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Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Vk^lla. Nr. 18. Freitag, den 12 Februar 1904. 3. Jahrgang. Der erste Schutz im russisck-jspaniscken Kriege ist gefallen. Der „Petersburger Regierungsbote" ver öffentlichte folgendes Telegramm: Der Statthalter Alexjeff an den Zaren : „Un gefähr um Mitternacht vom 8. auf den 9. d. Mts. machten japanische Torpedoboote einen plötzlichen Minenangriff auf das auf der äu ßeren Rheede von Port Arthur liegende russische Geschwader, wobei die Panzerschliffe „Retwisan" und „Cesarewitsch" und der Kreuzer „Pallada" beschädigt wurden." Wie groß die Beschädi gung gewesen ist, ist nicht zu ersehen. Jeden falls haben sich die Japaner als bedenklich „fix" erwiesen. Freilick, sie mußten schon so vorgehen. Mit dem von Japan begonnenen Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit Rußland, den die Petersburger Regierung notwendigerweise er widern mußte, war die Kugel im Lauf; es er übrigte nur abzudrücken. Das ist nun ge schehen. Japan war zu weit gegangen, als daß cS zurück konnte, es mit vollster Absicht Ruß land den Fehdehandschuh hinneworfen, nicht bloß zum Schein; es will die Prinzipienfrage, ob Japan vom Festlandbesitz in Ostasien aus geschlossen sein soll, zur Entscheidung bringen. Rußland wird dort um so stärker, je weiter der Ausbau und die Leistungsfähigkeit seiner großen Menschen Bahn fortschreitet. Wollte Japan überhaupt Ernst machen, dann war es Zeit. Wie die WiüerungS-Verhättnisse auf dem strei tigen Gebiete liegen, ist an einen größeren Land- Feldzug in der mit Schnee und Eis bedeckten Mandschurei zur Zeit nicht zu denken. Der große russische Kriegshafen Wladiwostock ist durch Eis gesperrt,, es bleibt als Angriffsziel für die große japanische Flotte also tatsächlich nur die staike russische Seefestung Port Arthur, und dort isl's denn auch „losgegangen". Ob die japanischen Schiffe andere, kleinere Küstenorte der Mandschurei bedrängen, ist ziemlich gleich- giltig, die Plätze sind militärisch wertlos. Der Kampf um Port Arthur wird ähnlich sich ge stalten, wie der um Sebastopol im Krimkriege. Auch damals entschied das Ringen um eine ein zige Festung den Krieg. Der Angriff der längst auf Kriegsfuß gebrachten japanischen Flotte auf Port Arthur war zu erwarten, die Flotte an kerte längst an der der russischen Seefestung gegenüberliegenden chinesischen Küste. Port Arthur hat etwa 30 000 Mann Besatzung, zahl reiche Forts und eine sehr starke Artillerie. Seine Behauptung hängt davon ab, daß der Weg ins Binnenland von den Russen offen ge halten wird. Oertliches und Sächsisches. Mttenöorf.Gkcilla g. Februar 1904. — Der in neuerer Zeit erheblich gewachsene Vertrieb der für das Vieh zur Verwendung kommender sogenannter Freß-, Mast- und Milch pulver ist als ein der landwirtschaftlichen In teressen in hohem Grade schädigender Usbelstand zu bezeichnen. Nickt nur, daß der Wert und die Wirkung von dergleichen Präparaten zumeist in offenbarem Mißverhältnis zu den geforderten hohen Preisen stehen, erscheint die Schädigung weiter um so bedenklicher, als die fraglichen Pulver vielfach auch als Heilmittel gegen Tier krankheiten vertrieben werden und eintretenden falls durch deren Anwendung die sachgemäße oder rechtzeitige Heilung der Tiere verhindert werden kann. Abgesehen aber von diesen Be nachteiligungen der Landwirte und Viehbesitzer verstößt der Vertrieb der fraglichen Pulver un ter Umständen auch in verschiedener Hinsicht gegen bestehende gesetzliche Vorschriften. Zu nächst sind nach ß 56 Ziffer 9 und 10 der RetchSgewerbeordnung Arzneien und Geheim mittel sowie Futtermittel vom Ankauf oder Feil bitten im Umherziehen