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Ottendorfer Zeitung : 05.02.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-02-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190402051
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19040205
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19040205
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-02
- Tag 1904-02-05
-
Monat
1904-02
-
Jahr
1904
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 05.02.1904
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politische Kunäschau. Der Herero-Aufstand. "Die Besatzung von Okahandja hat mehrere Ausfallgefechtc gemacht und hat dabei drei Tote gehabt. Die Zahl der V e rw nnd ete n ist zwar nicht angegeben, ober sie durste nicht gering sein. Omaruru wurde am 27. v. „mit großer Macht angegriffen, doch wurde der Angriff abgeschlagen." Aus Otjimbingwe liegt keine Meldung vor, doch wird es wahrscheinlich auch belagert sein. Da der Regen nachläßt, so hat man mit der Bahnausbesserung hinter Karibib begonnen. * Die militärische Lage im Auf ruhr-Gebiet ist nach der Köln. Ztg/ iolaende: Windhoek ist gegen Norden abge schnitten, Okahandja von allen Seiten und ebenso Otjimbingwe. Bis Karibib find die Deuiscben Herren der Bahn, aber Regengüsse und die dadurch hervorgerufenen Überschwemm ungen haben im Tal des Khanflusses die Strecke zerstört. Der Kommandant des „Habicht" hofft bis Aniang Februar die Linie wiederher stellen zu können. Von Karibib hatte das Landungskorps des „Habicht" begonnen, die Bahn fahrbar zu machen. Regen hatte sie aber aufs neue zerstört, und man will anscheinend, wenn die Witterung sich nicht ändert, auf die Herstellungsarbeiten verzichten und den Fuß marsch gegen Offen antreten. Von Karibib bis Okahandja find es an der Bahn entlang 116 Kilometer. Wieviel Tage aber die Ent setzunastruppen nötig haben würden, um sie zurückzulegen, kann man nicht ermessen. "Die Bondelzwarts - Hotten totten im Süden von Südweftafrika haben sich, wie der deutsche Generalkonsul in Kapstadt meldet, unter ihrem Häuptling am 28. Januar ergeben. Die Übergabe der in den Kharäs bergen wohnenden Aufständischen wird erwartet. "Von der Entsendung des Lan dungskorps des Kanonenboots „Wolf" von Kamerun nach Swakopmund ist Abstand genommen worden, da der ursprüngliche Befehl hierzu das Schiff infolge seiner augenblicklichen Vermessungstätigkeit an der Nordgrcnze des Schutzgebietes Kamerun erst so spät erreicht hat, daß die Einschiffung der Leute auf dem Dampfer „Emilie Wörmann" nicht mehr möglich gewesen ist. Mit einem späteren Dampfer würde das Landungskorps des „Wols" — im ganzen 25 Mann — erst nach dem Eintreffen des Marine-Expeditionskorps in Swakopmund an gekommen sein. * * -»7 Der russisch-japanische Konflikt. "Die russische Antwortnote an Japan soll, wie von unterrichteter Seite aus Petersburg verlautet, durchaus freundlich und entgegenkommend sein. Die russische Negierung erkläre sich bereit, in dem Abschluß eines Ver trages mit Japan für die Dauer von zehn Jahren zu bewilligen, wenn die Vorschläge Rußlands sowohl bezüglich der Mandschurei als auch Koreas, durch die die gegenseitigen Interessen am besten gewahrt würden, zur Annahme gelangten. Die Meldungen aus Japan über die dort herrschende Kriegslust machen in Petersburg keinen Eindruck, weil man zu wissen glaubt, daß mit ihnen nur der Zweck ver'olgt werde, auf Rußland einen Druck aus zuüben, um größere Vorteile herauszuschlagen. * H- * Deutschland. "Der Kaiser wird im nächsten Monat seine Mittelmeerfahrt