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Ottendorfer Zeitung : 13.03.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-03-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190403131
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19040313
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19040313
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-03
- Tag 1904-03-13
-
Monat
1904-03
-
Jahr
1904
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 13.03.1904
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politische kunälckau. Ter russisch-japanische Krieg. *Die allgemeine Lage im fernen Osten ist unverändert, noch immer herrscht starke Kälte. Die russischen Ausklärungstruppen zogen sich ohne Kampf nach Wiju zurück. Es ist unwahrscheinlich, daß der Übergang über den Jalu erzwungen werden wird. Wie der Kriegsberichterstatter des ,Daily Mail' erfährt, sind ernstere Gefechte vor drei bis vier Wochen nicht zu erwarten. Der zum russischen Oberbefehlshaber ernannte bisherige Kriegs- minister Kurop'akk'i ü'reift am 12. d. von Petersburg ab. "Das rufsis ch e Wladiwostok-Ge schwader befindet sich, wie angenommen wird, an der Nordostküste Koreas in der Nachbarschaft des- Grenzflusses Tumen zur Deckung der Bewegung der russischen Truppen von der Posfietbai nach dem Tumental. Aus verläßlicher Quelle verlautet, daß die russischen Aufklärungspätrouillen bis etwa nach Kjöngjöng nach Süden vorgedrungen seien. Früher wurden die russischen Bewegungen in Nordostkorea als eine Scheinbewegung betrachtet, jetzt erscheint eine wesentliche Truppenmacht beteiligt. Man glaubt, die Russen Wüllen am Tumen eine starke Position besetzen und befestigen. "In Tokio war in den letzten Tagen das Gerücht von einem neuen Angriff der Japaner auf Port Arthur verbreitet, der in den Tagen vom 5. bis 7. März erfolgt sein sollte. Anscheinend schenkt man diesem Gerücht in Japan selbst ebensowenig Glauben, wie man ihm im Auslande Glauben schenken wird. * Wegen der Kohlenversorgung des russischen Geschwaders im Suez kanal und im Roten Meer soll es zu einem ernsten Zwischenfall zwischen dem russischen Agenten und der ägyptischen Regierung ge kommen sein. * * Der Herero-Aufstand. "Zu der Nachricht, daß Gouverneur Leut wein wiederholt die Einleitung von Friedens Verhandlungen mit den auf ständischen Hereros angeregt habe, schreibt die ,Nordd. Allg. Ztg/ offiziös : „Gouverneur Leutwein wurde alsbald nach seiner Rückkehr nach Swukopmund, und zwar ohne daß er eine Anfrage nach Berlin gerichtet hatte, mit tele graphischen Weisungen versehen, die davon aus gingen, daß Verhandlungen mit den Hereros völlig ausgeschlossen seien. Darauf antwortete Gouverneur Leutwein, daß er gleichwohl er mächtigt zu sein glaube, sich gegebenenfalls zur Vermeidung unnötigen Blutvergießens auf Scheinverhandlungen einzulassen. Das ist alles, was an zuständiger Stelle in der Angelegen heit bekannt ist." * * * Deutschland. "Kaiser Wilhelm trifft am 12. d. in Bremerhaven ein und fährt mit dem Dampfer „König Albert" um 8 Uhr morgens ab. Prinz Heinrich trifft am Freitag daselbst ein, um bei der Abfahrt zugegen zu fein. "Die Trauerfeier für den Grafen Waldersee sand am Mittwoch mittag in der Garnisonkirche zu Hannover statt; der Kaiser ließ sich durch den Kronprinzen vertreten. Die Leiche wurde dann nach Waterneversdorf übergeführt. * Auch der