Suche löschen...
Ottendorfer Zeitung : 18.12.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-12-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190412180
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19041218
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19041218
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-12
- Tag 1904-12-18
-
Monat
1904-12
-
Jahr
1904
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 18.12.1904
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
politische Kunälckau. Der englisch-russische Zwischenfall. *Mit Dampfgeschwindigkeit aedenkt die Untersuchungskommission für die Nordsee- Angelegenheit zu arbeiten. Sie wird wahrscheinlich am nächsten Dienstag oder Mitt woch im Ministerium des Äußern in Paris zusammentreten. In ihrer ersten Sitzung wird die Kommission das iünste Mitglied wählen und sich von dieser Strapaze dann bis zum Januar erholen (Spätestens mit der nächsten Jahrhundertwende wird man mit der fatalen Angelegenheit im reinen sein.) Uber die Frage der Öffentlichkeit der Sitzungen werden die beteiligten Regierungen entscheiden. * * -le Der russisch-japanische Krieg. *Man hat sich so sehr an die „Ruhe"- Meldungen vom Sch ahe gewohnt, daß die Stachricht der Morning Post' wenig glaubhaft klingt, die da besagt: Der japanische rechte Flügel des Schatze machte eine Bewegung nach Norden. Die Vorhut erreichte Huanscha. Es wird berichtet, daß ein heftiger Kampf entbrannt sei. (Wäre das wahr, dann hätten die Japaner den russischen linken Flügel umgangen.) * * * Deutschland. *Dem Reichstage ist die Übersicht der Einnahmen und Ausgaben der Schutzgebiete Kamerun und Togo, des Südwestafrikanischen Schutzgebietes, des Schutz gebietes Neu-Guinea, der Verwaltung der Carolinen, Palau und Marianen sowie des Schutzgebietes Samoa für das Rechnungsjahr nebst einer Anlage, die Übersicht der Einnahmen und Ausgaben des Schutzgebietes Kiautschou für das Rechnungsjahr 1903 zugegangen. *Die ,Franks. Ztg.' weist auf eine inter essante Korrektur hin, die derNeichska nzler an seiner Rede vom Freitag vorgenommen hat. Er hatte da von der „w o h l w o l l en d en Neutralität" gesprochen, die wir RußIand gegenüber beobachten. Man erzählte schon, daß dieses „wohlwollend" ein Zungenfehler ge wesen sei, und so ist denn auch im amtlichen Stenogramm aus diesem wohlwollend ein „vollkommen loyal" geworden. * Auf Grund der im Reichsgesundheitsamte stattgehabten Beratungen hat der Reichskanzler den verbündeten Regierungen ein Rundschreiben zugehen lassen, in dem er für eine ver stärkte Fürsorge bei schwerkranken Lungenleidenden eintritt. Es sollen womöglich eigene Krankenhäuser für derartige Patienten errichtet oder wenigstens gesonderte Abteilungen in den allgemeinen Krankenhäusern abgezweigt werden. Ist auch dies nicht aus führbar, dann sollen die betreffenden Kranken wenigstens in besonderen Räumen untergebracht werden. Den einzelnen Negierungen wird be sonders ans Herz gelegt, bei dem Bau neuer Krankenhäuser jenen oben angedeuteten Grund sätzen durch Einrichtung von Abteilungen für Tuberkulöse Geltung zu verschaffen. * Abg. Eugen Richter wird infolge der Version, daß er nicht nur ein Augenleiden habe, sondern auch zuckerkrank sei, mit Ratschlägen aller Art behelligt. Er erhält sogar bezügliche Medikamente zugesandt. Erfreulicherweise erweist sich aber die Meldung als irrig, Richter ist nichtzuckerkrank. Österreich-Ungarn. * Die österreichische Kriegsvcrwaltung hat ein Ansuchen der russischen Regierung