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Wt ^V//7S/7 a-s^/s^, Fs-»" §F^ 16. Fortsetzung. Hastig wandte er sich an Tom Gilligan: „Sie haben mir einen großen Dienst erwiesen. Die Dame ist voll- tommen normal und wird wirklich nur von unlauteren Elementen festgehalten...." Der Mann nickte. „Wollen Sie mit hinauskommen? Nach Fulham?" „Selbstverständlich. Die Dame mutz noch heute be freit werben!" „Aber Sie machen mir bestimmt keine Unannehm lichkeiten, Herr Doktor?" „Wenn sich alles so verhält, wie Sie erzählt haben, liegt dazu keine Veranlassung vor..." Hastig trat er zum Apparat und verlangte die 12. Station. „Inspektor Joul, bitte," rief er, als sich bis Station meldete. Aber der Inspektor war nicht da. Pieperston hatte wieder den Dienst übernommen. Joul selbst war dienst lich unterwegs. Mit einem Aufgebot von zwölf Mann war er vor einiger Zeit irgendwohin gerufen worden.... Dryp zerstreute schnell des Arztes Bedenken. „Was gibt es da zu überlegen?" rief er. „Sie. ich, dieser Sir hier und noch vielleicht Osborne... vier Mann! Genügt das vielleicht nicht, eine Dame aus einem Hause herauszuholen, in dem sich kein Mensch wei ter befindet?" Als Osborne wirklich im gleichen Augenblick von seinen Patientenbesuchen zurückkam und sofort Feuer und Flamme war, als er hörte, um was es ging, war Mur chison einverstanden. „Los also!" nickte er. Während Murchison aus dem Nebenzimmer eine .Fünfpfundnote holte, über deren Empfang Tom Gilli- lgan mit breitem Grinsen quittierte, nahm Osborne schnell ein paar Bissen zu sich. Peter Dryp war allerbester Laune, stand abseits und spitzte über dem Papierkorb den Bleistift. „Sehen Sie," meinte er, „das Schicksal meint es gut mit mir... es tut sich endlich wieder was...." Dann verliehen sie das Haus, benutzten von der Zentralstation den Vorortzug und kamen noch vor Mitter nacht in Fulham an. Tom Gilligan übernahm die Führung. Fulham glich einem Dorf, aber keinem Londoner Vorort. Erst unlängst waren die zwanzig, dreitzig Häu ser des Nestes in den Stadtbezirk eingemeindet worden. Niedrige, breitbrüstige Häuser waren es, an denen sie vorbeischritten. Die ganze Ortschaft bestand aus einer sogenannten Hauptstraße, an der rechts und links die Bauten aufgeführt waren. Dis Stratze war ein Kapitel für sich. In der unsicheren Mondbeleuchtung war das Gehen nichts als ein einziges Stolpern. Hin und wieder patschte Dryp in eine Pfütze hinein. Steine, grotze und kleine, lagen wild verstreut umher und machten das Vorwärts schreiten in der Dunkelheit zur Qual. Hinter den Fenstern der Häuser schlief alles. Kein einzige: Lichtschein war sichtbar. Eine Feststellung, dir Dryp zu allerlei, halblaut geflüsterten Redensarten, wie „Moralische Landbevölkerung"... „Solide Menschen"... „Verächter der Nachtlokale" herausforderte. Seine gute Laune teilte sich aber nicht den anderen mit. Sowohl Osborne wie Murchison schritten stumm hinter Tom Gilligan her und hingen ihren eigenen Gedan ken nach. Besonders Murchison zermürbte sich den Kopf, wo hin, in welche Rubrik er diesen neu aufgetauchten Mr. Moro sortieren sollte.... War dieser Mann wirklich eine neue Figur in dem Wirrwarr der Ereignisse, oder verbarg sich hinter ihm ein alter Bekannter... etwa der Chloroformheld... oder der mysteriöse Mann mit der Reisetasche... oder der Mann, der aus dem Cab sprang oder.... ja, oder ganz und gar — Evan Ho ward? Vorläufig fand er keinen Zusammenhang, so sehr er sich auch abmühte. Nur das eine fühlte er: Datz die Entführung der geheimnisvollen Ellis unbedingt in einem Sonderverhältnis zu dem Falle Cornish stehen mutzte. , - Ellis Witnay! Freilich — diesen Namen kannte er seit mehr als zwanzig Jahren. Ellis Witnay war die Tochter des Professors Roger Witnay, der die medizinische Wissenschaft vor vielen Jah ren um wertvolle Neuerungen bereichert hatte.... ein alter Herr, der heute mindestens sechzig Jahre zählen mutzte.... Ellis mochte ungefähr vierundzwanzig sein... Auf sie war er nicht verfallen, als er sich seinerzeit das Hirn zergrübelte, wer hinter dem rätselhaften „E. W." stecken mochte. Er hatte die Witnays wobl oft auf gesellschaftlichen Veranstaltungen getroffen, avsr zu einem ausgeprägten Verkehr war es nie gekommen. Allerdings entsann er sich, mit der kleinen Ellis, die sich zu einer reizenden, jungen Dame im Laufe der Jahre entwickelt hatte, einigemal getanzt zu haben... ja, ge tanzt! Zuerst hatte er sich gesträubt und Grauen vor dem blitzblanken Parkett geäutzert, sich aber dann doch von ihren lachenden Schelmenaugen verführen lassen... Ein Lächeln umspielte des Arztes Lippen, aber es verschwand, als es ihm jäh zum Bewußtsein kam, wes halb er durch die trostlose Nacht an der Seite seiner Freunde dahinschritt. „Wie weit ist es denn noch, zum Teufel," knurrte Peter Dryp. „Hier hören ja schon die Häuser auf... das ist ja heiter.... Wald und Wiese..." „Das Haus ist das allerletzte Fulhams!" flüsterte Gilligan. „Es steht ganz einsam.... noch fünf Mi nuten " Stumm schritten sie weiter. Ein beunruhigender Gedanke stieg in Osborne auf. Flüsternd neigte er sich zu dem Chef hinüber: „Wenn nun dieser Moro doch im Hause wäre..." Unwillkürlich tastete Murchisons Hand zur rückwär tigen Beinkleidtasche. Ein leiser Schreck huschte überfeine bärtigen Züge. „Ich habe mir den Browning extra zurechtgelegt. Jetzt ist er doch wirklich vergessen worden . " Peter Dryp besaß Ohren wie ein Luchs. „Was nützen solche Knallmaschinen," sagte er leise, den Kopf zu Murchison zurückwendend. „Die machen viel Lärm, und treffen tut man doch nichts. Hier — das hier — — das ist ein llniversalmittel gegen Widerspenstige...." Mit lustigem Augenzwinkern zeigte er auf zwei Schlüssel in der Hand und machte eine entsprechende Bewe gung mit ihr. „Pst!" machte Gilligan. „Dort .... auf der rechten Seite...." In etwa zwanzig Meter Entfernung tauchte ein ein stöckiges, der Bauart nach zu urteilen: uraltes Gemäuer gespreizte Kralle auf seiner Schulter. auf, das die Bezeichnung „Kasten" vollauf verdiente. Zwar waren Einzelheiten nicht zu erkennen, doch ließen breite Risse in den Wänden auf die nur allzu begründete Abbruchreife schließen. Auf der einen Seite hatte sich das Gemäuer sogar etwas gesenkt.... Die vier Männer huschten lautlos auf die rechte Seite hinüber und gingen Schritt für Schritt auf das Haus zu. Ringsum war es totenstill. Auch im Hause selbst schien sich kein menschliches Wesen aufzuhalten. Nur ein paar Fensterläden klap. perlen hin und wieder, wenn ein lauer Wind vorüber strich.... Je näher sie kamen, desto deutlicher erkannten sie den fast lebensgefährlichen Zustand des „Kastens". Ein paar halb zerfallene Stufen führten zum Ein gang hinauf. Peter Dryp erreichte die Tür als erster. Atemlos lauschte er in das Innere des Hauses hinein. Nichts regte sich. Das Holz der Tür war halb verfault und das Schloß ringsum verrostet. Durch die Fugen des Ein gangs drang Moderduft unangenehm ins Freie. Murchison unterdrückte mühsam die neu aufwallende Erregung. War es möglich, in dieses schmutzstarrende, elende Loch hatte man Ellis Witnay geschleppt?! Oder aber sollte er wieder einmal irregeführt worden sein? Jäh wandte er sich an Tom Gilligan. Der aber zeigte das gleiche erregte Gesicht wie die anderen..,. Für Sekunden