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politische Kunälckau. Der russisch-japanische Krieg. "Das japanische Geschwader hat por Port Arthur vier russische Tor- pedojäger weagenommen und die Mann- schait gelangen. Die Japaner hätten sich russi scher Signale bedient. Bezug ans den letzten Satz hat wohl die Meldung, daß Rußland in einer Note an die Mächte Japan der Ver letzung des Völkerrechts bei Port Arthur und Tschemulpo beschuldigt. Wie in dessen Rußland selbst das Völkerrecht achtet, zeigt die folgende Nachricht. Der in Wei-Hai- Wei von Dalny angekommene englische Dampfer „Chingping" berichtet, daß er von den Russen beschossen und siebenmal >n der Gegend der Wasserlinie getroffen sei. Das russische Lotsenboot, das die „Chingping" herausbrachte, sei auf eine Mine gestoßen und in die Luft gesprengt. * Ein erneuter Angriff ausPortArthur, den die Japaner am Mittwoch unternahmen, ist diesen verhängnisvoll geworden. Sie haben dabei vier kleine Kreuzer und zwei Transportschiffe verloren. Zwei scheiterten, zwei wurden von den Russen in Grund gebohrt. * Ein deutsches und ein englisches Schiff haben Klage gegen die russische Regierung eingeleitet, weil die Schiffe von russischen Kriegsschiffen bombardiert und beschädigt worden sind. *Die Bewohner der Stadt Wladi wostok sind wegen Mangels an Lebens mitteln aufgesordert worden, die Stadt zu verlassen. *Jn der Frage der Neutralisierung Chinas hat Japan auf die Note des nord amerikanischen Staatssekretärs Hap geantwortet, Japan sei bereit, die Neutralität Chinas in den nicht von Rußland besetzten Gebieten zn achten, vorausgesetzt, daß Rußland eine ähnliche. Ver pflichtung eingehe. Rußland hat de/r Vorschlag Hays unter der Bedingung angenommen, daß China strikte Neutralität bewahre und Japan das Völkerrecht und die mit den Mächten ge schlossenen Verträge achte. * * * Der Herero-Aufstand. "Die gegenwärtige Kriegslage in Deutsch-Südwestafrika ist folgende: Die Ostabteilung unter Major von Glasenapp marschiert über Gobabis gegen den Häuptling Tjetjo und sperrt die Grenze. Die Hauptabteilung sammelt sich bei Okahandja und beschränkt sich bis zum Eintreffen der Ver stärkung aut kleine Vorstöße gegen den an scheinend bei Otjosongatt und Waterberg in ab wartender Stellung befindlichen Feind. — Die West abteil u ng unter Major v. Estorfs geht au» Ouljo vor und entwaffnet den (übrigens am Ausstande nicht beteiligten) Omaruru Stamm. Vom Süden des Schutzgebietes her ist eine Kompanie und eine Gebirgsbatterie im An marsch. Zum Schutze des Südens bleiben eine Kompanie und zwei Geschütze. 4- 4- * Deutschland. * Die Kai serj a ch t „H o h e n z o l l e rn" ist, begleitet von dem Depeschenhoot „Sleipner", am Dienstag mittag durch den Kaiser Wilhelm- Kanal nach dem Mittelmeer abgegangen. "Das Befinden der Kaiserin hat sich in den letzten Tagen so weit gebessert, daß sie an der Mittelmeerreise ihres hohen Gemahls wahrscheinlich w-rd teilnehmen können. "Dem Reichstag ist eine Statistik über die im Jahre 1902 wegen Streikvergehen erfolgten Verurteilungen zugegangen. "Uber die gesundheitlichen Aasführungsbestim- nmngen zur SeemannS-Ordnung, die im Reichsgcsundhcitsamte ausgearecitet waren, hat eine Konferenz mit Sachverständigen stattgcfunden. So weit da^ci die Secfi cherci in Betracht kommt, hat sich ergeben, daß bei den Vorschriften über die Untci« suchung