um käuf liche Überlassung von Kriegsvorräten unter Hinweis auf die Pflichten der Neu tralität abgelehnt. *Die ungarische Obstruktion hat am Dienstag sehr wirksam begonnen, indem sie im Beratungssaale des Parlaments alles kurz und klein geschlagen hat. In der Mitte des Saales türmten sich die zertrümmerten Minister sessel, der zerbrochene Prästdentenstuhl, die zer schnittenen Polster u. a. Ohrfeigen sind reich lich ausgeteilt worden. Alles in allem scheint es in hohem Grade amüsierlich zugegangen zu sein. A 6in SpielbaU äesSekicklals. 16) Roman von C. v. Berlepsch. >Lorl<truua-> „Und nun erfüllen Sie mir noch eine Bitte. Lächeln Sie nicht über mich, seien Sie gut. — Legen Sie mir die Hand aufs Haupt, einen Augenblick. Es soll mich weihen zu dem, was vor mir liegt; es soll den Segen meiner toten Mutter erneuem, den böse Gewalten von mir genommen hatten." Gertrud lächelt nicht; ihr ist heilig ernst zu Mute. Einen flüchtigen Augenblick ruhen ihre beiden Hände auf seinem Scheitel. Kein Mensch hat es gesehen, nur die Vögel in den Zweigen. Leise rauschen die Föhren über ihnen und unter ihnen die See. Sie find beide sehr bewegt und können mit der Unterhaltung nicht vorwärts kommen. Sie stehen auf und wandeln dem Dorie zu. Sie hält die Augen auf die See gerichtet und hat Dr. Haller nicht gesehen, der langsam auf dem schmalen Pfade daherge schritten kommt. Gertrud erblickt ihn erst, als er grüßend vor ihnen steht. Heiß steigt das Blut ihm ins Antlitz. Er bückt sich schnell nach dem Buche, das ihr im Schreck entfallen ist; so sieht er nicht auch ihr jähes Erröten und den unverhüllten Blick ihrer Augen. Der andre aber fieht ihn und in demselben Augenblick bricht sein stolzes Hoffen zusammen. Damit hat er nicht gerechnet! War er denn blind, daß er bisher nicht gesehen hat, daß diese beiden Menschen zu sammengehören ? Frankreich. * Nach übereinstimmenden Nachrichten der .Blätter scheint es nunmehr unzweifelhaft zu sein, daß SyvetonSelbstmord begangen hat. Der Advokat Pottel, der Sozius des Schwiegersohnes Syvetons, des Anwaltes Menard, meldete sich beim Untersuchungsrichter freiwillig als Zeuge und erklärte, es sei über flüssig, die Ursache des Todes Syvetons weiter zu suchen, Syveton habe sich entleibt. Es sei das für ihn das einzige Mittel gewesen, um sich aus einer unentwirrbaren Lage zu retten. Näheres könne er nicht sagen. Es handle sich um ein Familiengeheimnis. Spanien. * Das Ministerium Maura, das seit dem 5. Dezember 1903 im Amte ist, hat am 14. d. Dr. Hammacher -ß. Der bekannte Parlamentarier und Senior der natisnalliberalen Partei Dr. Hammacher ist im 81. Jahre in Berlin gestorben. feine Entlassung eingereicht, weil der König die von der Regierung vorgeschlagene Ernennung des Generals Lono zum Generalstabschef ab- letznte. Es ist wohl selbstverständlich, daß der 18jährige König nicht nur aus eigenem Antriebe handelt. Es läßt sich aber von hier nicht über sehen, wer seine Hintermänner sind. Daß es sich nicht um einen Systemwechsel handelt, zeigt die Bemfung des greisen Führers der Konser vativen Romero Robledo ins PalaiS. Die Lage wird für schwierig gehalten, da man glaubt, daß Mama die Neubildung des Kabi netts ablehnen wird, falls nicht das Parlament aufgelöst wild. Rußland. *Jn den hohen Verwaltungs ämtern sollen umfangreiche Veränderungen bevorstehn. U. a. will auch Großfürst Alexis seine Entlassnng als Großadmiral einreichen. (Das wäre ein wahrer Segen für Rußland!) *Der vielgenannte Kapitän Klado, einer der unsterblichen