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Ottendorfer Zeitung : 26.02.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-02-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190402269
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19040226
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19040226
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-02
- Tag 1904-02-26
-
Monat
1904-02
-
Jahr
1904
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 26.02.1904
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dem serbischen Heere bestraft wurden, in die russische Armee eintreten können. In Belgrad erblickt man darin eine nicht mißzuver- stehende Kundgebung gegen Serbien und namentlich am Hose herrscht darüber große Er regung. Aus clem Keicbstage. Der Reichstag erledigte am 20. d. den Titel „Staatssekretär" vom Postetat unter Annahme der dazu vom Zentrum und der Freisinnigen Volksvarlei Angebrachten Resolutionen betr. Sonntagsruhe, Post- anweisungskuverts" und betr. verschiedene Statistiken. D>e Debatte brachte eine scharfe Auseinandersetzung zwischen dem Abg. Kopsch sfr. Vp.) und dem Abg. v. Gerlach sfr. Vgg.). Die Beschwerden der Polen über die Behandlung der polnisch adressierten Post sachen und polnischer Beamten wies Staatssekretär Kcätke als unbegründet zurück. Derselbe stellte die wohlwollende Prüfung aller in der Debatte vor getragenen Wünsche in Aussicht. Einen in der Debatte laut gewordenen Wunsch, die Postvcrwal- tung möge für die von den Soldaten in die Heimat gesandten Pakete Portofreiheit bewilligen, erklärte der Staatssekretär nicht erfüllen zu könneu. Am 22. d. wird die zweite Beratung des Posr- Etats fortgesetzt. Abg. Eickhoff (frs. Vp.) bringt das Titel- Wesen, die Verwendung ausländischer Briefmarken und die Gesundheitsverhältnisse der Postbeamten im Auslande zur Sprache. Staatssekretär Krätke erwidert, daß die auf Postanweisungen rmd Paketadressen eingehenden fremden Marken nicht an Händler abgegeben wer den, sondern ins Post-Museum kommen. Den Post beamten in den Tropen würden alle möglichen Bequemlichkeiten gewährt. Wie er aus eigener Er fahrung wisse, lasse es sich dort ganz gut und auch ohne Gefährdung der Gesundheit leben. Abg. v. Gerlach lfrs. Vg.) bringt eine Reihe von Wünschen der Berliner Postunterbeamten zur Sprache. Abg. Müller- Sagan <frs. Vp.) verlangt Bade räume für die Beamten. Staatssekretär Krätke sagt Berücksichtigung der Wünsche zu. Aber schematisieren könne er nicht, weder bei der Dienstzeit noch bei dm freien Sonn tagen noch bei den Dienstwohnungen. Beim Titel Stellenzulagen verlangt Abg. Eick hoff sfr. Vp.) Erhöhung der Zulagen. Die folgenden beiden Titel, die die widerruflichen Ostmarkenzulagen für Beamte in Höhe von 545 000 Mark verlangen, sind von der Kommission gestrichen worden. Die Konservativen beantragen, diese beiden Tuet wiedcrherzustellen. Ein Antrag Liebermann v. Sonnen berg iAnns.) will das Wort „widerruflich" streichen. Abg. v. Tiedemann (freikons.) bezeichnet die Zulage als notwendig im Sinne der ausgleichenden Gerechtigkeit. Abg. Fritzen (Zentr.): Meine politischen freunde bekämpfen die Zulage als ein Glied in der KUte der preußischen Poleupolitik. Die Widerruf lichkeit würde eine stete Quelle der Angst für die Beamten sein, aber auch sür die unwiderruflichen Zulagen können wir nicht stimmen, nicht aus Polen- sreuudichast, zu der wir nach den letzten Wahl kämpfen keine Veranlassung haben, sondern aus Gerechtigkeitsgefühl, gegen das die preußische Regie rung in letzter Zeit fortdauernd verstoßen hat. Abg. v. St audp