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Die „Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich l Mark. Durch die j)sst bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für dis Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag w Uhr. Inserate werden mit zo Pf. für die Sxaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be> sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Mr die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr. 39. Freitag, den 1. April 1904. 3. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Vttendorf-Gkrilla, zy März 1904. — Es geht auf Ostern. Es geht dem wundersamen Auferstehungsfrste zu, das uns alljährlich von neuem seine belebende, heiligende und tröstende Kraft spüren läßt. Wer möchte sich nicht freuen, wenn draußen ein Sprießen und Wachsen, ein Erwachen und junges Leben die Natur durchzieht I Wer möchte nicht schon jetzt an Max von Schenkendorfs sinniges Lied denken: „Ostern, Ostern, Frühlingswehen, Ostern, Ostern, Auferstehen aus der dunklen Grabes- nacht! Blumen sollen lieblich blühen, Herzen sollen heimlich glühen, denn der Heiland ist er wacht I" Es geht auf Ostern! Aber nicht alle die jetzt so sagen und denken, haben eine innige und ungetrübte Freude dabei. Der Ostcrtermin greift auch tief ins bürgerliche Leben ein; er bedeutet in so mancher Beziehung einen Mark- oder Lchlußstein oder einen neuen Anfang, und da kommen auch Sorgen- und Kummergedanken. Wird der neukonfirmierte Junge oder das Mäd chen auch seine Sache im Leben richtig machen? Wwd der kleine Knirps, der jetzt bald die Spiel stube zum guten Teile mit der Schulstube ver tauschen wird, auch ordentlich weiter und vor wärts kommen? Wird man sich in dem neuen Heim nach all dem Umzugstrubel auch wohl und glücklich fühlen? Wird das neue Amt, die neue Stellung, die Versetzung an einen anderen Ort usw. immer die rechte Befriedigung brin gen ? Wird der in der K asse Sitzengebliebene nun endlich das ersehnte Ziel erreichen können? Wird man nächste Ostern froher sein dürfen, als dieses Mal ? Aber trotz allem und allem — warum sollte man sich die Osterfreude ver derben lassen! Ja, gerade im Hinblick auf Ostern darf ein allgemeines Hoffen durch die Menschheit gehen. E. Geibels Ostermahnruf möge nicht vergeblich sein: „Ihr sollt euch all des Heiles freuen, das über euch ergossen ward; es ist ein junges Erneuen im Bild des Früh lings offenbart I" Aller Pessimismus soll wei chen, Freude und Hoffnung soll das Menschen herz warm machen, das Leben soll immer noch des Lebens wert sein — es geht auf Ostern! — Die Natur schmückt sich mit österlichem Reiz. Sträucher und Bäume erwachen unter dem Kuß der Sonne zu neuem Leben. Zarte Knospen zeigen sich, an besonders geschützten und von der großen Licht- und Wärmespenderin gut bestrahlten Stellen sprießen sogar schon die ersten zarten Blättchen. Da kommt Freude in jedes Menschenherz; immer wieder begrüßen wir das Erwachen der Natur aus langem Winterschlaf, das so alt und doch so neu ist. — Die nach Beendigung ihrer gesetzlichen Schulpflicht zu Ostern als Lehrlinge oder Lehr mädchen, Volontäre, Laufburschen, als Fabrik arbeiter oder Fabrikarbeiterinnen in das gewerb liche Leben eintretenden Knaben und Mädchen sind nach den Bestimmungen der Neichsgewerbe- ordnung (H 107 und folgende) verpflichtet, bis zur Erfüllung ihres 21. Lebensjahres ein Ar beitsbuch zu führen. Die Ausfertigung der Arbeitsbücher erfolgt kostenlos durch die Ge- meindebehöroe des letzten Aufenthaltsortes. Zur Erlangung eines Arbeitsbuches ist erforderlich die Vorlegung einer schriftlichen Einwilligungs erklärung des gesetzlichen Vertreters (Vater, eventuell Mutter, eventuell Vormund), der Ge burtsurkunde, des Schulentlassungszeugnisses und eines Wohnungsnachweises, eventmll auch des Vormundschaftsscheines. Das Arbeitsbuch muß vor dem