Helden von Hull, macht sich in Petersburg sehr mausig. Er protestiert in einer Zuschrift an die Blätter gegen seine Maßregelung durch den Groß-Admiral. Er behauptet, er habe sich keiner Entstellung von Tatsachen schuldig gemacht und fordert vor ein Militärgericht gestellt zu werden, da die gegen ihn erhobenen Anklagen erlogen seien und durch dieselben seine Staudes- und Mannesehre tief verletzt worden. * Das Urteil im Prozeß gegen dieMörder Plehwes wurde am Dienstag abend in Petersburg gefällt. Sassanow wurde zu lebens länglicher und Sikorsky zu zwanzigjähriger Zwangsarbeit verurteilt. Die Verhandlung ver lief ruhig. Amerika. *Jn Rio de Janeiro ist der Belage rungszustand um einen Monat verlängert worden. Asien. * Gerüchtweise bezweckt die außerordentliche Mission des Schahs von Persien in Petersburg den Abschluß eines Trutzbündnisses zwischen Persien und Rußland. (Da scheint also England wieder einmal zu spät aüf- gestanden zu sein.) ckem Asiebstage. Der Reichstag setzte am Dienstag die Beratung von Resolutionen zum Etat fort. Auf der Tages ordnung stand eine Resolution, die Abg. Becker (nat.-lib.) eingsbracht hatte, und die die Regie rungen ersucht, Erhebungen über die Grundlagen für eine zwangsweise Alters- und Jnvalidenver- sorgung der Handwerker zu veranstalten und die Mittel dazu in den Etat einzustellen. Die Abgg. Becker und Patzig (nat.-lib.) empfahlen die An nahme der Resolution, ebenso Abg. Stadthagen (soz.) und Bruhn (wirtsch. Vgg.f. Dagegen wurde die Resolution bekämpft von den Abgg. Erzberger (Zentr.), Mugdan (frs. Vp.), Nißler (kons.) und Meyer-Bielefeld (kons.) und scharf vom Staats sekretär des Innern Grafen Posadowsky. Die Resolution Becker wurde schließlich doch angenommen und zwar mit den Stimmen der Nationalliberalen, der Antisemiten, der Freikonservativen und der Sozialdemokraten. Am 14. d. steht auf der Tagesoednung die erste Beratung der Militärvorlagen. Preuß. Kriegsminister v. Einem: Da« Gesetz von 1871 genügt den heutigen Verhältnissen nicht mehr: es hat Lücken und führt zu Härten. Wir wollen die Versorgung fester gestaltet und vereinfacht wissen. Wir haben uns dabei an das Unfallversiche- rungsgesetz gehalten und so den Grad der Erwerbs unfähigkeit als Maßstab der Rente neu eingeführt. Für gleiche Beschädigungen müssen gleiche Ent schädigungen gewährt werden. Für jede Charge ist daher eine bestimmte Vollrente festgelegt worden. Den altgedienten Unteroffizieren haben wir eine Besserstellung dadurch verschafft, daß der Zivil- versorgungsschcin nur noch an Kapitulanten abge geben wird. Die Anfangspension der Offiziere soll künftig statt des Einkommens betragen. In der Presse viel gesprochen ist die Frage der Rückwirkung. Wir hätten gerne allen früheren Offizieren und Soldaten schon aus kameradschaft lichem Gefühl die Besserstellung gewährt, aber diese Rücksichten mußten weichen vor den Bedenken finanzieller Art. Die Kriegsteilnehmer sind nach dem alten Grundsätze berücksichtigt worden, daß wir stets derer dankbar gedenken, die im Felde gestanden sind. Ich hoffe, daß das Haus das neue Gesetz nicht scheittrn läßt an der Forderung der unbe dingten Rückwirkung. Der kriegerische Geist lebt auch heute noch in unserm Volke. Das beweisen die zahlreichen Freiwilligenmeldungen für Südwest afrika. Dort unten haben unsre Truppen das denkbar beste geleistet. Die Waffen unsrer Truppen haben sich vorzüglich bewährt. Unser Heer gilt trotz der absprechenden Kritiken mancher sogenannten kriegserfahrenen Korrespondenten als erstklassig und tadellos. Dieser tadellosen Truppe müssen wir tüchtige, freudiae Offiziere zu Führern geben und jeder einzelne Mann muß wissen, daß für ihn im Falle der Erwerbsunfähigkeit gesorgt ist. Hoffent lich kommt etwas Gutes für unser Heer aus der Beratung heraus I Abg. Graf Oriola (nat.