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Di« „Dttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „öpiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag Uhr. Inserate werden mit w Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 6. Freitag, den 15. Januar 1904. 3. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Dttendorf-Vkrilla, H. Januar 1904. — Scharfschießen der Artillerie. Sonnabend, den 16. Januar 1904, von vormittags halb 10 Uhr bis mittags 1 Uhr werden auf dem Gelände zwischen Langebrück, Grünberg-DienS- dorf, Ottendorf, Lomnitz, Seifersdorf und Schönborn die Feldartillerie-Regimenter Nr. 12 und 48 mit scharfer Munition schießen. Die während des Scharfschießens gefährdeten Wege- strccken werden durch Warnungstafeln kenntlich gemacht, das innerhalb des Gefahrenbereiches gelegene Gelände außerdem durch Gendarmerie Militärposten und Patrouillen abgesperrt sein. Das Betreten dieses Geländes wird für die Dauer des Schießens hiermit ausdrücklich ver boten. Den Anordnungen der Gendarmerie und SicherheitSposten ist unweigerlich Folge zu leisten. — Im Hinblick auf die großen Vorteile, welche da» Bestehen der Gesellenprüfung bietet, wird den Eltern, Vormündern und Pflegern von Handwerkslehrlingen empfohlen, ihre Schutz befohlenen zur Ablegung dieser Prüfung an zuhalten. Andererseits werden auch die Lehr herren darauf hingewiesen, daß ihnen gesetzlich die gleiche Pflicht gegen ihre auslernenden Lehrlinge obliegt. Diejenigen Lehrlinge, welche sich der Gesellenprüfung unterziehen wollen, haben, wenn sie bei Lehrherren, die einer Innung als Mitglieder angehören, in der Lehre stehen, die Gesellenprüfung vor dem Prüfungsausschüsse der Innung abzulegen, vorausgesetzt, daß diese das Recht zur Abnahme von Gesellenprüfungen besitzt. Die anderen Lehrlinge haben, wenn sie zur Gesellenprüfung sich melden, ein selbst zu verfassendes und eigen händig zu schreibendes Gesuch bei der Ge- werbekammcr einzureichen. Diesem Gesuche sind beizufügen ein ebenfalls selbst verfaßter und eigenhändig geschriebener Lebenslauf, der Lehrvertrag, das Lehrzeugnis beziehungsweise das Zeugnis vom Lehrherrn, daß und wie lange der Lehrling bei ihm in der Lehre steht, und die Zeugnisse der Fortbildungsschule oder der gewerblichen Bildungsanstalten, welche der Gesuchsteller besucht hat. Gleichzeitig ist bei Einreichung des Gesuches die Prüfungsgebühr von 10 Mark zu entrichten. Zur Prüfung für nächste Ostern sind die Zulassungsgesuche nebst den erforderlichen Unterlagen und die Prüfungsgebühr spätestens bis Ende Januar 1904 kinzugeben. Später eingehende Gesuche können möglicherweise erst für die Herbst prüfungen berücksichtigt werden. — Die Spiritus-Produzenten schreiben Ver dienen mit zwei großen V. Der Preis für Trinkspiritus, soivie für Brennspiritus ist am 17. Dezember vorigen Jahres um 6 Mark und vor einigen Tagen wieder nm 3 Mark pro Hektoliter, also im ganzen um 9 Pfennig pro Liter, von der Zentrale erhöht worden. Es würde im Interesse der Konsumenten sein wenn dieser unmotivierten Preistreiberei einma ein Riegel vorgeschoben würde. Den Spiritus- ringleuten müßte eine Antiringgenossenschaf! entgegengestelll werden, die eventuell selbst produzierte. Dresden. Am 11. Januar wurde in der Person eines 22jährigen Maurers derjenige ermittelt und festgenommen, welcher in mehreren Fällen auf offener Straße, insbesondere im amerikanisch, n Viertel, Damen die Handtäschchen entrissen hat. — Vorgestern mittag sprang von der Uebigauer Landungsbrücke eine 25jährige Ge werbsgehilfin in die Elbe. Ter Fährmeister Nitzsche fuhr ihr mit seinem Tampffährboote sogleich nach und zog sie wieder heraus. Wiederbelebungsversuche brachten ihr das