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Vie „Vttendsrfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich 1 Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „öpiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme »on Inseraten bi, vormittag W Uhr. Inserate werden mit w Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Rr. 21. Freitag, den 19. Februar 1904. 3. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Dttendorf-Dkrilla, <8. Februar 1904. — In diesem Jahre hat beim Ostertermin der Umzug mit besonderen Schwierigkeiten zu kämpfen, da der 1. April auf den Karfreitag fällt und sonach bis zum 5. April nur ein Werktag, der 2. April (der Ostersonnabend), vor handen ist. — Nach der austergewöhnlich milden Witte rung, der wir uns in den letzten Tagen er freuen durften, trat gestern nachmittag gegen 4 Uhr wieder ein leichter Schneefall ein, ein Zeichen dafür, daß der Winter doch nicht ge willt ist, seine Herrschaft an den Frühling ab zutreten. — Die Kaiserlich Russische Gesandtschaft zu Dresden bringt zur Kenntnis der in Sachsen und Braunschweig studierenden und lebenden aussischen Untertanen, dast fürs erste nur die jenigen Reserveoffiziere der Armee einberufen werden, die sich zur Zeit in Rußland befinden. Non Neservcsoldaten und Unteroffizieren der Armee und Flotte werden nur diejenigen ein berufen, die zu den sibierischen Militärbezirken gehören, sowie diejenigen des Militärbezirks Kasan, und zwar folgender Kreise; Kotelniki (im Gouvernement Wjatka). Werchoturie, Irbit, Kamyschin und Schadrinsk (im Gouvernement Perm). — Vorgestern nachmittag fand unter Teil nahme mehrerer Herren Mitglieder und Be amten der Königlichen Staatsbahn - General- direktion die Probefahrt mit dem neuen, in den letzten Tagen gelieferten elektrischen Motorwagen auf der Strecke Dresden-Hauptbahnhof—Cosse baude statt. Der vierachsige Wagen macht ei nen eleganten Eindruck und dürste von den Reisenden gern benutzt werden. Er besitzt 8V Sitzplätze und 18 Stehplätze. Von letz'eren befinden sich 8 auf der Plattform in der Mitte und je ö an den geschützten Stirnseiten des Wagens. Das Aua- und Einsteigen erfolgt durch 4 Türen an jeder Seite. Dresden. Eine unglaubliche Bierpantscherei wird soeben im Verwaltungsbericht des Rates bekannt gegeben. Es heißt da! Nachdem ein Steuerbeamter erfahren hatte, daß eine Brauerei auf dem Lande Saccherin verwenden soll und die von ihm cingeliefertrn Bierproben sich in der 'Tat saccharinhaltig erwiesen, ordnete die Königl. Staatsanwaltschaft unter Zuziehung des städtischen UntersuchungüamteS eine Revision der Braueri an, welche die unglaublichsten Zustände zu Tage förderte. Malz ^und Hopfen waren anscheinend ganz unbekannte Begriffe, aber an deren Stelle wurden nicht weniger als zehn verschiedene Präparate bezw. Verfälschungsmitte aufgcfundcn, welche sich in Täten und Zigarren kisten befanden und nach Aussage des „Bier brauers" sämtlich zur Fabrikation Verwendung gefunden hatten. Neben gepulverten Natrium karbonat und Weinsäure fanden sich als Sprudel perlen bezeichnete Tabletten von je 0,5 Gramm Gewicht, welche aus doppelkohlensaurem Natron und Kochsalz bestanden. Ein Gährungspulver stellte sich als grob gemahlener Koriander, ein Kesselklärpulver als Muskatnusmehl heraus. Moussinpulver war ein Gemisch von Rohrzucker, Natriumbikarbonat und Weinsteinsaure mit 0,7 Proz. Saccharin, und das Veredelungspräparat bestand aus reinem Saccharin. Durch Beschlag nahme der Bücher und Prospekte gelang eS, die drei oder vier Lieferanten der Verfälschungs- Mittel festzustellen und sonach auch ein Ein schreiten gegen diese zu ermöglichen. — Eine schwere Gehirnerschütterung erlitt in Dresden am Sonntag abend in einem Ver- gnügungSctablissement ein Kutscher dadurch, daß er bei einem Scherze, den