Eintritt in die Lehre oder in die son stige gewerbliche Beschäftigung beschafft werden, weil ohne ein Arbeitsbuch eine jugendliche Person gar nicht in Arbeit genommen werden darf, wenn sich der Arbeitgeber nicht strafbar machen will. Das Arbeitsbuch ist durch den Arbeit geber abzufordern und aufzubewahren. Alle, die es angeht, werden auf diese Bestimmungen zur Vermeidung von Nachteilen hiermit Hinge lviesen. Es empfiehlt sich sehr, die Ausstellung des erforderlichen Arbeitsbuches baldigst und noch vor Eintritt in die neue Beschäftigung bei der zuständigen Amtsstelle zu beantragen. Auch diejenigen Knaben und Mädchen, welche bisher schon eine Arbeitskarte hatten, sind für die nach der Schulentlassung liegende Zeit zur Führung eines Arbeitsbuches verpflichtet, denn die Arbeits karte verliert mit der Beendigung der Volks schulpflicht ihres Inhabers die Gültigkeit. — Das Ergebnis der Reichstagswahl im 20. sächsischen Wahlkreise beträgt nach nun mehriger definitiver amtlicher Feststellung: Re dakteur Zimmermann (Reformpartei) 11 957 Stimmen und Photograph Pinkau (Sozialdemo krat) 10 982 Stimmen. — Trotz des neuen Lotteriegesetzes wagen es noch immer die Kollekteure auswärtiger Lotterien, ihre Lose in Sachsen zu versenden und durch beigesügte vertrauliche Mitteilungen die Empfänger zum Spielen zu bewegen. Wir raten den sächsischen Spielern dringend, die vielversprechenden, unsere Staatslotlerie als eine teure und wenig chancenreiche hinstellenden An preisungen unbeachtet zu lassen, wenn sie nicht mit dem Gesetz in Konflikt kommen wollen. — In den April schicken. Über den Ur sprung der noch jetzt vielfach in Deutschland so wohl wie auch in Frankreich, England und an derwärts am 1. April üblichen Sitte des April schickens sind verschiedene Meinungen aufgestellt worden. Gewöhnlich wurde der Brauch als Nachahmung des Hin- und Herschickens Christi von Hannas zu Kaiphas, von Pilatus zu Hs- rodes angesehen, weil im Mittelalter am Oster feste, das meistenteils in den April fällt, auch diese Szene in den Passionsspielen aufgeführt wurde. Doch ist dieser Brauch dem deutschen Altertum unbekannt und scheint, wie Grimm annimmt, erst in den letzten Jahrhunderten aus Frankreich eingeführt worden zu sein. Obgleich der Ursprung des Aprilschickens auch dort nicht aufgeklärt ist, so spricht manches dafür, daß es der Rest eines alten heidnischen, vielleicht kel tischen Festes ist, das mit dem Beginn des Frühlings zusammenhing. Im Volksglauben gilt der 1. April als Unglückstag: an ihm Be gonnenes mißlingt, geschlossene Ehen werden unglücklich, Krankheiten enden tödlich und dergl. Prognostik« mehr. Dresden. Ein Oberprimaner der hiesigen Annenrealschule hat sich mittelst Arsenik vergiftet, da die Osterzensuren bei ihm nicht gut ausge fallen waren. — Wegen Verdachts der Hochstapelei ist die Freifrau v. Biedermann in Dresden zur Anzeige gebracht worden. — Dem Sächsische Regattaverein, der unter dem Protektorats des Kronprinzen steht, wurde vom König Georg für die am 19. Juni d. I. auf der Eibstromstrecke Wachwitz-Blasewitz statt findende Ruderregatta ein Ehrenherausforderungs preis gestiftet, der nach dreimaligem Siege in den endgültigen Besitz des siegenden Vereines übergeht. — Vor dem Königl. Landgerichte zu Dresden hatte sich der 24 Jahre alte Kaufmann Eduard Robert Nitschke aus Liegnitz wegen Unterschlag ung zu verantworten. Der Angeklagte war seit Juli 1899 erst Kontorist, dann Reisender für Vie Firma Bienert in Plauen. Nitschke führte ein sehr flottes Leben und hat infolgedessen von Herbst 1902 bis Februar 1904 von den ihm anvertrauten Geldern mindestens 13 000 Mark veruntreut. Das Urteil lautete auf 2 Jahr 6 Monate Gefängnis und Zjährigem Ehcen- rechtsverlust. — Ein größeres Schadenfeuer kam vorgestern früh in der siebenten Stunde in dem Labora torium einer Farbenfabrik im Erdgeschosse des