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Ottendorfer Zeitung : 07.02.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-02-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190402077
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19040207
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19040207
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-02
- Tag 1904-02-07
-
Monat
1904-02
-
Jahr
1904
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 07.02.1904
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Bessere Stimmung in Aalesund. Die außerordentlich durchgreifende Unterstützung, die der schwer heimgesuchten Stadt Aalesund zu rechter Zeiß namentlich von deutscher Seite, zuteil wurde, hat den Lebensmut und die Hoff nung der unglücklichen Bewohner merklich ge hoben. Zwar können die Aalesunder der frem den Hilse fürs erste noch nicht entbehren. Aber der Druck, der auf der Stadt Aalesund lag, beginnt zu schwinden, und die Wiederaufnahme des Handels zeigt sieb bereits in dem Um stande, daß die Fischerflotte mit 800 Mann an Bord ausgelaufen ist. Dadurch ist auch eine große Entlastung eingetreten. Aus Christiania ist ein Wohn- und Speiseschiff für 400 Per sonen eingetroffen. Ruinen werden überall auf geräumt und verwertet. Kohlenlager brennen noch, ebenso glimmt es noch an einzelnen Stellen. Die Nachwehen der Silvefterfreuden in Berlin haben jetzt alle jene zu fühlen, die ihrer frohen Laune in der Neujahrsnacht gar zu sehr die Zügel schießen ließen. Es finden jetzt täglich Aburteilungen der „groben Unsug- stifier" der Silvesternacht vor den Schöffen gerichten statt. Die verhängten Strafen sind im Verhältnis zu den doch mehr oder weniger harmlosen Vergehen recht hart. So wurde z. B. ein Bureauvorsteher wegen Tragens einer Papiermütze zu einer Woche Haft, ein griechischer Privatgelehrter aus Charlottenburg zu 3 Tagen Haft verurteilt, weil er in der Friedrichstraße ein „sterbendes Schwein" aufblies. Die Ver urteilten legen zum großen Teil Berufung ein undHoffen, daß „die Richter der zweiten Instanz ihre im Übermut der Silvesterlaune begangenen Vergehen" in milderem Lichte ansehen werden. Pestfrei. Der seit einigen Tagen gehegte . Verdacht, daß an Bord des englischen Dampfers „Hatasu" im Geestemünder Hafen gefundene tote Ratten an Pest gestorben seien, ist durch die kulturelle Untersuchung des Bremer hygie nischen Instituts nicht bestätigt. Alle angeordneten Vorsichtsmaßregeln sind daher wieder aufgehoben worden. Der Meeresopfer-Statistik zufolge sind in den vielen Stürmen des Vorjahres 1167 Schiffe vollständig verloren gegangen, darunter 57 deutsche. Außerdem wurden 5754 Schiffe beschädigt, darunter 449 deutsche. Ein Warenhausbrand hat vorige Woche in Nauen stattgefunden. Das Geschäftsgebäude des Kaufmanns Benecke ist mitsamt seinem In halte fast gänzlich durch Feuer zerstört worden. Der Sohn des Geschäftsinhabers wurde am nächsten Tage auf Verfügung des Staats anwalts unter dem Verdachte der Brandstiftung verhaftet. Am hellichten Tage. Ein Aufsehen er regender Raubanfall ist am Sonntag mittag in einem Laden zu Königsberg (Neumark) be gangen worden. Zwei Strolche drangen in das am Marktplatze belegene Kaisersche Kaffee geschäft ein und schlugen die allein anwesende Verkäuferin zu Boden; alsdann