schwirrte der Gedanke an einen etwai gen Verrat, an eine geschickte Falle, durch sein Hirn... aber er verwarf den Einfall als zu phantastisch und ro manhaft... ihn und seine Freunde irgendwo festzuhaltsn hätte den Verbrechern keine Erfolge gebracht. Warum sollten die Leute also zu solchem Schritt greisen....? Just, als Peter Dryp langsam die Hand nach dem Türgriff ausstreckte, fühlte er Osbornes Hand wie eins In der gleichen Sekunde erkannte er das Assistenten Er Myg. Ganz fern auf der Landstraße waren dis grellen Scheinwerfer eines Automobils aufgetaucht, das in höl lischem Timpo näherkam.... 8. Kapitel. Tom Gilligan hielt sich jäh an der Holzwand fest. In seinen Augen lag blankes Grauen. Murchison und Osborne standen regungslos. Dryp umklammerte die Schsüssel in seiner Hand. Seine Blicke sprühten wilde Entschlossenheit. Mit jeder verrinnenden Sekunde kam der Kraftwagen näher. Er schien nur so über die Landstraße dahin zu flie gen. Die Scheinwerfer nahmen die Formen grotesker, starrer Polypenarme an. die gierig vorwärts züngelten. Wer kam da? Eng an die Mauer gepreßt, verharrten sie schwei gend. Moro? Hatte er den Verrat gewittert, den Tom Gilligan begangen? Oder war doch alles nur eine abgekartete Sache? Die Sekunden wurden zu Ewigkeiten.... Jetzt schoß das Gefährt heran... wie ein funkelnder, für den Bruchteil einer Sekunde sichtbarer Strich.... dann war es vorüber.... Noch eine Weile scholl das Rattern und Knattern des Motors zurück, dann verhallten die Geräusche irgend wo in der Dunkelheit... versackten... und still war es wieder rings umher... trostlos still.... Tom Gilligans Antlitz bekam nach und nach wieder Farbe. „Ich dachte schon... Moro," raunte er. Sein Atem ging heiß und seine Knie zitterten wie Espenlaub. „Aber es ist ja Unsinn., .er hat ja extra gesagt, datz er erst morgen...." Zwölf Schläge zitterten von der Fulhamer Kirchs durch die Nacht. Blechern. Mitztönend. Osborne schlug fröstelnd den Mantelkragen hoch, trotzdem ihm Heller Schweiß auf der Stirn stand. Dryp wartete, bis die Schläge verklungen waren. Dann zerrte er Tom Gilligan am Arm. „Aufschließen!" Der Mann griff in die Tasche. Ein wahres Unge tüm von Schlüssel war es, das er zum Vorschein brachte. Mit bebenden Fingern brachte er es in die Nähe des Schlosses. Dryp tat das Weitere. So leise, wie mög lich, führte er den Schlüssel in das kunstvoll verzierte, w/7 Oe/7//77S/7f7 aber völlig verwahrloste, verrostete Schloß ein. Noch einmal wandte er sich um. Murchison nickt: ihm entschlossen zu. Es gab ein leises, knackendes Geräusch, als das Schloß zurücksprang. Dryp nahm den Schlüssel wieder heram. Er gefiel ihm als eventuelle Schlagwaffe entschiede!' besser, als seine eigenen. Dann schob er die Tür auf. Ganz leise .... ganz behutsam... nicht so, wie damals die Seitentür im Eespensterhaus... gewiß nicht.. Er hatte gelernt... Die Tür gab keinen Mucks von sich.... H Der ekle Modergeruch schlug ihm dick entgegen. Ec merkte es kaum. Dicht hinter ihm drängte Murchison herein. Dann Gilligan. Den Schluß machte Osborne. Nicht aus Furcht, sondern um für alle Fälle Gilligan in der Mitte zu haben.... Im Hause war es mäuschenstill. Man hätte sine Stecknadel zu Boden fallen hören müssen. Urplötzlich fiel es Murchison ein, daß sie alle zu sammen in der offenen Haustür standen und so fraglos fabelhafte Schießscheiben für diejenigen abgaben, dis — vielleicht — im Innern des Haufes auf der Lauer lagen. Aber Osborne schien den gleichen Gedanken zu empfinden. Kaum hatte er die Schwelle im Rücken, schloß er auch schon leise die Tür hinter sich. Ellis Witnay schien zu schlafen, denn kein