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Ottendorfer Zeitung : 20.03.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-03-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190403202
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19040320
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19040320
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-03
- Tag 1904-03-20
-
Monat
1904-03
-
Jahr
1904
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 20.03.1904
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polirilcke Kunälckau. Der russisch-japanische Krieg. *Jm Umkreise von Port Arthur ist zeitweise alles ruhig. * Der Kriegsminister Kurov atkin hat dem Kommandanten von Port Arthur, General von Stössel, die ausdrückliche telegraphische Weisung zugehen lassen, daß Port Arthur unter allen Umständen gehalten werden müsse. *Die Operationen zu Lande leiden weiter unter der Ungunst der Witterung, doch ist ein Angriff der Japaner auf Niutschwang in der nächsten Zeit zu erwarten. Ein Kor respondent des ,Daily Chronicle' berichtet, daß eine japanische Truppe von 10 000 Mann i'm Marsche aut Mutschwang begriffen lei. Flücht linge aus Niutschwang trafen in Tientsin ein. Sie meldeten, daß Niutschwang wahrscheinlich, sobald der Fluß offen sei, angegriffen werden würde. Die Russen seien zwar entschlossen, den Ort zu verteidigen, aber man glaube nicht, daß dies möglich sein werde. * Eine MilliardeFrank für Kriegs zwecke hat eine internationale Finanzgruppe nach Mitteilung eines Petersburger Finanz blattes der russischen Regierung zu verschaffen sich anheischig gemacht unter der Bedingung, daß die Rückzahlung nach dem Kriege in Form einer konsolidierten Anleihe erfolge. Diese Anleihe wird aber nur im Falle der Erschöpfung der für den Krieg vor handenen Mittel ausgenommen werden, was erst nach langer Zeit eintreten kann. (Da muß ja der Bertha v. Suttner vor Freude das Herz im Leibe Hüpfen!) * * * Der Herero-Aufstand. *Aus Anlaß der durch den Aufstand in Südwestasrika notwendig gewordenen weiteren Aufwendungen sind dem Reichstag zu gegangen ein zweiter Nachtragsetat iür 1903, der in Einnahme und Ausgabe auf 1727 000 Mark für das südwestafrikanische Schutzgebiet festgestellt wird, und ein zweiter Ergänzungsetat für 1904, in dem als Zuschuß zur Bestrei tung der Verwaltungsausgaben im Schutzgebiet 3197 000 Mk. und die Ausgaben der Reichs- Post- und Telegrapbenvcrwaltung 513 000 Mk., zusammen 3700000 Mark verlangt werden, q- * * Deutschland. *Kaiser Wilhelm ist am Mittwoch von Vigo nach herzlicher Verabschiedung vom König Alfons nach Gibraltar abgedampft. * Prinz Ludwig von Bayern empfing am Dienstag den preußischen Gesandten Grafen Pourtalös. der ein in München eingetroffenes Handschreiben Kaiser Wilhelms überreichte. Dem Vernehmen nach betrifft das Schreiben die Gründung des unter dem Pro tektorat des Prinzen stehenden Museums für Meisterwerke der Naturwissenschaften und Technik. * Der Prinz-Regent von Bayern hat aus Anlaß seines Geburtstages einen Gnadenakt an einer Anzahl Gefangener, größtenteils Familienväter, vollzogen, indem er ihnen die weitere Verbüßung der Strafe erlassen hat. * Eine Reichskanzlerreise nach dem Süden soll bevorstehen. Graf Bülow wird in San Remo erwartet, wo die Villa einer Baronin für ihn hergerichtet wird. (Die Nach richt steht allerdings im Widerspruch mit der Meldung von der angeblichen Absicht des Reichskanzlers, zurzeit nicht auf Reisen zu gehen.) *Jn Reichstagskreisen nimmt an gesichts des