ausgeschlossen; insofern weiter die betreffenden Präparate trockene Ge menge von Salzen oder von zerkleinerten Sub stanzen oder von beiden unter einander enthal ten — Z. 4 des Verzeichnisses A der Kaiser lichen Verordnung vom 22. Oktober 1901, Neichsgesetzblatt S. 380 —, dürfen sie gemäß Z 1, Absatz I dieser Verordnung als Heilmittel — Mittel zur Beseitigung oder Linderung von Krankheiten bei Menschen oder Tieren — außer halb der Apotheke nicht feilgehalten oder ver kauft werden; endlich kann die Anpreisung der Freß-, Mast- und Milchpulver jeweils der Ver bots-Bestimmung unter Z- 3 der Bekanntma chung des Ministeriums des Innern vom 14. Juli vorigen Jahres (Dresdner Journal und Leipziger Zeitung Nr 166) fallen. Zur Be hebung dieser Üdelstände wäre es zu wünschen, daß die beteiligten Kreise sich hierüber unter richteten. — Die Portoermäßigungen, die unter der Verwaltung v. Podbielskis eingeführt worden sind, haben anstatt des erwarteten Einnahme ausfalles ein überraschend günstiges Einnahme ergebnis geliefert, wie in der „Frankfurter Zei tung" mit genauen Zahlen bewiesen wird. Be kanntlich widersetzte sich v. Stephan in den letzten Jahren unbeugsam dem Verlangen, daß die Gewichtsgrenze des einfachen Briefes nach dem Vorgang Österreichs (1883) von 15 auf 20 Gramm erhöht werden möchte, mit der Be gründung, daß dadurch ein Ausfall von 4 bis 5 Millionen Mark entstehen würde. Sein Nach folger schätzte den Ausfall nur auf 2ftz Mill. Mark, wagte aber trotzdem den ersehnten Schritt zu tun. Zunächst setzte er am 1. April 1899 die Gebühr für Postanweisungen bis zu 5 M. herab. Anstatt des erwarteten Ausfalles von 1ft, Millionen Mark ergab der Postanweisunos- velkehr allein eine Mehreinnahme in gleicher Höhe. Von der umfaßenden Reform im Jahre 1900, welche außer dem erhöhten Briefgewicht noch die billigen Sätze im Ortsverkehr und im Nachbarichaftsverkehr, sowie als Neuerung die billigere Taxe für Geichäftspapiere brachte, er ^artete man bei der Begrün ung der Reso-m im Reichstage für das erste Jahr einen Aus fall von 8i/z Millionen Mark; anstatt besten steigerten sich die Portoeinnahmen von 1900 gegen das jVorjahr um 1b Millionen Mark, während 1896 die Steigerung nur 9,5 Mill, betragen hatte. Die Wirkungen jeder einzelnen Reform für sich ist nicht nachweisbar. Aber das das günstige Ergebnis der letzten Jahre, das für 1902 einen Überschuß in der bis da hin unerreichten Höhe von 42,47 Millionen Mark ausweist, während der für 1903 auf 43,96 Millionen Mrk geschätzte Betrag jeden falls ansehnlich überschritten wird und für 1904 52,73 Millionen Mark erwartet werden — während in den Jahren 1894 bis 1899 im Durchschnitt nur 33 Millionen Mark erzielt wurden —, liefert doch den unwiderlegbaren Beweis, daß die Reformen zur Steigerung der Einnahmen kräftig mitgcwirkt haben und er mutigt zu der Hoffnung, daß man auf der be tretenen Bahn weiter fortschreiten und nament lich in bezug auf die Erweiterung des Nachbar schaftsverkehrs dem württembergischen Vorbilde (auf 10 km im Umkreise und im Oberamts bezirke die billige Ortstaxe) folgen werde. — Zu der von der Regierung geplanten Verweisung der Gemeinden auf eine Gewerbe steuer wird der Verband sächsischer Industrieller demnächst erneut Stellung nehmen, weil er da rin eine ungerechtfertigte neue Belastung des sächsischen Gewerbestandes und der sächsischen Industrie erblickt, zumal die Art der von der Regierung geplanten Besteuerung durch die Ver bindung einer Gewerbesteuer mit Zuschlägen nach dem Mietwerte der bewohnten Räume und nach der Kopfzahl der beschäftigten Arbeiter eine außerordentliche Höhe der neuen Steuer bewir ken wird. Der Verband hat bereits auf grund der