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OerMHes und Sächsisches. Vtlendors-OkriUa, 5. Januar 1904. — Wetterkundige behaupten: Da bald nach dem „letzten Mondviertel" vom 9. Januar der absteigende Acquatorstand des Mondes statt finden wird, so dürfte demnächst und zwar spätestens zum 14. Januar für ganz Deutsch land weit verbreiteter, reichlicher Schneefall sich tinstellen. Warten ivirö abl — Auf den 25. Januar ist nach Leipzig ein allgemeiner deutscher Krankenkassenkongreß einbcrufen würden, auf dem die Stellung der Krankenkasten zu den Forderungen der Aerzte besprochen werden soll Dresden. In der Nacht zum Montag verstarb hier in seiner Wohnung ein 19jähriger Chorsänger und Schampicler, wahrscheinlich in Folge Vergiftung durch Opium- Der Ver storbene, der nachts an Hustenansällen litt, die er mit Opium zu stillen pflegte, hat vermutlich von diesem auö Versehen etwas zu viel zu sich genommen. Oberlößnitz. Dec praktische Arzt Dr. med. Aschke hier wurde vom Ehrenrate ^es ärztlichen Bezirksvereins Dresden-Land, weil er trotz des Verbots in einem Naturheilverein in der Lausitz einen Vortrag gehalten hatte, mit 600 Mark Geldstrafe und 20 Mark Kosten belegt. Bei der Entwich.lang der Natuihell- vereine bedürfe cs keines weiteren Beweises, daß ein Arzt sich nicht in ihren Dienst stellen kann, ohne seine Standesehre zu bcfl cken. Die Aerzte würden nicht wegen des Inhalts ihrer Vorträge bestraft, sondern weil sie dieselben vor Leuten gehalten haben, welche nicht würdig sind, mit Aerzten in Berührung zu kommen; eigent lich eine Unverschämtheit sonderügleichen, denn von diesen „Leuten" nehmen die Herren Aerzte doch ruhig auch Geld, wenn sie als „Patienten" kommen. Leipzig. Ganz im Gegensatz zu ver »freien Nacht", welche nach dem Fall der Polizeistunde jetzt hier herrscht, sollen die Mncvalsfreudcu eine solche Beschränkung er fahren, daß den Besitzern der großen Etablisse- mentS eine „Gänsehaut überläuft". Nur bis 8 Uhr nachts soll getanzt werden dürfen; auch die kleinen intimen „Separees" in den Lein- wandwlteN sind dahin, denn alles muß sich ostenttich abspstlen, d. h. solche Zelte sind ver- b°len. Der Leipziger wird also wenn er sich °"f einem Maskenfestc gründlich amüsieren will, Ottendorfer Zeitung. Die „Vttendorfcr Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich ; Mark. Durch die Post bezogen ;,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „öpiel und öport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag w Uhr. Inserate werden mit w Pf. für die Sxaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Taris. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Vr. 3. Frettag. den 8. Januar 1904. 3. Jahrgang. Bekanntmachung, die Anmeldung zur Milltärstammrolle betreffend. Die hier dauernd aufhältlichen Militärpflichtigen, und zwar: a) diejenigen, welche im Laufe dieses Kalenderjahres das 20. Lebensjahr vollenden, und d) die älteren Jahrgängen angehörigen Mannschaften, über welche eine endgültige Entscheidung bezüglich ihres Militär Verhältnisses durch die Ersatzbehöiden noch nicht erfolgt ist, werden in Gemäßheit von Z 56, 1 der Wehr-(Ersatz-)Ordnung hiermit aufgefordcrt, sich in der Zeit vom 15. Januar bis 1. Februar dieses Jahres an unterzeichneter Stelle zur K-ekrutirungsstammrvUe snsumeläen. Auswärts Geborene haben Geburtsschein, die älteren Mannschaften dagegen ihre LosungS- schnne bei der Anmeldung akzugeben. Auch haben