skons.) erklärt, die Zulage sei eine politische Forderung und empfiehlt ihre Be willigung. Staatssekretär Krätke: Die Beamten in den östlichen Provinzen befinden sich in einer schwierigen Lage. Sie find auf kleine Ortschaften verteilt und haben nicht die Zulagen wie die preußischen Be amten, auf die hin doch höhere Preise gefordert werden. Es handelt sich hier doch wirklich nicht um politische Beamte. Die Postbeamten selbst sehen in der Widerruflichkeit keine Gefahr. Abg. v. Iazdzewski (Pole) bittet, die For derung abzulehnen. Es sei ja bedauerlich, daß ein Zwist zwischen Polen und Zentrum vorgekommen sei. Das Zentrum dürfe aber den Polen nicht allein die Schuld zuschieben: es habe auch in vielen Wahl kreisen gegen die Polen gestimmt. Nach weiterer Debatte wird der Antrag Lieber mann v. Sonnenberg gegen die Stimmen der Konser vativen und Freikonservativen angenommen; die beiden die Ostmarkenzulage betreffenden Titel jedoch gegen die Stimmen der Rechten und der National- liberalen ab gelehnt. Es bleibt also bei dem Kommissionsbcschluß. Eine Reihe weiterer Titel wird teils debattelos, teils nach unerheblicher Debatte bewilligt, ebenso der Rest der fortdauernden Ausgaben. Es folgen die einmaligen Ausgaben. Für Her stellung einer Telegraphenlinie im innern Deutsch- Ostafrika von Tabora nach Ujiji werden als erste Rate 300 000 Mk. gefordert. Die Kommission be antragt, die Forderung zu streichen. Abg. Spahn lZentr.) befürwortet diesen An trag; viel wichtiger als diese Linie sei die Fort setzung der Telegraphenlinie von Tabora nach Mwansa. Staatssekretär Krätke: Man will die Linie Dar es Salam—Tabora bis Ujiji weiter führen und so den llberlandstelegraphen erreichen. Die Sache ließe sich aber binausschieben. Dringender wäre allerdings die Linie Tabora—Mwansa. Ich möchte daher das Haus bitten, wenn gegenwärtig keine Neigung bestehen sollte zur Bewilligung der Linie Tabora—Ujiii, denselben Betrag von 300 000 Mark zur Herstellung der Linie Tabora—Mwansa zu bewilligen. Abg. Spahn lZentr.) beantragt nunmehr formell im Dispositiv des Titels die Worte „Tabora—Ujiji" zu ersetzen durch „Tabora— Mwansa". Abg. Sattler (natl.) beantragt, die Position mit dem Antrag Spahn an die Kommission zurück- zuweiscn. Dieser Antrag wird angenommen. Der Rest der Einmaligen Ausgaben wird debattelos bewilligt. Bei den Einnahmen bittet Abg. Singer (soz.) den Staatssekretär, den Krankenkassen dieselben postalischen Erleichterungen zu gewähren wie den Berussgenoffenschaften. Die Einnahmen werben bewilligt. Staatssekretär Krätke: Abg. Haase brachte neulich Beschwerden über angebliche Verletzungen des Briefgeheimnisses vor. Ich konstatiere, daß keiner der Herren bet diesem Etat darauf zurück- gekommcn ist. Nach meinen Ermittelungen war diese Beschuldigung grundlos. Damit ist der Postetat erledigt. Der Etat der Reichsbruckcrei wird debattclos bewilligt. Am 20. d. beendete das Abgeordnetenhaus den Etat der Handels- und Gewerbeberwaltung. Die nm Freitag begonnene Debatte über die Bösengesep- resorm wurde noch längere Zeit fortgesetzt Der Antrag Kindler lfr. Vv.) worin "die Regierung er sucht wird, in jeder Provinz Meisterkurse einzu richten und Ausstellungen von im Kleingewerbe ver wendbaren Maschinen und Werkzeugen zu ver anstalten, wurde der Kommission für Hande! und Gewerbe überwiesen. Das Abgeordnetenhaus begann am Momag die erste Beratung des Justizetats. Auf Anregung des Abg Friedberg (natl.) fand eine Besprechung über die am 19. v. von den Sozialdemokraten im Reichs tage gegen die preußische Justizverwal-una erhobenen Angriffe bezüglich der Ausweisung