der Schifislente auf Tauglichkeit zum Sckiff- dienst, sowie über die Ausrüstung der Kauffahrtei schiffe mit Hilfsmitteln zur Krankenpflege wejentliche Ausnahmen im Interesse der Seefischer nicht zu machen waren. Die Vorschriften über die Größe und Einrichtung der Logisräumc, sowie der Ein richtung der Waich- nnd Baderäume und der Ab orte für die Schiffsmannschaft sollen nach einem dabei gefaßten Beschlusse auf Hochsccfischerci- fahrzenge keine Anwendung finden, weil dies der Gewerbebetrieb nicht zuläßt. "Der Gesetzentwurf über die Regulie rung der Oder bis zur pommerschen Grenze ist dem Brandenburgischen Provinzial-Landtoge zur Beratung und Äußerung zugegangen. Der Gesetzentwurf sieht für die Regulierung 60 Mill. Mark vor. "Die zweite sächsische Kammer nahm nach längerer Debatte einen Antrag an, wonach künftighin das landwirtschaftliche B e t r i e b s k a p i t a l von der V e r m ö g e n s- steuer nicht mehr befreit sein soll. Major v. Förster. Major v. Förster, der vom Kaffer ins javanische Lager auf den Kriegsschauplatz bewdert worden ist, hat die deutsche Expedition nach Ostafien im Jahre 19)0 mit großer Auszeichnung mitgemacht. Er war es, der zuerst auf der großen chinesischen Mauer eine deutsche Fahne aufuflanzte, obwohl er bereits verwundet war; v. Förster, der im Jahre 1874 Ossizier und 1897 Major wurde, ist auch als Sportsmann bekannt aeworden durch seine Teil nahme am Distanzritt Bersin—W'en. Ins russische Lager wird neben Oberstleutnant Lauenstein, dessen Porträt wir ebenfalls bringen, vom deutschen Gene ralstab der Major Frb. v. Teilen entsandt, der mit den militärischen Verhältnissen Rußlands auss ge naueste vertrant ist. Oberstleutnant Lauenstein war der Nachfolger d^s verstorbenen Grafen Aork v. Wartenburg in Ostasien. * Die A u f st e l l u n g des Sozialdemokraten Göhre für die Reichslagsersatzwahl in Zschopau-Marienburg ist eine direkte Demonstration gegen den sozialdemokratischen Parteivorstand. *Die vor mehreren Monaten erfolgte Er mordung der beidenWeißen Reinhardt und Töll durch Eingeborene der French- Inseln, einer kleinen Inselgruppe nördlich von N npommern im deutschen Bismarck- Archipel, hat den Gouverneur des Neuguinea- Schutzgebietes veranlaßt, den Bezirkshauptmann Assessor Knake mit einem Polizeiwachtmeister und schwarzen Soldaten nach den French-Inseln zu entsenden, um über den Vorfall eine Unter suchung anzustellen. Schweden-Norwegen. * Zwischen den Regierungen von Schwe den- Norwegen und Dänemark schweben Unterhandlungen über die Frage, in welcher Weise diese drei Staaten, falls der russisch-japanische Krieg auf einen andern Schauplatz als den jetzigen verlegt werden sollte, sür eine wirksame Art der Verteidi gung der Neutralität sorgen können. Alle drei Staaten wollen sich zum Schutze ihrer ausgedehnten Küsten zu gemeinsamem Handeln zusammenschließen. Rußland. * Der Zar ernannte den Prinzen Arsen Karageorgiewitsch, den Bruder des Königs Peter von Serbien, zum Chef eines Kosaken-Regiments, das am Jaluflusse steht. Balkanstaaten. "Gewalttaten bulgarischer Agita toren in Mazedonien sind noch immer an der Tagesordnung. Mitteilungen der Pforte an die Botschafter besagen, daß Komitatschis Griechen zwingen, zum Exarchat überzutreten, und daß dieselben zwei Notabeln von Operive und Krasnik im Wilajet Monastir ermordet haben. Die Täter seien verhaftet. Ferner