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politische Kunäsedau. Ter Herero-Aufstand. * Die Dinge in S üd w e st a fri k a stehen schlimm. Techow, der Oberbefehlshaber, telegraphiert von den Bedrängnissen der inneren Stationen, von den Regengüssen, die die Bahn unbrauchbar machen, von dem Vordringen der Hererohaufen gegen Windhoek, von mißlungenen Patrouillen-Aufklärungen und gibt eine Liste von gefallenen und ermordeten Weißen. * Em Telegramm des Kommandanten des „Habicht" aus Swalopmund besagt, daß dort ein Bote aus Okahandja, welchen Ort er am 20. d. verlassen hatte, eingetroffen ist mit der Meldung, daß die Expedition des Ober leutnants v. Zülow in Okahandja an gekommen und daß der Ort vorläufig u n - einnehmbar befestigt sei. Von Okastse ab sei die Vahn gänzlich zerstört. Fort während finde ein starker Zuzug von Hereros nach Okahandja statt. Die Lage sei aber vor läufig befriedigend. * Für die in S üd w est a f rik a kämpfenden Truppen und Ansiedler ist eine Hilfsaktion in die Wege geleitet worden. Die vorläufigen Aufrufe und Sammlungen gehen vom kaiserlichen Kommissar und Militärinspekwr und von den Kolonialgesellschaften aus. In einer Vorstandsfitzung der Deutschen Kolonial gesellschaft wurde von den anwesenden Mit gliedern ein Beitrag von 1400 Mk. aufge bracht. * * Der russisch-japanische Konflikt. * Über die Lage in Korea liegen fol gende Nachrichten vor. Nach der Londoner Morning-Post' find 12 000 Japaner in Masampho gelandet. Der Gesandte der Vereinigten Staaten in Söul telegraphierte dem Staatsdepartement in Washington, in Korea drohten starke Unruhen: die Japaner seien an vielen Plätzen angegriffen worden. Man befürchtet in Washington, daß Japan die Unruhen an der japanischen Eisenbahn an zettele, um einen Grund zu haben, die Bahn linie mit starker Truppenmacht zu besetzen. *Korea hat nach einer,Reuter'-Meldung aus Söul erklärt, im Falle eines Krieges Neutralität zu beobachten. * Zwischen Japan und China ist nach der,Daily Mail' ein vollständiges Ab kommen zustande gekommen. Für den Fall eines Krieges sollen 50000 Mann gutbewaffneter chinesischer Truppen dienstbereit sein. Deutschland. * Kaiser Wilhelm befahl die sofortige Entsendung des Kreuzers „Prinz Heinrich" nach der in der Nacht zum 23. d. fast vollständig niederbebrannten norwegischen Stadt Aalesund, die der Monarch von seinen Nordlandsfahrten her kennt. Ebenso ersuchte der Kaiser den Direktor der Hamburg-Amerika-Linie, Ballin, ein Komitee zu bilden, das die Hilfsaktion für die Bewohner der niedergeörannten Stadt in die Wege leiten soll. — An den deut schen Generalkonsul in Chrisüania richtete der Kaiser ein Telegramm, in dem er seine Teil nahme an dem furchtbaren Unglück, das Aale sund betroffen hat, ausdrückt. (Siehe auch unter „Von Nah und Fern".) *Kaiser Wilhelm hat zur Hilfs aktion für Aalesund 10000 Mk. aus seiner Privatschatulle gegeben. *Herzog Friedrich von Anhalt ist am Montag früh in Ballenstedt gestorben. Herzog Leopold Friedrich hat ein Alter von 73 Jahren erreicht. Er folgte im Mai 1871 seinem Vaier in der Regierung. Seit 1854 war er vermählt mit Prinzessin Antoinette von Sachsen-Altenburg. Er hinterläßt außer der Witwe drei Söhne und zwei Töchter. Der älteste Sohn Leopold starb im Jahre 1886. Dieser Hal keinen Sohn, nur eine Tochter hinterlassen. Die Regierung in Anhalt mit jetzt an der zweite Sohn Leopold Fried rich, geboren am 19. August 1856. Er ist seil 1889 vermählt mu einer Nichte des