-lib.): Der Entwurf bringt zwar Besserungen, aber nur im allerbe scheidensten Maße. Der Kriegsminister v. Goßler hat schon 1900 gesagt, das alte Gesetz von 1871 enthalte Ungleichheiten und Härten. Das neue Gesetz bringt nur noch Unklarheiten hinzu, denn die alten Gesetze gelten für einen Teil der alten Leute for^. Die PensionSverhältnisse für die Offi ziere müssen gebessert werden; denn die Schwierig keiten, die sich den aus dem Heere ausscheidenden Offizieren entgegenstellen, wenn sie sich eine neue Stellung erwerben wollen, sind nicht gering. Auch die Lage der verabschiedeten Unteroffiziere muß ver bessert werden. Lie enge Begrenzung der rück wirkenden Kraft der Gesetze bedaure ich aufs leb hafteste. Der Kriegsmmister verweist die alten Leute auf den Weg der Unterstützung, also nicht auf den Weg des Rechts, sondern auf den Weg der Gnade. Die Männer, die in dem glorreichen Kriege ihre Pflicht getan haben, dürfen nicht zurück- gesetzt werden. Hier haben wir Gelegenheit, für die Zufriedenheit treugesinnter Männer zu sorgen. Das ist ein offenes Geheimnis in Offiziers- kre-sen, daß man mit der Pensionierung der Offiziere jetzt znrückhälr, damit ihnen die Wohl taten des neuen Gesetzes zuteil werden. Also der Umstand, ob ein Abschiedsgesuch einen Monat früher oder später eingereicht ist, ist ausschlaggebend für die wirtschaftliche Lage eines Menschenlebens. Ich für meinen Teil zweifle nicht, daß die altgedienten Offiziere zur Fahne eilen werden, solange noch eine Spur von Kraft in ihnen vorhanden ist, sobald das Vaterland ruft. Wie sehr SparsamkcitLrückfichten bei der Vorlage mitgesprochen haben, geht daraus hervor, daß die Verstümmlungsznlage für Offiziere herabgesetzt worden ist. Auf die Kriegsteilnehmer will man das Gesetz nur insofern auSdehnen, als sie ein Kriegsjahr angerechnet bekommen haben. Soll ich die tapfere Schar der „Arkona" in Ihr Gedächtnis zurückrufen? Diese Männer sollen nun von den Wohltaten deS Gesetzes ausgeschlossen werden I Der Beachtung wert ist endlich noch die Frage der Belassung der Militärpenflon neben dem Zivitdienstemkommcn und der Zivilpension. Um Ungerechtigkeiten zu vermeiden, muß auch den S matsbcamten die Pension belassen werden. Der neue Entwurf will den Zivilversorgungsschein nur denen zuteil werden lassen, die kapituliert haben und fähig sind, einen Beamtenposten auszufüllen. Die jenigen, die keine Beamtenbcfähigung haben, soll eine Entschädigung sür den Zivilversorgungsschein zuge- wiescn werden. DaS ist ein vernünftiger Gedanke des Gesetzgebers, da dadurch vermieden werden kann, daß die Zahl der Besitzer des Zivilversorgungs scheines größer ist als die Zahl der freien Beamten stellen. Für eine große Anzahl meiner politischen Freunde kann ich erklären, daß wir für eine Wehr- steuer nur dann zu haben wären, wenn ihre Erträge zur Besserung der Lage derjenigen verwandt würden, die mit der Waffe, sei es im Kriege, sei es im Frieden dem Vaterland treu gedient haben. Abg. Speck (Ztr.): Angesichts der schlechten Finanzlage haben wir die doppelte Pflicht, nur das Allernotwendigste zu bewilligen. Der weitaus größte Teil der geforderten Summen soll zu den Offiziers- Pensionen verwandt werden. Bei meinen