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Oertliches und Sächsisches. Gttendorf-Okcilla, 2z. Februar 1904. — Mit recht scharfen Bestimmungen will die Dresdner Gewerbekammer dem Ausveckaufs- wesen zuleibe gehen. Sie reichte ein diesbezüg liches Gutachten bei dem Ministerium nn. — Die diesjährige LandeSversammlum, der sozialdemokratischen Partei Sachsen« findet am dritten Osterfeierlage (5. April) in Chemnitz statt. Für die Verhandlungen sind zwei Tage in Aussicht genommen. Auf der Tagesordnung stehen außer den üblichen geschäftlichen Be ratungsgegenständen der Geschäftsbericht. Bericht über die Agitation, Anträge, Landtagswahlrecht und Gemeindewahlen. — Die Rückwirkungen des russisch japanischen Krieges auf wirtschaftlichem Gebiete sind inter national, kein Staat kann sie abwehren. Für Deutschland drohen sie in besonderem Maße sich geltend zu machen insofern, als russischerseitö die Absicht besteht, im Hinblick auf die Not wendigkeit umfassender Einziehung von Militär pflichtigen zur Fabne die Grenze für die männ lichen „Sachsengänger" während der Dauer des Krieges zu schließen. Für die deutsche Land wirtschaft würde das einen Mangel an Arbeits kräften zur Folge haben, wie er bisher noch nicht zu verzeichnen war. Langebrück. Zu der alten Streitfrage, ob Instinkt oder Verstand, liefert folgendes Vor kommnis in der Vogelwelt einen bemerkens werten Beitrag: Der Hausbesitzer Richter hier reiniate hier seinen Starnistkasten und fand, daß die Flugäffaung desselben vollständig verstopft war. Er entfernte das Hindernis und sah in dem Innern die Gerippe zweier Stare und ei nige Eier liegen. Spatzen hatten hier ein Ver brechen verübt, die Oeffnung verstopft und die Stare elendiglich verhungern lassen. Dresden. Immer größeres Aufsehen er regen die Unregelmäßigkeiten, welche sich bei der hiesigen Aktiengesellschaft Fabrik photographischer Apparate auf Aktien vormals R. Hüttig und Sohn seit einigen Tagen herausgestellt haben. Nicht nur, daß sich der biherige alleinige Vor stand der Gesellschaft und frühere Mitinhaber der Firma, Karl Richard Hüttig, ohne Vor wissen des AufsichtSrateS an zwei anderen hie sigen industriellen Unternehmungen beteiligt und hierzu Mittel der Gesellschaft in Anspruch ge nommen hat, es liegen von dieser Seite auch erhebliche Unterschlagungen vor. Ein Prokurist (Kassierer) der Gesellschaft ist mitschuld-u- — Der Direktor der Monopol-Kontr4lkaß - und Rechenmaschinenfabrik Aktiengesellschaft E. Zabel in Dresden hat sich erschossen. Zavel war Aufsichtsratsmitglied der Firma Hüttig u. Sohn. Anscheinend iü Zabel an den unsau beren Manipulationen des Direktors Hüttig be teiligt gewesen. — Gestern Abend erhängte sich in Dresden Ottendorfer Zeitung. Die „Mttenvorfcc Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich l Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Druck und Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme »ow Inseraten di, »ermittag za Uhr. Inserate werden mit w Pf. für die Sxaltzeil« berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Verlag von Hermann Rühle in Groß-Mkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle Groß-Okrilla. Nr. 23. Mittwoch, den 24. Februar 1904. 