Kaiser von Japan hat der Gräfin Waldersee den Ausdruck seiner wärmen Teilnahme an dem Hinscheiden des von ihm hochgeschätzten Generalfeldmarschalls über mitteln lassen. *Die Besserung im Befinden des Großherzogs von Baden schreitet fort. Der Großherzog hat am Montag in Begleitung der Großherzogin vormittags den ersten Spa ziergang im Freien unternommen, dem nach mittags eine Spazierfahrt folgte. "Der Aufhebung des § 2 des I e su i t e n g e setz e s hat der Bundesrat am Dienstag zugeftimmt. Fünf Jahre hat es gedauert, um zu dieser Entscheidung über einen Beschluß des Reichstags zu gelangen. Der Reichstag hat am 1. Februar 1899 zwei Initiativanträge angenommen. Er beschloß so wohl entsprechend einem Zentrumsanlrage die vollständigeAufhebung des Jesuiten gesetzes als auch die Beseitigung nur der im 8 2 enthaltenen Beschränkungen des Aufenthalts einzelner Mitglieder des Jesuitenordens, entsprechend zwei gleichlautend von dem konservativen Abg. Grafen Limburg und dem steifinnigen Abg. Rickert gestellten Anträgen. Aufrechterhalten bleibt der 8 1 des Jesuitengesetzes, der lautet: „Der Orden der Gesellschaft Jesu und die ihm verwandten Orden und ordensähnlichen Kongrega tionen sind vom Gebiet des Deutschen Reichs aus hang mit dem Rücktritt des Erbprinzen von Mei ningen vom Breslauer Korpskommando sprach Abg. Müller-Meiningen (fr. Vp.), demgegenüber der Kriegsminister v. Einem die parlamentarische Er örterung von ausschließlich dem Kaiser zustehenden Personalverändcrungen ablchntc. Abg. Stöcker (wutsch. Vgg.), der sehr heftig mit den Sozial demokraten znsammcngcriet, bestritt diesen das Recht, sich gerade ihrerseits über das sittliche Ver halten einzelner Offiziere als berufene Sittenrichter aufzuspielen. Am 9. d. wird die zweite Beratung des Militär-Etats (Gehalt des Ministers) fort gesetzt. Abg. Braun (soz.) bespricht die Sozialpolitik der Heeresverwaltung, die geringen Löhne und die außerordentlich lange Arbeitszeit in den Werkstätten der Heeresverwaltung. Die Angaben über die geschlossen. Die Errichtung von Mederlassungen derselben ist untersagt." "Die Vorarbeiten für den angekündigten Gesetzentwurf über die Entlastung des Reichsgerichts sind beendet, jedoch sollen vor der definitiven Feststellung des Entwurfs noch Besprechungen mit den maßgebenden parlamentarischen Parteien fiattfinden. "In diesem Frühjahr werden fünfzig Jahre vergangen sein, seitdem die ersten drei Fabrikinspektoren in preußischen Industriezentren angestellt wurden. Obligatorisch für fast alle Bundesstaaten ist die Fabrikinspektion durch die Novelle vom Juli 1878 geworden. Rustland. "Am Sonntag abend gab in Bjelostok (Gouvernement Grodno) ein Arbeiter auf den Polizeimeister und seinen Gehilfen mehrere Schüsse ab. Verletzt wurde nie mand. Der Verbrecher wurde von dem Polizei meister selbst festgenommen. Balkanstaate«. * Die wegen des türkischen Ordens schwindels über den Herausgeber der Zeitungen ,Serben und Malumafl Tabir Bei und dessen Redakteure gefällten Urteile hat der Sultan umgestoßen und das öffentliche Verfahren angeordnet. Amerika. "Die Ver. Staaten sind entschlossen, mit dem BaudesPanamakanals zu be ginnen, gleichviel ob die Besitztitelfrage vor her geregelt wird oder nicht. ZUS ckem AeicbstAge. Im Reichstage wurde am Dienstag zunächst in erster und zweiter Lesung der Gesetzentwurf betr. die Rechtsstellung des herzoglich holsteinischen Fürsten hauses beraten und genehmigt. Dann sprach bei Wsiterberatung des Militär - Etats Abg. Sattler (nat.