Regierungsdenkschrift vom November 1901, welche die Absicht der Regierung betreffs der Verweisung der Gemeinden auf eine von den Gewerbetreibenden zu erhebende Steuer zuerst aussprach, im August 1902 eine ausführlich be gründete Eingabe an das Königlich Sächsische Ministerium des Innern gerichtet, in welcher er das Ministerium bat, von der Vorlage des Gesetzes Abstand zu nehmen. Bei den letzten Landtagswahlen richtete der Verband ferner an die Mehrzahl der von bürgerlicher Seite auf gestellten Kandidaten Anschreiben, in denen er sie ersuchte, im Falle ihrer Wahl gegen die Be steuerung des Gewerbes Stellung zu nehmen. Aus den Antworten der Kandidaten ging her vor, daß der Gedanke einer neuen Belastung des Gewerbes durch die geplante Steuer in der Kammer starkem Widerspruch begegnen wird. Der Verband sächsischer Industrieller wird mit aller Entschiedenheit dahin wirken, daß nickt abermals die sächsische Industrie einer Neube lastung ausgesetzt wird, welche im Zusammen hang mit den übrigen Besteuerungen schließlich auf die gesamte Erwerbstätigkeit lähmend ein wirken muß. Medingen, 10. Februar. Heute Nach mittag wurde im nahen Großdittmannsdorf der von dort gebürtige, wie seiner Zeit gemeldet, vor dem Pulverschuppen in Diedenhofen in Maß-Lothringen als Posten erschossen aufge fundene Musketier Eichhorn von der 10. Kom pagnie des 3. Lothringischen Infanterie-Regi ments N. 135. beerdigt, nachdem die Leiche auf Wunsch der Eltern am Montag in die Heimat überführt worden war. Radeberg. In der am 6. d. M. statt- gefundenen Aufsichtsratssitzung der Sächsischen Glasfabrik, wurde unter anderem beschlosten, auf das Geschäftsjahr 1903 der Generalver sammlung, bei ähnlichen Abschreibungen und Rückstellungen für eventuellen Dekort und Skonto auf die Außenstände wie im Vorjahre eine G-- samtdividende in Höhe von 21 Prozent zur Auszahlung vorzuschlagen. Auß^dem sollen dem Dividendenreservefonds 10 000 Mark zuPeßen. Der Vortrag auf neue Rechnung wird minde stens dem des Vorjahres gleichkommen. Ver bindlichkeiten aus dem Jahre 1902 und ge habte Verluste von insgesamt zirka 1650 Mk. haben den Gewinn nicht beeinträchtigt, da die selben von den bestehenden Spezialreservefonds getragen wurden. Dresden. Mit der Errichtung des neuen städtischen Schlachthofes im Großen Ostragehege haben anch die Vorarbeiten für die sechste Elb- brücke begonnen, die bei der Vorstudt Pieschen den Strom Überspannen soll. Döbeln. Durch den Entsatz von Windhoek ist auch eine hiesige Familie von großer Sorge befreit worden. Im August vorigen Jahres verheiratete sich die Tochter des Herrn Seifen fabrikant Schmidt hier an einen jungen Lands mann in Windhoek, der ein großes Geschäfts haus dort besitzt. Im Oktober traf sie mit dem Ehegatten in der neuen Heimat ein, um bald darauf die Schrecknisse der letzten Wochen mit durchmachen zu müssen. Auf ein am Sonn abend Vormittag 9 Uhr aufgegebenes Telegramm ging zur Freude der besorgten Eltern abends 8 Uhr aus Windhoek folgende Antwort ein: Wohlbefinden gut, Lage sehr ernst- Freiberg. Lackierermeister Hoffmann, auf welchen der Grünwarenhändler Petzig hier meh rere Schüsse abgegeben hatte, wurde am Sonn abend mittelst Röntgenstrahlen untersucht, wobei es sich herausstellte, daß keine der drei Kugeln in den Körper desselben eingedrungen ist. Hoff mann ist nun aus dem Krankenhause entlassen worden. Grimma. Ein empörender Frevel ist in der Nacht zum Montag verübt worden. Auf der fiskalischen Grimma-Leisniger Straße wurde in Bröhsener und Haubitzer Flur von nicht weniger als 46 Kirschbäumen die Krone abge brochen oder abgeschnitten. Die Bäume waren 2—9jährige Bestände. Als der Tat verdächtig wurde der Eisendreher Klemm aus Döbeln