3. Jahrgang. Bekanntmachung. Wegen Reinigung der Amtslokalitäten bleibt das Gemeindeamt Mittwoch, den 24. Februar 1904 geschloffen. Ottendorf - Moritzdorf, den 22. Februar 1904. Der Gemeindevorfland. Lincke. , Donnerstag, den 25. Februar 1904, abends 8 Uhr öffentliche Oemeinderatsfchung. Ottendorf-Moritzdorf, am 23. Februar 1904. Der Gemeindevorfland. Lincke. aus dem Bischofswege in der Wohnung seiner Eltern ein 23jähriger, längere Zeit arbeitsloser Kellner. Blasewitz. Aus Anlaß des 30jährigen Bestehens der hiesigen Freiwilligen Feuerwehr bewilligte der Gemeinderat zu einer am 10 Rchz zu veranstaltenden Festlichkeit im Hotel Bellevue die Summe von 150 Mark. Mitbe gründer und zur Zeit noch aktiv sind die Herren Brandmeister A. W. Heinemann und CH- F. Längrich. Außerdem gehören der Wehr eine Anzahl Mitglieder an, die aus eine 25jährige, bez. 20jährige Dienstzeit zurückblicken Laubegast. Gestern Nachmittag verbrannte auf hiesiger Bismarckstraße das 5jährige Töch terchen des Maurers Gruner derartig, daß so fort der Tod eintrat. In Abwesenheit der El tern hatte das Kind vermutlich mit Streichhöl zern gespielt und infolge hiervon seinen Tod gefunden. Meißen. 19 500 Mark gestrichen in einer Anzahl von Einzelbeträgen bis herab auf 100 Mark haben die hiesigen Stadtverordneten bei der diesmaligen Hauöhaltplanberatung. Man will damit und durch weitere Heranziehung der allerdings schon fast aufgebrauchten Reserve er zwingen, daß wegen eines ungedeckten Fehlbe trages von 40 000 Mark eine Erhöhung der städtischen Anlagen nicht zu erfolgen braucht. Der Rat hat eine Erhöhung von 207 auf 231 Pfg. für die Einheit in Aussicht genommen. Meißen. In den frühen Morgenstunden des 18. Februar wurde der obere Teil der Papierfabrik in Nobschütz, der vor einigen Jah ren durch Feuer vernichtet wurde, abermals durch einen Brand zerstört. Ihm fiel der Papierraum, in dem zwei Maschinen arbeiteten, und ein Teil des Kontors zum Opfer. Der Betrieb ist be einträchtigt, jedoch nicht gänzlich gestört. Mühlberg a. d. E. Mit unglaublicher Frivolität beging der Fleischermeister Rülke aus Fichtenberg bei Mühlberg Täuschungen des fleisch- konsumierendenden Publikums. Seit dem Jahre 1902 hatte er sich mit dem Mitschuldigen Max Fischer, der in Mühlberg eine Abdeckerei be treibt, in Geschäftsverbindung gesetzt, die na türlich für ihn sehr lukratw war. Die Sitzung der Strafkammer des Torgauer Landgerichts entrollte ein abschreckendes Bild seines gemein gefährlichen, die Gesundheit seiner Mitmenschen schwer gefährdenden Treibens. Es wurde Rülke nachgcwiesen, daß er Tankes Vieh kaufte, ver arbeitete und zum Verkauf brachte. Diese Ma- nipul .tionen schienen ihm jedoch noch nicht er- aiedig genug zu sein, denn eines Tags begann er auch mit dem Handel verdorbenen Fleisches nach auswärts, und zwar nach Berlin und nach Chemnitz. Ein Chemnitzer Flcischermeister, na mens Döhler, mit dem er in Verbindung stand, war wegen Verdachtes der Nahrungsmittelfäl schung in Untersuchungshaft genommen worden. Aus Furcht vor Strafe entleibte er sich im Gefängnis zu Mühlberg. Den Fleischbeschauer Holtz täuschte Rülke, indem er ein Ablieferungs attest fälschte, und bei Holtz so den Glauben erzeugte, das Fleisch sei vernichtet, während er in Wirklichkeit 2^/, Zentner nach Chemnitz sandte. Durch einen Gehilfen des F. kam die Sache an den Tag. Rülke erhielt 1 Jahr 3 Monate Gefängnis, 5 Jahre Ehrenrechtsverlust und 6 Wochen Haft, Fischer 3 Monate Gefängnis und 2 Wochen Haft. Chemnitz. Gestern abend wurde der 54- jährige Maler Georg Arno Schubert in seiner in der Gartenstraße 18 bel genen verschlosienen Wohnung mit zertrümmertem Schädel tot auf gefunden. Es scheint