-lib.), der dem Rütteln der Sozialdemokraten an unseren nationalen Grundlagen und an unserer Wehrkraft im Sinne der Ausführungen des Kriegs ministers entgegentrat, gegen den dann wieder der Abg. Ledebour (soz.) polemisierte. Der sächsische Bevollmächtigte Krug v. Nidda stellte die Zeitungs meldungen über eine bedauerliche Schlägerei zwischen einem Offizier und einem Zivilisten in Bautzen richtig. Uber Soldatenmißhandlungen im Zusammen Arbeitszeit seien sehr lückenhaft; ebenso fehlen Auf schlüsse über die Beschäftigung von Bäckern, Schnei dern, Schuhmachern usw., sowie über das Sub missionswesen. Die Heimarbeit müsse bei Ver gebungen des Reiches völlig umgestaltet werden. Abg. v. Kröcher (kons.) gibt zu, daß es unter den Offizieren nicht ganz einwandsfreie Elemente gebe, Don Juans, Trinker und Spieler, was übrigens schon zu Zeiten Friedrichs des Großen der Fall gewesen sei, von dem ja bekanntlich das Wort stammt: „Sauf' Er auch !" Der Zweck seiner Rede sei, einige Äußerungen Bebels zu unterstreichen. Er gebe zu, daß Leute als Sozialdemokraten in die Armee eintrcten und sie als Sozialdemokraten wieder verlassen. Abg. Böckler (wirtsch. Vgg.) bespricht die Stellung und Leistungen der jüdischen Soldaten in der Armee und protestiert gegen die Ernennung von Juden zu Offizieren. Die Rede des Abg. Müller über das zu starke Vorhandensein von adligen Offi zieren in der Armee beweise, daß ihm jeder geschicht liche Sinn abgehe. Denn viele adligen Familien stellten seit Jahr und Tag der Armee die Offiziere. Abg. Bebel (soz.) spricht dem sächs. Bundes bevollmächtigten Krug b. Nidda dis Berechtigung ab, seine Partei in dieser heftigen Weise anzugreifen, weil er den Bautzener Fall vorgebracht hatte. In bürgerlichen Blättern sei das ganze Gerücht zuerst entstanden, über den Fall Arenberg werde seine Partei eingehend beim Marjneetat sprechen. Sei es aber wahr, wie es in den Zeitungen gestanden habe, daß v. Einem Kommandeur der 4. Kürassiere ge wesen sei, als Prinz Prosper eintrat? Gegenüber der Kritik des Abg. Stöcker betont Redner, es gebe zwischen diesem und ihm keine Verständigung. Sie ständen sich gegenüber wie Wasser und Feuer. Redner zitiert Äußerungen verschiedener Militär prediger über die Unzucht im Heere. Für die Unter suchungskommission für die im Baudissinschen Buche geschilderten traurigen sittlichen Zustände sollte Herr Stöfler lieber seinen Amtsbruder bröselt in Vor schlag bringen. Wie traurig die Zustände seien, dafür sei ein Beweis, daß die Sozialdemokratie jetzt schon hinauf bis in die höchsten Kreise Anhänger habe. Abg. Stöcker (wirtsch. Vgg.): Herr Bebel hat sich doch geärgert. Er flüchtet vor den Konsequenzen seiner eigenen Gedanken. Sein Buch „Die Frau" löst das Geschlechtsleben von jeder sittlichen Grund lage und verwandelt die Menschheit in einen zoo logischen Garten. Ich kämpfe mit der Sozialdemo kratie auf Leben und Tod, bis einer auf dem Platze bleibt. Herr Bebel rief in Dresden aus: Vor den Akademikern müsse man sich zwei- und dreimal hüten. Wer sich so vor den Akademikern fürchtet, kann das Volk nicht von der Unwissenheit befreien. Kriegsminister v. Einem: Es wird dem preußischen Kricgsminister diesmal wirklich sehr schwer gemacht, sein bißchen Gewalt bewilligt zu