beraubten sie die Ladenkasse und suchten das Weite. Der eine von den Räubern wurde auf der Flucht außerhalb der Stadt ergriffen; der andere ist entkommen. Über die Persönlichkeit der Täter ist nichts Näheres bekannt. Die Verkäuferin ist nicht lebensgefährlich verletzt. Der BergiftungSfall in Darmstadt hat am Dienstag durch den Tod des 35jährigen Patienten Heumann, das 10. Opfer gefordert. Das in Privatpflege befindliche Fräulein Schleuuing und zwei der im Elisabethenstift untergebrachten Gemeindeschwestern sind noch nicht außer Lebensgefahr, das Befinden der dritten Schwester gibt Hoffnung auf Besserung. Frau Bernius ist aus dem Krankenhause ent lassen worden. Selbstmord. In Darmstadt erschoß sich am Dienstag der Landgerichtsdirektor Dr. Meysel aus unbekannten Ursachen. — In seiner Woh nung in München an der Promenadestraße hat sich am Dienstag vormittag der pensionierte Oberstleutnant Ferdinand Petri erschossen. Er litt schon längere Zeit an einer unheilbaren Krankheit. Er diente von 1865 bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1884 im dritten Feld ¬ artillerieregiment und erwarb sich als Kom mandeur der vierten Fußbatterie im Kriege 1870/71 das Ritterkreuz zweiter Klasse des Militärverdienstordens und das Eiserne Kreuz zweiter Klasse. Opfer einer Kohlendunstvergiftung ist in Rostock der Kirchendiener Helldorff geworden. Der alte Mann ging in der Nacht zum 31. o. in den Heizungsraum der Petrikirche, um die Kirche zu Heizen. Als er morgens nicht nach Hause zurückkehrte und man nach ihm suchte, fand man ihn tot im Heizraum. Der Arzt stellte Vergiftung durch Kohlenoxydgas fest. Die tückische Eisfläche. In Breslau brachen am Montag abend auf dem Eise drei Schulknaben ein und ertranken. Die Leichen gefängnis natürlich bester gefällt, als im Zucht hause zu Rennes bei Zwangsarbeit. Am Dienstag sollte die „große Therese" vor der Untersuchungs-Kommission für die Humbert- Angelegenheit vernommen werden; sie bat aber, ihre Aussagen erst nach Beendigung des Be leidigungsprozesses Cattani machen zu dürfen, dann werde sie freimütig auf die Fragen der Kommission antworten und interessante Schrift stücke von ihrem Schwiegervater beibringen. Die Kommission traf noch keine Entscheidung. Ausständige Weber drangen, wie,Wolffs Bureau' aus Lille meldet, am Montag in ein dem Fabrikanten Bauquart gehöriges Haus in Neuvilly ein und steckten es, nachdem sie es völlig ausgeplündert hatten, in Brand. Der Vie gegenwärtige militärische Lage in Veutsch-Züäwestasrika ist auf unserer heutigen Karte wiedergegeben. Der ganze etwa 120 Kilometer breite Landstrich von der Linie Karibib-Wilhelmsfeste (Piaobis) östlich bis zur Linie Okahandja-^Windhoek wird von den HereroS beherrscht. Aus den militärisch besetzten Orten und Poststationen Otjosasu, Neudamm, Hohewarte, Go- babis, Epukiro und Seeis liegen überhaupt keine Nachrichten vor. Aus Otjosasu kam die erste be stimmte Meldung vom Aufstande der Hereros. Windhoek ist vollständig von den Aufständischen eingeschlossen. In diesem Orte befinden sich 230 Mann und zwei Maschinengewehre. Die zweite Kompanie und die Gebirgsgeschütze dürsten ebenfalls inzwischen sich in Wind hoek eingesunden haben. In Oljimbingwe stehen 35 Gewehre zur Verteidigung bereit. Der am weitesten westlich gelegene Ort, den die