antreten und sich nach der ,D. Tagesztg.' am 6. März in Kiel cinschiffen und am 12. März in Palermo eintreffen. * Der Kaiser hat durch einen Erlaß an den Reichskanzler seinen Dank für die Glück- wüuschezuseiuem Geburtstage öffent lich ausgesprochen. * Der. König derBelgier verlieh dem Reichskanzler Grafen v. Bülow eine kostbare Dose mit seinem Bildnis, dem Staats sekretär des Auswärtigen Frh. v. Richthofen und dem Gesandten in Brüssel v. Wallwitz das Großkreuz des Leopoldsordcns. * Eine Konferenz behufs Besprechung von Eisenbahnfragen im Kriege hat dieser Tage wieder zwischen der Eisenbahn abteilung des großen Generalstabes und den Ei scnbahnbe Hörden stattge funden. Solche Konferenzen pflegen in regel mäßigen Zwischenräumen abgehalten zu werden. Österreich-Ungarn. * über die den Ungarn gemachten mili tärischen Zugeständnisse wird nun bald entschieden werden. Kriegsminister Pitrich wird der zusammcntretenden ungarischen De legation zunächst die Reformen auf dem Leutnant der Reserve Raimund Boysen. Im Kampfs gegen die Hereros gefallen ist der Vorsitzende des Kriegervereins in Windhoek, Leut nant der Reserve Raimund Boysen. Er beteiligte sich an einem Erkundungsgefecht bei Farm Hoff nung. Außer ihm fanden noch der Unteroffizier Pasch, Rekrut Weiß und Landwehrmann Zeilot, Reservist Trölthsch, Germinsky und Lokomotivführer Takert - den Heldentod. Der Vater des Leutnants Boysen befindet sich ebenfalls in Afrika, während seine Mutter im Sanatorium zu Dietenmühle in Wiesbaden Weilt. Gebiete des militärischen Erzie hung s w e s e n s zur Kenntnis bringen. Balkanstkate». "Der Rücktritt des Großwcsirs Ferid Pascha gilt jetzt als zweifellos. Man sagt, er habe sich die Ungnade des Sultans zu gezogen, weil er empfohlen habe, russische Kriegsschiffe aus dem Schwarzen Meer durch die Meerengen fahren zu lassen. Sein Nach folger würde der bisherige Minister des Äußeren Tewsik Pascha sein, an dessen Stelle der frühere türkische Botschafter in Paris Munir Bei treten soll. Der letztere hatte be kanntlich in Paris sehr ernste Streitfälle mit der französischen Regierung gehabt, weshalb er auch jetzt noch als Gegner des französisch-russischen Bündnisses und infolgedessen als Freund Englands gilt. "Eine Mitteilung der Pforte an die Bot schafter Österreichs und Rußlands besagt, Boris Sarafow kaufe mit in England und Bulgarien gesammeltem Gelde Dynamit, um Bomben für geplante Anschläge gegen die Regierungsgebäude in Adrianopel, den Bahnhof der Orientbahn in Stambul sowie gegen ein im Hafen von Konstantinopel liegendes englisches Schiff herzustellen. * Die serbische Presse fordert die B o ykot- tierung deutscher Kaufleute, weil bei dem Ball der Deutschen anläßlich des Geburtstages des Kaisers nur ein Hoch auf Kaiser Wilhelm und nicht auch, wie üblich (?) auf König Peter ansgebracht wurde. Amerika. "Rach den letzten aus Montevideo einge troffenen Nachrichten sollten die Aufstän dischen in Uruguay in verschiedenen Treffen von den Regierungstruppen auss Haupt geschlagen sein. In kleinen Trupps hätte die Mehrzahl der Aufständischen mit ihrem schwer verwundeten Führer die brasilianische Grenze überschritten und die Reste würden eifrig verfolgt. Da diese Nachrichten lediglich aus der Quelle der Regierung von Uruguay stammen, der allein die Telegraphenlinien zur Verfügung stehen, so werden Zweifel an der Verläßlichkeit der Siegesmeldungen laut. Die .Times' melden nämlich aus Montevideo, daß es nicht möglich sei, Nachrichten über die Vorgänge im Innern des Landes zu erhalten. Die Lage fei