be kommen. Darin, daß eine gewisse Klatschsucht durch weite Kreise geht, muß ich Herrn Bebel recht geben, aber keine Presse bringt solche Klatschereien un genierter vor und hält hartnäckiger an ihnen fest, als die sozialdemokratische. Noch ein Wort zum Fall Arenberg. Ich war allerdings Kom mandeur des Kürassier-Regiments, in das Prinz Arenberg eintrat. Dies geschah auf Bitten seines Bruders, des Herzogs von Arenberg, und meines jetzt verstorbenen Adjutanten, beides hervorragend tüchtige Offiziere, die mir zweifel los Mitteilung gemacht hätten, wenn ihnen etwas von den Anormalitäten des Prinzen bekannt gewesen wäre. Ich habe von all diesen Fällen, wie sie jetzt durch die Gerichtsverhandlung bekannt geworden sind, keine Ahnung gehabt. Wenn die Verwendung des Prinzen Arenberg im Kolonial dienst erfolgt ist, trotzdem man die Verfehlungen des Prinzen kannte, so sind schwere Fehler begangen worden die nicht abgeleuqnet werden sollen. Herrn Eickhoff erwidere ich, daß weder gesetzliche noch im Verwaltungswege erlassene Vorschriften der Annahme jüdischer Freiwilliger entgegenstehen. Herr Bebel hat neulich dem Generalleutnant z. D. v. Bogus lawski vorgeworfen, er habe Verdächtigungen und Verleumdungen über den Heidelberger Fall verbreitet. Herr v. Boguslawski sagt darin aber lediglich, daß die jahrzehntelang betriebene allgemeine Verhetzung der Sozialdemokratie gegen das militärische System und die Vorgesetzten den Respekt vor diesen zu er töten geeignet fei und zu derartigen Ausschreitungen führen müsse. Ich frage Herrn Bebel, ob er nun seine Beschuldigungen, Verleumdungen und Ver dächtigungen zurücknimmt? (Abg. Bebel: Er tut das nicht!) Dann muß ich an das hohe Haus appellieren, ob Herr Bebel tatsächlich dieser gerechte und nach Wahrheit dürstende Mann ist, wie er sich immer hinstellt. Abg. Wagner '(südd. Vp.) bringt einzelne Miß stände der Militärbureaukratie vor. Abg, v. Oldenburg (kons.) wendet sich gegen die partikularistischen Tendenzen, die Abg. Müller- Meiningen mit der Gegenüberstellung des bayrischen und preußischen Militärs bekundet habe, und be spricht die Militärgerichte, mit deren Öffentlichkeit er sich nicht befreunden kann, da sie nur Wind und Wasser auf die Mühlen der Sozialdemokratie treibe. Abg. Prinz zuSchönaich-Carolath (natl.) feiert die deutsche Armee und stellt gegenüber einem etwaigen falschen Schluffe des Auslandes auf unsere Neichstagsverhandlungen fest, daß die Mehrheit des Hauses gegenüber der Armee ein Mißtrauen nicht hege. Der Titel „Kriegsminister" wird bewilligt. Die vorliegenden Resolutionen mit Ausnahme der Reso lution v. Heyl betr. Besserstellung der Unteroffiziere, angenommen. Darauf wird die Weiterberatung vertagt. Nreußtlcher KanStsg. Das Abgeordnetenhaus setzte am Montag in einer Abendsitzung die Beratung des Eisenbahnetats fort. Am Dienstag trat das Haus in die Erörte rungen der Zugverbindungen ein. Hier wurden von Rednern aller Parteien zahlreiche Monologe betr. Wünsche auf bessere Zugverbindungen gehalten. Zum Schluß äußerte sich der Minister dahin, daß es beinahe den Anschein gewinne, als ob der volks wirtschaftliche Grundsatz, daß gute Zugvervindungen Verkehrsvermehrungen nach sich ziehen, nicht mehr zutreffe. Denn trotz der ungemeinen Steigerung des Verkehrs habe es nach den so zahlreich vorge tragenen Klagen den Anschein, als seien unsere Zugverbindungen