stabe der Metropolit von Castoria dem Wali von Monastir telegraphiert, daß Notable von Zozeldje ermordet wurden. "Die bulgarische Regierung hat längs der türkischen Grenze auf einem 30 Kilo meter breiten Streifen Maßnahmen getroffen, wie sie dem Belagerungszu stände ent sprechen, mit der Begründung, daß sie dem Ein dringen von Banden in die Türkei entgegen- treten müsse. Des weiteren hat die Negierung verfügt, daß alle Flüchtlinge aus den Grenz städten in das Innere des Landes gebracht werden. ^^3 clem Aeickstage. Der Reichstag erledigte am Dienstag in zwei Beratungen debattelos die Vorlage betr. den Schutz von E'findungen, Mustern und Warenzeichen auf Ausstellungen. Darauf wurde der Etat für das Reichseisenbahnamt erledigt. Die Erörterungen drehten sich im wesentlichen um die von der Budget- kommisfion vorgeschlagene Resolution, welche mög lichste Einschränkung der Umleitungen des Güter verkehrs fordert, und nm eine Resolution der Sozial demokraten, die eine Übertragung des Betriebes und der Verwalnmg der deutschen Eisenbahnen auf das Reich verlangt. Die erste Resolution wurde ein stimmig angenommen, die zweite gegen die Stimmen der Sozialdemokraten abgelehnt. Auf Anfrage des Abg. Müller-Sagan (frs. Vp) teilte der Präsident des Neichseiseubahnamtes Schulz mit, daß am 1. Mai ein deutsches Reichs-Viehkursbuch erscheinen werde. Am 24. d. wird die zweite Beratung des Etats beim Etat der Reichseisenbahnen fort gesetzt. Beim Titel „Chef des Reichsamtes für die Ver waltung der Neichseisenbabnen" gibt Abg. Erzberger (Ztr.) seiner Freude über die Vorlegung der Denkschrift über die Gehalts und Dienstverhältnisse der Arbeiter und Beamten Ausdruck und bringt einige Wünsche über die Ruhe tage der Beamten vor. Abg. Müller-Meiningen (fr. Vp.) geht auf das Koalitionsrccht der Eisenbahnbeamteu und Ar beiter ein und fordert eine Erklärung darüber, wie der Minister zum Koalitionsrecht stehe. Abg. Riff (frs. Vgg.) hält es für unzweifel haft, daß den Eisenbahnarbeitern in den Werkstätten das Koalitionsrccht zukomme und bringt sodann ver schiedene Wünsche und Beschwerden der reichsländischen Beamten vor. Preußischer Eisenbahnminister Budde: Ich freue mich konstatieren zu können, baß ich manches für die Beamten und Arbeiter der Reichscisenbahncn habe bessern können. Unterstützungen an die Arbeiter während militärischer Übungen, Weiter zahlung des Lohnes, wenn die Arbeiter als Zeugen, Wähler usw. abwesend sein müssen, sind ein geführt. Freilich, wunschlos stehen die Beamten der Verwaltung wohl noch nicht gegenüber. Das Personal besteht ja aus Menschen und ich möchte kaum wünschen, daß die Menschen wunschlos werden. Die Zahl der Ruhetage ist um 54 Prozent erhöht/ die Zahl der dienstfreien Sonntage um 6t. Prozent. Viele Wünsche der Arbeiterausschüssc sind auch bereits erfüllt, die Arbciterwohnungen sind ! ermehrt worden. Die vierte Klasse ist in Elsaß-Lothrinaen noch nicht eingcführt, nur die von Preußen in Elsaß-Lolhringen cinlaufenden Wagen vierter Klasse dürfen bis an die Grenze weiter benutzt werden. Abg. Wildberger (Els.) wünscht bessere Ver bindung zwischen den Rheinlanden und der Pfalz. Abg. Zaune z (unabh. Lothr.) bittet um die Errichtung verschiedener Haltestellen in der Umgebung von Metz. Die große Zahl der Petitionen zeuge von der Unzufriedenheit der Beamten. Abg. Dahlem (Zentr.): Die