Mord vorzuliegen, der vor mehreren Tagen geschehen sein muß. Als Täter kommt der eigene Sohn des Ermordeten, Arbeiter Johann Alexander Schubert, in be tracht, der seit Donnerstag verschwunden ist. Nach einer weiteren Meldung wurde der der Ermordung seines Vaters verdächtige Arbeiter Schubert heute früh in Dresden festgenommen und verhaftet. Zwickau. Das Befinden der vier bei der Petroleumäterexplosion in der Apotheke zu Sche dewitz verletzten Personen ist den Umständen nach leidlich. Immerhin aber sind die Ver brennungen nicht unerheblich und es werden wenigstens 4 Wochen vergehen, ehe die Wunden wieder geheilt sind. Werdau. In unserer Stadt ist der Pe- lroleum-Tankwagen-Verkehr verboten worden; ein Rekurs an die Königliche Kreishauptmann schaft gegen dieses Verbot ist obgewiesen worden. Buchholz. Der frühere Verwalter der Haltestelle Buchholz, Stationsschreiber Reinhardt, der wegen des Buchholzer Eisenbahnunglückes zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden war, durch Königs Gnade aber von der Verbüßung eines Teiles seiner Strafe entbunden wurde, ist auf dem Bahnhofe Altchemnitz wieder in den Bureaudienst eingestellt worden. Leipzig. Vom Reichsgericht wurde die Revision der Redakteure Lüttich von der „Leipz. Volkszeitung" und Hellmann von der „Altenb. Volkszeitung" gegen das sie wegen Majestäts- Beleidigung („Ein Stiefbruder Kaiser Wiyelms des Zweiten") verurteilende Erkenntnis des hir sigen Landgerichts verworfen. — Einen dummen Streich verübte ein 20- jähriger Mensch in Leipzig, der an einem Holz stück einen roten Lappen befestigte und mit die ser „roten Fahne" so lange vor der Fahnen kompanie herlief, bis er verhaftet wurde. — Die Verhandlungen der Ärzte in Leipzig mit der Ortskrankenkasse sind entgültig geschei tert. Die Ärzte verharren auf ihren Forder ungen und sind entschloßen, nicht eher Frieden zu schließen als bis die zwischen der Ortskran kenkasse und den auswärtigen Ärzten geschlosse nen Verträge gelöst sind. Lausik. Im Dorfe Thierbach fanden zwei Knaben im Kirchholze einige Patronen, die dort manöverierende Ulanen verloren hatten, nahmen sie mii nach Hause und versuchten, sie mit dem Hammer zu zerklopfen, was ihnen nicht gelang. Dann warfen sie eine Patrone ins Schmiede feuer beim Schmiedemeister Klingestein. Kurze Zeit darauf trat der ahnungslose Meister ans Feuer, plötzlich krachte ein Schuß und traf ihn so unglücklich in den Mund, daß er schwerver letzt sofort ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen mußte. Aus der Woche. Die Entw'ckelung der kriegerischen Dinge in Ostasieu hält mit dem Neuigkeitsheißhunger der zivilisierten L-sewelt bei weitem nicht Schritt und die russische Regierung ist jetzt so grausam, bekannt zu geben, daß die Bestrafung der ja panischen Verräterei erst „in ferner Zeit" statt finden könne. Man ersieht daraus, daß die Lage für Rußland mindestens zur Zeit nicht günstig ist und jbegreift auch den Sinn der Meldung, daß die Bewohner Petersburg» „einst weilen" ihre patriotischen Kundgebungen einge stellt haben. „Begeisterung ist keine HeringS- ware, die sich einpökeln läßt für spätere Jahre", sagt der Altmeister Goethe. Wenn die Mos kauer Kaufleute dem Zaren für Kriegszwecke „eine Milliarde Rubel" angeboten haben, so begreift man nicht, warum sie für Friedens zwecke ihrem Vaterlande nicht den gleichen Kredit eingeräumt haben, so daß sich ihre Regierung genötigt sah, den verbündeten Franzosen