Umstandes, daß an eine Erledi gung der Beratungen des Etats vor dem 1. April doch nicht mehr zu denken ist, das Verlangen überhand, die Osterferien schon früher zu beginnen, als ursprünglich vor gesehen war; greifbare Gestalt hat aber bisher dieser Gedanke noch nicht gewonnen. *Jm lippischen Landtage berichtete Staatsminister Gemkot ausführlich über den Ge sundheitszustand des geisteskranken Fürsten Alexander, der sich in der Anstalt zu St. Gilgenberg in Oberfranken befindet. Der Fürst hat im Winter an einer Erkältung gelitten, welche auch auf seinen geistigen Zustand deprimierend einwirkte, wovon er selbst ireilick nichts wissen wollte. Jetzt ist sein Zustand indessen wieder zu friedenstellend; die Wahnvorstellungen haben nach gelassen. Der Fürst unternimmt Spaziergänge, be sucht das Theater in Baireuth und Konzerte. Vor einiger Zeit weilte Minister Gevekot mit zwei andern Herren beim Fürsten zum Besuche, wobei er auf Wunsch des Fürsten mit diesem ein längeres ver trauliches Gespräch hatte. Abends wurde musiziert; der Fürst trug selbst mehrere Gesangsstücke vor und war sehr aufgeräumt. *Aus Kamerun meldet der Gouverneur, daß eine Strafexpedition in Stärke von etwa einer Kompanie unter dem Befehl General Sacharow, der mit der Leitung des russischen Kriegsministeriums betraut wurde. des Hauptmanns v. Knobloch in das Gebiet des Arjangstammes abmarschiert sei, um an diesen Eingeborenen wegen der Ermordung des Stationsleiters Grafen Pückler von der Nordwest - Kamerun - Gesellschaft sowie der Be amten Küster und Schof ein Exempel zu statuieren. Im weiteren Vertrauen auf die Bevölkerung, die er schon seit längerer Zeit kannte, habe Graf Pückler bei einer Reise in das Arjang-Gebiet die notwendigen Vorsichts maßregeln verabsäumt. Er sei dann in eine Falle geraten und mit dem größten Teil seiner Expedition niedergemacht worden. Frankreich. *Die Deputiertenkammer verhandelte am Dienstag über den Gesetzentwurf betr. das Verbot der Unterrichterteilung durch Kongregations - Mitglieder innerhalb fünf Jahre. Caillaux schlug die Verlängerung der Frist auf zehn Jahre vor. Er wies zur Begründung auf den finanziellen Rückschlag hin, den das Gesetz auf den Staatsschatz und auf die Gemein debudgets ausüben müsse. Codet brachte einen Gegenantrag ein, laut dem die zehnjährige Frist nur für Ge meinden gelten solle, deren Budget zu sehr be- astet sei. Ministerpräsident Combes wies ren Zusatzantrag Caillaux zurück und erklärte ich für Codet. Die Kammer nahm schließ lich mit 282 Stimmen gegen 271 Stimmen den Antrag Caillaux an. — Diese Niederlage des Ministeriums Combes dürfte, da die Vertrauensfrage nicht' gestellt wurde, noch keine Krisis veranlassen. England. *König Eduard und seine Gemahlin werden in den letzten Tagen des März zum Besuch des dänischen Königspaares in Kopen hagen eintreffen. *Jm Unterhause erlitt am Dienstag die Regierung eine Niederlage, indem ein Antrag des Iren Redmond auf einen Ab- lrich von den Forderungen für Unterrichts zwecke in Irland mit 141 gegen 131 Stimmen angeiwmmen wurde. Diese Niederlage war allerdings nur durch den Zufall möglich, daß viele zur Regierung haltende Abgeordnete zu spät zur Sitzung kamen. Ein Rücktritt des Ministeriums aus diesem Anlaß findet nicht statt. KUS clsm R,§iLbstAge. Der Reichstag setzte am Dienstag die Beratung des Militäretats fort. Hierzu wurden Resolutionen angenommen, die sich auf die Ausbsdingung der Sonntagsruhe bei Vergebung von Waffen- und Munitionslieferungen und auf die Gleichstellung der