elsässischen Eisen- bahnbcamten hätten es weit besser als z. B. ihre preußischen Kollegen. Redner führt dann Klage über das schlechte Wagenmaterial der elsaß-loth ringischen Eisenbahnen. Abg. Schlumberger (natl.) erkennt au, daß sowohl im Reichstage und seinen Kommissionen, wie im Reichseisenbahnamt die Wünsche der rcichS- ländischcn Eiscnbahnangestclltcu wohlwollend be handelt würden. Die Besoldung der Beamten entspreche durchaus den von ihnen geleisteten Diensten. Schon vor zwei Jahren habe der Reichstag in einer Resolution den schnelleren Ausbau des Zwcigbahn- iystems und der Anschlußbahnen gefordert. Auf diesem Gebote sei dringende Hilfe notwendig. Abg. Blumenthal (südd. Vp) spricht sich gegen die Einführung der 4. Wagcnklaffe und für Verbilligung der 3. Klasse aus und wünscht dringend die Gewährung des Koalitionsrcchtes an die Eisen- bahnarbeiter. Redner wünscht dann Gehaltsauf besserungen für alle Kategorien der Subaltern- und Untcrbeamten. Abg. Hildenbrand (soz.) wünscht bessere Löhne für die Arbeiter und Einführung des Tarifes der 4. Wagcnklaffe für die 3. Klosse. Minister Budde sagt nochmals wohlwollende Erwägungen der Wünsche der Beamten zu. Seine Äußerungen über das Koalitionsrecht halte er voll kommen aufrecht und bitte, die rein theoretischen Deduktionen über diese Frage zu unterlassen, da sie ja auf die Eisenbahnen in den Reichslanden ohne Einfluß seien. Für den Bau neuer Eisenbahnlinien in den Neichsland.cn .sei. vom Statthalter.,ein Bauprogramm entworfen worden, das mit Billigung der Reichs- behörden planmäßig durchgeführt werden solle. Die Arbeiterausschüsse haben sich sehr gut bewährt. In den Eisenbahnwerkstätten sei überall die zehnstündige Arbeitszeit in Kraft. Redner weist sodann eine Be- bouptung des Abg. Molkenkmhr zurück, daß zwischen der Verwaltung und den Uuternehmerverbänden Ver bindungen beständen. Der Arbeitsvertrag für neu eintretende Arbeiter schreibe nur einen Ausweis über die letzte Stellung vor. Nach weiteren Bemerkungen wird die Diskussion über Titel 1 geschloffen. Darauf wird Titel 1 bewilligt, ebenso der Rest der dauernben Ausgaben. Die Weiterberatuug wird vertagt. Alentzische» Landtag. Am Mittwoch wurde im Abgeordnetcnhause in der fortgesetzten Beratung des Justizetats zunächst der Antrag Seydel (nat.-lib.), in dem die Regierung zum Vorgehen gegen die Ausschreitungen des Auto mobilsports aufgesordert wird, einstimmig ange nommen. Der Antrag Keruth (fr. Vp.) auf Gleich stellung der Richler und Staatsanwälte im Gehalt mit den höheren Verwaltungsbeamten, sowie auf Einführung des Dienstaltersstufen-Systems und auf Vermehrung der Nichterstellen ging an die Kom mission. Zu diesem Anträge erklärte der Justiz minister sich mit der Forderung einer Vermehrung der Richter und Staatsanwälte einverstanden, trat den anderen Anträgen aber mit Entschiedenheit ent gegen. Von unä fern. t. Nach 15 Jahren dekoriert wurde mir der Rettungsmedaille am Bande der Wacht meister Schiffner vom Husaren-Rsgiment „Graf Götzen" zu Leobschntz. Sch., ein früherer Zög ling des Militär-Waisenhauses zu Potsdam und Täufling des Kronprinzen Friedrich Wilhelm, späteren Kaisers Friedrich, hatte im Jahre 1889 als Gefreiter mit eigener Lebensgefahr zwei Schwadronskameraden vom Tode des Ertrinkens gerettet. Aber erst vor einiger Zeit kam die kühne Tat zur Kenntnis der Militärbehörde, die dem