Freunden erregt es hauptsächlich Bedenken, daß die Pensionen vom Major aufwärts eine io große Erhöhung er fahren haben. Statt des Paragraphen, der es in das Ermessen des zuständigen Vorgesetzten stellt, einen Offizier für dienstunfähig zu erklären, fordern wir eins Bestimmung, wonach die Pensionierung eines Offiziers nur einzuleiten ist entweder wegen Invalidität auf Grund eines ärztlichen Zeugnisses oder aber auf Grund eines Gutachtens von mehreren Vorgesetzten. Wenn wir in der Kommission einzelnen Positionen dieser Vorlage zustimmen, so ist diese Zustimmung nur eine vorläufige. Wir sind nicht gesonnen, uns dadurch auf die zweite Lesung fest zulegen, wenn nicht vorder die Deckungsfrage genau geregelt ist. Es wäre am besten, die Vorlage der Budgetkommifsion zu überweisen. Abg. Gradnauer (soz.) wendet sich gegen die Erhöhung der Osfizierspensionen. Preuß. Kriegsminister v. Einem: Für die höheren Offiziere sind keine Pensionserhöhungen be absichtigt. Ich bitte, das ganze Gesetz anzunehmcn; es ist getragen von Wohlwollen für die Offiziere. Äbg. v. Massow (kons.) stimmt uneingeschränkt der Vorlage zu. Daraus vertagt sich das HauS. Von unä fern. Denkmal am „Altar von Leuthen". Der Kaiser beschloß, auf dem Schlachtfeld bei Leuthen zur 150 jährigen Siegesfeier, am 5. Dezember 1907, einen Denkstein, an der Stelle zu errichten, der vom Volksmund „Altar von Leuthen" genannt wird. — Es ist dies eine kleine Lindengruppe beim Dorfe Saara, wo angeblich am Siegesabend ein Grenadier den Choral: „Nun danket alle Gott" anstimmte, den das ganze Preußenheer milsang. Ara« Krupp hat im Namen ihrer Tochter Berta der Penfionskasse der Firma Friedrich Krupp 500 000 Mk. gespendet. Der Mord an der kleinen Sncie BerN», deren zerstückelte Leiche s. Z. im Berliner Landwehr kanalaufgefunden worden war, bildet seit einigen Tagen Verhandlungsgegenstand deS dortigen Schwurgerichts. Angeklagt des Mordes ist der Zuhälter Berger. Während der ersten Verhandlungstage gelang eS ihm, den Verdacht auf einen inzwischen ver schwundenen Agenten Lenz zu wälzen, der s. Z. auch verhaftet, aber als unbelastet wieder entlassen worden war. Dieser Lenz hat sich aber am Mitt woch freiwillig dem Gericht gestellt und durch seine bestimmten Aussagen, die von einwandsfreien Zeugen unterstützt wurden, vermochte er sein Alibi nachzu weisen. Berger nächtigte in der Wohnung seiner Geliebten, die — einstweilen eine Strafe abzusitzen hatte. Aus ihrer Wohnung ist ein Korb ver schwunden, zweifellos derselbe, in dem die Leichen- tetle der kleinen Ermordeten fortgeschafft worden sind. Dieser Korb ist wieder zur Stelle. Der An geklagte behauptet, ihn einem Mädchen geschenkt zu haben, das er mit in die Wohnung genommen hatte. Die Verhandlungen dauern noch fort. Gertrud faßt stch zuerst und dem Doktor freundlich die Hand reichend, fragt fie: „Wie kommen Sie hierher?" Er weicht ihrem Blick aus. „Tante Therese schrieb mir, ste sei nicht ganz wohl. Das ängstigte mich und ich habe mich daher auf zwei Tage freigemacht." Oertzen nimmt die alte Maske des Spottes vor, damit niemand die Qual seines Herzens ahne. Dieser eine Augenblick macht alles quitt, was ungerächt geblieben aus früheren Jahren. Und Gertrud wundert sich über den Mann, der jetzt gleich so lustig plaudert und kurz zuvor noch so tiefernste Worte sprach. Er liest ihr die Verwunderung von den Augen ab. Er verabschiedet sich und wendet sich zurück zum Strande, von wo er erst bei einbrechender Dunkelheit nach Hause kommt. Er weiß, daß ihm