Grob- Herzog Friedrich von Anhalt ch. Lage, diese Nachricht als unrichtig bezeichnen zu können. Eine Entschließung darüber, in welcher Weise im laufenden Jahre der Kredit für den Haushalt der Reichskasse in Anspruch zu nehmen wäre, konnte bisher um so weniger schon gefaßt werden, als bis jetzt weder der zu beschaffende Betrag, noch der Zeitpunkt feststeht, zu welchem für das Reich Mittel und Wege des Kredits flüssig zu machen sein werden. *Das Befinden des Land- und Reichstagsabge ordneten b. Vollmar, der sich bekanntlich zu seiner Erholung im Süden befindet, gibt seinen Freunden zu der Befürchtung Anlaß, daß der Führer der bayrischen Sozialdemokratie nicht mehr auf den Schauplatz seiner Tätigkeit zurückkehrcn wird. Die Lähmungen machen trotz aller ärztlichen Kunst be sorgniserregende Fortschritte. Österreich-Ungarn. *Jn Ungarn beabsichtigt die Regierung, die Politik des passivenWiderstandes gegen die Obstruktion fallen zu lassen und durch entschiedene Maßregeln im Abgeordnetenhaus die Abstimmung über die Rekrutenvorlage durchzusetzen. Ministerpräsident Tisza erklärte, sofort nach Beendigung der Delegation vom Kaiser die Bewilligung zur Auflösung des Parlaments einzuholen. . Ruhland. * Gegen den Gouverneur von Russisch-Polen, Baron Korff, wurde, als er in der Nacht zum Freitag in einem offenen Wagen nach Lomscha zurückkehrte, ein An schlag verübt. Ein Unbekannter feuerte drei Schüsse ab, wobei eine Kugel die Mütze des Gouverneurs durchschlug, ohne letzterem selbst Schaden zuzufügen. Der Täter ist entkommen. Balkanstaaten. * Die griechische Regierung hat in dem Budget von 1904 einen Kredit zum An kauf von 120 000 Repetiergewehren und zahlreicher Batterien vorgesehen. Amerika. * Die Ver. Staaten haben Moralis als Präsidenten von Santo Domingo anerkannt. Herzogs von Baden. Diese He ist bisher kinderlos geblieben. Aber der im Alter dem neuen Herzog folgende Bruder Eduard, der vermählt ist mit einer Prinzessin von Alten burg, hat eine Tochter und zwei Söhne, von denen der älteste Joachim Ernst drei Jahre alt ist. * Die Handelsvertragsverhand lungen zwischen Deutschland und Belgien werden im Februar in Brüssel statt finden. Die Vorbesprechungen, die schon statt fanden, waren nicht unbefriedigend. *Jn den letzten Tagen ist durch die Presse die Nachricht verbreitet, daß das Reichsschatzamt entschlossen sei, in diesem Jahre auf die übliche Begebung einer neuen Reichsanleihe zu verzichten und statt dessen Schatzscheine auszugeben. Die ,Nordd. Allg. Ztg.' ist in der * Die Regiemng von Uruguay hat Nach richten erhalten, nach denen General Muniz dem Führer der Aufständischen Saraioa in der Nähe der brasilianischen Grenze eine neueNieder- lage beigebracht hätte. Die Aufständischen hätten schwere Verluste erlitten. VeMlcber Keickstag. Am 25. d. steht auf der Tagesordnung die zweite Beratung desReichshaushalts mit dem E t a t des Reichstages selbst. Dazu haben die Na tionalliberalen eine Resolution eingebracht, die für die Mitglieder des Reichstages Anwesenheit s- gelber in Höhe von 20 Mk. für den Tag, sowie Gewährung von Eisenbahnfreikarten fordert. Abg. Paasche (nat.