Be wußtsein wieder, worauf sie im Krankenwagen in das Friedrichstadter Krankenhaus übergcführt wurde. Als Beweggrund zu ihrer Handlungs weise hat sie Liebeskummer angegeben. Loschwitz. Am Sonntag vormittag sah der Steuermann Lüttich der Sächsisch-Böhmischen Dampfschiffahrts-Gesellschaft von seiner an der Elbe gelegenen Wohnung aus eine männliche Person auf dem Wasser treiben, sprang sofort hinzu und reichte, nachdem er sich mit einem Brette gesichert hatte, dem schon halb Er starrten eine Stange. Mit vieler Mühe gelang es ihm, den um sein Leben Kämpfenden, einen etwa 14 Jahre alten Schulknaben von der Louisenstraße in Dresden zu retten. Der Knabe war in einem Geschäft der Neustadt Laufbursche und dort wegen begangener Un redlichkeiten aus Angst früh weg- und in die Elbe gelaufen. — Ein aufregender Vorfall spielte sich gestern in den Nachmittagsstunden auf der Leipziger Straße ab. Ein Mann, der beim Betteln betroffen worden war, sollte von einem Gendarm festgenommen werden, er begann, sich edoch gegen diesen aufzulehnen und stach mit einem Messer nach ihm. Er floh dann, von dem Gendarm verfolgt, nach der Elbe zu, in welche er trotz der treibenden Schollen bis in Vie Mitte lief, sodaß er bis an den Hals in den eisigen Fluten stand. Von hier wurde er mittels Kahnes herausgeholt und dann in einer Droschke nach dem Stadtivrenhaus übergeführt. Coschütz. Gestern früh in der 7. Stunde t ein Soldat des Dresdner Schützenregiments Nr. 108 auf dem Bahnkörper der hiesigen Flur tätlich überfahren aufgefunden worden. Allem Anscheine nach liegt Selbstmord vor. Briesnitz. Für den Nachtdienst der Schutzmannschaft ist jetzt vom Gemeindevorstand wie an anderen Orten Kontrolle durch eine Stechuhr mit acht Stationen eingeführt worden. Wahnsdorf. Am Sonntag morgens gegen halb 7 Uhr brannte es bei Herrn Wirt- chastsbesitzer Karl Gommlich (Fleischer Gomm- ich), und zwar wurde das Wohnhaus mit der Scheune vollständig ein Raub der Flammen. Dem schon bejahrten Brandkalamitosen erwächst bedeutender Schaden, denn er hat, wie ver lautet, nicht versichert. Außer einigen häus- tchen Gegenständen ist das gesamte Getreide vernichtet worden. Brandstiftung soll vor- iegen. Großenhain. Der vormittags 9,20 Uhr in Frauenhain nach Großenhain abfahrende Zug hielt gestern plötzlich zwischen Frauenhain und Zabeltitz auf freier Strecke. Und der Grund? Einem in Frauenhain eingestiegenen Herrn war es offenbar zu warm im Kupee und in dem Bestreben, den wärmeregulierenden Hebel auf „kalt" zu stellen, vergriff er sich und zog an der Notbremse. Nach dem Halten des Zuges wurde der Name des Herrn festgestellt und — eine Strafverfügung dürfte für denselben nicht auSbleiben. — Einem dreisten Schwindel, der dem Be troffenen beinahe einen empfindlicheren Verlust gebracht hätte, ist ein hiesiger Uhrmacher zum Opfer gefallen. In dessen Geschäft erschien eines Tages ein etwa 25jähriger, augenschein lich dem dienenden Stande angehöriger Mensch unter dem Vorgeben, von seinem Dienstherrn, einem in dem Dorfe Z. wohnhaften Gutsbesitzer deaufiragt zu sein, sich auf dessen Rechnung eine Uhr auszusuchen. Glaubhaft machte er die Angabe durch Vorlegung eines von dem angeblichen Dienstherrn ausgestellten und von dem Gemeindevorstande beglaubigten und unter stempelten Zeugnisses. Wie sich jedoch später herausstellte, war das Zeugnis gefälscht und der Name des angeblichen Dienstherrn erlogen Da die zum Kaufe herausgesuchte Uhr im Werte von 30 Mark erst abgezogen werden mußte, so gelang es dem Schwindler nur, eine ältere, minderwertige Uhr, die ihm einstweilen ausgehändigt wurde, an sich zu bringen. Grimma. Welch großen Schaden der am 31. November v. I. herrschende Sturm hier verursacht