Hintergebäudes Kess lsdorfer Straße Nr. 58 in Dresden-Löbtau zum Ausbruch. Zunächst un bemerkt geblieben, hatte das unter einem Trocken ofen entstandene Feuer den Fußboden mit Lager hölzern zerstört, dann sein Zerstörungswerk an in dem Raume befindlichen Farben, Chemikalien, Regalen und anderem mehr fortgesetzt und schließlich auch die Decke und den Fußboden in einem darüber gelegenen Niederlagsraum er griffen. Die Feuerwehr mußte eine Schlauch leitung vom Straßsnfeuerhahn in Betrieb brin gen, mit deren Hilfe sie die Gefahr bald be seitigen konnte. Das Freilegen des Brand herdes, bei dem sich das Abtragen des Trocken ofens nötig machte, und die umfänglichen Ab räumungsarbeiten nahmen die Löschmannschaften fast 2 Stunden in Anspruch. Der nicht un erhebliche Brandschaden dürfte durch die bestehende Versicherung gedeckt werden. — Das „Dresdner Journal" schreibt: Die durch die Maul- und Klauenseuche den Vieh beständen drohende Gefahr erscheint für das Königreich Sachsen, das seit November v. I. frei von dieser Seuche geblieben war, wieder in stärkerem Maße. Bereits in vier Amts hauptmannschaften ist die Seuche durch aus den preußischen Provinzen Posen und Brandenburg stammende Handelsrinder eingeschleppt worden. Obwohl es bisher der Veterinärpolizei gelungen ist, eine Weiterverbreitung der so überaus leicht übertragbaren Seuche von den ergriffenen Be ständen aus zu verhüten, so läßt sich dennoch eine Beschränkung der Seuche auf ihre Herde doch kaum mehr sicherstellen, wenn letztere zahl reicher geworden sind. Deshalb sollten die Viehbesitzer eifrig bestrebt sein, mit allen nur möglichen Mitteln sich selbst zu schützen. Vor allem aber möchten dis Viehbesitzer einen Zu kauf von Rindvieh unbekannter Herkunft so lange auf das notwendigste beschränken, als die Gefahr der Einschleppung der Maul- und Klauenseuche vorliegt. — Ausgerissen ist der namentlich in Rad fahrerkreisen bekannte Baumeister Curt Oehme. Seine unbeglichenen Verbindlichkeiten werden auf 40000 Mk. geschätzt. Vor der Abreise pumpte er noch eine große Zahl seiner Freunde an. An sein technisches Bureau, das sich im zweiten Stock des Caf6 Zentral befindet, gelangte dieser Tage eine Postkarte, aus der heroorging, daß Oehme sich im Auslands aufhält. Seine Braut hat ihn entgegen dem Gerücht nicht begleitet. Radebeul. Der Besitzer des hiesigen Bahn hofshotels ist „verreist", ohne das Ziel seiner Reise angegeben zu haben. Man glaubt, daß er Gründe hat, nicht wieder zurückzukehren. Bühlau. In der Nacht zum 29. März wurden in zwei hiesigen Restaurants Einbrüche verübt, wobei den Tätern Geldbeträge von un gefähr 40 Mark in dem einen und gegen 8 Mark in dem anderen Falle in die Hande fielen. Von den Dieben fehlt noch jede Spur. Pirna. In der hiesigen Duellaffäre haben die Leutnants Karl Alfred Gerlach und Eduard Adolf Korn, beide vom 64. Feld - Art. - Reg., welche am 16. März wegen Zweikampf zu 2 Jahren bezw. 1 Jahr 3 Monaten Festungshaft verurteilt worden waren, Berufung eingelegt, sodaß die Angelegenheit noch das Oberkriegs gericht des 12. (1. Kgl. Sächs.) Armeekorps be schäftigen wird. Radeburg. Nachdem seit einigen Wochen die Maschinen für unser Wasserwerk eingetroffen und die Arbeiten soweit fertiggestellt sind, daß der regelrechte Maschinenbetrieb aufgenommen werden kann, wird von jetzt ab an die Ein wohnerschaft Radeburgs vorläufig Nutzwasser abgegeben. Die Dichtigkeitsprobe des 200000 Liter fassenden Hochbehälters ist derart günstig ausgefallen, daß auch dieser in Betrieb ge nommen wird, und gedenkt die Bauleitung mit sämtlichen Arbeiten soweit fertig zu werden, daß in der Woche nach Ostern das Werk feierlich der Stadt übergeben werden kann. Großenhain. Gestern früh gegen 7 Uhr versuchte sich die ca. 27 Jahre alte, taubstumme Näherin W. von hier in der Röder zu ertränken. Die Lebensmüde wurde jedoch zwischen