Gertrud verloren ist. Auch Dr. Haller ist später mit den beiden Damen und dem Kinde nach dem Strande ge gangen, doch trafen sie Oertzen nicht, weil er sich einen einsamen Weg weit am Strande ent lang gesucht hatte. Gertrud fieht sich forschend unter dem Publikum nach ihm um; er pflegte ja sonst um diese Zeit hier zu sein. Der Doktor bemerkt ihren suchenden Blick und fragt fie, nach wem fie ausschaue. Sie antwortet ihm unbefangen. Es liegt etwas so Freies, Offenes in ihrem Blick, daß seine auf wallende Eifersucht im Keime erstickt wird. „Vermissen Sie ihn?" „Ich glaube ja. Mich interessiert dieser Mann. In diesen Tagen habe ich bisweilen Gelegenheit gehabt, mich eingehender mit ihm zu unterhalten. Ich glaube, man darf ihm unbedingt Vertrauen schenken." Als von Oertzen nichts zu sehen ist, schlägt Dr. Haller vor, ein Boot zu nehmen und ein Stückchen in die See zu fahren. Der Doktor macht ein Boot ausfindig, in dem er mit Getrud allein zu bleiben hofft; aber als sie eben einsteigen wollen, naht Thomas mit Edith und Else Gerlach und bittet um gefällige Auf nahme. WaS soll der Doktor da machen? Einen unchristlichen Wunsch im Herzen, heißt er fie höflich einsteigen. „Doktor, was in aller Welt führt dich her?" fragt Thomas Loshast. „Ein kleines Unwohlsein meiner Tante, das glücklicherweise schon gehoben ist." „Ach du guter Neffe! Merkwürdig, wie wir beide sympathisieren! Auch mich hat das Hiersein meiner Tante hierher gelockt, die ich schon lange nicht gesehen habe. Sie ist mit der Frau Oberlehrer und Fräulein An gelika in der Kolonade geblieben, weil fie eine Erkältung an der See befürchtet. Also auch du, mein Sohn Brutus!" Dr. Haller glaubt ein verständnisvolles Augenzwinkern des Assessors zu bemerken, dem ein fragender Blick auf Gertrud gefolgt war, und ist nun bemüht, jedes Bedenken desselben zu zerstreuen. Er wendet sich viel an die beiden andern Mädchen. Edith, die von der Mutter den „Hauch der Poesie" geerbt hat, wirft ihm schmachtende Blicke zu, während Else ein wenig mit ihm kokettiert, nm die Eifersucht ihres Lieb habers zu erregen. Thomas, um fie zu strafen, erweist Gertrud kleine Aufmerksamketten, die! fie aber sehr kühl und unaufmerksam entgegen- nimmt. j Sie blickt nach dem westlichen Himmel, all dem langsam ein rötlicher Schein vorglüht. Ihr ist so bang wie vor einem nahen Unglück und das Scherzen und Lachen der andern tut ihr weh. — Als fie wieder ausgestiegen find, fieht st» sich noch einmal nach dem Landrichter um. Seltsam, daß er nicht da ist! Käthchen muß zu Belt gebracht werden; fie geht mit ihr und bittet die andern, sich in ihrer Strandpromenade nicht stören zu lassen. Sie reicht Dr. Haller die Hand; er will es nicht bemerken. War er darum hergekommen, fie noch ein mal vor der langen Trennung zu scheu, daß ste ihm nicht einen einzigen Abend schenkt? Wie hat er sich gefreut auf diesen Abend! Und nun? „Wollen Sie mir nicht die Hand reichen, Herr Doktor?" „Verzeihung." Er ergreift ihre Hand, aber so kühl. Er küßt Käthchen auf die Stirn und dabei trifft sein Blick Gertrud, klagend, vorwurfsvoll. Sie fieht es nicht. Sie hat nur den einen Ge danken, vor ihm zu fliehen, nicht daS Lied der Meereswellen und des Abendwindes zu hören, zusammen mit ihm. Als er später seine Tante nach Hause bringt, erfaßt ihn brennende Sehnsucht, ihr klares Antlitz noch einmal zu schauen. Doch sein Wunsch geht nicht in Erfüllung. Drinnen fitzt Gertrud, mit dem Schreiben eines Briefes be-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)