-lib.) weist auf die zahl reichen Gründe hin, die für die Gewährung von Diäten sprechen, und bedauert, daß der Bundesrat sich dem Verlangen der Volksvertretung widersetze. Abg. Gröber (Ztr.) stimmt dem Vorredner bei. Abg. Pfannkuch (soz.) macht den bürgerlichen Parteien den Vorwurf mangelnder Energie. Abg. Gamp streik.) hält die Tagegelder für wünschenswert, aber nicht für erforderlich. Abg. Wolff (wirtsch. Vgg.) stimmt diesem Wunsche zu und spricht sich für Diäten mit Rücksicht auf die Süddeutschen aus. Abg. v. Normann (kons.) erklärt sich gegen die Tagegelder, aber für Erweiterung der Eisenbahn freikarten. Abg. Schrader (frs. Vgg.) weift darauf hin, daß die gegen die Sozialdemokratie gerichtete Diäten- losigkeit ihren Zweck verfehlt habe. Nach weiteren Bemerkungen der Abgg. Müller- Meiningen (sreis. Vp.) und Südekum (soz.) nimmt Staatssekretär Graf Posadowskh den Bun desrat in Schutz. Auf das Für und Wider der Diätenfragc wolle er sich nicht einlassen, dafür sei im Bundesrat keine Mehrheit zu erhalten, verspricht aber möglichstes Entgegenkommen bei der Gewährung von Freikarten. Es traten noch die Abgg. Spahn (Zentr.), Gothein (ft. Vgg.), Patzig (nat.-lib.), David (soz.), Werner (Antis.) und Arendt (freikons.), letzterer im Gegensätze zu seinem Parteifreunde Gamp für die Anwesenheitsgelder ein. Letzterer will gleich zeitig das Recht der einzelnen Abgeordneten be seitigen, die Beschlußfähigkeit des Hauses anzu zweifeln. Darauf wird der Etat des Reichstages mit der Resolution Sattler ohne weitere Diskussion ange- nommc n. Es folgt der Etat des Reich Samtes des Innern. Bei Titel 1 „Staatssekretär" soll sich auf Vorschlag des Präsidenten die Generaldebatte aus alle Fragen erstrecken, die in den zahlreich vor liegenden Resolutionen nicht berührt werden. Nachher sollen diese Resolutionen in Gruppen bereinigt zur Debatte gestellt werden. Abg. Trimborn (Ztr.): Die Ergebnisse der sozialen Gesetzgebung zeigen, daß wir in dieser Be ziehung an der Spitze der ganzen Welt stehen. Be dauerlich sind die Streitigkeiten zwischen Ärzten und Krankenkassen. Hier wäre wohl dis gesetzliche Ein führung der freien Arztewahl das beste. Auf dem Gebiete der Bekämpfung von Berufskrankheiten und der Einschränkung gesundheitsschädlicher Betriebe müßte die Regierung energischer vorgehen. Auf dem Gebiete des tKoalitionsrcchtes seien im letzten Jahre gar keine Fortschritte gemacht worden. Auch die Forderung des Zehnstundentages dürfe nicht länger abgelehnt werden. Wenn wir den Zehnstundentag für Arbeiterinnen hätten, würden wir den Streik in Krimmitschau nicht gehabt haben. Redner tritt für Ausdehnung der Krankenversicherung für die Heimarbeiter, sowie für die Verschmelzung der drei großen Versicherungsgesetzc zu einer einheit lichen Organisation ein. Staatssekretär Graf Posadowsky: Die Frage der Ausdehnung der Krankenversicherung auf die Heimarbeiter wird geregelt werden bei der all gemeinen Revision der Krankenversicherung. Hoffent lich wird in der nächsten Session eine solche Vorlage dem Reichstage vorgelegt werden können. Wenn man die drei großen Versicherungen zu einer Organisation zusammenfassen will, so ist es notwendig, daß man eine selbständige amtliche Organisation schafft. Wann das geschehen kann, läßt sich zurzeit nicht übersetzen., Mit der Enquete über die Handwerkerorganisation, die große Kosten verursacht, müssen wir noch ein Jahr warten, bis wir besseres Material bekommen werden. Was den Arbeiterschutz der Hausindustrie betrifft, so wird ein Entwurf über den Arbeiterschutz auf dem Gebiete der Zigarrenproduktion dem Bundesrat in nächster Zeit zugehen. Abg. Fischer (soz.): wirft dem Zentrum vor, daß es gegen die sozialpolitischen Anträge gestimmt habe. Der Reichskanzler bat gesagt, die Arbeiter klasse würde mehr erreichen, wenn sie nicht