schluchzen der Ton, kein Weinen scholl von der Treppe her. die vom ersten Stockwerk herabführte. Flüsternd, unhörbar fast, wandte sich Peter Dryp rückwärts: „Ich denke, wir machen Licht, Doktor. Wenn jemand im Hause wäre, hätte...." Er vollendete nicht. Knack — Knack — machte es plötzlich im Raum... so, als berührten menschliche Füße eine knarrende Diels im Fußboden.... Dryps schlüsselbewaffnete Hand schnellte in die Höhe. „Jemand hier?" zischte er. Sekunden blieb es still, dann aber kam grauenhaftes Leben in die tiefschwarze Finsternis. Mit einem Lachen Hub es an. Ein wieherndes, bru tales, hohntriefendes Lachen. Es erscholl in unmittel barer Nähe, so dicht, daß Murchison jäh und impulsiv mit beiden Armen um sich griff. Aber seins Hände faßten in ein Nichts.... Und dann flammte das grelle Licht einer Blend laterne auf.... Nicht eine — nein, zwei, drei, vier... kurz hinter einander... und fast gleichzeitig eine markige, Harts Stimme: „Hände hoch, Eentlemen! Die Suppe soll Euch versalzen werden!" Aber kaum waren diese Worte gesprochen, als dl gleiche Stimme einen schrillen Schrei ausstieß. Hinter dem Schrei ein Fluch... und dann sprang aus der Fin sternis ein Mann in den Lichtkreis... in der linken Hand einen Gummiknüppel, in der rechten den Revolver...- „Jetzt geht die Welt unter!" stammelte er und starrt: von einem der Männer zum anderen. „Joul!" wieherte Peter Dryp auf. „Joul!" schrie Dr. Murchison fassungslos. „Weitz Gott, der Inspektor...." staunte Osborne- In grenzenloser Verblüffung ging er auf ihn zu. „Msn- schenskind, wo kommen Sie her?" Joul ließ Gummiknüppel und Browning sinken. „Ich? Wo ich herkomme?" Er machte krampfhaft den Versuch, seine Verdutztheit hinter zornsprühenden Mienen zu verbergen. „Aus London komme ich, um hier Erpressergesindel abzufangen... um eine hierher ver schleppte Frau zu befreien... zum Teufel, noch ein mal! Was haben Sie hier herum zu schleichen? Ihr seid wohl verrückt geworden, alle miteinander?! Also so etwas war ja überhaupt noch nicht da...!" Im Hintergründe wurde es lebendig. Blaue Anifor men tauchten auf.... Murchison stand wie cm Traum. Mühsam fatzte er sich. „Allerdings," murmelte er, „auch ich bin über rascht..:. nein, perplex... wirklich...." Und sich mit zitternder Hand über die Stirn fahrend, setzte er hinzu: „Ich verstehe das Ganze nicht... woher wissen Sie, daß hier...." Erneut brach er ab. Der Schreck, das Ab sonderliche, war ihm in die Glieder gefahren und be nahm seine Sinne. Mit einem verlorenen Lächeln fragte er: „Wie geht es Mitz Witnay....?" Joul ließ ein Knurren hören. „Schon längst nicht mehr hier.... müssen Sie früher aufstehen...." Er schleuderte den Gummiknüppel grimmig in die Ecke und fuhr fort: „Was schnüffeln Sie eigentlich hier herum, he? Spielen wohl so'n bißchen Privatpolizei? Und wo her, zum Kuckuck, wissen Sie, daß Ellis Witnay...' Peter Dryp entlockte dem Schlüssel in seiner Hand einen schrillen Pfiff. . „Wohl wahnsinnig geworden?" zeterte Joul und hieu sich die Ohren zu' „Nein," erwiderte der Reporter, „der Schluß dieser Komödie gefällt mir nicht, da pfeife ich ein wenig. Das ist mein gutes Recht." Und zu Dr. Murchison gewendet: „Kommen Sie. Doktor.... anschnauzen lassen brauchen wir uns nicht...." Joul warf ihm einen giftigen Blick zu. „Sie haben mir die ganze Tour vermasselt," brummle er. „Wären Sie nicht gekommen, wäre mir vielleicht die ganze Erpresserbande ins Garn gelaufen " „Vielleicht " Hin und her zuckten Worte.... erst spitz, dann allmählich stumpf werdend, sich glättend.... bis sre m einem der Räume um einen wackeligen Tisch beieinander saßen (Fortsetzung folgt !