof von Konstantinopel und den Bischof der Provinz, welche Haltung ernzunehmen wäre, falls in dem von Rußland vorbereiteten organischen Statut der Katholikos alsrussischerFunktionär erklärt und die Selbständigkeit der armenischen Kirche verletzt wurde. Amerika. * Der Schiedsgerichtsgedanke wird in den Ver. Staaten lebhaft gepflegt. Die ,New Jork Tribune' weist darauf hin, den russisch - japanischen Streitfall dem Haager Schiedsgericht zu unterbreiten. Dem Artikel wird einige Bedeutung beigelegt. Ein der .Tribune' aus Washington zugegangenes Telegramm besagt dagegen, Präsident Rooseveltwolle nicht in dem russisch-japanischen Konflikte vermitteln; der Präsident würde zwar gern alles, was in seinen Kräften stände, auf dem Wege der Vermittelung tun, wie beiden Nationen wohl bekannt sei; aber es sei augen scheinlich, daß eine von ihnen die Ein mischung ablehnen würde. * Die Marinekommisston unterbreitete infolge der vom Leutnant Peary in Deutschland und England angestellten Erhebungen dem Marine sekretär Moody den Vorschlag, Kasernen unweit von New Jork in der Chesapeakebucht mit einem Kostenaufwande von je 600 000 Dollar zu errichten. Die Kommission betont, daß bezüglich der inneren Einrichtung der Kasernen das deutsche System den Vorzug vor dem englischen verdiene. * Zwischen Panama und Kolumbien ist jetzt zu allem Überfluß noch ein Grenz streit ausgebrochen. Panama beansprucht den Hafen Titumati am Golf von Darien, wo die Kolumbier stehen. Panamas General Puertas will angriffsweise vorgehen, trotz dem die Amerikaner abraten. Asien. * Japan hat so gut wie beschlossen, die Verhandlungen mitRußland fort zusetzen. Japan ist zwar mit den Be dingungen Rußlands nicht zufrieden, fühlt sich jedoch nicht berechtigt, ein Ultimatum zu er lassen oder die Verhandlungen abzubrechen. Bevor es zur Gewalt schreitet, will Japan nochmals versuchen, eine Abänderung der Vor schläge Rußlands zu erwirken. Die Verhand lungen dürften einigeWochen dauern, doch gilt es als sehr unwahrscheinlich, daß der Frieden in der Zwischenzeit gestört wird. Vie Wunder der Weltausstellung in 5t. Louis zählt die,New York World' auf. Die Aus stellung, die am -M. April 1904 eröffnet und am 1. Dezember 1904 geschlossen wird, bedeckt eine Fläche von 5096 Ar. Die Kosten betragen annähernd 200 000 000 Mk. Das Hauptbild zeigt zehn große Paläste, die fächerförmig an geordnet find. Von den einzelnen Schaustellungen und Veranstaltungen find hervorzuheben: ein typisches Minenlager von 1849 in der Berg werksschlucht; ein Rosengarten, 242 Ar groß, mit 50 000 Rosenbäumen; der Melonentag, — 500000 Melonen werden kostenlos den Be suchern serviert; eine Mustererdbeerpflanzung, mit 400 Arten; Asphalt- und Kiesstraßen in Ausdehnung von 35 englischen Meilen; Groß britannien reproduziert die Orangerie von Ken- flngton Palace; Automobilstühle für zwei Per sonen gehen nach allen Punkten; eine Kunst stopferei-Manufaktur zeigt das Fabrikations verfahren in Tätigkeit; eine Station für draht lose Telegraphie neben andern großen elek trischen Ausstellungsgegenständen; eine Blumen uhr, mit einem Zifferblatt von 100 Fuß im Durchmesser und Zeigern von 50 Fuß Länge, das Landgut Monticello, Thomas Jeffersons Heim, als Gebäude des Staates Virginien; General Grants Hütte in St. Louis County; Washingtons Hauptquartier in Morristown, als Gebäude für New Jersey; eine Karte der Ver. Staaten in lebenden Pflanzen, die ein Gebiet von 202 Ar