russischer Unter tanen und die Beschlagnahme revolutionärer Druck schriften statt. Justizminister Schönstädt erklärte, die Justizverwaltung habe mit diesen Maßnahmen nur die notwendigen Schritte zur Bekämpfung der anarchistischen Gefahr getan. Nicht Preußen habe Rußland Schergendienste geleistet, sondern es Handl» sich vielmehr um Dienste, welche die deutsche Sozialdemokratie den russischen Anarchisten leiste. Minister Frh. v. Hammerstein charakterisierte die Kritik der Sozialdemokraten an der preußischen Polizei für tendenziös, übertrieben und entstellt. Die preußische Polizei werde kortfahrcn, alle an archistischen und revolutionären Bestrebungen von Jn- und Ausländern mit allen gesetzlichen Mitteln zu bekämpfen. Alle Redner, von der äußersten Linken bis zur Rechten, erklärten mehr oder minder ihre Billigung der Rcgierungshaltung. Von unjä fern. Groftseuer in Paris. In einer Pariser Fabrik von Eelluloidkämmen entstand am 20. d. infolge einer Explosion eine Feuersbrunst, durch die zwölf Personen getötet und 14 verwuuder wurden. Durch die Explosion wurden die Nachbargebäude zum Erzittern gebracht und alle Schaufenster derselben zertrümmert. Gleich nach der Explosion schlugen Helle Flammen aus den Fenstern des Gebäudes, in dem sich die Fabrik befindet, das Haus geriet sofort in Brand, die darin beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen, sowie andere Bewohner des Hauses stürzten nnt brennenden Kleidern unter gellenden Hilferufen auf die Ballone heraus: einige sprangen in der Verzweiflung vom dritten Stockwerk auf die Straße herab. Die Feuer wehr erschien sofort, drang trotz großer Schwierigkeiten in das Haus ein und rettete eine Anzahl Personen. Unter den Verletzten befinden sich sechs Feuerwehrleute. Die bisher als Leichen gefundenen 5 Männer, 5 Frauen und 2 Kinder sind alle bis zur Unkenntlichkeir verbrannt. Außerdem wurden 2 Frauen sterbend in das Krankenhaus gebracht. Politische Aunälckau. Ter russisch-japanische Krieg. * Während von den beiderseitigen Flotten überhaupt eine Nachricht von Belang vorliegt, ist auf koreanischem Boden der erste Zu sammenstoß auf dem Lande er folgt. Eine Kosakenabteilung griff auf korea nischem Gebiete eine kleine japanische Ab teilung aui, die von einem Major geführt wurde. Bei den Gefangenen wurden Karten und Dokumente gefunden. *Auf Befehl des Statthalters Alexejew ist in Port Arthur ein Freiwilligenkorps zur Verteidigung der Festung ge bildet worden. Die Freiwilligen erhalten vom Staat Waffen, Verpflegung und, wenn nötig, Bekleidung. Am Horizont zeigen sich zeitweise noch immer feindliche Schiffe. Man nimmt an, daß die Japaner nach Port Arthur bestimmte Lebensmittel als Kriegskonterbande betrachten. Nach dem letzten Gefecht scheinen sich die Japaner die Ausgabe zu stellen, PortArthur durch Aushungerung zur Übergabe zu zwingen. * Zum Oberbefehlshaber der mo bilen Landarmee in Ostasien ist nun mehr doch der russische Kri e g s m i n i st e r Kuropatkin ernannt worden. *Das russische Kanonenboot „Mandschur" wird, wie dessen Kapitän dem japanischen Konsul schriftlich erklärt hat, bis zum Schluß der Feindseligkeiten den Hafen von Schanghai nicht verlassen. (Also schon wieder eine Schwächung der russischen Flotte.) *Aus Japan wird berichtet, daß die nationale Anleihe bereits zweimal über zeichnet sei. * Während eines heftigen Schneestnrmes in der Nacht zum 19. d. stürzte auf der Trans- baikalbahn bei der Station Baikal kurz vor dem Passieren eines Militärzuges von den Bergen eine Schneemasse herab; die Lokomotive des Militärzuges fuhr in diese Schneemasse hinein und entgleiste. Von den in den fünf folgenden Waggons befindlichen Soldaten kam einer ums Leben, fünf wurden schwer und vierzehn leicht verwundet. * Nach den Gefechten von Port Arthur und Tstbemulpo sowie nach dem inzwischen erfolgten Einstellen der in Genua gekauften japanischen Panzerkreuzer in die Schlachtflotte stellen sich die Stärkeverhältnisse zur See wie folgt: Rußland Japan Linienschiffe . . 