Elementarlehrer an Unteroffizierschulen und ähn lichen Unterrichtsanstalten mit denjenigen an den Kadettenanstalten bezogen. Eine von konservativer Seite eingebrachte Resolution, die Erhöhung der Remonteankaufspreise verlangte, fand nicht die Mehr heit. In der dadurch hervorgerufenen längeren Debatte betonte der Vertreter der Militärverwaltung, daß diese der deutschen Pferdezucht warmes Inter esse entgegenbringe und im laufenden Etatsjahre die veranschlagten Preise wesentlich überschritten habe. Der Ankauf argentinischer Gebirgspferde für Heereszwecke sei nur versuchsweise erfolgt. Andre Wünsche und Anregungen bezogen sich auf die Heranziehung des Militärfiskus zu den Kommunal lasten. Abg. Pauli (kons.) besprach die Lage der Beamten und Arbeiter in den Spandauer Militär werkstätten. Am 16. d. wird die zweite Beratung des Mili täretats beim Kap. „Technische Institute der Artillerie" fortgesetzt. Abg. Zubeil (soz.) freut sich, daß die sozial demokratischen Reden der vergangenen Jahre auf so guten Boden bei der Rechten gefallen seien. Der Abg. Pauli habe am Mittwoch ganz anders ge sprochen als früher. Redner kritisiert danach aus führlich die Lohn- und Arbeitsverhältnisse in den Spandauer Werkstätten. Durch allerhand Einrich tungen würde dort die Produktion unnötig verteuert, und deshalb würden die Löhne gedrückt. Die Inva lidenrente sei viel zu niedrig, mit 148 Mk. könne doch niemand leben. Ferner sei die Behandlung unwürdig, die sich die Arbeiter gefallen lassen müssen. General Sixt v. Arnim: Die Wünsche des Abg. Pauli auf Lohnverbesserungen liegen der Lohn- ordnungskommisfion vor. Die Einführung der neuen Lohnordnung werde hoffentlich dauernde stabile Ver hältnisse schaffen. Einzelne Gruppen der Baubeamten zu einer Gehaltsaufbesserung herauszugreifen, sei unmöglich, cs müßte in diesem Falle das ganze technische Personal berücksichtigt werden. Die Ab sicht, Fraumarb it einzusühren, bestehe nicht. Durch die Neubauten in Spandau würden die Wohnungs verhältnisse der Arbeiter gebessert werden. Sozial demokratische Agitation werde in den Werkstätten nicht geduldet, cs sei ihm aber auch nichts davon bekannt, daß seitens der Behörde Wahlagitation getrieben sei. Die vom Vorredner gegen einige Meister erhobenen Anschuldigungen der Erpressung würden geprüit werden. Abg. Becker (Ztr.) bringt Wünsche der Arbeiter seines Wahlkreises vor. Abg. Pauli (kons.): Die verworrenen Be schwerden Zubeils seien nicht nötig gewesen, wenn die Arbeiter etwas wollten, brauchten sie Zubeil nicht, sie wendeten sich einfach an die Direktion. Daß die Tonne Bier, die der Schwiegervater Lieb knechts für die Leute bestimmt hatte, die seinen Schwiegersohn wählen, wieder abgefahren werden mußte, dafür könne er nichts. Die Sozialdemokratie könne nicht verlangen, daß ihre Arbeiter unterstützt würden. Die Sozialdemokraten trieben deshalb Agitation, um sich von den Arbeitergroschen zu nähren. (Großer Lärm bei den Sozialdemokraten. Rufe: Frechheit, Unverschämtheit.) Vizepräsident Graf Stolberg: Ich nehme an, daß Sie mit dieser Äußerung nicht Mitglieder des Hauses gemeint haben, sonst müßte ich den Ausdruck für unzulässig erklären. Abg. Singer (soz.): Abg. Pauli habe bei der Behauptung, die Partcikasse werde dazu benutzt, die Taschen der Agitatoren zu füllen, die Anrede „Sie" gebraucht. Ein anständiger Mensch müsse seine Be hauptungen beweisen, dazu fordere er den Abg. Pauli auf. Hätte Pauli seine Behauptungen außerhalb des Hauses vorgebracht, würde er ihn einen erbärmlichen