gleichzeitig die Militärpflichtigen der älteren Jahrgänge seit ihrer früheren Anmeldung etwa eingetretene Veränderungen in Betreff ihres Wohnsitzes, Gewerbes oder Stand.S anzuzeigen. Von dem hiesigen Orte zeitig abwesende Militärpflichtige (auf der Reise begriffene Handlungsdiener, auf See befindliche Seeleute, in Straf- oder sonstigen Anstalten Unter gebrachte u. s. w.) sind von deren Ettern, Vormündern, Lehr- oder Arbeitsherren innerhalb äer gesetrten Hlnmeläungsfrist rur Stammrolle snrumelcken. Müuärpflichnge, welche nach Anmeldung zur Stammrolle im Laufe eines ihrer Militär pflichtjahre ihren dauernden Ausemhalt oder Wohnsitz noch einem ancieren Huskebungs- berirk ocler Mrsterungsbesirk »erlegen, haben dieses beim Abgänge der Behörde, wclcde sie in die Stammrolle ausgenommen hat, als auch nach der Ankunft an dem neuen Ort der die Stammrolle führenden Behörde daselbst spätestens innerhalb ckreier ^Osgen zu melden. Die Nichtbesolgung der in Vorstehendem enthaltenen Vorschriften wird mit Geldstrafe bis zu 30 Mark oder Haft bis zu drei Tagen bestraft. Ottenckors-fVlorit2ckork, am 5. Januar 1904. Der Gemeindevorstand. Linck e. nach eimr Kleinstadt pilgern müssen oder nach Halle! Dort hat man ein sehr sorgsames Auge dafür, daß der Nutzen eingeheimst wird, welchen man in Leipzig verjagt. Halle wird in einer halben Stunde erreicht und Tausende von Leipzigern werden es während der Karnevals saison aufsuchen. — Wegen gefährlicher Körperverletzung er folgte die Verhaftung eines 25 Jahre alten Marklhelfers aus Sackerau, Kreis Oppeln. Dieser geriet in der Sylvesternacht in der ver längerten UniveisilätSstraße mit einem 19jährigen Arbeiter in Streit und brachte diesem hierbei einen Messerstich in die Brust bei. Der Ver letzte mußte sofort ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. — Als ein rabiater Patron zeigte sich weiter ein 20 Jahre alter Schlosser aus Erfurt, der gleichfalls inhaftiert wurde. Der Mann woll e in nnem Logierhause in der Gerberstraße über- nachicn. Vorher kam er mit dem Wirt in Differenzen und verletzte diesen mittelst eines harten Gegenstandes erheblich, außerdem warf er die brennende Petroleumlampe nach ihm, was ebenfalls eine Verletzung verursachte. — Ein 33 Jahre alter Glasmacher aus Radeberg entwendete bei Gelegenheit des Bettelns in einem Restaurationslokal in der Brüderstraße einen Ueberzieher. Der Dieb wurde kurz darauf festgenommen. Zwickau. Dem durchgebrannten Spar kassenkassierer Colditz bei seiner Flucht wissentlich behilflich gewesen zu sein, kam seinerzeit der in Niederplanitz wohnhafte Arbeiter Ludwig in Verdacht und wurde einige Tage in Haft be- halicn. Da sich jedoch durch dessen Angaben glaubhaft machte, daß er keine Kenntnis von der Flucht gehabt hatte, wurde er wieder auf freien Fuß gesetzt. Kurze Zeit darauf ver schwand jedoch Ludwig, ließ seine Familie in Stich und i jemand wußte, wohin sich dieser gewendet hatte. Wie sich nun durch einen Briefwechsel, den ein Planitzer Einwohner mit seinem in Hamburg ein Restaurant besitzenden Bruder unterhalten hat, ergibt, ist Ludwig, wie berichtet wird, in Hamburg dort verkehrt, hat sich als Niederplanitzer zu erkennen gegeben, nach Amerika eingeschrfft und jetzt von Newyork aus geschrieben, von wo aus die Nachricht hierher gelangte. Ludwig hat seiner Zeit den flüchtigen Colditz auf die Bahn begleitet und d-fsen Reiseutensilien getragen- Rückblicke auf das Jahr 1903. In