acht Millionen Frank abzuborgen! Auch auf dem Felde der Diplomatie ist Rußland nicht glücklich. Es hat allerdings bei den chinesischen Wirren die größte Portion für sich herauSgeschlagen, nämlich die Mandschurei, deren Räumung sei tens der Rußen, ihrem feierlichen Versprechen gemäß, dem niemand glaubte, Mitte November vorigen Jahres stattfinden sollte. Durch den Besitz dieses Landes und durch sein politisches Schwergewicht bedroht es Korea, wo es auch den natürlichen japanischen Einfluß zu verdrän gen suchte. Japan aber hat durch seinen chi nesischen Krieg vor zehn Jahren Korea erst von China unabhängig gemacht, und da es ganz vereinzelt wäre, wenn dort und in der benach barten Mandschurei die Rußen herrschten, so mußte es den letzteren bei ihren Aufsaugungs bestrebungen mit der Waffe gegenübertreten und zwar zu einer Zeit, die ihm, (Japan) paßend schien, nicht erst dann, wenn die Rußen alle ihre Hilfsmittel aus Europa herangeschafft hatten. Aus dem entgegengesetzten Grunde verzögerte auch Rußland die diplomatischen Verhandlungen ins Endlose. Es wollte zunächst mit seinen Rüstungen in Ostasien fertig werden, um dann die Bedingungen des Friedens einfach zu dik tieren. Sein oder Nichtsein! Das war für das kräftig auftrctende Japan die Frage und es konnte gar nicht anders handeln, als es ge handelt hat. Die russischen Heulmeiereien we gen des „Verrats" und der „Überrumpelung" haben keine Berechnung. Vom französischen Verbündeten ist keine Hilfe zu erwarten und um das nicht offiziell bekannt werden zu laßen, hat die radikale Linke dec Pariser Deputierten kammer den entsagungsvollen Beschluß gefaßt, Vie ostasiatische Frage einstweilen nicht zu de battieren. Der russische Verbündete würde da bei so manches kräftige Wörtchen zu hören be kommen haben. Die Anzapfung wegen Wei- Hai-Weis ist in England sehr kühl ausgenom men worden; ebenso die Ankündigung, daß die russischen Truppen in Turkestan sich zu einem eventuellen Einfalle in Indien bereit halten sollen; wenn das auch leere Drohungen sind, so wird man sich doch die Sache in England vormerken. D r russische Gesandte in Nord amerika soll abberufen werden, weil sich der Zar durch falsche Berichte von ihm gekränkt glaubt. Hat der „Friedenüzar" etwa gemeint, irgendwo auf der Welt herrsche bei dem gegen wärtigen Kriege mit Japan eine Hurra-Stim mung für Rußland, dann hat er sich gründlich getäuscht! Durch den ostasiatischen Konflikt rückt aber auch ein solcher zwischen Rußland und Öfter eich in Sicht; denn es rumort schon wie der bedenklich in den Balkanstaaten und die Albanesen haben zu den Waffen gegriffen. Bul garien hat seinen Königstraum noch nicht aua- geträumt und der Sultan soll auch geneigt sein, dem unbequemen Vasallen ordentlich auf die Finger zu klopfen. Natürlich würde Österreich dazwischentreten, wir es schon angekündigt hat. Aber auch Rußland will dabei sein und sich am Balkan „nicht in die zweite Stelle drängen lassen." Der Zar übersieht dabei nur, daß es uni die innere Ruhe seines eigenen Riesenlandes schlecht bestellt sein würde, wenn er dasselbe gar zu sehr von seinen Kosaken entblößt. — Die übrigen Dinge der Welt vermögen immer noch nicht wieder die ihnen gebührende Aufmerksam keit auf sich zu lenken. Der Hereroaufstand liefert spärliche Nachrichtenausbeute und die „Aufräumungsarbeiten" da unten werden sehr lange Zeit in Anspruch nehmen, aber nicht nur Zeit, sondern auch den deutschen Geldbeutel.