der Eckhardt- und Wilhelminenbrücke des hiesigen Stadtparkes in bewußtlosem Zustande wieder ans Land gebracht und ins Leben zurückgerufen. Kamenz. Am Sonnabend wurde hier ein Kontorist, welcher in einem größeren Fabrik- Etablissement tätig war und sich daselbst des Diebstahls und der Unterschlagung schuldig machte, an das Amtsgericht eingeliefert. Meißen. Ein Deserteur von der 2. Ma- trosen-Division in Wilhelmshaven — der Sohn einer hiesigen Postbeamtenswitws — wurde hier estgenommen. Dr war seit 20. Januar von einer Truppe flüchtig. Siebenlehn. Hier wurde durch ein ge waltiges Schadenfeuer die eine Seite der Markt gasse zerstört. Eingeäschert wurde das Grund- tück der Frau verw. Hamann, das Arnoldsche Wohnhaus und das ganze ehemalige Stadtgut oes Herrn Otto Friebe. Riesa. Eine für die hiesigen Hausbesitzer schwerwiege, de Anordnung hat der hiesige Stadt rat in dem Verbote getroffen, künftig die un mittelbar unter dem Dachstuhl befindlichen Räum lichkeiten nicht zu Wohnungszwecken zu benutzen. Da durch diese aus hygienischen Gründen er gangene Bestimmung die betreffenden Hausbe- 'itzer infolge Entwertung ihrer Häuser geschädigt werden, so haben diese eine Petition an den Stadtrat gerichtet, in welcher um Aufhebung des Verbots nachgesucht wird. Freiberg. „Damit sein Brotherr für ei nen Neubau eine schöne Aussicht kriege", feuerte der schon vorbestrafte Handarbeiter Wenzel in Blumenau eine Scheune weg. Dem Feuer fiel auch noch ein neues Gebäude zum Opfer. Das hiesige Schwurgericht belegte den Gemütsmenschen für diese verschönernde Tätigkeit mit 4 Jahren Zuchthaus. Chemnitz. Entgegen den früheren Ge pflogenheiten, zu dem am 5. April hier zusam mentretenden Parteitag der sächsischen Sozial demokratie jedermann den Zutritt zu gestatten, soll diesmal dea Zutritt zu der Landesversamm lung nur denjenigen gestattet werden, die po litisch organisiert sind, und auch nur dann, wenn sie sich am Saaleingang entsprechend le gitimieren können. Stollberg. Zu der gemeldeten Verhaftung des Rechtsanwalts Nietzschmann, der sich vor ungefähr zwei Jahren dort niedergelaffen hat, wird noch gemeldet, daß er ihm anvertrauts Gelder veruntreut haben soll. Nietzschmann be fand sich nicht selten in Zahlungsschwierigkeit und hat zahlreiche Verbindlichkeiten. Über sein Vermögen wurde der Konkurs eröffnet. Leipzig. Bei der Ortskrankenkasse gehen noch fortgesetzt Anmeldungen auswärtiger Ärzte ein. Trotzdem muß mit der Möglichkeit ge rechnet werden, daß die Kasse am 1. April, wenigstens vorübergehend, außer Stande ist, allen Anforderungen zu genügen. Für alle Fälle würde, so äußerte der Vorsitzende der Generalversammlungsvertreter der Arbeitgeber der Ortskrankenkasse, wenn sich unerwartete Schwierigkeiten ergeben sollten, eine General versammlung einzubsrufen sein, die den Anschluß der ärztlichen Behandlung der Familienange hörigen auf kurze Zeit beschließen solle. — Für die drei ärztlichen Beratungsanstalten (Poli kliniken) hat die Kaffe zwei Gebäude angekauft und eins Villa gemietet. Die Eröffnung er folgt am 1. April. Tie Anstalten sind mit je einem Oberarzt und den erforderlichen anderen Ärzten besetzt, an der Zentralklinik werden auch Spezialärzte tätig sein. Annaberg. In den Personen zweier Hand arbeiter aus Crottendorf wurden hier zwei Geld- männel verhaftet, die nach berühmten Mustern einen Gastwirt in der Schwarzenberger Gegend beredet hatten, ihnen 500 Mark echtes Geld für 5000 Mark falsche Banknoten zu geben, die in Österreich leicht umzusetzen sein sollten. Die Geldmännel waren aber an die falsche Adresse gekommen, denn der Wirt ging scheinbar auf das Geschäft ein, machte aber dem zustän digen Gendarm Mitteilung. Als am Sonn abend das Geschäft perfekt werden sollte, wur den die Gauner verhaftet. Falsches Geld hatten sie natürlich nicht, sie wollten ihrem Opfer nur die 600 Mark abnehmen.