schlecht. In der am Mittwoch im Abgeordnetenhause fort gesetzten Beratung des Eisenbahnetats erklärte Minister Budde, es sei unmöglich, alle Wünsche auf bessere Zug verbindungen zu befriedigen. Sie sollten indessen sämtlich bei der nächsten Fahrplanaufstellung geprüft werden. Dem Abg. Goldschmidt (frs. Vp.), der die Entlassung von Eisenbahnarbeitern wegen ihrer Zugehörigkeit zur Sozialdemokratie zur Sprache brachte, erwiderte der Minister, er werde den staats- stemdlichcn Bestrebungen der Sozialdemokratie in feiner Verwaltung jederzeit auf das allerentschiedenfte entgegentreten und jeden Arbeiter, der sich zur Sozial demokratie bekenne, entlassen. Von unä fern. Ein erschütterndes Familieudrama hat sich Montag nacht in Berlin abgespielt. Der Leutnant a. D. Karl Beseke, Inhaber eines kartographischen Instituts, hat wegen Nahrungs- sorgen im Einverständnis mit seiner Gatlin und seiner Tochter seine beiden Söhne, Zöglinge der Kadettenanstalt Bensberg, mittelst Cyankali getötet, worauf sich das Ehepaar und die Tochter auf gleiche Weise das Leben nahmen. K Vie Mläernleben Erben. 14) Roman von M. Brandrup. (Fortsetzung.)'' „Da seid ihr ja!" rief das reizende Geschöpf- chen jubeln. Im Augenblick hatte sie ihre Stief mutter auch schon umschlungen und herzte und küßte die junge Frau mit einer Leidenschaft, die auch . Fanny Hinriß. Dann aber führte Ada die Heimgekehrten in das Haus über einen gewaltigen mit Ziegel ge pflasterten Flur in ein geräumiges Wohnzimmer. Dasselbe war nur mit niinenhaftem Urväter hausrat ausgestattet. Aber Ada hatte zum Emp fange ihres neuen Mamachens Tannengewinde angebracht. Gewaltige Tannengrün-Sträuße standen auf Tischen, Kommode und Schränken. Und da die freilich nur mühsam zusammen gesteckten Gardinen sauber gewaschen waren, machte das Gemach doch einen freunlichen Ein druck, wenn auch die Armut aus allen Winkeln hervorlugte. Aus dem Verfall, dem Schmutz da draußen kommend, sah Fanny nur die Traulichkeit des schlichten Raumes und atmete erleichtert auf. „Wie hübsch du hier alles hergerichtet hast, Kind," sagte sie denn auch und streichelte zärt lich die Wange der Kleinen. „Bist du zufrieden, Mütterchen?" jubelte das Mädchen. Dann flog es endlich auch dem Vater entgegen und rief: „O Papa, wie danke ich dir, daß du mir nun doch wieder eine Mutter gegeben hast, und diese noch dazu! Diese, die ich so UwL—ganzem Herzen lieb Habel" . Nur zerstreut erwiderte Herr von Hagel die Zärtlichkeiten seines Kindes. Dann wandte er sich zu der jungen Frau, der er nun behilflich war, sich des Hutes und ihres Mantels zu ent ledigen. Ada eilte inzwischen auS dem Gemach und kam gleich darauf mit einem Tablett zurück. Das Kaffeegeschirr stand auf demselben — wunderliche, meist angeschlagene Stücke waren es, von denen das eine nicht zu dem anderen paßte. Dann holte die Kleine auch einen riesigen Napfkuchen herbei und stellte ihn, zitternd vor Freude, auf den sauber gedeckten Tisch. „Den hab' ich selbst gebacken, Mamachen," sagte sie dabei stolz. „Frau Oberförster hat mir das Rezept gegeben, denn Marinka — unsere alte Wirtschafterin — ist nicht eben groß in solchen Dingen. Die liebe gute Person hat jetzt auch so viel zu tun." „Warum jetzt?" fragte Fanny ein wenig befremdet. „Ich denke," setzte sie dmn hinzu, indem sie liebevoll Adas blondes Haar streichelte, „mit deiner Heimkehr sollte der Alten eine Hilfe