Kaiser darüber Bericht erstattete. t. Strafmilderang im Gnadenwege» Wegen „Znwiderhandelns gegen die Regeln der Baukunst" wurde vor einiger Zeit der Baumeister Richter in Kolberg von der Straf kammer zu Köslin zu sechs Monat Gefängnis verurteilt. Auf ein Gnadengesuch hin.hat jetzt der Kaiser , diese Strafe in eine dreimonatige Festungshaft umgewandelt. t. Eine Erhöhung der Fernsprechge bühren findet zum 1. April dieses Jahres in zahlreichen deutschen Ortschaften statt. Diese Maßnahme der kaiserlichen Oberpost-Verwaltung entspricht den Bedingungen der Fernsprech-Ge- bührordnungen, wonach das Recht besteht, bei Vermehrung der Teilnehmeranschlüsse die Ge- bühisn erhöhen zu können. Richtiger wäre es allerdings, in solchen Fällen im Interesse des Allgemeinwohls die Gebühren herabzusetzen, da dadurch viel eher eine Ausbreitung des Fern sprechwesens , wenn auch nur mit kleinem Nutzen, eintreten würden. Oi: Oie Mläernleben Erben. 8j Roman von M. Brandrup. (ForNetzimg.) „Aber Ada, denken Sie doch an Ihr totes Müsicrchen." über, den zierlichen Körper des Kindes lief ein leises Beben. Wie ein leichtes Grauen legte cs sich dabci über das zarte Gesichtchen. Da trat Herr v. Hagel rasch zu der Kleinen. „Geh sür ein Viertelstündchen in das Balkon zimmer, Ada," sagte er ernst, „ich habe mit den Damen zu reden." Als fühlte sie sich durch diesen Befehl er leichtert, io flog die Kleine aus dem Gemach und schloß die Türe hinter sich. Kurze Minuten hindurch herrschte peinliche Sülle in dem Raum, dann seufzte Herr v. Hagel und sagte: „Nlcin armes Töchterchen hat nie eine zärt liche Mutter gekannt, denn schon vor ihrer Ge burt befand sich meine Frau in einer Ver fassung, die. — Aber lassen Sie mich ohne alle Bemäntelung von jenem Traurigen sprechen, das mich so elend gemacht hat. Ich weiß, die Damen nehmen teil an meinem Gescknck." „Davon können Sie überzeugt sein," ent gegnete Frau Erna, während Fanny stumm bei- pstichtete. „Nun denn — mein junges Weib und ich führten anfänglich eine musterhaft glückliche Ehe," begann Hagel wieder, „trotzdem Anna eigentlich wenig für einen Landwirt paßte, sie war die Tochier eines Privatdozenten an der Warschauer Universität und im Grunde ge nommen selbst eiwas von einer Gelehrten. Das hinderte sie aber nicht, ihre hausfräu- lichen Pflichten zu erfüllen und mir das liebe vollste, hingebendste Weib zu sein, bis ..." „Bis?" fragte Frau Hofrat, als Hagel stockend innehielt. „Bis sich mit einem Schlage alles änderte. Mein Schwiegervater starb plötzlich, und da meine Frau keine Geschwister hatte, war sie natür lich auch die einzige Erbin ihres Vaters, der übrigens volle Dispositionen über seine Hinter lassenschaft ausgesetzt hatte. Danach wurden seine Bücher zu festgesetzten Preisen an Bibliotheken und Gelehrte verkauft, ebenso sein Hausrat, so daß wir in wenigen Tagen alles aufgelöst hatten und nach Bradoczin zmückkehrten, nur von einem Koffer begleitet, in dem meine Frau «lle Familienpapiere, Schmucksachen rc. ver schlossen hatte, an deren Lesung und Sichtung sie daheim in Ruhe gehen wollte. Gern hätte ich sie ganz und gar von dieser traurigen Auf gabe zurückgehalü n, aber es gibt Dinge, an denen selbst die Nächsten nicht rühren dürfen, und so ehrte ich Annas Gefühle, die sie drängten, sich lange Tage hindurch in die Durchforschung der von ihrem Vater hinterlassenen Familien