Verleumder nennen. Vizepräsident Paasche rügt diesen Ausdruck, der auch in dieser Form nicht auf einen Abgeordneten angewandt werden darf. Abg. Pauli (kons.) führt den Fall des Abg. Herbert in Stettin an, der von jedem Arbeiter pro Woche 5 Pf. erhalten habe, womit er auf 200 Mk. Einkommen wöchentlich gekommen sei. Abg. Herbert (soz.): Wer zuerst die Be hauptung aufgestellt habe, daß er aus der Partei kaffe wöchentlich 200 Mk. bezogen habe, sei ein Idiot ersten Ranges. Mit einem Dianne, der solche Bemerkungen weiter kolportiere, könne man nicht ernsthaft diskutieren. Darauf wird die Diskussion geschloffen. Der Rest der dauernden Ausgaben wird ohne Debatte nach den Kommissionsbeschlüssen bewilligt. Es folgt die Beratung der einmaligen Ausgaben des Heeresetats. Hier wird gemäß dem Kommissions beschluß die Rate für Erwerbung eines Truppen übungsplatzes im Ollen gestrichen und lür Material beschaffung für die Fußartillerie statt 10 Millionen nur 8 Millionen bewilligt. Bei dem Titel „Anschluß von Militärgebäuden in Metz an Wasserleitungen und Kanalisationen" kommt Abg. Gröber (Zentr.) auf die Frage der Metzer Bouillonquelle und das bekannte Kaiser- telegramm zurück. Entgegen den Ausführungen des Geheimrats Halley sei der Kaiser in der Angelegen heit falsch unterrichtet gewesen. Die gegen die Stadt verwaltung von Metz erhobenen Vorwürfe seien nicht begründet. Eine für die Besatzung von Metz gefähr liche Epidemie habe nicht bestanden. Generalmajor Gallwitz: Die Gorzer Leitung habe 1870 ihre Schuldigkeit getan, tue sie abersietzt, nach 38 Jahren, nicht mehr. Die Stadt Metz sei jedenfalls in den letzten zehn Jahren nicht mit der Rührigkeit vorgegangen, die sich für eine so große Stadt gehört hätte. Der Titel wie der Nest der einmaligen Aus gaben des Ordinariums werden genehmigt. Der Nest des Militäretats mit den dazu e in ge gangenen Petitionen wird ohne Debatte erledigt. Es folgte die Beratung der Berichte der Wahl prüfungskommission. Eine längere Debatte entspinnt sich bei hem Bericht über die Wahl des Abgeordneten Buchwald (Herzogtum Sachsen-Altenburg). In namentlicher Abstimmung wird dieselbe mit 126 gegen 81 Stimmen gemäß dem Antrag der Wahlprüfungskommission für ungültig erklärt. Landtag. Am »Dienstag kamen im Abgeordnetenhaus«: in der fortgesetzten Beratung des Etats des Ministe riums des Innern eine Reihe Wünsche im Interesse der Beamten der Berliner Polizeiverwaltung, des Berliner Verkehrs usw. zum Ausdruck. Beim Titel Gendarmerie verlangte eine Reibe Redner ver schiedener Parteien dringend die Besserstellung dieser Beamtenklasse. Minister Frh. v. Hammerstein er kannte zum Schluß die volle Bedeutung ter Gen darmerie und ihren hohen Wert für die Aufrecht erhaltung von Ruhe und Ordnung an. Er werde stets bemüht sein, die materielle Lage dieser Beamten und ihre Dienstverhältnisse nach Kräften besser aus zugestalten. Daß aber alle ausgesprochenen Wünsche sich in der nächsten Zeit verwirklichen würden, ver möge er nicht zuzusagen. Am Mittwoch entspann sich im Abgeordneten hause bei Beginn der Beratung des Kultusetats eine große Jesuitendebatte. Abg. Hackenberg (nat.