sich ein anderer Kut scher mit ihm erlaubte, mit den Füßen auf dem glatten Parkett anSrutschte und rückwärts au den Kopf fiel. Der Verunglückte fand Aufnahm in der Diakonifferanstalt. — In diesem Winter ist die Bantäigkeit in Dresden Nur durch einige kurze Frostpcrioden unterbrochen worden und in allen Stadtvierteln, namentlich in den Vorstädten, herrschte daher auf den Bauplätzen ein reger Verkehr- Nicht nur, daß viele Häuser durch den inneren Ausbau der Vollendung entgegengeführt werden konnten, auch zahlreiche Neubauten wurden in Angriff genommen und rüstig gefördert. Diese Ver mehrung der Grundstücke trotz des vorhandenen Überschusses an Wohnungen ist zurückzuführen auf die zwingende Notwendigkeit, brach liegen des Bauland endlich ertragfähig zu gestalten, da die HypothKenzinsen den Grundwert von Jahr zu Johr verteuern, sodann aber auch dar auf, daß die Geldinstitute mit der Gewährung von Baugeld nicht mehr so zurückhalten wie n den letzten Jahren. Ob die Verhältnisse auf dem Grundsiücksmarkte bei der starken Bautä tigkeit, die die Zahl der leerstehenden Wohnun gen nur vermehren Hilst, nicht noch ungünstiger werden, als sie bereits sind, wird die Zukunft lehren. In eingeweihten Kreisen hegt man ernste Befürchtungen. Meißen. Einen schrecklichen Fund machte man heute vormittag im rechtsufrigen Stadt- >eile. Beim Räumen einer Abortgrube fand man die Leiche eines seit August vorigen Jah res vermißten 11jährigen Knaben. Ob ein Unglücksfall oder ein Verbrechen vorliegt, be darf noch der Aufklärung. Hierzu erfahren ivir noch: Der Knabe ist wahrscheinlich das Opfer seiner Schulscheu geworden. Er mußte häufig durch den Schuldiener zur Schule geholt werden, und pflegte sich vor diesem auf dem Boden im Abort usw. zu verstecken. Dabei scheint er auf den unglücklichen Einfall gekommen zu sein, sich in der Öffnung des Aborts, einer alten Anlage ohne Rohren, zu verstecken. Hier ist er ent weder von den Gasen betäubt worden, oder er hat nicht mehr die Kraft besessen, sich wieder hcrauszuarbeiten und ist hinabgestürzt. Die El tern des Knaben sind Arbeitsleute, sie haben noch drei jüngere, sowie mehrere der Schule ent wachsene Kinder. — Am Sonntag Mittag hat sich ein am Plofsenwege in Meißen wohnhafter 22 Jahre alter Töpfer in selbstmörderischer Absicht in sei ner Schlafkammer in den Kopf geschoßen. Die Kugel ist aber anscheinend nicht eingedrungen. AuS einem Liebesverhältnisse erwachsende Ver pflichtungen sollen ihn zu der Tat veranlaßt baben. Er wurde auf ärztliche Anordnung im Stadtkrankenhaus untergebracht. — Am Sonnabend Abend hat sich ein Un bekannter von der alten Meißner Elbbrücke in die Elbe gestürzt und ist darin versunken. Freiberg. Ein bedauerlicher Unglücksfall ereignete sich in der Nacht zum Sonntag im „Hotel zum schwarzen Roß" hier. Der Pächter des Hotels, Heinrich, nahm in der Nacht em Bad. Als er nach N/g Stunde aus dem Bade raum noch nicht zum Vorschein kam, ließ seine ihm vor etwa zwei Monaten angetraute Frau nach ihm forschen. Der Bote fand die Tür von innen verschloßen; auf seine Rufe erfolgte keine Antwort. Er schlug deshalb das Milch glasfenster der Tür ein. Heinrich lag leblos mit dem Kopfe über dem Rand der Badewanne. Aus dem zur Erwärmung des Wassers ver wendeten Gasofen war Gas ausgeströmt. Hein rich hatte offenbar, als die Belästigung durch das ausströmende Gas ärger wurde, während des Bades versucht, das Gas abzustellen. Er hatte jedoch schon so viel Gas eingeatmet, daß er betäubt auf den Rand der Wanne nieder ste!, ehe er sein Vorhaben ausführen ko-mte. So erlitt der bedauernswerte Mann den Er stickungstod. Man rief sofort zwei Ärzte zur Hilfe, doch waren alle Wiederbelebungsversuche erfolglos. Döbeln. Zur Errichtung des hier geplan ten Bürgerheims sind nunmehr 75 000 Mark vorhanden, so daß