dem Guckkasten des abgelaufenen Jahres haben sich die Bilder in schneller Folge ge drängt und wenn man heule Rückblick hält, gewahrt man erst, wie viel des Interessanten, die allgemeine Aufmerksamkeit Fesselnden ein einziges Jahr bringt. In den ersten Tagen des Januar machte der unerwartete Rücktritt des deutschen Bot schafters in Washington v. Hollcben Aufsehen, mehr aber noch, daß Herr Speck v. Sternburg, der nicht „vom Fach" ist, sein Nachfolger wurde. Mitte des Monats stattete der deutsche Kron prinz dem Petersburger Hofe einen Besuch ab. Im Reichstage verbot am 21. Januar Präsident Ballestrem dem Abg. v. Vollmar über den Fall Krupp zu reden und da der Präsident darin auf den Widerspruch einer großen Mehrheit stieß, legte er sein Amt nieder, wurde aber wiedergewählt. Vom 21- bis 23. Januar be schossen deutsche Schiffe das venezolanische Fort San Carlos, was in der Union sehr böses Blut erregte. In Holland brachte ein großer Aus stand zu Ende des Monats die Eisenbahnen zwei Tage hindurch zum Stillstand. Der Februar krackte die Ehescheidung in Dresden wegen Giron (11.). Am 14. ge langten die Venezuela-Wirren, durch Abschluß des Washingtoner Protokolls zu vorläufigem Abschluß. Am 17. wurde der aus Berlin flüchtig gewordene Nardenkotter wegen unglaub licher Massenkurpfuschereien zu drei Jahr Ge fängnis verurteilt. Am 18. trat der baynsche Ministerpräsident Crailsheim zurück, was zu vielfachen und weitgehenden Parlaments- und Preßerörterungen den Anlaß bot. Fast zu gleicher Zeit wurde die öffentliche Aufmerksam keit durch das Schreiben des Kaisers über „Babel und Bibel" gefesselt. Am 2. März gab es im preußischen Ab- geordnetenhause einen kleinen Kulturkampf, in dem Graf Bülow gegen den Schulerlaß des Bischoss Korum-Trier auftrat; der Ausgang ist bekannt. Am 8. wurde die Stiftsoberin Klara Häusler in München wegen Giflmord- versuchs zu 6 Jahr Zuchthaus verurteilt. Gegen Ende des Monats erschoß sich der aus dem Burenkriege bekannte englische General Mac Donald in Paris; gegen ihn lag Anklage wegen schwerer Sittlichkeitsvergehen vor. Der achttägige Prozeß gegen das Blumenmedium Anna Rothe endete am 28. mit ihrer Ver urteilung zu anderthalb Jahr Gefängnis. Am letzten Tage des Monats wurde in Mitrowitza der russische Konsul Schtscherbina erschossen, durch welchen Vorfall die mazedonischen Wirren eingeleitet wurden. Zum 85. Geburtstag des Königs Christian von Dänemark reiste am 1. April Kaiser Wilhelm nack Kopenhagen und stattete persön lich seine Glückwünsche ab- Am 14. stach der Fähnrich Hüssener in Essen seinen Schulkameraden einen Artilleristen, auf offener Straße nieder. Am 21. nahm der Reichstag das „Klosett- Gesetz" an. Am 2. Mai traf Kaiser Wilhelm in Rom ein und stattete auch dem Papst unter Ent faltung großen Prunkes einen Besuch ab. Am 4. schenkte die ehemalige Kronprinzessin von Sachsen in Konstanz einem Töchterchen das Leben. Am 15. trat der Kriegsminister von Goßler einen „Urlaub" an, um nicht mehr in sein Amt zurückzukehren. Zu gleicher Zeit trat der Erbgroßherzog von Meiningen von dem Kommando seines scklesisch n Armeekorps zurück, angeblich weil sein Erlaß gegen die Soldaten mißhandlungen an hoher Stelle Anstoß erregt hatte. Gleich im Anfänge des Juli erregte der Tod eines in Berlin studierenden ungarischen Arztes an der Pest allgemeine Bestürzung. Die große Sensation bildete Mitte des Monats die Er mordung König Alex .nders und