5 (-st 2 beschädigte) 7 Panzerkreuzer . 6 8 Geschützte Kreuzer 4 (st- 2 beschädigte) 17 lk 32 Berücksichtigt man ferner, daß die japanischen Seestreitkräfte schnell zu vereinigen, die russischen dagegen in zwei räumlich sehr weit getrennte Gruppen geschieden sind, so muß den Japanern zurzeit das Übergewicht zur See un bedingt zugesprochen werden. Gewiß stehen Rußland noch stattliche Geschwader im Baltischen und Schwarzen Meere zur Verfügung. Sie trennt aber eine Entfernung von 17 000 Kilo meter bezw. 24 000 Kilometer vom Kriegs schauplatz. Da Rußland auf dem Wege dahin keine Kohlenstationen besitzt, die neutralen Staaten ihnen aber keine Kohlen abgeben dürfen, so wäre die Fahrt jetzt mit kolossalen Schwierigkeiten verknüpft. Dem Schwarzen Meer-Geschwader ist aber durch vertragsmäßige Sperrung der Dardanellen für Kriegsschiffe die Teilnahme an den Kämpfen in Ostasien unmöglich gemacht. * * Der Herero-Aufstand. * Gouverneur Lemwein meldet, daß nach Beendigung des Ausstandes im Süden die dort befindlich gewesenen Tmppen auf dem Rückmarsch nach Windhoek sind. *Aus Ersuchen des Präsidenten der deut schen Kolonialgesellschaft, des Herzogs Johann Albrecht zu Mecklenburg, hat sich nunmehr auch in Windhoek ein Hilfskomitee der Gesellschaft zugunsten der durch den Herero- K Oie Mläernscken Srben. 7) Roman von M. Brandrup. «^ort'etzuüg.) „O, Papa, ich bin mit allem zufrieden, was du mir bietest," erwiderte das Backfischchen; mii seinen strahlenden Blauangen dabei zu dem Antlitz des Vaters aufblickend, setzte es hinzu: »Aber ist es denn notwendig, daß du überhaupt etwas sür mich bestellst? Ich habe weder Durst noch Hunger." „Dummheiten, Kleines," entgegnete Herr von Hagel. Dabei glitt er aber mit der Rechten kosend über die Wange des Mädchens. Sein ernstes, sogar sorgenvolles Gesicht nahm einen Ausdruck an, der von inniger Vaterzärt lichkeit sprach. Dann setzte er hinzu: „Natür lich mußt auch du etwas genießen, Liebling." Und zu dem Kellner gewendet, sagte er: „Außer dem Bier ein Glas Himbeerlimonade und etwas feinen Kuchen." „Aber, Papa, soviel Kosten meinetwegen!" rief die Kleine. „über das Antlitz Herrn v. Hagels flog eine flüchtige Nöte. Sich wieder an die Frau Rätin wendend, sagte er: „Mein Töchterchen ist nicht daran gewöhnt, Vergnügungslokale zu besuchen. Die Dame, bei der Ada während der letzten sechs Jahre gelebt hat, — es war die ver witwete Schwester eines mir befreundeten Oberförsters in meiner Nachbarschaft — hat fie in fast klösterlicher Abgeschiedenheit ge halten . . ." So weit gekommen, richtete Herr v. Hagel das Wort wieder an Fanny, auf die der aufstand geschädigten Ansiedler ge bildet. Diesem Komitee ist als erste Rate der Betrag von 30 000 Mk. telegraphisch überwiesen worden. In Swakopmnnd besteht bereits ein Hilfskomitee der Kolonialgesellschaft. -ft * Deutschland. * Der K a i s e r hat für die g e s ch ä d i g t e n Ansiedler in Deutsch-Südwest afrika aus seiner Privatschatulle 10 000 Mark gespendet. * über den Schutz von Erfindungen, Mustern und Warenzeichen auf Ausstellungen ist dem Reichstage ein Gesetzentwurf zu gegangen. * Die Neichstagsersatzwahl in Marienberg-Zschopau für den ver storbenen