Hereros angegriffen haben, ist Rubas (147 Kilometer von Swakopmund). Der Teil der Eisenbahn von der Küste bis Karibik (194 Kilometer) ist gesichert Oberleutnant v. Zülow hat nach heftigem Kampfe bei Station Waldau Okahandja besetzt. Er ver fügt über 200 Mann und kann sich noch behaupten. Karibik wird der Ausgangspunkt der weiteren Ope rationen sein. Hier befinden sich 84 Mann von S. M. S. „Habicht", 58 Reservisten und Frei willige von Swakopmund. Aus Omaruru, dem Standorte der 2. Feldkompanie, fehlt jede Nachricht. Ebenso aus Warlesberg, wo sich 50 Reservisten befinden. wurden während der Nacht von der Feuerwehr geborgen. Gestohlene Geschosse. Auf der Feste „Kronprinz" bei Metz find, wie erst jetzt bekannt wird, zwei vollständig mit Füllung versehene Geschosse, ein Schrapnell und eine Granate, ge stohlen worden, bezw. verschwunden. Obgleich das Verschwinden bereits am 22. August v. gemeldet wurde, auch seitens der Militär- und Zivilgerichte seitdem eifrig recherchiert und mehrere Personen in Untersuchungshaft waren, ist es doch nicht gelungen, die Täter zu ermitteln. Festgestellt ist, daß die gestohlenen Objekte über die Grenze geschafft find. Die Staatsanwalt schaft setzt nun auf die Ermittelung der Täter eine Belohnung von 600 Mk. aus. Dafl gestohlen wird, gehört ja zur täg lichen Erscheinung — aber daß dem Staats anwalt, während er der Strafkammerfitzung bei wohnte und die vorgeführten Perbrecher anklagte, >er Überzieher gestohlen wird, dürfte doch ein eltenes Porkommnis sein. So geschah es dieser Tage im Landgerichtsgebäude zu Mülhausen i. E. Der Täter konnte bis jetzt nicht ermittelt werden, da jeder Anhaltspunkt fehlt. * Therese Humbert versteht es ausgezeichnet, die Pariser immer noch in Spannung zu er halten und von Woche zu Woche ihren Auf enthalt in der französischen Hauptstadt zu verlängern, wo es ihr im Untersuchungs Präfekt sandte Kavallerie nach Neuvilly, um die Ruhe wiederherzustellen. Den Schutzleuten in New Nork hat der dortige Polizeipräsident verboten,' in Uniform einen Sitzplatz in Straßenbahnwagen oder anderen öffentlichen Verkehrsmitteln einzunehmen, so lange andere Fahrgäste stehen müssen. Unter den Schutzleuten herrscht darüber große Er regung, da sie nach amerikanischer Anschauung in dienstfreier Zeit Bürger sind, wie alle andern. Der Polizeipräsident teilte nach der Moss. Ztg.' in dem Erlaß mit, er habe viele Beschwerden von Frauen erhalten, worin die Schutzleute als „aufgeblasen, gefühllos, unfreund lich, unhöflich, ungeschliffen und roh" geschildert werden und gesagt wird, daß sie sich angelegent lich in ihre Zeitungen vertieften, wenn Damen den Wagen besteigen. Der „chinesische" Neujahrstag. In ganz China feiert man gegenwärtig das neue Jahr; diese nationalen Feste dauern vom 21. Januar bis zum 19. Febmar. Am meisten freuen sich in dieser Zeit die Verbrecher; denn während des Neujahrsmonats ist es streng ver boten, Prozesse einzuleiten, ein gerichtliches Urteil zu fällen oder eine Strafe zu vollstrecken. Weniger erfreut find die Leute, die ihre Ruhe lieben. Man kann sich nämlich von dem Lärm, mit dem das neue Jahr begrüßt wird, keinen Begriff machen. Auf den öffentlichen Plätzen wird unter fürchterlichem Geknall ein Feuerwerk abgebrannt, und man hört überall Tag und Nacht die entsetzlichen