ver haftet. Meerane. Der unter dem Verdachte, sein 4 Monate altes Kind zu Tode mißhandelt zu haben, verhaftete Malergehilfe Schmidt ist ebenso wie seine gleichfalls den» Amtsgericht zugeführte Ehefrau vorläufig wieder aus der Haft ent lasten worden. Die im Beisein eines Vertre ters der Staatsanwaltschaft Zwickau vorgenom mene Sektion der Leiche dürfte das Nähere er geben haben. Leipzig. Die Aktiengesellschaft vormals Orenstein L Koppel hier und Berlin erhielt bei der jüngst erfolgten Vergebung von Betriebs materialien der preußischen Staatsbahn u. a. wiederum einen Auftrag auf Lieferung von 16 Lokomotiven. — Welchen kolossalen Umfang die Leipziger Innere Mission gewonnen hat, zeigt die Tat sache, daß dieselbe einen monatlichen Kastenum satz von etwa 80 000 Mark hat. Vor zwei Jahren wurde eine Schreibstube ins Leben ge rufen, in welcher im Jahre 1903 über 600 Personen vorübergehende Beschäftigung bei ei nem Verdienst von über 15000 Mk. gefunden haben. — Hartnäckig erhält sich in Leipzig das Ge rücht, daß der Kastenassistcnt eines staatlich- wissenschaftlichen Institutes wegen Unterschla gungen vom Amte suspendiert und verhaftet worden sei. — Bei dem mit einer schweren Kopfwunde in Leipzig aufgefundenen Arbeiter scheint es sich nicht, wie gestern gemeldet ward, um ein Verbrechen, sondern um einen Unglücksfall zu handeln. — In der Bedürfnisanstalt des Leipziger Bayerischen Bahnhofes fand man den 16jäh- rigen Schlosserlehrling Ackermann aus Rötha erhängt auf. Was den Knaben in den frei willigen Tod getrieben hat, ist bisher unaufge- liäct geblieben. — Die von uns bereits erwähnten Betrü gereien in Leipzig gegen jüdische Auswanderer werden ihre gerichtliche Sühne finden, da der Schwindler, der den Leuten ihr Geld gegen Aushändigung wertloser „Fahrscheine" rc- ab lockte, in einem jüdischen Gauner ermittelt wurde. — Ein 28 Jahre alter Kastenbote stürzte in Leipzig sich aus vierter Etage auf die Straße und blieb sofort tot. Die Gründe zu dem Selbst mord sind bisher unbekannt. Zwickau. In. Planitz ist in einem Schachte durch Zusammenbruch eines Kohlenwerkeö der Häuer Franke verschüttet und zerquetscht worden. Der Tod ist sofort eingetreten. Breitenb 0 rn i. E. Der hiesige Post verwalter Voigt ist seines Amtes enthoben und verhaftet worden. Die Verhaftung erfolgte we gen fortgesetzter Fälschung und Unterschlagung im Amte. Brunn. Ein unverbesserlicher Wilddieb ist der Tagelöhner Michael Fuchs aus Ober weisenbach. Obwohl er erst im Dezember vo rigen Jahres aus dem Gefängnisse, wo er eine achtmonatige Freiheitsstrafe wegen Schlingen- legens verbüßt hatte, entlasten worden war, fröhnte er doch aufs neue seiner Wildererleiden schaft. Fuchs wurde beobachtet, wie er in der hiesigen Gemeindeflur wieder dem Wilde nach- stellts — diesmal mit einer „Hafenfalle". Er wurde festgenommen und ins Amtsgerichtsge fängnis eingUieftrt. Bad Elster. Ein Schildbürgerstücklein wird hier berichtet: Letzten Herbst ist ein statt liches Wohnhaus neu errichtet und nach der Fertigstellung dem Bauherrn übergeben worden. Bei der nunmehrigen Ingebrauchnahme des Hauses stellte es sich heraus, daß die Anlage von Kellern vergessen worden war! Die nach trägliche Unterkellerung des Neubaues dürfte keine leichte Aufgabe sein. Adorf. Zwischen hier und Klaffenbach im Erzgebirge wurde heute früh ein etwa 40- jähriger unbekannter Traktätchenverkäufer mit zerschmettertem Schädel ermordet aufgefunden. Anscheinend liegt ein Raubmord vor. An der Mordstelle wurden 25 Pfg zerstreut aufgefun den. Da der ermordete auch seines Rockes entkleidet war, nimmt man an, daß ein Kampf um das Geld stattgefunden Hal. Der Mörder ist unbekannt. Die Untersuchung ist im Gange.