sozialdemokratischen Abg. Rosenow ist auf den 18. März anberaumt. *An den zuständigen Reichsstellen wird der Plan erörtert, durch ein besonderes Gesetz die Überwachung des Verkehrs mit Nahrungs- und Genuß milteln auf Grund der be stehenden Reichsgesetze nach einheitlichen Grund sätzen und durch Bestellung besonderer Beamten hierfür zu regeln. * Der badische Finanzmini st er Buchenberger ist nach langem Leiden am 20. d. in Karlsruhe gestorben. Österreich-Ungarn. *Die österreichische Delegation hat den Heeresetat bewilligt, ebenso den Kredit von 15 Mllionen zur Anschaffung neuer Feldgeschütze. Frankreich. *Die Gruppe der republikanischen Linken des Senats beschloß einstimmig, einen Beitrag von 1000 Frank zu der L a n d e s s a m m l u n g für die verwundeten Russen zu spenden. Eine gleichzeitig angenommene Reso lution gibt der Sympathie für die befreundete und verbündete Nation sowie der Erwartung Ausdruck, Frankreich den vereinbarten Ver pflichtungen treu bleiben zu sehen. Italien. *Dem .Earriere della Sera' zufolge wird demnächst der Papst ein Kardinals-Kollegium errennen, um ein Gesetzbuch des kano nisch e n R e ch t 8 abzufassen. Der Kommission werden die bedeutendsten Kardinäle wie Ram- polla, Ferrata, Agliardi, angehören. Jeder Kardinal wählt sich einen Berater unter den bedeutendsten kanonischen Rechtslehrern aller Länder. Der Plan ist von außerordentlicher Bedeutung, da die Regeln des kanonischen Rechtes heute in den verschiedensten Bullen, Encyktiken, Dekreten usw. zerstreut sind. In vatikanischen Kreisen spreche man von einer sehr wichtigen Reform, nämlich der Anerkennung der Gültigkeit der durch eine Ziviltrauung ge schlossenen Ehe durch die Kirche. Natürlich be dürfte die Ehe, um kirchlich einwandsfrei zu sein, auch des priesterlichen Segens. Rußland. *Für die Stimmung in Peters burg bezeichnend ist eine Londoner Mitteilung, wonach der Zar angeordnet hat, die Veran staltung von Straßenaufzügen und anderen öffentlichen Ansammlungen möglichst zu v erhind ern. Er wurde dazu veranlaßt durch einen Vortrag des Ministers des Innern, der der Befürchtung Ausdruck gab, die Straßen- kundgebnngen würden zu revolutionären Zwecken mißbraucht werden. Ans diesem Grunde wurde auch vor einigen Tagen eine Volksmenge, die sich auf dem Newsky-Prospekt angesammelt hatte, von den Kosaken mit Peitschenhieben auseinandergetrieben. In be sonderen Fällen, z. B. bei der Feier eines großen russischen Sieges, sollen Volksansamm lungen keine Hindernisse bereitet werden. Balkanstaaten. * Großes Aufsehen erregt in diplomatischen Kreisen eine Verfügung der russischen Armes leitung, wodurch jene serbischen Offiziere, die sich in Nisch gegen die Königs Mörder verschworen und mit der Entlassung aus alternde Mann inzwischen manchen verstohlenen Blick geworfen halte, und setzte seiner Rede in weichem, bittenden Ton hinzu: „Sie dürfen sich daher nicht wundern, gnädiges Fräulein, wenn Ada sich Ihnen so well- und lebensfremd zeigt, als hätte sie bisher nur in sibirischen Ein öden gehaust." Fanny Hellwald entgegnete freundlich, indem sie dem Kinde an ihrer Seite einen warmen Blick zuwarf: „Ich wundere mich garnicht, Herr v. Hagel! Es hat sogar einen eigenen Reiz für mich, in solch ahnungslose fünfzehn jährige Mädchenseele schauen zu dürfen!" „Ich danke Ihnen für dieses Wort, gnädiges Fräulen," erwiderte der Mann, und über sein feingeschnittenes Gesicht mit dem dünnen grau melierten Schnurrbärtchen auf der Oberlippe ging ein Leuchten, das ihn fast schön erscheinen ließ. Dann überließ er die beiden jungen Mädchen auch wieder einander und wandte sich