sehr ungewiß, und die Unzufriedenheit wachse. Deutscher Keicbstag. Am 30. v. steht auf der Tagesordnung die Interpellation des Zentrums, betr. die Rechtsfähigkeit der B erufs v er ein e, Sicherung des Koali- tionsrcchts und Errichtung von Arbeits- k a m m e r n. Abg. Trimborn (Zentr.) begründet die Inter pellation: Auf dem Frankfurter Arbeiterkongreß habe eine den sozialpolitischen Organisationen an Zahl gewachsene staatstreue Arbeiterschaft folgende Forderungen aufgestellt: Sicherung und Ausbau des Koalitionsrechis, freies Vereins- und Versammlungs recht, Rechtsfähigkeit der Berufsvereine und paritätische Arbeitskammern. Diese Forderungen seien durch aus berechtigt. Nur durch ihre Erfüllung könne man die staatstreue Arbeiterschaft vor dem Ver sinken in die Sozialdemokratie bewahren. Es sei ein Unding, daß Arbeiter, die der Gewerbeordnung nicht unterständen, von dem Koalitionsrecht ausgeschlossen seien, und ebenso sei es ein Unding, daß das Bereins- recht der Landesgesetzgebung unterworfen sei. Dadurch seien auch die Arbeiterinnen sozialpolitisch mundtot gemacht. Diese ganze Materie müsse als sozial politisch der Neichsregierung überlassen werden. Man könne unbedenklich die Freiheiten, deren sich die Süddeutschen schon seit Jahrzehnten erstellen, auch den Norddeutschen gewähren. Mit Spannung sehe er der Antwort der Regierung entgegen. Werde sie nunmehr endlich den Berg der Entfremdung zwischen sich und den Arbeitern abtragen und die kaiserliche Zusage erfüllen? Redner schließt mit der Aufforde rung an die Reichsregierung: Mit Volldampf voraus I Staatssekretär des Innern Graf Posadowsky beantwortet die Interpellation dahin, daß die Ver bündeten Regierungen grundsätzlich nicht abgeneigt seien, den Berufsvereinen von Arbeitern, die der Gewerbeordnung unterstehen, die Rechtsfähigkeit zu gewähren. Doch könnten Arbeiter im Staatsbetriebe und gewissen öffentlichen Anlagen nicht cingeschlossen werden, und cs müsse die Minderheit genügend ge schützt werden. Was die Arbeitervereine anbelange, so seien die verbündeten Regierungen grundsätzlich sür die Erweiterung der Bestimmungen der Gewerbe ordnung im Sinne der Kaiserlichen Botschaft vom 4. Februar 1900. In der darauf beschlossenen Besprechung der Interpellation ergreift zunächst der Abg. Legien (soz.) das Wort: Wir stehen heute noch auf demselben Standpunkt wie 1895; wir er halten eine Erklärung, die hinsichtlich des Zeitpunktes in keiner Weise verbindlich ist. Die Anwendung der reaktionären Vcrcinsgesetze der Einzelstaaten auf die gewerkschaftlichen Vereine ist eine Widerrechtlichkeit. Das Recht der Koalitionsfreiheit nach H 158 der Gewerbe-Ordnung wird dadurch illusorisch gemacht. Wir haben so ein Koalitionsrecht, beruhend nicht auf Gesetzeskraft, sondern auf der Entscheidung und der Auffassung der Polizeibehörden nnd Richter. Wenn in Preußen die Frauen auch fernerhin von der Teilnahme an politischen Vereinen ausgeschlossen bleiben sollen, wie Herr Graf Posadowsky angekün digt hat, so werden die Arbeiterinnen nach wie vor derselben Polizeiwillkür überantwortet sein wie bisher. Man redet von Terrorismus und Roheit der Arbeiter. Die privilegierten Stände tragen ihre persönlichen Differenzen^ durch das Duell aus, sie- schlagen sich die Nasen kapnt oder schießen sich über den Haufen; für die Arbeiter aber, die mal aneinander geraten, hat man nur tiefste Verachtung nnd höchste Entrüstung. Ist denn der Unwille der Streikenden unbegreiflich, wenn sie sehen müssen, wie dis Streikbrecher unter dem Schutz der Polizei zur Arbeitsstätte