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Die „Dttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltnngsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Leid und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag w Uhr. Inserate werden mit w Pf. für die Sxaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be- sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 42. 2. Jahrgang. Mittwoch» den 8. April 1903. Oertlichrs und Sächsisches. Vttendorf-Vkrilla, 7. April ISOZ. -s- Die feierliche Einsegnung der Konfirmanden fand am Sonntag, wie auch anderwärts, in hiesiger Kirche statt. Die Ein segnungsglocken tönten ihr freudiges, aber auch ernstes Lied. Den Konfirmanden erscheint das ganze bevorstehende Leben so heiler, während Vater und Mutter sich bewußt sind, daß der Ernst des Lebens für ihr Kind beginnt. Bei aller innerlichen Freude sind sie doch in Sorge für die Zukunft ihres Lieblings. In feierlicher Stimmung schritten die Konfirmanden zum Gotteshause, um am Altar das Gelöbnis der Treue dem Herrn abzulegen und ausgenommen zu werden in den Bund der erwachsenen Christen. Am Nachmittag vereinigt-n sich die Neukoufirmiertcn mit ihren Angehörigen im Gasthof zum „schwarzen Roß". Sie begingen so diesen wichtigen Tag in angemessener, seiner Bedeutung entsprechender Weise. 2 Das am Palmsonntag im Gasthof „zum Hirsch" stattgefundene Extra-Konzert des Moritzdorfer Musikchors war leider sehr schwach besucht. Die zu Gehör g- brach en musikalischen Darbietungen wurden mit reicktn Beifall aus genommen und märe es wün chenöwert wenn derartige Veranstaltungen einen besseren Besuch zu verzeichnen hätten. —* Tie Karwoche, in die wir nun ein- getrcten, bildet den Höhepunkt der heiligsten Zeit des Jahres, der dem Osterfest voraw gehenden vierzigtägigett Fasten- oder Passions zeit. Sie ist besonders dein Gedenken an Christi Leide» und Tod gewidmet. Ihr Name stammt wahrscheinlich von dem althochdeutschen Wort obara, das „Klagen" bedeutet. Sie heißt m ch noch „Trauerwoche" im Hinblick auf den Schmerz über unsere Sünden, welche den Tod Jesu verursacht haben, „schwarze Woche" weil in ihr der Heiland in die Nacht des Leidens und des Todes ging, „Marter- oder Lcidentzwoche" mit Bezug auf die Leiden, die der Sohn Gottes erdulden Mußte, um die Menschen von ihren Sünden zu erlösen. —Am Schluß dieser Woche winkt uns das liebe Osterfest. Wird die Osterzeit auch von mancher AprtllaUne bedroht sein, es ist doch grün geworden, grüner, als man es vor ein paar Wochen hoffen durfte, und die in den letzten Nächten mitunter recht tiefgesunkene Temperatur hat noch keinen Schaden draußen angerichtet. So könne» wir denn auch dem April, der uns so grün gekommen ist, gewogen bleibe» und wir wollen nur bitten, daß er uns einen Sonnenschein-Wechsel für die Ostertage selbst ausstellt. Die Karwoche ist ernst, sie veranlaßt zur strengen Sammlung, aber sie kann den echten und rechten Lebensmut, der sich an Kraft und Wahrheit hält, nur vertiefen. Sie giebt auch für die fangen Christen, die nun in die große Gemeinde eingetreten sind, Stunden zur Einkehr und zu Gelübden der Ehre und Treue für das Leben. —* Der liebliche, frühzeitige Frühlingstraum hat ein baldiges, fähcS Ende gefunden. An Stelle der linden Lüfte, die uns so frühlings wonnig anwehten, ist kühle Luft getreten, statt lachendem Sonnenschein trübe Wolken. D Kühle will uns nach den warmen Märztagen Mnicht recht behagen; aber man muß doch zu- geben: sie hat auch ihr Gutes. Sie hält die wie so angesichts der noch frühen Jahreszeit der Entwickelung sehr weit vorgeschrittene Vegetation etwas zurück, sodaß sie leichter die sicher nicht ausbleibenden