Töne des Gong, der Metallpauke, die die Söhne des himmlischen Reiches mit einer wahren Wut bearbeiten. Handelt es sich doch darum, die bösen Geister des verflossenen Jahres, die vor ihrem Abzug noch Böses tun könnten, zu verjagen. Die Chinesen lassen auch riesige Drachen in die Lust steigen, um die Teufel zu erschrecken. Diese Teufelsbannungen enden mit einer großen Prozession, nach der wieder Ruhe eintritt. Gericktskalle. Frankfurt a. M. Die Strafkammer des Land gerichts, vor der sich Prinzessin Alexandra von Dsen- burg und Büdingen zu Wrichtersbach wegen Untreue zu verantworten hatte, sprach die Angeklagte frei. Der Vorwurf, die Prinzessin habe wissentlich mit Wechseln operiert, die sich später als wertlos her ausstellten, erwies sich nach der Beweisaufnahme als grundlos, so daß der Staatsanwalt selbst auf Freisprechung plädierte. Das Gericht erkannte dem gemäß. Dessau. Am Montag wurde das Urteil im Prozeß gegm den Hofopernsänger Kienlechner, der den Dessauer Hofkapellmeister Mikorev geprügelt hatte, vor der Strafkammer des herzoglichen Land gerichts gesprochen. Kienlechner wurde zu 3 Monat Gefängnis verurteilt. Mainz. Die hiesige Strafkammer verurteilte den 46 jährigen Kurpfuscher Otterson wegen drei Fällen, in denen seine Kranken starben, zu einem Jahr Gefängnis, 500 Mk. Geldstrafe und verfügte die sofortige Verhaftung. Osnabrück. Das Kriegsgericht verurteilte den Oberleutnant Karl Schulze wegen Mißhandlung eines Untergebenen in sechs Fällen (er hatte seinen Burschen geohrfeigt) zu 14 Tagen Stubenarrest. Der Gerichtsherr legte wegen zu geringen Straf maßes Berufung ein, die indessen vom Oberkriegs gericht verworfen wurde. Wie». Es dürfte Wohl das erstemal geschehen sein, daß zur Begründung eines Freispruches von der Übertretung pes Lebensmittelgesetzes — Brehms „Tierleben" benutzt wurde. In Wiener-Neustadt war beim Bezirksgericht ein Mehlhändler wegen Übertretung des 8 14 des Lebensmittelgesetzes an geklagt, weil eine Arbeiterin in einem bei ihm ge kauften Päckchen Mehl einen Mehlkäfer gesunden hatte. Das Bezirksgericht fällte einen Freispruch, der bei der kürzlich stattgehabten Berufung vor dem Kreisgericht bestätigt wurde. In der Urteilsbegrün dung des ersten Gerichts wird u. a. gesagt: „Was im folgenden Falle die Frage der Fahrlässigkeit an langt, so sei in erster Linie darauf verwiesen, daß es wohl allgemein bekannt ist, daß Mehlwürmer überall dort zu finden sind, wo Mehl ist, und es sei auch gestattet, auf den großen Tierkenner Brehm hinzuweisen, welcher in seinem „Tierleben" sagt: „Wo Mehlstäubchen, da auch Mehlwürmer." Es ist daher auch ganz selbstverständlich, daß in einem Mehlgeschäft trotz größter Reinlichkeit und Genauigkeit der Mehlwurm und der Mehlkäfer zu finden sein werden und erscheint eine Ausrottung dieses Insekts — und hierin stimmt der vernommene Sachverständige mit dem Richter überein — ausge schlossen. In gleicher Weise hat der Sachverständige auch erklärt, daß das Vorhandensein eines einzelnen Mehlwurmes oder eines einzelnen Mehlkäfers in einer größeren Menge Mehl weder als gesundheits schädlich noch als ekelerregend bezeichnet werken kann. Es wird gewiß niemand beifallen, eine An zeige nach 8 14 deS Lebensmittelgesetzes zu erstatten, weil ihm ein wurmiger Apfel verkauft wird, obwohl nicht bezweifelt