Dragas (11.), wogegen das sechs Tage später erfolgte Atten tat eines Irrsinnigen auf Kaiser Franz Joseph, weil es ohne Folgen blieb, schnell vergessen wurde, das Interesse sich auch scharf auf die Reichstagswahlen konzentrierte, die am 16. Juni (die Nachwahlen 10 Tage später) statt fanden und den Sozialisten einen Zuwachs von zwei Dutzend -Mandaten brachten. Am 20. wohnte Kaiser Wilhelm der Enthüllung eines Denkmals für seinen Großvater in Hamburg bei, das aber keine Inschrift trägt, weil die Hamburger Bürgerschaft sich der Be zeichnung „Kaiser Wilhelm der Große" wider setzt hatte. Am 26. Juni traf ein kleines amerikanisches Geschwader zu einem Besucht in Kiel ein. Am 6. Juli stattete Loubet in England seinen Gegen-Besuch ab. Vom selben Tage ab datierten auch die ersten Meldungen über die Erkrankung des Papstes Leo, der nach vierzehntägigem Todeskampfe am 20. Juli erlag. Die Zeitungen hatten nun für längere Zeit genug Stoff und zehrten davon bis Ende des Monats, als der 26 jährige Gold mann Vanderbilt in Danzig auf kaiser lichen Wunsch mit höchsten Ehren empfangen wurde. In der Hochsommerperiode kam am 8. August aus Rcichenhall die Kunde vom Hinscheidcn des Burenoberst Schiel. Im selben Monat wurde auch, ihm selber ganz unerwartet, der Reichsschatzamtssekretär von Thielmann durch den bayrischen Frhr. von Stengel ersetzt. In Paris endete der Humbert-Schwindel am 22. August durch Verurteilung der ehrenwerten Familie zu langjährigen Zuchthausstrafen; ihr schweres Geheimnis hat die „große Therese" mit in die Gefängnismauern genommen. Am 25. August kamen beim Brande eines Waren hauses in Budapest dreißig Personen umS Leben. Der große Parteitag der Sozialdemokraten in Dresden (13. September), den man zu einem großen Siegesfeste zu gestalten gedachte, wurde zu einem Schlachtefest. Unetwegte und Revisionisten schlachteten zum Gaudium ihrer Gegner einander ab. Der 8. Oktober war als Termin bestimmt worden, an dem die Russen die Mandschurei zu räumen hätten. Aber hat man in Peters burg die Sache vergessen oder wer trug sonst Schuld daran: die Russen blieben und sind heute noch dort, worüber sich Japan so er bost, daß cs ins neue Jahr die Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit eines kriegerischen Zu sammenstoßes hineinträgt. Der „Kaiser- Jnsel-Prozeß" vermittelte für zwei Redakteure des „Vorwärts" am 16. Oktober harte Ge fängnisstrafen. Am 1. November starb Mommsen. Am 4. wurde die Welt um einen Staat reicher, indem sich Panama für unabhängig von Kolumbien erklärte. Am 7. November unter zog sich Kaiser Wilhelm einer Halsoperation, die glücklich verlief, ihn aber aber 4 Wochen lang am öffentlichen Sprechen hinderte. Der Kindesunterschiebungsprozeß Kwilecki endete am 25. November nach 20tägiger spannender Verhandlung mit Freisprechung der An geklagten. Der Dezember wurde von den Berichten über die Spannung zwischen Rußland und Japan vollbesetzt. Am 8- fuhr Kaiser Wilhelm zur Jagd nach der Göhrde und bald darauf hielt er seine Rede in Hannover, über deren eine Wendung die Engländer sich heute noch nicht beruhigen können. Die Weihnachtsfeiertage brachten eine Reihe von Todesmeldungen be rühmter Personen, unter denen Schäffle und Zanardelli obenanstehen. Ein blutrotes Fanal aber flammte himmelhoch am Jahresschlüsse auf: in Chicago fanden bei einem Theater brande in wenigen Minuten 700 Menschen, meist Frauen und Kinder einen äußerst schreck lichen Tod!