hat, ist daraus zu ersehen, da die infolge des Sturmes erforderlichen Aus befserungen allein an städtischen Gebäuden 7000 Mark Kosten verursachten. Mühlberg a. d. E. Als vorgestern abends gegen 11 Uhr der Bürgermeister des Städtchens Schweinitz sich nach Hause begab, wurde kurz vor seiner Wohnung auf ihn ge- chossen. Er wurde im Genick verletzt; die Wirkung des Schrotschusses wurde aber durch en hochgeschlagenen Rockkragen abgeschwächt. )er Attentäter, der jedenfalls aus Rachsucht gehandelt hat, konnte bis jetzt leider noch nicht ermittelt werden. Aussig. In der Ausschußsitzung der Sektion Aussig des Bundes österreichischer Jn- oustrieller berichtete der Sekretär von der Fusionierung dreier Elbeschiffahrtsgesellschaften und von der von der Kammer verlangten Stellungnahme der Sektion hierzu. Der Aus- chuß schließt sich der Ansicht der hiesigen Hauptverlader an, die in der Fusionierung nur nen Vorteil sehen; denn an eine Monopoli- ierung kann mit Rücksicht auf die noch immer zroße Konkurrenz durchaus nicht gedacht werden. Sodann wurden die hiesigen Zustände im Telephonverkehr einer eingehenden Erörterung unterzogen und beschloßen, bei der Bundes zentrale in Anregung zu bringen, daß man von hier aus mit Berlin sprechen dürfe.und auch mit Wien direkt verbunden werde, also mit Ausschaltung der Zwischenstation Prag. Zittau. In der am Freitag abend hier attgefundenen Stadtverordnetensitzung legten die Stadtverordneten Dr. med- Uhlig und Dr. iur. Oppermann nach vorausgegangen erregten Auseinandersetzungen ihre Mandate nieder und verließen den Sitzungssaal. Die freisinnige Stadtvertretung ist nun ganz unter sich. — Die Vergehen des Käsefabrikanten Pfister per haben eine rasche Sühne gefunden. Eben rst von Berlin beim hiesigen Amtsgericht ein geliefert, ist Pfister bereits vom Schöffengericht abgeurteilt worden. Der vollendete Betrug vnnie nur in einem Falle nachgewiesen werden, weshalb der Angeklagte mit einer Gefängnis- 'trafe von drei Monaten davonkam. Leipzig. Gegen den wegen Verdachtes, den Mord an dem Händler Cohn verübt zu haben, inhaftierten Schuhmacher und Trödler Reinhold Günther, der gleichfalls in der Sce- burgerstraße wohnte, ist nunmehr die Vorunter- uchung eröffnet worden. Seine Haft dauert demnach fort. — Der frühere Mitdirektor der Leipziger Bank, Dr. Gentzsch, hat die Rechtsanwaltschaft niedergelegt, jedenfalls um die Einleitung eines Disziplinarverfahrens nach Verbüßung der ihm auferlegten Strafe überflüssig zu machen. So wird Dr. Gentzsch, der an dem Bankzusammen bruch gewiß Minderschuldige, auch für sein ferneres Leben hart gestraft, während der „blonde Exner" nach Verbüßung seiner kurzen Gefängnisstrafe weitere Folgen nicht zu tragen hat. Crimmitschau. Am Sonnabend abend ist auf dem hiesigen Bahnhof ein mit 16 Ballen gefärbter Baumwollenabfälle beladener Güter wagen in Brand geraten. Entstehungsursache des Brandes, dem Ladung und Wagen zum Opfer fielen, ist zur Zeit noch unbekannt. Crimmitschau. Eine im Dezember vorigen Jahres bereits vom hiesigen Schöffen gericht vertagte Verhandlung kam gestern wieder zur Verhandlung und endete damit, daß der Geschäftsführer der hiesigen Filiale des Textil- arbeiterverbandes, Albin Hecht, zu zwei Wochen Gefängnis, Tragung der Kosten und Veröffent lichung des Urteils verurteilt wurde. Die Klage war von 75 hiesigen Fabrikanten ange strengt, welche sich durch ein Anfang September unter Hechts Verantwortung herausgegebenes Flugblatt beleidigt fühlten. Die Kosten, di der Verurteilte zu tragen hat, belaufen sich nac Angabe seines Verteidigers, des Rechsanwalts Dr. Hübner-Leipzig, auf etwa 600 Mark. Ji der von Hecht erhobenen Widerklage gegen zwe Fabrikanten wurde der eine