werden wird, daß ein Apfel oder eine andere Frucht, in der sich der lebende Wurm befindet, gewiß mehr geeignet ist, Ekel zu erregen, als ein einzelner Mehlwurm oder ein einzelner Mehlkäfer in einer größeren Menge Mehl. Ebenso kommt es ja täglich vor, daß Gemüse, das von einzelnen Tieren, wie Käfern, Raupen, kleinen Schnecken usw. (bei Salat, Kohl, Karfiol u. dgl.) be setzt ist, zum Verkauf gelangt, ohne daß deshalb von einer Gcsundheitsschädlichkeit des Lebensmittels gesprochen werden würde." buntes Allerlei. Stimmt. Mutter (zum Sohne): „Aber, lieber Karl, in diesem Zustande kommst du nach Hause, wie siehst du aus?" — Karl: „Ja, liebe Mutter, kneip' du mal so wie ich, dann wollen wir mal sehen, wie dein Zustand ist." Der echte Nörgler. (Vor Besuch der Ausstellung): „Neugierig bin ich, über was ich mich heut wieder giften muß!" Spessart," fügte er tröstend hinzu. „Der Vater gibt uns geme seinen Segen." „Ohne den Willen deiner. Mutter werde ich nie dein Weibl" sagte sie, sich entschieden frei machend. „Gegen den Willen deiner Mutter sollst du auch nicht handeln. Mit Undankbar keit will ich ihre Güte nicht lohnen. Des Vaters Segen bauet den Kindern Häuser, der Mutter Fluch reißt sie nieder. Wir find beide noch jung und können warten. Einmal muß doch die Zeit kommen, wo sie ihre Härte bereut und einsieht, wie lieb ich sie habe!" Sie schauten sich tief in die Augen. Ein Kuß, ein Händedruck schloß das Gelöbnis ewiger Treue in sich. Rasch hob sie ihren Korb auf und eilte der Mühle zu. Der Müller war ihr schon ent- gegengekommen und saß wartend auf einem Wegstein. Sein Gesicht war hämisch verzogen, lauernd ruhte sein Blick auf ihrem erglühenden Antlitz. „Aha, jetzt weiß ich, woher der Wind weht!" sagte er unter rohem Lachen. „Die schmucke Traute! hat eine heimliche Liebelei mit dem He'-rn Forstpraktikanten und ist deshalb von der Mutter aus dem Hause gejagt worden. Sicher wäre sie sonst nicht in die Mühle ge kommen. Ja, ja, die Försterin will hoch hin aus mit ihrem Sohn. Die reiche Posthalters Therese ist freilich eine andere Partie, sie war erst neulich mit der Mutter auf der Brautschau in der Försterei!" Traute! wurde totenblaß. „Das lügt Ihr, Müller!" sagte sie heftig, „so schlecht und falsch ist der Heinz nicht!" „Geh, Trautel, du wirst dir doch nicht ein bilden, daß dich der junge Hartmann heiratet," sagte er frech. „Zu einer heimlichen Liebschaft bist du gerade gut genug. Etwas anderes hat der junge Herr gewiß nicht im Sinne. Sei klug, Trautel, kennst ja das alte Sprichwort: „A bisserl Lieb und a bisserl Treu, und a bisserl Falschheit ist alleweil dabei." Es gibt auch noch mehr vernünftige Männer auf der Welt, die noch Augen für hübsche, junge Mädel haben. Ewig kann meine Alte doch nicht mehr leben. Der Wolf kommt später auf die Schule. Geld haben wir genug, um herrlich und in Freuden leben zu können. Du sollst gute Tage bei mir haben, Trautel !" Mit widerlichem Grinsen suchte er seinen Arm um ihre Taille zu legen. Heftig stieß sie ihn zurück. Ihre Wangen glühten, ihre Augen flammten vor innerer Empörung. „Schämt Ihr Euch nicht, Müller, ein wehr loses Mädchen zu belästigen?" rief sie zürnend. „Euresgleichen denkt von jedem Menschen schlecht, weil Euch selbst nichts zu gemein ist. Ich habe arbeiten gelernt und will arbeiten