Nachtfröste zu über winden im stände ist. — Im Hinblick auf die dem sächsischen Ministerium des Innern auf diplomatischem Wege zugegangene Mitteilung, nach der, um dem Ueberhandnehmen des Branntwcingenusscö zu steuern, in verschiedenen preußischen Re gierungsbezirken der Betrieb in den Brannt weinschenken und im Branntweinkleinhande durch Polizeiverordnung derart geregelt worden l, daß diese Schank und Verkaufsstätten erst u einer späteren Morgenstunde — etwa um 8 Uhr dem Publikum geöffnet werden dürfen, hat das Ministerium des Innern in einer Verordnung ein gleiches Vorgehen in lnregung gebracht und dabei empfohlen, einen tunlichst zeitigen Schluß dieser Branntwein vertriebsstätten anzuordnen. Die Kreishaupt mannschaften werden in der Verordnung ver anlaßt, die ihnen unterstellten Personen dem entsprechend anzuwelsen. — Ueber die Sächsische Personentarif reform hat sich der Vorsitzende der Handels kammer zu Chemnitz, Kommerzienrat Philipp, rn den Sitzungen des Ausschusses des Eisen bahnrates und des letzteren selbst wie folgt aus gelassen: Erhalte den gegenwärtigen Zeitpunkt mit seiner schweren wirtschaftlichen Depression ür den denkbar ungünstigsten zur Einführung wr vorgeschlagenen Aenderungen. Auch könne er nicht zngeben, daß hier eine Reform vor liege; unter einer solchen verstehe man doch eine^Verbilligung der Sätze, während die Vor lage'im großen und ganzen eine Verteuerung derselben herbeiführen werde. Komme die Verwaltung mit den jetzigen Sätzen nicht aus, 0 solle sie daß offen ein gestehen, nicht aber auf dem Wege einer sogenannten Reform, die in Wirklichkeit keine sei, die notwendige Mehreinnahme zu erreichen suchen. — Kennzeichnung von Reichsstempelmarken vor dem Gebrauch. Der Reichskanzler hat angeordnet, daß die Kennzeichnung von Fracht stempelmarken und anderen deutschen Reichs stempelmarken durch Einlochung eines Firmen oder sonstigen, das Eigentum nachweisenden Zeichens auch fernerhin zu gestatten, von einer endgültigen Regelung der Angelegenheit vorerst aber noch abzusehen sei. Die Beteiligten werden noch darauf aufmerksam gemacht, daß bei den Doppelmarken zu dem wesentlichen Inhalte der nach der Durchlochung deutlich erkennbar bleiben muß, auch die fortlaufende Nummer gehört. Dieser Erlaß ist natürlich für sämtliche deutsche Bundesstaaten maß gebend. Dresden. In einer Gastwirtschaft der inneren Altstadt versuchte sich am Freitag gegen abend der Sohn einer Osfizierswitwe in Sorau mit übermangansaurem Kali zu vergiften, er reichte aber seine Absicht nicht. Der junge Man» hatte fürchterlich zu leiden und mußte nach dem Stadtkrankenhause übergeführt werden. Infolge langer Stellenlosigkeit und materieller Sorgen hatte ec den Tod gesucht. — Zu der Mitteilung über die Vergiftungs erscheinungen bei Kindern in einer in der Hubertus-Straße wohnenden Familie wird weiter geschrieben: Als Ursache der Vergiftung wird angenommen, daß die Kinder an Tapeten restern, aus welchen sie sich Buchzeichen ge macht hatten, geleckt haben, diese aber giftige Farbstoffe enthielten. Von den Speisen, die die Kinder eingenommen haben, kann die Ver giftung kaum herrühren, da die Mutter selbst davon gegeßen und nicht das geringste gespürt hat. Die Kinder sind bereits wieder ganz wohl. Dresden. Ein furchtbares Brandunglüc hat sich Sonntag mittag halb 12 Uhr in der Arbeiterfamilie Nitzschler, Schützenplatz 10 parterre wohnhaft, zugetragen. Während der Abwesenheit der Eltern hatte die lO^/z Jahre alte Tochter Frida mit der Kaffeemühle eine mit Spiritus gefüllte Flasche vom Regal ge worfen. Der Inhalt ergoß sich in ker Nähe des Kachelofens bis zur Feuerung, so daß de Spiritus Feuer fing. Dabei e.litt