bedeckt; drei große Wasserfälle, die größten, die je von Menschenhänden gebaut worden sind; die Hermitage, Andrew Jacksons Heim in Tennessee, und Robert Bums' Land haus in Ayrshire in Nachbildungen. Zu den großen Attraltionen wird aber auch die genaue Wiedergabe von Szenen aus dem Burenkriege gehören. Zu diesem Zweck hat sich ein süd afrikanisches Syndikat mit einem Kapital von 1200 000 Mk. gebildet. Es will ungefähr 1000 Engländer und ebenso viele Buren in Schlachtordnung aufstellen, die wirklich in Trans vaal gefochten haben und die genauen Episoden und erlebten Szenen der Schlachten von Colenso und Paardeberg darstellen werden. Die Eng länder werden von dem kanadischen Major Roß und dem Amerikaner Levis befehligt werden, der unter dem englischen General Plummer den südafrikanischen Feldzug mitgemacht hat. An der Spitze der Buren wird einer der Führer der europäischen Freiwilligenkorps stehen. Das Schlachtfeld, auf dem wirkliche Geschütze blind schießen werden, wird von einem Amphitheater umgeben sein, das 15 000 Zuschauer faßt. Von unä fern. Eine Übersetzung des Nenen Testament- in die Sprache der Eingeborenen von Neu- Pommern (Bismarck-Archipel) ist dem Kaiser kürzlich in zwei Exemplaren durch den Gouver neur dieser Inseln übersandt worden. Ange fertigt ist sie von der in diesem deutschen Kolonialgebiete tätigen Wesleyanischen Missions- Gesellschaft. Der Kaiser ließ ihr durch den Gouverneur danken und dem mitbeteiligten deutschen Missionar Fellmann den Kronenorden 4. Klasse überreichen. Bier Personen beim Schlittschuhlaufen ertrunken. Auf der Havel zwischen Sacrow und Moorlake bei Potsdam sind am Sonntag fünf Personen beim Schlittschuhlaufen einge brochen. Zwei Herren konnten noch gerettet werden, während die übrigen zwei Herren und eine Dame ertranken. — Auch auf der Ober spree bei Ober-Schöneweide in der Nähe von Berlin ereignete sich ein Unglücksfall. Eine junge Dame wagte sich trotz vorheriger Warnungen auf das dünne Spree-Eis; bald brach das Eis unter ihr zusammen und die Unglückliche ertrank, ehe Hilfe zur Stelle war. Durch plötzlichen Reichtum ist der Ge hilfe eines Geschäftsmannes in Varel geistes gestört worden. Der junge Mann erhielt am ersten Weihnachtsfeiertage aus Amerika die Mitteilung, daß ein naher Verwandter ihm letzt willig 100 000 Mk. vermacht habe. Dieser Glücksfall brachte ihn um den Verstand; eS machten sich seit jener Zeit bei ihm Anzeichen von Geistesgestörtheit bemerkbar und der be dauernswerte Jüngling ist jetzt einer Anstalt übergeben worden. Wiederum eiu Theater geschloffen. Die infolge des Theaterbrandes in Chicago überall in Deutschland vorgenommenen neuerlichen Untersuchungen von Theatergebäuden auf ihre Feuerstcherheit hin haben jetzt abermals zur so- forugen Schließung eines Theaters geführt. Die Regierungsbehörde in Bamberg ordnete jetzt die Schließung des Stadtlheaters in Bam berg wegen Feuerunficherheit an. Das Bam berger Stadttheater stammt aus dem Jahre 1808. Bon der Landstraße. Ein alter Hand werksbursche hat in einer der letzten kalten Nächte bei Gera in einer Hundehütte genächtigt. Dem Hunde war der großen Kälte wegen ein wärmerer Raum eingeräumt worden. Am nächsten Morgen fand man den Greis halb er starrt vor, so daß er erst durch heiße Getränke erwärmt werden mußte. Tödlicher Jagdunfall. Der 36 jährige Sohn des früheren freisinnigen Reichstags- Abgeordneten Braeficke ist auf der Jagd tödlich verunglückt. Als er einen Zaun