an baldige Verwirklichung d ö Projektes gedacht werden kann. Wurzen. Sonntag früh wurde auf Ma- chernscher Flur, etwa 30 Schritte von der Leipzig-Dresdner Straße entfernt, der 38jährige, verheiratete Handarbeiter Hermann Jungnickel aus Bennewitz im freien Felde bewußtlos und am Kopfe blutend aufgefunden. Jungnickel war am Sonnabend nach Feierabend mit seinem Fahrrade von Machern, wo er arbeitete, nach Hause gefahren und ist unterwegs vermutlich beraubt worden, denn es fehlte seine Barschaft und seine Brottasche. Das Rad dagegen fand ich im Straßengraben vor. Man schaffte den Bewußtlosen mittels Tragbahre nach Bennewitz Plauen i. V. Ein Zeichen dafür, daß der Geschäftsgang in der Stickerei-Industrie im allgemeinen noch viel zu wünschen übrig läßt, ist die Tatsache, daß die Firma „Stickerei Syrau" ihrem gesamten Personal mangels Be schäftigung gekündigt hat. Flott zu tun haben dagegen einige hiesige Webereien, die große Aufträge zur Lieferung von Verbandstoffen er halten haben. In St. Gallen, dem Hauptsitz der Schweizer Stickerei-Industrie, liegt das Ge schäft, nach vorliegenden Berichten, noch weit ärger als im Vogtlands. Crimmitschau. Die Zahl der hiesigen Arbeitslosen beträgt nach einer Aufnahme am Sonnabend Abend noch immer 1103 Personen. Diese verteilen sich auf die einzelnen Betriebe wie folgt: 455 Arbeiter in der Weberei, 272 in der Spinnerei, 88 in der Appretur, 141 in der Färberei, sowie 47 in verschiedenen Bran chen. Die BelchäftigungSlosen erhalten fort laufende Unterstützung vom Deutschen Textil- Arbciterverband. Leipzig. Die Einigungsverhandlungen zwischen Ärzten und Ortskrankenkasse dürfen vor läufig As gescheitert anzusehen sein, da die Ortskrankenkasse die gestellien Fricdensbedin- gungen als unannehmbar erklärt hatt. Die Kasse fahre in der Anstellung von Distrikts- Ärzten. In diesem Sinne ist heute abend von der Kassenverwaltung ein Schreiben an die KceiShauptmannschaft abgesendet worden. Die Ärzte haben ihre Bedingungen ebenfalls bereits bei der Kreishauptmannschaft eingereicht. Ob zunächst noch eine weitere Einigungsverhandlung stattfinden wird, ist noch nicht entschieden. Der Mißerfolg der Einigungsverhandlungen ist im Jntereße der Kasse, im Interesse der Ärzte und vor allem auch im Jntereße der Kranken sehr zu bedauern. — Das im 2. Lebensjahre stehende Söhn chen eines Schneiders in Leipzig riß durch Ziehen an der Tischdecke eine auf dem Tisch stehende Kanne mit heißem Kaffee um und zog sich da durch bedeutende Brandwunden am ganzen Körper zu. — Der früh Uhr von Leipzig nach Zwickau verkehrende Güterzug ist heule bei der Einfahrt in den Bahnhof Gaschwitz infolge fal scher Weichenstellung auf einen Leerzug aufge fahren, wodurch beide Lokomotiven und mehrere Wagen beschädigt wurden. Der Schaffner W- erlitt einige Hautabschürfungen am Kopfe. Der Betrieb wurde nicht gestört. — Wie Frankreich seine Kämpfer in der Fremdenlegion lohnt lehrt zum tausendsten Male ein in Leipzig vor dem Kriegsgericht verhan delnder Fall. Der Ulan Zerche desertierte am 4. Februar 1889 vom Ulanen - Regiment in Rochlitz, verschaffte sich Papiere auf den Namen Dietsch und ließ sich in der Schweiz für die französische Fremdenlegion anwerben, diente im 1. Regiment 10 Jahre und trat 1900 zum 2. Male ein. Allein die Strapazen der Feldzüge in Tonkin und Madagaskar hatten seine Ge sundheit so geschwächt, daß Dienstuntauglichkeit eintrat. Frankreich ernannte ihn zum Korporal, lohnte seine persönliche Tapferkeit durch Ver leihung des Madagaskarordenü und der Kolonial medaille, hatte aber keinen Pfennig für ihn übrig, sodaß Zerche nach Deutschland ging und sich hier freiwillig stellte. Das Kriegsgericht verurteilte Zerche zu einem Jahr Gefängnis und zur V.rsetzung in die zweite Klaffe des Soldatenstandes. Deutschgeorgenthal. Im