- lib.) erklärte, daß eine Erregung über die Aufhebung des 8 2 des Jesuitengesetzes entstanden sei, und kritisierte die Nachgiebigkeit und die Zugeständnisse der Regierung gegenüber dem Zentrum. Abg. v. Heydebrand (kons.) betonte die Bedeutungslosig keit der Aufhebung des 8 2, machte aber auch der Regierung den Vorwurf des „Kuhhandels". Minister-Präsident Graf Bülow rechtfertigte seine Haltung in der Frage des Jesuitengesetzes. Der Vorwurf der Schwäche und Abhängigkeit der Regie rung vom Ultramontanismus sei durchaus unbe gründet.. Er befinde sich in der Frage der Auf hebung des 8 2 des Jesuitengesetzes nicht nur im Einklang mit allen Parteien, hesonders auch mit der großen Mehrheit derNationalliberalcn, sondern auch im Einklang mit der überwältigenden Mehrheit des Reichstages. Die verbündeten Regierungen hätten ach schon früher für die Aushebung des 8 2 ent- 'chlossen, Wenn nicht der Bischof von Trier durch ein Vorgehen Beunruhigung in das Land getragen satte. Die bürgerlichen Parteien sollten die zwischen ihnen bestehenden Gegensätze nicht durch unnötige Betonung der konfessionellen Gegensätze verschärfen. Nachdem Kultusminister Studt seine Verfügung betr. Aufhebung des Verbotes der katholischen Schulver eine, gegen deren Zulassung der Abg. Graf Moltke (freikons.) Bedenken erhob, gerechtfertigt hatte, wurde die Weiterberatung vertagt. Abends folgte der hitzigen Redeschlacht ein FriedenStrunk in Gestalt einer Weinprobe im Abgeordnetenhause. Von unä fern. I. Kaiserliches Gedenkblatt. Der Kaiser jat neuerdings ein Gedenkblatt entworfen, das ür die Hinterbliebenen derjenigen Schutz ruppenangehörigen bestimmt ist, die während des gegenwärtigen Herero - Aufstandes in Deutsch-Südwestafrika den Heldentod gestorben ind bezw. dort noch fallen werden. Das künstlerisch hergestellte Gedenkblatt wird gleich zeitig mit der amtlichen Todesanzeige an die Betreffenden zur Versendung gelangen. O Vie Mläern leben Erben. 17) Roman von M. BrandruP. (Fortsetzung.) „Schon lange nicht mehr, Liebling," ent gegnete Hagel. „Du kannst mir immer den Kaffee besorgen. Aber wir nehmen ihn zusammen im Wohnzimmer ein." „Gott sei Dank, dann ist dir auch wieder besser," rief die Kleine. „Ganz wohl sogar," entgegnete er und gab seiner Stimme eine Festigkeit, die durchaus nicht zu seinem Aussehen paßte. Dann erhob er sich, und schon eine Viertel stunde darauf saßen sich Vater und Tochter im Wohnzimmer gegenüber. Freilich war Ada tief erschrocken über die Blässe in des Vaters Angesicht. Da Hagel aber heute die Kraft besaß, lebhaft mit ihr zu plaudern, überwand auch sie sich und sagte nichts über seine sonderbare Farblosigkeit und die schwarzen Ringe, die seine Augen umzogen. Ihre Hände zitterten jedoch merkbar, als sie ihm den Kaffee eingoß und dann ein Butterbrot reichte, das sie eben gestrichen. Das letztere aber lehnte Herr v. Hagel ab. „Ich kann nichts essen, Kind," sagte er darauf. „Deinem Kaffee will ich dagegen jede denkbare Ehre erweisen." „Wieder nichts essen, Papa?" rief Back fischchen erschrocken. „So fühlst du dich auch noch nicht so wohl, als du mir beteuertest!" Wie in Todesangst schlang Ada ihre Arme um des Vaters Hals und flüsterte: „Papachen, was ist dir nur? Sage mir es doch l — Ich bin wirklich nicht mehr das kleine Mädchen, das nicht imstande wäre, dich zu verstehen." „Das sehe ich wohl," entgegnete er schnell. „Aber ich habe dir nichts anzuvertrauen, mein Liebling, denn . . ." Bei den letzten Worten war sein Blick zum Fenster geflogen. Mit auf flammender Röte auf dem eben noch so tod blassen Gesicht sprang er nun jäh in die Höhe. „Der Briefträger!" stieß er dabei hervor und war im Nu aus dem Zimmer. „Ich weiß nicht, was ich von ihm denken soll!" flüsterte Ada vor sich hin, während ihre Augen starr nach der Tür gerichtet waren. „Gewiß trägt der arme Papa sich aber wieder mit einem Kummer. Doch worin der besteht, ist außer ihm