übersteigen wollte, entlud sich sein Gewehr und die Ladung drang ihm in den Unterleib. Braestcke ist noch am selben Abend verstorben. Stürme in der Schweiz. Aus dem Süden her fegte ein furchtbarer Sturm über das Gothardgebiet. Gewaltige Schneetreiben setzten stundenlang den Wächter des dortigen Hospizes in schwere Gefahr. Die meteorologische Station ist teilweise zerstört. Die Stürme waren im ganzen Alpengebiei mit Schneetreiben verbunden. An verschiedenen Stellen sollen Unfälle geschehen sein. Panik in einem Mädchengymnasium. In Tula gerieten während einer Kindervor stellung im dortigen Mädchengymnastum die Dekorationen in Brand. Es entstand eine große Panik. Die nach der Treppe flüchtenden Kinder stauten sich am Ausgang. Mehrere Mädchen und eine Lehrenn erlitten schwere Ver letzungen. K k>erta falk. 16s Roman von Theodor Almar. (Fortsetzung.) Sollte Ulrike recht haben, sollte der Mensch wirklich nicht seinem Schicksale entgehen können? Sollte ein Kampf gegen die Dämonen finsterer Schicksalsmacht wirklich dem gleichen, wie wenn die Halme des Kornfeldes sich gegen die Sense wehren wollten? Ja, ja, was geschehen soll, das geschieht. Keiner ist sein eigen! Stand sein Vater nicht unter einem Verhängnis, einem Unstern, da er sich so weit vergessen konnte, ein Dieb zu werden? Ja, der Zug unbezähm barer Leidenschaften lag im Blute der Werden; konnte er selbst sich denn bezähmen, konnte er seinem Verstände gebieten, als eines Tages Herta von Klewitz ihm entgegentrat und auf den ersten Blick die unselige Liebe zu ihr in seinem Herzen entbrannte, daß er nicht mehr von ihr lassen konnte? Und ihm, dem ver wöhnten Günstling aller Frauen, dem Herzens- befieger, ihm stellte sie sich entgegen und wälzte Hindernisse wie Felsenkolosse zwischen ihn und sich. — Schon als Knabe hatte er es meister lich verstanden, vermöge seiner äußerlichen Vor züge zu glänzen und sich überall beliebt und geltend zu machen. Und da es für den lebens lustigen Jüngling eine zu harte Probe war, abhängig von einer Erbtante zu sein, da ver stand er es, die aste Frau für fich zu gewinnen und Herr eines großen Vermögens zu werden. Die nicht mehr schöne, aber gemütvolle Frau lag in seinen Fesseln, entsagte um seinetwillen der Rückkehr in ihr sonniges Land und wurde sein Weib. Zwei Kinder lebten ihm nur kurze Zeit, und auch deren Mutter flechte dahin. In edler Selbstlosigkeit machte die kränkelnde Frau keinen Anspruch darauf, daß der soviel jüngere Gatte ihretwillen dem Genüsse des Lebens entsage, daß er seine Tage an ihrem Lager verseufze; im Gegenteil, sie munterte ihn auf zu jedem Sport und gewährte ihm in allen Dingen volle Freiheit. Bis dahin war er der bevorzugte, der ver hätschelte Liebling des Glücks gewesen. Erst der Tod seiner Mutter, die ihn sehr geliebt, warf den ersten Schatten auk seinen Lebens weg, und fast in derselben Zeit sollte sein Ver hängnis ihn ereilen. Müßig und gelangweilt schlenderte er eines Tages durch die Straßen Berlins. Da sah er dort, wo zwei der belebtesten Straßen fich kreuzen, einen Haufen Menschen angesammelt; er trat hinzu, sah wie ein elegant gekleidetes, fast noch den Kinderjahren augehörendes Fräu lein durch die Menge sich den Weg bahnte; an dem einen Arm führte sie ein altes dürftig gekleidetes Mütterchen, in der andern Hand trug sie deren ziemlich schweren Handkorb. Begafft und belobt von den Umstehenden, schritt sie mit der armen Frau davon. Sie kam an Gilbert ganz