sowohl d Frida Nitzschler, als auch ihre 9 Jahre alt Schwester Gertrud schwere Brandwunden. Frida hatte sich beim Loschen der Flammen insonder heit die Beine und den Unterleib verbranN und wurde nach dem Stadtkrankenhause ge bracht wo, sie am Montag früh halb 7 Üh starb. Die kleine, an und für sich krägklich Gertrud verbrühte sich stark im Gesicht und am rechten Arme. Es ist Hoffnung vorhanden, ie am Leben zu erhalten. Da der Vater monatelang arbeitslos war, ist das Schicksal ver armen Familie überaus bedauernswert. Im 6. Reichstagwahlkreise Dresden-Land ist der frühere Gemeindevorstand von Löbtau, Landtagsabgeordneter Weigert, als Kandidat der Kartellparteien nun definitiv aufgestellt worden. — In der Lohnbewegung der Maurer ist insofern eine Aenderung eingetreten, als auf einigen Neubauten die Arbeit gestern wieder ausgenommen wurde, so z. B. auf den Neu bauten des Lagerkellers und der Technischen Hochschule. Auf den Bauten des Spar- und Bauvereins und Lichtenberger in Löbtau, Bau- unster Böhme, Münchner Straße, Baumeister Uotzsche, Landgericht, hat sich eine Aufnahme der Arbeit noch nicht ermöglichen lassen. Die Maurer verlangen 45 Pfg. Stundenlohn. Meißen. Gegen den früheren hiesigen jolizei-Jnspektor Schulze ward eine Unter- uckung wegen unzulässiger Behandlung von Strafanzeigen eingeleitet. Meißen. In Munzig fiel das dreijährige Töchterchen des Tischlermeisters Götze in den Mühlgraben und ertrank- Meißen Die Tarifverhandlungen in den hiesigen Ofenfabriken sind am Sonnabend zu einem friedlichen Ende gebracht worden. Der Streik im Kohlerschen Granitwerk dauert da gegen noch fort. Niegeroda. In tiefe Trauer wurde das hiesige Gastwirt Heidesche Ehepaar versetzt. Das 7 jährige Söhnchen desselben, ein blühendes, aufgewecktes Kind, kam am Sonnabend den Flügeln der Oelsnitzer Windmühle zu nahe und erhielt einen solchen Schlag an den Kopf, daß es schwerverletzt aufgehoben wurde. In der Nacht zum Sonntag ist der Kleine seinen schweren Verletzungen erlegen. Riesa. Eine lebende, junge Schlange aus Mexiko zu fangen, gelang dieser Tage beim Ausladen von mexikanischem Blauholz aus einem Elbkahn. In der Höhlung eines Stückes Blauholz bemerkte man zunächst den Kopf des Reptils und bei näherer Untersuchung kam es dann ganz zum Vorschein. Dasselbe ist über 1 Meter lang und konnte lebend in einer Flasche untergebracht werden; es kann keinem Zweifel unterliegen, daß es mit dem Blauholz aus Mexiko herübergekommen ist. Vor einigen Jahren wurde bereits einmal ein Skorpion gefunden. Bautzen. Heute mittag gegen halb 12 Uhr ist in Daranitz bei Bautzen das Pötschkesche Gut, bestehend aus Wohn- und Gesindehaus Stall-, Scheunen- und Schuppengebäude, vol ständig ein Raub der Flammen geworden. Freiberg. In der Nacht zum Freitag er tränkte sich in dem an der Promenade belegenen Schlüfselteich ein 19 jähriges von hier gebürtiges Mädchen, Namens Henker, aus Schwermut. Chemnitz. Im Stadtteil Gablenz lauerte gestern früh gegen 9 Uhr der 50 jährige Maurer Heß seiner 48 jährigen Ehefrau, von der er seit Sonnabend getrennt lebt, auf und feuerte aus einem Revolver drei Schüsse ab, von denen zwei die Frau am Kopfe schwer verletzten. Hierauf erschoß sich Heß selbst. Augustusburg. Einen entsetzlichen Tod erlitt in der Haaseschen Holzwaarenfabrik der 18 jährige Arbeiter Hunger aus Marbach, in dem er zwischen den im Gange befindlichen Fahrstuhl geriet, so daß ihm der Kopf förmlic zerquetscht wurde. Leipzig. Der ärztliche Bezirksverein Leipzig Stadt beschloß, bei dem im Juni dieses Jahre in Köln stattfindenden deutschen Ärztetage den Antrag zu stellen, dahin zu wirken, daß eine allgemeine deutsche Ärzteoerordnung