vielleicht nur Mütterchen be kannt, die . . ." Sie unterbrach sich entsetzt. Draußen im Flur gellte eben ein lauter Schrei. Gleich daraus hörte sie einen schweren Fall. „Papa!" schrie das Mädchen und flog nun ebenfalls hinaus. Einen Moment stand Ada ohne Sprache, von namenlosem Schrecken gebannt. Lag doch dicht vor ihren Füßen auf den harten Backsteinfliesen die Gestalt Hagels, einen geöffneten Brief in der krampfhaft zusammengeballten Rechten. „Allmächtiger!" rang es sich über die Lippen des bedauernswerten Kindes. Zitternd sank es darauf neben dem reglosen Körper in die Knie. Aber wie Ada dann auch bat und flehte, der Vater blieb bewegungslos. „Marinka!" schrie sie nun in Todesangst, Marinka!" „Wo fehlt es Paninka liebes?" ließ sich j gleich darauf die Stimme der treuen Person hören. Sich die Hände an der vielfach geflickten blauen Küchenschürze wischend, erschien die Alte jetzt auch auf dem Flur. Gleich Ada stieß sie einen Schrei tödlichsten Erschreckens aus, als sie die regungslose Gestatt ihres Herrn am Boden bemerkte. „Gewiß wieder ein Schlaganfall!" klang es dann mitleidig aus dem Munde der Greisin, während sie sich mit schlotternden Knien der traurigen Gruppe von Vater und Tochter näherte. Ihren ganzen Mut zusammennehmend, hob sie darauf den Kopf Herrn v. Hagels und schaute ihm in das Gesicht. „Heilige Jungfrau — ich glaube, unser guter gnädiger Pan ist tot!" rief sie entsetzt. * * -ft Die brave Wirtschafterin hatte sich nicht ge täuscht. Der schnell herbeigeholte Arzt aus der nächsten kleinen Landstadt bestätigte dies und stellte den Totenschein aus. Ada aber war derart verzweifelt und fassungslos, daß Marinka vorerst weder aus noch ein wußte. In ihrer Ratlosigkeit kam der Alten dann jedoch endlich der glückliche Ge danke, einen Knecht nach Zarnowo zu senden und den Oberförster herüberbitten zu lassen. So schnell dies überhaupt nur möglich war, erschien Herr Braun auf dem Gute. Marinka empfing ihn schon auf dem Hof und führte den Erschütterten in das Schlafzimmer der Herrschaft, wo sie den Toten auf sein Bett ge legt hatten. Ada kniete vor demselben. „Armes kleines Ding," sagte der Oberförster und legte seine Hand auf das tiefgesenkte Köpf» chen des trauernden Kindes. Mit einem Schrei war die Kleine aufge fahren. Als sie aber den Freund des Toten erkannte, den sie schon seit ihrer frühesten Kind heit lieb gehabt, schlang sie die Arme um seinen Hals und lauschte schluchzend den Worten des Trostes, die der Oberförster in ihr Ohr flüsterte: wie er nun ihr Vater sein wolle und sie zu allen Zeiten einen treuen Schützer in ihm finden würde. „Das glaube ich, Onkel, das glaube ich. Und doch, kannst du es fassen, daß Papa unS wirklich genommen ist?" „Ich muß es leider —! Aber weißt du nicht, was diesem plötzlichen Tode voraus gegangen ?" Sie fuhr sich mit den zitternden Händen über die Stirn. „Ach ja! Er hatte wieder einen jener Briefe bekommen, die ihn ja immer so sehr erschreckten. Diesen Brief," setzte sie hinzu, „welchen er noch immer in der starren Rechten hält." „Und den wir doch vor allem lesen müssen," sagte der Oberförster und zog langsam daS zerknitterte Schreiben aus der Hand des Toten. „Von seiner Frau," dachte er darauf. Während Ada dann wieder neben dem Ver storbenen in die Knie gesunken war und nur allein ihres Verlustes gedachte, las der Ober förster für fick allein: „Armer Johannes! Leider muß ich Dir melden, daß meine Reise nach Groditten fruchtlos ausgefallen ist.
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