von neuem zu Frau Erna. „Wir würben vorhin von dem Kellner unterbrochen, gnädige Frau," sagte er nun. „Ich sah mich somit nicht im stande, Ihnen zu erzählen, daß ich vor dreißig Jahren als Volontär nach Groditten kam. Da mals war ich ein blutjunges, schüchternes Bürschchen, das daheim an Mamas Schürzen zipfel gehangen hatte und nun wohl vor Bangigkeit nach dem lieben Bradoczin, das schon meinen Urgroßeltern gehörte, umgekommen wäre, wenn —" „Bradoczin hat schon ihren Urgroßeltern ge hört?" unterbrach Frau Erna hier jedoch mit einem unsäglich respektvollen Blick die Rede des Herrn v. Hagel. „So find Sie wohl gar Majoratsherr?" „Das nicht, gnädige Frau. Ich war ein einziger Sohn und erbte somit allein, was Vater und Mutter mir hinterließen." „O!" kam es unwillkürlich über Ernas Lippen. Hagel aber tat, als hörte er ihren Ausruf und besonders den wunderlichen Tonfall desselben nicht, sondern fuhr fort: „Wiegesagt, ich würde in Groditten vor Sehnsucht nach der Heimat und den Meinen auf Bradoczin ver gangen sein, wären Fräulein Hanna, vor allem aber die schöne Gemahlin meines Prinzipals und eine Freundin derselben nicht gewesen. In wahrer Engelsgüte nahm sich Frau v. Mildern und deren Freundin Charlotte Main des ver ängstigten Jünglings und Muttersöhnchens an, mit dem sich Fräulein Hanna in reizender Kindlichkeit neckte, und bald fühlte ich mich unter dem Schutz der Damen und des pikanten Kindes ganz wohl auf Groditten. Aufrichtig gestanden, schwärmte ich damals nach unreifer Jünglings art ganz ernsthaft für die schöne Schloßherrin, während ich mich nur freundschaftlich zu Fräu lein Charlotte und Hanna hingezogen fühlte. Was Wunder daher, daß ich fast in Schmerz verging, als Frau v. Mildern in plötzliches Siechtum verfiel und ein unbarmherziger Tod diese edelste aller Frauen nur zu früh von der Seite des alternden Gemahls riß. Ich war absolui zu nichts mehr zu gebrauchen. Der Generaldirektor der Herrschaft Groditten fand das auch und verlangte von seinem Herrn, er solle mich wieder dahin schicken, von wo ich ge kommen sei. Herr von Mildern — der sonst so Willens stärke, Energische aber war zur Zeit unfähig zu irgend welcher Überlegung vor Schmerz um die treue Gefährtin. „Handeln Sie dem kleinen Hagel gegenüber, wie es Ihnen beliebt," sagte er nur zu seinem Beamten. Nach dieser Em- gegnung mußte ich denn natürlich Groditten verlassen. Aber die Eltern verlangten auch nach mir. Sie hatten sich eben zuviel zugemutet, als fie den Einzigen von sich ließen." „Und damals haben Sie Mildern das letzte mal gesehen?" fragte Frau Erna, als der Er zähler eine Pause machte. „Ja, gnädige Frau. Und wie sehr ich mich auch für sein ferneres Ergehen interessierte, er fuhr icb leider doch nichts mehr von ihm. Erst Sie werden mir sagen können, ob der damals so vollständig Gebrochene später doch zu einer zweiten Ehe geschritten ist. Vielleicht hat er zur Nachfolgerin Frau Tonis jene Charlotte Main gewählt, welche die Verstorbene gepflegt hatte und auf ihren Wunsch im Schloß ge blieben war." „Charlotte Main?! O nein, Herr vou Hagel, die ist auch heute noch Repräsentantin der Hausfrau auf Groditten. Mildern hat übrigens ohne jede Frage nie daran gedacht, sich zum zweiteumal zu vermählen." „Ist also Witwer geblieben!" Wie ein Blitz zuckle es durch das Hirn des Ritterguts besitzers: „So stirbt der alte Herr eigentlich ohne Leibeserben." Er mochte wollen oder nicht, es drängte sich ihm von Sekunde zu Se kunde klarer vor die Seele, welche Chancen sich in der Zukunft sür die Erben des Krösus
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