anti- monarchisch märe. Wenn der Herr Staatssekretär und der Herr Reichskanzler diese Überzeugung haben,, dann darf man die Gegenfrage an sie rickten: wie ist es denn gekommen, daß die deutsche Arbeiterklasse fo wenig monarchisch gesinnt ist? Seit Jahrzehnten haben die Staatsverwaltung die Gerichte, die Polizei den Arbeitern den letzten Rest der monarchischen Gesinnung genommen. Vom ersten Augenblick an, wo die Arbeiter sich zur Wahrnehmung ihrer wirt schaftlichen Interessen organisiert haben, wurden sie als Staatsfeinde behandelt, während die Unter-, nehmer, als sie sich organisierten, ihre Interessen wahrzunehmen, nicht nur geduldet, sondern als Staatsstützen behandelt wurden, und wer sich gegen ihre Privatinteressen erhob, der erhob sich gegen das allgemeine Staarswohl, gegen die Gesellschaftsord nung. Man hat das Sozialistengesetz geschaffen, man hat die Taten eines verlumpten Idioten und eines erblich belasteten Geisteskranken dazu benutzt, die deutschen Arbeiter zu knebeln. Staatssekretär Graf Posadowsky weist gegen über verschiedenen Angriffen des Vorredners darauf hin, daß sich die Lage der Arbeiter seit dem Erlaß der sozialpolitischen Gesetze gehoben hat. Kein ver ständiger Mensch werde es den Arbeitern verdenken, sich zu organisieren, um bessere Arbeitsbedingungen zu erreichen. Wenn die Sozialdemokratie antimon archisch gesinnt sei, so sei sie konsequent, weil sie die Macht des Proletariats anstrebe. Eine dauernde Herr schaft des Proletariats sei unmöglich und in der Geschichte bisher auch ohne Beispiel. Sächs. Bundesratsbevollmächtigter Dr. Fischer behält sich eine ausführliche Entgegnung auf die Angriffe Fischers für die Beratung der Resolutionen über den Maximalarbeitstag vor. Darauf vertagt sich das Haus. Hrrutzifchrr Landtag. Im Abgeordnetenhause begann am 23. d. die erste Lesung des Etats. Abg. Richter (fr. Vp.) be gann mit einer Kritik der preußischen Verhältnisse und kam schließlich auf die Kanalvorlage zu sprechen. Er warf der Regierung eine widerspruchsvolle Hal tung in der Kanalpolitik vor. Minister-Präsident Graf Bülow wies diesen Vorwurf Richters zurück. Die Regierung stehe grundsätzlich noch auf dem Standpunkte, daß die Verbindung des Rheins mit der Elbe eine für das gesamte wirtschaftliche Leben sehr nützliche Verbesserung des Verkehrs sein würde. Ader demgegenüber könnte er sich der Tatsache nicht verschließen, daß an der Oder und im Gebiete der Oder schwere Hochwasser-Katastrophen cingetreteir seien, die die unverzügliche Durchführung der ge planten Regulierungen sowie der Maßregeln zur Verhütung der Wiederkehr von solchen Katastrophen erheischen. Die dringlichsten aller wasserwirtschaft lichen Maßnahmen müßten daher in erster Linie be rücksichtigt werden. Ferner nahm der Ministerpräsi dent die Politik zum Schutze des Deutschtums in Schutz und erklärte, daß, wenn die erstrebten.Gesetze die gewünschte Wirkung nicht ausüben sollten, man sie durch stärkere Maßnahmen ersetzen müsse. Kultus minister Studt motivierte die Verzögerung der Vor lage betr. das Schuldotationsgesetz, welche Vorlage er für die nächste Session in Aussicht stellte. Am Montag setzte das Abgeordnetenhaus die Generaldebatte über den Etat fort. Abg. v. Zedlitz (freikons.) forderte den rascheren Ausbau der Neben bahnen, die Ermäßigung der Gütertarife, Revision des Einkommensteuergesetzes und Änderung der Wahlkreiseinteilung. Minister Frh. v. Hammerstein bemerkte, die Regierung werde, Wern alle