nahe vorbei. Welch eine eigen tümliche Schönheit, und wie stolz war ihr Gang! Im Fluge erzählten die Leute ihm, mit welcher Unerschrockenheit und Gefährdung des eigenen Lebens das junge Mädchen die halbblinde Greisin vor dem überfahrenwerden durch die Pferdebahn gerettet hatte, und daß sie dieselbe nun auch nach Hause geleite. Mit dem ersten Blick auf das seltsam schöne Antlitz des tapferen jungen Mädchens empfand er ein ihm bis dahin unbekanntes Etwas in seiner Brust; es hatte ihn getroffen, wie ein elektrischer Schlag. Halb unbewußt, was er tat, folgte er ihr und suchte zu erforschen, wer sie sei. Einige Tage später hatte er schon Mittel und Wege gefunden, sich Eingang in die Familie deS Majors v. Klewitz zu verschaffen; er war letzterem als der Sohn eines getreuen Kriegs kameraden empfohlen worden und fand die herzlichste Aufnahme. Er wußte sich durch seine geselligen Talente dem die Häuslichkeit liebenden Major so angenehm, man könnte sagen, so unentbehrlich zu machen, daß er beinahe täglicher Gast in der vornehm eingerichteten Wohnung desselben wurde. Seine äußeren Vorzüge, sein Takt und seine gefälligen Manie ren kamen ihm auch den Damen gegenüber voll zn statten. Vater und Tochter, ja selbst die stille schlichte Erzieherin und Repräsentantin der Hausfrau waren voll des Vertrauens in seine so offen sich gebende Persönlichkeit, daß nie mand auf den Gedanken kam, nach den näheren Verhältnissen des jungen Mannes fich zu er kundigen. Er selbst sprach nur wenig von sich selbst und erwähnte nie mit einer Silbe seiner kranken Frau. So gingen Monate, ja Jahre hin, immer schöner erblühte Herta und immer brennender war -Me Leidenschaft für fie, welche Nahrung sand in dem schmeichelhaften Bewußr- sein, daß auch das stolze Mädchen Neigung für ihn fühlte, was ihm nicht entgangen war. O, er war ein Kenner der Frauenherzen! In wohl abgewogener Berechnung hatte er sich an geboten, die Sprachstudien Hertas zu über wachen, ihr Unterricht zu erteilen; auf diese Art konnte er stundenlang mit ihr allein sein — und er benützte diese Zeit fürwahr, um auch in die junge unschuldige Seele den Brand zu schleudern, der nie verlöschte. Ihr guter Engel wachte noch über ihr, fie fand Selbstbeherrschung genug und gab den Unterricht bei ihm auf; er aber verstand zu warten. Endlich kam die Stunde doch, in der fie von der Macht seines Auges und der Sehnsucht ihres eigenen Herzens gebannt, ihm ihre Hand nicht mehr entzog, wo fie widerstandslos ihn anhörte, als er von seiner heißen, verzehrenden Liebe zu ihr sprach, wo ihre großen rätselhaften Augen in die seinen tauchten und schon das Gegengeständnis nach Motten rang in ihrer Brust — da ging die Tür auf und herein trat unbefangen Doktor Falk. „Ah, Herr von Werden; glücklicher Zufall, Sie hier zu treffen. Es war mir unmöglich, heut zu Ihrer Frau Gemahlin zu kommen; einige schwere Krankheitsfälle nahmen meine ganze Zeit in Anspruch. Dafür komme ich morgen frühzeitig; bitte, sagen Sie das der Leidenden. — Gnädiges Fräulein, wo finde ich die Kranke, liegt sie zu Bett?" Mit diesen Worten hatte der Doktor sich an Herta ge wandt, die regungslos dagestanden. Ohne Werden eines weiteren Blickes zu würdigen, deutete sie dem Doktor an, ihr zu folgen und beide verließen das Zimmer. Sie kehrte nicht mehr dahin zurück. Was er damals gedacht und empfunden, wußte er jetzt nicht mehr genau. Er wußte nur
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