eskortiert werden? Ich erinnere an die Zuchthausurteile in Löbau, Bromberg, Breslau, besonders in dem letzteren Falle habe ich die Vermutung, daß es bei deni betreffenden Richter nicht mehr normal stand, daß bei ihm schon eine Gchirnkrankheit ausgcbrochcn war. (Vizepräsident Paasche ruft den Redner wegen dieser Beleidigung zur Ordnung). Die Sozial demokratie verlangt die Schaffung einer gesetzlichen Vertretung der Arbeiter, ganz unabhängig von der Frage der Berufsvereine; wir verlangen ein Reichs- arbcitsamt. Das wichtigste aber, was die Arbeiter brauchen, ist ein freies Koalition?-, ein freies Ver eins- und VersammluugSrccht; alle andern Fragen laufen bloß nebenher. Staatssekretär Graf Posadowsky betont gegenüber einer gelegentlichen Bemerkung des Vor redners, daß die Einzclstaaten sehr wohl ein Recht hätten, eigene Vereinsgesetze zu erlassen, so lange noch kein einheitliches Reichsvercinsgesetz bestehe. Abg. Hieber (nat.-lib.) erklärt, daß seine Freunde durch die Erklärung des Staatssekretärs durchaus zufriebengestcllt seien. Schon aus vcr- mögensrechtlichen Gründen empfiehlt sich eine be sondere gesetzliche Regelung für die Rechtsfähigkeit der Berufsvereine. Aba. v. Richthofen (kons.) äußert lebhafte Bedenken gegen den Gedanken der Interpellation, durch den man nur immer mehr der Sozialdemo kratie die Wege ebne zur Erreichung ihres Endzieles. Abg. Ablaß (frs. Vp.): Gerade auch die in Reichs- und Staatsbetrieben beschäftigten Arbeiter sollten das Recht, sich zu koalieren, erhalten, da sie ein Gegengewicht gegen die sozialdemokratisch organisierten Arbeiter bieten könnten. Abg. v. Kardorff (freik.): Wünschenswert sei eine rechtzeitige Veröffentlichung der von der Regie rung im Sinne der Interpellation geplanten Vor schläge, damit nicht nur der Reichstag, sondern das ganze Land Gelegenheit zur Prüfung derselben hätte. Ich habe die Überzeugung, daß die Regierung ebenso einmal von der Revolution überrascht werden wird, wie die südwestafrikanischen Behörden von dem Auf stande der Hereros. - Abg. Brejski (Pole) bringt Beschwerden über die Behandlung polnischer Vereine nnd Versamm lungen durch die Behörden vor. Abg. Stöcker (wirtsch. Vgg.): Unter der augen blicklichen Herrschaft der Plutokratie leide das Volk, namentlich seine konservativen Schichten, mehr als unter der der Sozialdemokratie. Auch die christ lich-sozialen Arbeiter wünschen ein vollkommenes Koalitionsrecht. Abg. Potthoff (fr. Vgg.) tritt ebenfalls für ein einheitliches, freiheitliches Vereins-, Versamm- lungs- und Koalitionsrecht ein. Abg. Trimborn (Ztr.) ist von der Erklärung des Staatssekretärs insofern unbefriedigt, als die in staatlichen Betrieben beschäftigten Arbeiter eine Ausnahmestellung erhalten sollen. Graf Posadowsky habe auch keine bindende Antwort in bezug auf ein heitliche Regelung des Vereins- und Versämmlungs- rechtes gegeben. Nächste Sitzung Mittwoch. znndtag. Das Abgeordnetenhaus begann am 30. v. die zweite Etatsberatung und erledigte zunächst den Etat der Dsmänenverwaltung. Mit dem neuen Modus des Domänenpachtvcrtrages, wonach ein Teil der Pacht in einem bestimmten Betrage, der andere Teil nach den wechselnden Preisen der landwirtschaftlichen Produkte normiert werden soll, erklärten sich die Rechte,, das Zentrum und die Nationalliberalen einverstanden. Landwirtschaftsminister v. Podbielski erklärte, die neue Form der Domänenverpachtung solle zunächst nur ein Versuch sein, um die unsicheren Leistungen der Pächter auszugleichen. Am Montag erledigte das Abgeordnetenhaus die Beratung