Erfah rungen von den letzten Wahlen vorliegeu, sich über eine Änderung des Wahlverfahrens schlüssig, machen. Ferner erklärte der Minister, daß das Schcrlsche Sparsystem sorgfältig geprüft worden sei; der Plan sei aber zur Zeit, nach dem Ausscheiden des Herrn Scherl, vollständig aufgcgeben worden. Minister für Landwirtschaft v. Podbielski trat den Angriffen errtgegen, welche gegen seine Pläne auf Hebung der heimischen Pferdezucht von liberaler Seite gerichtet worden waren. Schließlich kam es noch zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Abg. v. Jazd- zewski und dem Minister v. Hammerstein über die Polenpolitik. Von Mb unä fern. Zum Schutz der Schulkinder gegen Erkaltungen hat die Negierung in Düsseldorf bei den Gemeinden die Einführung einer emp fehlenswerten gesundheitlichen Maßregel an geregt. Danach sollen in den Volksschulen auf Gemeindekosten einsache Stoff- oder Holzschuhe bereit gehalten werden, die solchen Kindern^zur Verfügung stehen, die mit durchnäßter Fuß bekleidung ankommen. Ein zweites, trockenes Paar Strümpfe müssen dje Kinder selbst mit- vringen, und die Ellern werden diese gern her geben, wenn sie wissen, daß die Kinder ihre nassen L>chuhe ablegen und durch trockene er setzen können. Hü k)erta falk. 22 s Roman von Theodor Almar. (Fortsetzung.) „Betrogen und verraten also von einer Heiligen! Verruchte Heuchlerin, zum ab schreckenden Beispiel für jeden in himmlisches Gewand verkleideten weiblichen Teufel, der wie du mit der Seligkeit eines Mannes spielt, nimm dies!" Bei diesen in heiserm Ton hervorgebrachten Worlen fuhr Werdens rechte Hand nach der Brust lasche, es fiel ein Schuß und Herta Falk sank blutüberströmt lautlos zu Boden. „Mörder!" schrie Rosen, indem er hilfs bereit auf die fallende Frau zustürzte, welche er in seinen Armen hielt, während die andern sich Werdens zu bemächtigen suchten. Dieser er wehrte sich indessen ihrer mit übermenschlicher Kraft und verzerrten Zügen. Es fiel ein zweiter Schuß, und er taumelte; Millner fing ihn auf, allein schon atmete er nicht mehr — sein Haupt war zerschmettert. — — — Noch an demselben Abend bemächtigte sich in Zesen die Hand der Gerechtigkeit der alten Ulrike und ihres kranken Bruders. Der letztere, schon sehr schwach, lebte nur noch wenige Tage; er gestand alles, was er von der Sache wußte. Nicht so Ulrike; fie bekannte nichts und als man fie am andern Morgen vor Werdens Leiche sührte, starrte fie lange mit wirren Blicken dem geliebten Herrn in das durch die Wunde entstellte Gesicht, dann war es ihr, als müsse sie ersticken, fie fuhr mit den Händen nach Kops und Herz, und wie vom Schlage getroffen, stürzte sie an der Leiche nieder. Nach geraumer Zeit erwachte fie wieder — als eine Irrsinnige. * * 4- Und Falk? — Wie ein Lauffeuer ging es durch die Stadt, daß der Doktor unschuldig verurteilt worden sei, daß der wahre Schuldige, dieser feine Herr von Werden, sich erschossen habe und seine Mitschuldige, die alte Ulrike, festgenommen und vor Schmerz über ihren ge liebten Herrn wahnsinnig geworden sei. Durch den Justizrat Görner vom Tat sächlichen unterrichtet, begab sich am Morgen nach Werdens Selbstmord der Gesängnisdirektor in aller Frühe persönlich nach der Zelle Doktor Falks, um dem so hart geprüften Manne die glückliche Wendung in seinem Geschick zu ver künden. Er erzählte ihm in den Hauptzügen das Vorgefallene. Damit indessen all' die erschütternden Neuigkeiten nicht mit eins auf den Leidenden einstürmen