eingeführt werde. Halle. In Löbejuen wurde der Bahnhofs- Inspektor beim Revidieren der Loris von einem vorüberfahrenden Zuge zermalmt. Aus der Woche. Im Südwesten Europas gehen die politischen Wogen wieder recht hoch und das schließt leider eine blutige Ueberschwemmung nicht aus. Es oll zugegeben werden, daß die Türken die losten Brüder nicht sind und daß unter ihrer Herrschaft Menschenleben so leicht wie Flaum- edern wiegen. Aber die Unterdrückten, die Bulgaren, sind um kein Haar bester und die Griechen eher noch schlimmer. Nun will der lebe Sultan „Reformen" einführen und seine legierungsmaximen den westeuropäischen an nähern. Oesterreich und Rußland haben ihm da eine Schablone vorgezeichnet, die — wenn ie voll angewendet würde — einigermaßen den berechtigten Wünschen der in Macedonien ebenden Bulgaren Genüge leisten würde. Die Bulgaren sehen in der Durchführung der ver- prochenen Reformen nur eine Abschlagszahlung. Die Albanesen dagegen, ebensowohl die christ lichen wie die mohamedanischen, sind konser vative Leute und geschworene Gegner der Reformen. Haben bisher mehrere aus Bul garien eingebrochene und in Macedonien selbst gebildete Banden, die Reformen durch Mord, Brand und Dynamitanschläge zu fördern ze ucht, so widersetzen sich jeder Neuerung die Albanesen mit gleichen Mitteln und beide Karteien würden sich bald in den Haaren legen und einander unschädlich machen, wenn nicht der Sultan den dritten Mann beim Skat machen möchte. Einstweilen hat er 16 Redif- bataillone aus Kleinasien kommen lasten und nach Macedonien beordert. Im Verlauf der diplomatischen Schiebungen betreffs Macedoniens ;at auch die bisher ungetrübte Freundschaft wischen Rußland und Frankreich einen Fettfleck rekommen. In der russischen Presse wird die französische Politik, die sich zu sehr für die An sprüche der Macedonier zu interessieren scheint und in dieser Beziehung mit England überein- stimmt, ganz gehörig abgekanzelt. Alles in allem genommen, sieht die Situation auf der Balkanhalbinsel nicht sehr frühlingsmäßig aus; man hat jedoch keine Ursache zu weitergehenden Befürchtungen, „wenn keine Komplikationen eintreten", wie unsere Herren Aerzte sich vor sichtig auszudrücken pflegen. — Ein an- mutendereS Bild bietet jedenfalls der Kopen hagener Besuch Kaiser Wilhelms. Aus den gewechselten Trinksprüchen hört man mit leb hafter Genugtuung den wärmeren Ton heraus, der sich zwischen Berlin und Kopenhagen ein gestellt hat, trotz 1864 und 1866. DeS Königs jüngster Schwiegersohn, der gleichfalls zum Geburtstagsbesuch bei seinem Schwieger vater weilte, ist leider durch die Erkrankung seines Sohnes vorzeitig nach Gmunden zurück gerufen worden und ist dadurch um die Ge legenheit gekommen, mit dem deutschen Kaiser persönlich zusammenzutreffen. So wenig zwischen dem Kaiser und dem König Christian von „Süd-Jylland" die Rede sein wird, so wenig hätten sich der Kaiser und der Herzog über Braunschweig zu unterhalten brauchen. Der Höflichkeitsakt, den Wilhelm II. in Kopen hagen vollzieht, hat ein kleines und kleinliches Gegenstück in Washington gefunden. Unser dortiger Vertreter Baron Speck von Sternburg hat als einziger auswärtiger Diplomat den Präsidenten Roosevelt zur Bahn gebracht, als dieser eine sechswöchige Reste nach den West staaten antrat. Es heißt, Baron Speck habe damit kundgeben wollen oder sollen, daß die Reichsregierung den Vereinigten Staaten die Offenherzigkeit des Admirals Dewey nicht nachtrage. Ob sich Roosevelt wirklich viel daraus machen wü de, wenn dies dennoch der Fall wäre, scheint doch fraglich I Höflichkeit ist gewiß eine große Diplomatentugend, aber man kann auch ihrer Ausübung des Guten zu viel tun.