mein Leben lang und nicht im Schmutze von Sündengeld leben. Wäre Euer braves Weib und Euer guter, lieber Sohn nicht, längst wäre ich bei Nacht und Nebel davon, denn Ihr alter Sünder seid gar nicht wert, daß Euch Gott auf Euren, dunklen Lebensweg so gute Menschen mitgegeben hat!" Mit verzerrten Zügen ballte er die Faust. „Das sollst du mir büßen, Schlange," sagte er zähneknirschend. „Wie sie fromm und solid tun kann, die Heuchlerin, mich täuscht deine Unschuldsmiene nicht, du ehrloses Förster- liebcheu!" Mit einer verächtlichen Kopfbewegung schritt sie an ihm vorüber der Mühle zu. „Ihr könnt mich nicht beirren in dem, was ich sür gut und recht erkannt!" gab sie stolz zur Aniwort. Mit drohenden Blicken schaute ihr der Müller nach. Die Müllerin war noch schmächtiger nnd hinfälliger geworden. Ihre völlige Auflösung war noch eine kurze Frage der Zeit. Trautel machte ihr das Bett zurecht und flößte ihr stärkende Arznei ein. „Wie gut und geduldig Ihr seid, Trautel," sagte sie leise, „mit Euch ist der Friede in die Mühle gekommen. Der Müller ist nicht mehr so finster und verdrossen, wie ehedem, und der Wolf blühttauf nnd wird frisch und lebendig, wie ich ihn nie zuvor gesehen. Euch wird Gottes Segen nicht fehlen, Trautel." Das junge Mädchen lehnte bewegt den Dank ab. „Nur meine Schuldigkeit tue ich, Frau Müllerin," erwiderte sie freundlich, „Ihr seid leicht zufrieden zu stellen, und Wolf habe ich von Herzen lieb, wenn Gott nur helfen und Euch bald wieder gesund machen würde!" „Das wird wohl nie der Fall sein," seufzte die Kranke schmerzlich, „ich würde Gott für eine baldige Erlösung dankbar sein. Ach, Trautel, verlaß mich und den Wolf nicht, laß mich nicht allein in der Fuchsmühle sterben!" Sie hob flehend die abgezehrten Hände zu dem Mädchen empor. Traute! wurden die Augen naß. „So lange es sich mit meiner Ehre und meinem Gewissen verträgt, will ich gerne bleiben," sagte sie ernst, „schon nm Euretwillen, doch Zeit und Stunde ist nicht gleich, Frau Müllerin, wenn ich auch die Versuchung nicht fluchte, der Gewalt muß ich aus dem Wege gehen!" Die Kranke schaute sie mit großen, ängst lichen Blicken an. „Trautel, verstehe ich recht?" sagte sie schmerzlich aufltöhnend, „der Müller stellt Euch nach. Mein Gott, mein Gott, du ersparst mir nichts an dem Leidenskelche. Trautel, verlaßt mich nicht," bat sie im dringlichen Flehen. „Stellt Euch hart an, hier." — Sie zog eine scharfe Klinge hinter dem Bett hervor, „nehmt diese Waffe im Falle der Notwehr zu Euch, mein Leben lang war ich zu schwach gegen ihn, und, diese Schwäche wurde mein Verderben. Bald wird dies Lebens- sünkchen erlöschen und Ihr erlöset sein!" „So Gott will, nicht, Frau Müllerin," lächelte ihr die Traute! zu, „treu will ich zu Euch und Eurem Knaben halten. Der Müller soll sehen, daß ich mich nicht fürchte!" Sie nahm die Waffe an sich und ging hin aus, um den Müller aufzusuchen. „Der Arzt hat Eurem Weibe kräftige Weine und Speisen verordnet, damit sie wieder zu Kräften kommt, er wird dieser Tage selbst in der Mühle vorsprechen. Der Herr Pfarrer läßt Euch grüßen und sagen, daß Euer Wolf den Wunsch geäußert, Geistlicher werden zu wollen. Ihr möchtet dem Knaben in seinem Vorhaben nicht hinderlich sein!" RB» (Schluß folgt.)
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