werden und kein „Mehr" in der Arbeit" „So ist es ja auch, Mama — aber . . ." Herr von Hagel unterbrach seine Tochter. Mit einiger Verlegenheit sagte er nun: „. . . aber wir haben das Dienstpersonal verringert, um, so viel es geht, überall zu sparen. So existiert jetzt nur noch eine Leuteköchin — die Küche für uns besorgt Marinka allein, während das Stubenmädchen . . ." über daS feine Gesicht des armen Edelmannes flog eine flammende Glut; das Auge gesenkt, setzte er dann aber doch seinen Worten hinzu: „. . . durch Ada er setzt wird. Ist meiner Kleinen aber einmal die Arbeit zu viel, so müssen die Einliegerweiber aushelfen." Fanny kam nicht aus dem Befremden her aus. Unwillkürlich mußte sie denn auch daran denken, was Tante Ema gesagt haben würde, wenn sie in dieser Stunde neben ihr gestanden und gesehen hätte, wie es sich in Wahrheit auf dem Rittergut, dem Schloß Herrn von Hagels verhielt. Johannes mochte wohl in der Seele seines jungen Weibes lesen. Denn wieder sah er Fanny mit einem Blick an, aus dem nur zu deutlich die Bitte um Verzeihung sprach. Fanuy war ja auch eine derartig zur Ver gebung neigende Natur, fühlte sich überdies — mit ihrer Liebe zu Leo — so sehr in seiner Schuld, daß sie mit aller Kraft ihrer jungen Seele gegen den jäh in ihr aufsteigenden Ge danken kämpfte: „Er hat dich betrogen und du bist in ein noch viel größeres Elend gekommen, als dasjenige war, in dem du bei der Tante lebtest." So gab sie dem heiklen Gespräch denn eine andre Richtung und meinte mit ihrem kindlichen süßen Lächeln, daß sie Appetit verspüre und Kaffee und Kuchen kosten wolle, die Ada auf- getifcht hatte. „O, das ist prächtig!" rief die Kleine und führte ihr liebes Mamachen zum Sofa, dessen fadenscheinigen Bezug sie mit einer in aller Eile gehäkelten Decke dem Blicke entzogen hatte. Als man sich niedergelassen, machte Fanny zum erstenmal in ihrem neuen Heim die Wirtin und goß den Kaffee in die Tassen. Auch den Kuchen zerschnitt sie. Lächelnd präsentierte sie dem Gemahl dann das gelungene Fabrikat seines Töchterchens. Wenn es auch nicht eben beneidenswert in der Seele der jungen Frau aussah, so gelang es ihr doch, eine gewisse Gemütlichkeit um sich zu verbreiten. Aber es war ihr, als stünde sie auf unterminiertem Boden, und ganz gegen alles Wollen kam der Neuvermählten denn auch die Reue, daß sie denselben betreten; da aber traf sie ein Augenaufschlag ihres Stief töchterchens. Der zärtliche, vertrauensvolle Ausdruck in demselben tröstete wunderbar. Dennoch hatte sie das bestimmte Gefühl: es waren schwere Kämpfe, welche ihrer warteten, sie ging ohne jede Frage einem Leben voller Sorgen und unendlicher Mühen entgegen. Nachdem die Herrschaften sich restauriert hatten, machte Herr v. Hagel seiner jungen Frau den Vorschlag, sie im Schloß herum zuführen und ihr auch das Innere der Stallungen zu zeigen. Fanny war natürlich bereit, dem Gemahl zu folgen. Aber sie tat es jetzt ohne alle Erwartungen. Und das war gut. Denn waS sie zu sehen bekam, zeugte von den gänzlich zerrütteten Verhältnissen Herm v. Hagels. Außer dem Wohnzimmer befanden sich freilich noch eine größere Anzahl anderer Ge mächer im Hause. Aber sie alle waren nur notdüiftig, und zwar mit Geräten ausgestattet, die jedenfalls schon den Großeltern gedient hatten und längst in die Rumpelkammer gehörten.
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