freigesprochen und der andere zu 100 Mark Geldstrafe oder zehn Tagen Gefängnis verurteilt. Netzschkau. Mitten auf der etwa 70 Meter hohen Göltzschtalbrücke, wo die Gleise der Linie Leipzig—Hof liegen, wurde vorgestern aben^> vom Bahnbeamten Reinhold ein 20jähr. Mädchen angetroffen, das sich von der Brücke türzen oder vom Zuge überfahren laßen wollte. )as Mädchen war aus dem Armenhause Mylau entlaufen uud ist mit Krämpfen behaftet. Meerane. Der 19 Jahre alte Wirtschaft»« gehilfe Rudolph, der als Brandstifter im ver gangenen Jahre die hiesigen Einwohner in Aufregung versetzte, hat durch Erhängen seinem Leben ein Ziel gesetzt. Rudolph, der seinen Eltern durch die Brände zirka 5000 Mark Schaden verursachte, war vom Landgericht Zwickau wegen geistiger Störung freigesprochen worden. Man vermutet, daß er auch den Selbstmord in einem Anfalle geistiger Um nachtung verübt hat. — Verschüttet wurden am Montag auf Oberdörfer Flur ein Arbeiter und eine Arbeiterin, die beim Gutsbesitzer Schumann daselbst in Stellung waren. Genannte wollten aus einem Lager auf dem Felde Rüben holen, als plötz- ich in dem Lager eine Erdwand einstürzte, reibe unter sich begrabend. Noch lebend, aber chwer verletzt, wurden die Verunglückten ge- iorgen und in ärztliche Behandlung gegeben. Plauen i. V. Heute vormittag erfolgte auf dem hiesigen Rangierbahnhofe der Zu- ämmenstoß einer Hofer und einer Reichenbacher Lokomotive. Beide Maschinen wurden erheblich beschädigt; vom Lokomotiv-Personal wurde niemand verletzt. — Für Rußland und Japan find jetzt vieder größere Bestellungen auf Verbandstoffe hier aufgegeben worden. Ebenso waren hier m letzten Vierteljahre bei hiesigen mechanischen Vebereien und Fabrikanten bedeutende Auf träge in Verbandstoffen eingegangen, welche für die Balkanstaaten bestimmt waren. Diese Bestellungen bieten aber keine besondere Er« cheinung, sie kommen alljährlich um diese Zeit vor und sind für das Militär und die großen Krankenanstalten bestimmt. Aue, Erzgeb. Für die durch Wahl des Herrn Thomas zum Superintendenten in Zwickau erledigte Pfarrstelle wurde heute ein stimmig Herr Pastor Temper in Kleinröhrsdorf lei Radeberg gewählt. Aus dem Vogtlande. In den säch- ischen Gemeinden längs der böhmischen Grenze macht sich gegenwärtig wieder eine Bewegung bemerkbar, die darauf abzielt, der Landesver tretung klar zu machen, daß in einzelnen Ge meinden die Heranziehung der in Böhmen wohnenden und in Sachsen beschäftigten Arbeiter zu einem Teile der Gemeindesteuern geradezu eine Lebensfrage für solche Orte ist. Es sind in Sachsen an der österreichischen Grenze Hunderttausende von Arbeitern beschäftigt, die Millionen von Mark alljährlich über die Grenze schleppen, in Sachsen nichts verzehren und da durch unsere Kaufleute und vor allem die ein heimischen Arbeiter schädigen. In Böhmen stehen alle Lebensbedürfnisse niedriger im Preise wie in Sachsen, die Arbeiter bezahlen keine Steuern, sie können also für viel niedrigeren Lohn arbeiten, als unsere Lente. Die Be steuerung solcher Grenzläufer erfolgte auch bis 1902 in Sachsen unbeanstandet. Unterm 21. Januar 1903 hat aber die Königlich sächsische Staatsregierung mit der österreichischen einen Staatsvertrag abgeschlossen, laut welchem diese Besteuerung aufhören sollte, die 1902 von den in Sachsen arbeitenden böhmischen Arbeitern bezahlten Steuern auf Verlangen sogar wieder zurückgezahlt werden mußten. Da dieser weittragende Staatsvertrag im vorigen Jahre ohne Zustimmung des Landtags abge schlossen worden ist, so hofft man in den haupt sächlich in Mitleidenschaft gezogenen industrie treibenden Gemeinden, daß dieser, Sachsen nur Nachteile bringende Staatsvertrag möglichst bald wieder aufgehoben wird.