deS Forstetats. Bei den Ausgabetiteln kam es zur Erörterung von allerlei Gehaltsfragen. Anregungen auf Besserstellung der Oberförster, der Waldwärter und der in den Staatswaldungen be schäftigten Forstarbeiter wurden vom Regierungs tisch aus finanziellen Gründen zurückgewiesen. Gegen den Widerspruch des Geheimrats Belian vom Finanzministerium wurde die von der Budget kommission abgclehnte, im Plenum wieder ein- gebrachtc Resolution angenommen, die die Regierung ersucht, dafür Sorge zu tragen, daß den. Forst assessoren eine die Dauer von sechs Jahren über-' schreitende Zeit diätarischcr Beschäftigung bei den Festsetzung des Besoldungsdienstalters in Anrechnung gebracht werde. Vom Etat der landwirtschaftlichen Verwaltung wurden nur einige Einnahmetitel erledigt. Am Dienstag fand keine Sitzung statt. Von unä fern. Nach 25 Jahren begnadigt. Der Kaiser hat anläßlich seines Geburtstages den Kesselschmied Faber aus Aachen, der wegen Totschlags vom Schwurgericht M lebensläng lichem Zuchthaus verurteilt worden war, nach 25 jähriger guter Führung begnadigt und ihm den Nest der Strafe erlassen. K OieAacke äes Verstossenen. 2) Novelle von Luise Cammer er. „Aber das Forsthaus ohne die Traute!, geh Mutter, das ist gar nicht denkbar!" sagte Heinz, den Arm um sie legend, „du wirst wirst schon wieder anderen Sinnes werden." „Niemals!" lautete ihre harte Entgegnung. Verstimmt und einsilbig gingen sie ins Forsthaus zurück. „Trautet !" die Stimme der Försterin schallte kräftig durch das Haus, „der Heinz ist ange kommen." Doch die Traute! hörte nicht, und weit und breit war nichts von ihr zu sehen. Die Förste rin lief treppauf, treppab, suchte in Speise kammer und Keller, jedoch vergebens. Die Traute! war und blieb verschwunden. Wo aber war sie hingekommen? Dem Geheiß der Försterin folgend, hatte sie einen Rehziemer gespickt und in der Speise kammer aufbewahrt, dann war sie in ihr Stüb chen gegangen, hatte die letzten Blumen von ihren Stöcken geschnitten, mit buntem Weinlaub und Tannenzweigen vermischt und zu einem Strauße geordnet. Wenn auch der Herbst ins Land gezogen war, der Heinz sollte doch Blumen in seinem Zimmer haben. Der Heinz — — ein wonniges Gefühl durchströmte ihr Inneres, wenn sie an den lieben Jugendgespielen dachte. Der Heinz war mit ihrem Denken und Fühlen verwoben wie der Wald da draußen, an dem sie mit ganzer Seele hing. Seit der Kindheit Tagen war das Forsthaus ihre Heimat ge wesen. Der Förster hatte sie wie eine Tochter behandelt, und die Försterin, nun sie hatte wohl eine harte strenge Art, ihre Liebe war schwer zu erringen, dennoch fühlte Trautel eine unbe grenzte Hochachtung und Verehrung für sie. Frau Hartmann hatte sie zur Frömmigkeit und Arbeit angehalten und ihre tüchtigen, häuslichen Kenntnisse auf Trautel übertragen. Die Trautel wußte nicht einmal so recht, wo sie herstammte. Der Förster hatte sie aus Mitleid über ihre Herkunft im unklaren ge lassen und ihr nur gesagt, daß ihr Vater ver unglückt sei. Bis vor kurzem hatte man sie als Familienmitglied behandelt. Bis vor kurzem. Ein schmerzlich bitteres Gefühl mischte sich in die Wiedersehensfreude. Seit kurzem war es anders geworden im Forst hause, ach so ganz anders. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend schallte der Kommandoton der Försterin durch das Haus, sie stritt und haderte um jede Kleinigkeit und behandelte Trautel geringschätzig, wie eine Magb. Wie eine Ausgestoßene kam sie sich vor, sremd war sic im Hause und Herzen der Försterfamilie geworden. Warum nur? Die Trautel sann und grübelte Tag und Nacht darüber nach und konnte die Lösung des Rätsels doch nicht finden. Die Trautel mit dem fragenden, unschuldigen Kinderblick in dem zarten, rosig angehauchten Angesicht war ein schönes Mädchen. Starke, nußbraune Zöpfe deckten ihren Kopf und fielen verschlungen bis über den Nacken herab. Zwei tiefe Grübchen in den Wangen gaben den weichen Zügen einen schelmischen Ausdruck, doch der Helle, klare Blick ihrer Augen war trübe und glanzlos geworden von heimlichen Tränen, und der rosige, frische Mund hatte das Lachen verlernt. Auch jetzt stand sie still und gedrückt am Fenster und schaute in den dämmernden Wald hinaus. . . . . Der Wald mit seinen Wundern und Ge heimnissen war ihr bester Freund seit jeher. Sie kannte ihn in all seinen Wandlungen, in duftigen Frühlings- und lichtschimmernden Sommertagen, im goldenen Herbste und in glitzernder, blendender Winterpracht. Sie kannte auch die Heilkraft seiner Pflanzen, mit Heinz hatte sie Beeren und Kräuter gesucht, mit Heinz war sie auf die Bäume nach Eichkätzchen ge klettert, mit ihm hatte sie im Winter das Wild gefüttert, wenn es von Kälte und Hunger getrieben bis an das Forsthaus ge kommen war, um dann Schutz und Ätzung zu finden. Wenn die Trautel in dunkler Abend stunde durch den Wald ging, blieb manchmal ein Reh furchtlos am Wege stehen oder ein Häslein machte ungescheut dicht vor ihr Männ chen, und oben aus dem Laubenhain schmetterten ihr die Vöglein ihre lustigen Weisen nach, denn Trautel stand mit den Tieren auf gutem Fuße. Und nun, was sollte aus ihr werden, wenn sie den Wanderstab ergreifen mußte. Wie ein banger Alpdruck lag es auf ihrer Seele. Von unten herauf hörte man die Stimme der Förste rin, die lebhaft auf ihren Gatten einsprach. Klar und deutlich vernahm Trautel ihre harten, lieblosen Worte und die beschwichtigenden Gegen reden des Försters, die jedoch auf die strenge Frau ohne jeden Einfluß blieben. Das junge Mädchen stand wie gelähmt vor Schmerz und Kummer. War das der Lohn für ihre Liebe und -Treue/ für ihre Verehrung und Anhänglichkeit? Wie von, einem Eindringling sprach man von ihr, von ihr .—. ein unsäglich trauriges Lächeln spielte mm ,ihre Lippen — deck Kinde des erschossenen Treibers. Sie sank auf die Knie. Ein verzweifeltes Schluchzen erschütterte ihren Körper, flehend hob sie die Hände zu dem Bilde des Heilands empor., „Mein Gott, keiner Schuld bin ich mir. bewußt, habe ich das verdient?" murmelte sie mit zuckenden Lippen, „niemals habe ich einen un rechten Gedanken gehabt, ein Freund, ein Bruder war mir Heinz, nicht mehr!" Leise und ungesehen verließ sie das Haus und schritt in der Abenddämmerung durch den stillen Wald der Fuchsmühle zu. Die Fuchsmühle lag unwirtlich von ver wilderten Hecken und Sträuchern halb verborgen,, am Ausgange des Waldes. Das ziemlich lang gestreckte Gebäude machte durch seine Vernach lässigung einen unheimlich düsteren Eindruck. Dichte Moosschichten bedeckten das altersbraune Dach, an dem der Zahn der Zeit bedenklich sichtbar wurde. Nur der lustig plätschernde Bach, der murmelnd und schwätzend vorbeifloß„ und die gackelnden, glucksenden Hühner und Tauben, die sich scharenweise im Hose umher trieben, milderten das finstere Gepräge. Der Fuchsmkller wurde weit und breit ge fürchtet und gehaßt. Manch einer ballte die Fäuste hinter ihm drein. Er galt für sehr reich und hatte diesen Reichtum durch Wucher und schlechte Handlungen noch zu vermehren gesucht^ dabei war er geizig bis zum Verhungern und-
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