Häckerschen Gasthof hier entst nd ein Brand, welcher, nach ¬ dem er schon beträchtlichen Schaden angerichtet hatte, durch energische Tätigkeit der Feuerwehr gedämpft wurde. Der Besitzer Häcker wurde unter dem Verdachte der Brandstiftung in Haft genommen. W e t r o. Auf schreckliche Weise ist am Sonnabend, kurz vor Arbeitsschluß, der bei der siesigen Firma Heinrich Ruhland, Tonwerke u. Dampfziegelei, in Arbeit stehende Ziegeleiar- reiter Johann Ernst Rokott um das Leben ge kommen. Der Verunglückte, der in der Ton grube beschäftigt war, wurde von einer nieder- gehenden Tonwand getroffen. Die Masse drückte hm sofort den linken Brustkasten ein und führte den sofortigen Tod herbei. Der Verunglückte hinterläßt eine Familie mit 10 Kindern im Al- ter von 14/t bis 18 Jahren. Ein Kenner Japans über Japaner und Russen. Graf Robert Keyserling, der die ostasiatischen Verhältnisse aus eigener Anschauung kennt, ver öffentlicht in der „Schles. Ztg." einen Aufsatz, dem wir folgendes entnehmen: „Wie ganz anders als das landläufige Urteil bei uns lauict doch das der Europäer im fer nen Osten! Nie hörte ich einen europäischen Kaufmann dort mit Hochachtung vom Japaner sprechen. Kein Geschäft ist mit ihnen auf Treu und Glauben abzuschließen, kein Wort ist auf ihre Versicherungen zu geben, keine Rede von einer Verarbeitung unserer christlich - arischen Weltanschauung. Wie vor 50 Jahren, so haßt und verachtet auch heute noch der Japaner den weißen Mann, besten religiöse und ethische Empfindungen ihm, dem Schüler des Konfuzius, dem Anhänger eines entarteten Buddhismus, fremd geblieben sind und fremd bleiben müßen. Der Samurai, welcher die Vorrechte seiner Krie gerkaste und seinen Lebensunterhalt bei den poli tischen Umwälzungen verlor, der Bonze, welcher seine Existenz durch das Christentum bedroht glaubt, der Händler, welcher den europäischen Kaufmann bekämpft, sie und alle anderen Ja paner sind sich noch heute einig im Abscheu vor den Barbaren jenseits der Weltmeere. Eins im Fühlen und Denken können sie nur mit den Völkern sein, welche, wie die Chinesen und Koreaner, mit ihnen die gleiche Kulturgrundlage teilen. Ter Russe, der im fernen Osten kämpft, ist ein Streiter für abendländische Kultur, gleichviel auf welcher Stufe unserer Bildung er stehen mag. Ec allein unter den Völkern Europas hat sich bisher befähigt gezeigt, mongolischen Stämmen allmählich abendländisches Denken Empfinden näherzubringen. Der Japaner bleibt der berufene Vorkämpfer der gelben Raffe, welche früher oder später mit dem weißen Manne um die Weltherrschaft ringen muß. Wir stehen vor der Eröffnung eines gewaltigen Dramas der Weltgeschichte. Das Vorspiel fand in grauen Zeiten statt, als unsere Vorväter bei Liegnitz die Mongolenhorden zurückschlugen und die auf keimende abendländische Kultur vor der Ver nichtung bewahrten. Jetzt drang die christliche Macht bis an die Spitze der gelben Raffe vor, Kampfstätte und Kampfesart änderten sich, aber unsere Ideale für die gestritten werden muß, blieben die gleichen. Die Zeitungen moralisieren darüber, wer den Krieg begann und auf wessen Seite wir das formale Recht zu suchen haben. Als ob es darauf bei diesem Kriege für uns ankäme I Nicht frevelhafter Übermut oder Lust am Streit entfesselt solchen Krieg, sondern der bittere Zwang, der das Leben der Völker ge staltet. Hier kämpft der Westen mit dem Osten, die weiße put der gelben Raffe. Als Graf Murawiew - Amurski das russische Banner an der Mündung des Amur aufpflanzte und die bangen Räte in St. Petersburg den Zaren Nikolaus I. zur Rücknahme dieser Hand lung bewegen wollten, erwiderte stolz der Zar: „Wo Rußlands Flagge einmal gehißt ist, da wird sie nicht heruntergenommen." Hoffen wir für unsere Kultur, daß Nikolaus II. jenes stolze Wort auch für Dalny einlösen wird." x