dokumente zu vertiefen. Aus dieser Zeit datierte die traurige Veränderung im Wesen meiner Frau. Hatte sich Anna vorher mit Selbstauf opferung um die Wirtschaft gekümmert, überall in Küche und Keller die Augen offen gehabt, so zeigte sie sich nun, geradezu ohne jeden Ubcr- gang, gleichgültig gegen alle derartigen Inter essen und überließ den ganzen Haushalt und die weitläufige Wirtschaft unsem Dienstleuten. War ich schon hierüber unglücklich, so füflte ich mich aber vollends elend, als sie, die bishcr das Vertrauen und die eheliche Liebe sozusagen in Person gewesen, sich nun von mir zurückzog, als läge eine weite Kluft zwischen mir und ihr. Selbst unsere Zimmer trennte sie, und es währte nicht lange, so zog sie sich ganz und gar auf das ihre zurück. Wenn Gäste nach Bradoczin kamen, so ließ sie sich vor ihnen entschuldigen. Natürlich setzte ich Himmel und Erde in Bewegung, um Anna zu veranlassen, mir die Gründe dieses ver änderten Wesens zu offenbaren. Aber alles, was ich damit erreichte, war ein leidenschaft liches Schluchzen von ihrer Seite. „Aus Er barmen, frage mich nicht!" flehte sie dann, und während es schaudernd über ihre schöne Gestalt lief, flüsterte sie: „Meide mich! Geh mir aus dem Wege, wo du um kannst!" Durch die grause Befürchtung gepeinigt, daß mein armes Weib von plötzlichem Wahnsinn befallen sei, ließ ich zwei berühmte Nerven ärzte kommen. Dieselben meinten, nichts für den Verstand Annas fürchten zu brauchen, sagten mir aber, sie müsse unbedingt, ohne daß ich davon wisse, etwas Bedeutungsvolles erlebt haben, an dessen Erinnerung sie nun dulde und trage. Sie sprachen jedoch die Hoffnung aus, daß sie mit der nahe in Aussicht stehenden voll endeten Mutterschaft verwinden lernen werde, was sie jetzt quäle. Aber darin irrten die Herren, denn als man ihr nach schwerer Stunde das Neugeborene io den Arm legte, schrie sie angstvoll auf: „Fort mit der Kleinen! Fort! Johannes, um Go8es Barmherzigkeit willen, hüte sie vor mir!" Wieder machte Hagel eine-Pause. Er war totenblaß und erschien so schmerzbewegt, daß Fanny voll - efslen Mitgefühls in innigem Tone sagte: „Mc-n Gott, wie unglücklich'Sie sich damals gefühlt haben müssen!" Er sah sie mit einem Blick tiefer Dankbar keit an. Dann nahm er den Faden seiner Er zählung wieder auf. „Und wie es in jener erßen Stunde ihrer Mutterschaft gewesen, so blieb cs auch die folgenden Jahre hindurch. Anna litt ihr eignes, aufblühendes Kind nicht um sich, wenigstens duldete sie es nur in ihrer Nähe, wenn ich zugegen war. Aber auch sonst verharrte sie bei dein seltsamen Wesen, zu dem sie so urplötzlich gekommen war. Dabei verfiel sie aber von Tag zu Tag immer mehr. Wieder ließ ich die Ärzte »ach Bradoczin holen und erneuert sagten sie mir, Anna wäre geistig voll kommen gesund, setzten aber diesmal hinzu, da gegen ginge die Bedauernswerte ohne jede Frage ihrem körperlichen Ruin entgegen, da sie Abzehrung bei ihr konstatieren müßten. Der unterlag meine Frau denn auch vor nunmehr sechs Jahren. Als ich sie begraben hatte und in ihrer ehemaligen Umgebung nach , einer Erklärung dessen suchte, was sie selbst, Gatte und Kind, so freudlos gemacht, fand ich " „Fanden Sie riefen Fran Erna und Fanny Hellwald wie aus einem Munde: „ — — fand, ich unter der Matratze ihres Bettes nur die von meinem Schwiegervater hinterlassenen Papiere, an deren Lesung ich