möchten, verschwieg er in rücksichtsvollem Zartgefühl den traurigen Umstand, daß Frau Falk durch Werden lebens gefährlich verwundet worden. Er beschränkte seine Mitteilungen auf die erfreulichen Tat sachen, welche eine baldige Rehabilitation nach sich ziehen muß und daß ein auf die Vorgänge letzter Nacht begründetes Gesuch um vorläufige Ausderhaftentlasiung unter besonderer Betonung des leidenden Zustandes des Gefangenen, bereits an die oberste Justizbehörde nach Berlin ab gegangen sei. Der Direktor schloß seine Dar legungen mit den Worten: „Und bis die Bewilligung des Gerichts um Ihre Beurlaubung, die unter bewandten Um ¬ ständen Ihnen nicht versagt werden kann, ein trifft, sind Sie mein Gast." Doktor Falk brachte im ersten Augenblick vor innerer glücklicher Erregung kaum ein paar Worte des Dankes über die Lippen und ließ sich, die plötzliche Wendung seines Geschickes nur erst halb fassend, nach dem Zimmer geleiten, welches in der Amtswohnung des Direktors ihm von nun an zur Disposition gestellt wurde. Im Laufe dieses Vormittags empfing Doktor Falk noch den Besuch des Assessors von Rosen und anderer Freunde, denen er schon mit mehr Fassung entgegentrat. Rosen die Rechte zum Gruß reichend, legte er ihm den linken Arm um den Nacken, und treuen Blickes ihm in die Augen schauend, brach er in die aus tiefster Empfindung quellenden Worte aus: „Mein edler, wahrhafter Freund I wie werde ich Ihnen je erkenntlich sein können für das, was Sie für mich getan haben?" „Wenn ich Anspruch auf Dank habe, Doktor, so wird der Augenblick, in welchem der Mund des Richters aller Welt laut Ihre Unschuld verkündet, mich reichlich belohnen," sagte Rosen frohbewegt. „Allein, nicht mir, sondern Ihrer bewundernswürdigen Gattin gebührt der Haupt anteil an der Entlarvung Ihres Todfeindes Werden." „Werden mein Todfeind? — Weshalb? Was habe ich ihm je getan, daß er mich hassen könnte ? Kaun ich mich seiner doch kaum erinnern." „Nicht ich fühle mich berufen, Sie darüber auszuklären, das wird am besten durch den Mund Ihrer Gyttin geschehen und das hoffent lich bald," sagte Rosen etwas gedehnt und ernst,, den Doktor wehmütigen Blickes betrachtend. „Meine Frau — sie' will doch nicht etwa hierher kommen, ins Gefängnis? Bitte, halten Sie sie davon zurück. So sehr ich mich nach ihrem Anblick sehne, will ich mich doch noch gern gedulden; sie soll mich so nicht sehen, nicht hier, ihr Fuß soll die Schwelle dieses Hauses nie betreten!" Rosen versicherte Falk, daß er in dieser Hinsicht beruhigt sein könne und gab dem Ge spräche absichtlich eine andere Wendung. Er lenkte deS leidenden Freundes Gedanken auf hoffnungsfrohe Gedanken der Zukunft, sagte ihm, daß in kürzester Frist die seine Rehabili tation bezweckende Gerichtsverhandlung angesetzt werden würde und daß es ihm ein außerordent liches Vergnügen gewähre, an der Ausarbei tung der Akten hierfür tätigen Anteil nehmen zu können. In den nächstfolgenden Tagen empfing Falk die Besuche seiner besten Freunde, bis endlich auch der Staatsanwalt in eigener Person und freudestrahlendem Antlitz bei ihm eintrat, das auf unbestimmte Zeit lautende, vom Justiz minister unterzeichnete Beurlaubungsschreiben in Händen haltend. Vom Eintreffen dieses Schreibens durch Justizrat Görner unterrichtet, fuhren fast gleich zeitig mit dem Staatsanwalt der Baurat Millner und Assessor von Rosen an der Pforte des finsternen Hauses vor, um ihren erlösten Freund abzuholen und ihn seiner Familie wiederzu geben.