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Ottendorfer Zeitung : 13.03.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-03-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190303135
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19030313
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19030313
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-03
- Tag 1903-03-13
-
Monat
1903-03
-
Jahr
1903
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 13.03.1903
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politische Aundlckau. Deutschland. * Kaiser Wilhelm wird dem König von Dänemark am 2. April einen Besuch abstatten. Da der 85. Geburtstag König Christians (8. April) in die Karwoche fällt, ge denkt Kaiser Wilhelm nicht am Geburtstage selbst, sondern bereits am 2. April nachmittags in Kopenhagen zum Besuche des Königs einzu- treffen. *Die Ko rum-Affäre ist, wie in der Kurie nahestehenden Kreisen aus Rom versichert wird, beigelegt. Formell wird Bischof Korum einen g e l i n d e n T ad e l von der Kurie er halten, in der Sache aber wird dafür gesorgt, daß seinen Beschwerden abgeholfen werden wird. * Kriegsminister v. Goßler hat den General kommandos der Armeekorps mitgeteilt, daß be sonderer Wert darauf gelegt werden müsse, daß Mannschaften, deren Dienstuntauglich keit festgestellt ist, nicht länger als unbedingt erforderlich im Dienst zurückbehalten und mittels eines beschleunigten Verfahrens seitens der Generalkommandos entlassen werden. * Große Schießübungen der Fuß - arlillerie finden in diesem Jahre aus den Schießplätzen Thorn und Wahn statt. Auf dem erstgenannten Schießplatz werden acht Fuß artillerie-Regimenter üben, darunter auch das Garde-Fußartillerie-Regiment, und zwar vom 3. bis 20. Juni. Seeschießübungen werden in Swinemünde, Neufahrwasser, Pillau ab gehalten werden. * Zur Volks schulfrage in Preußen ist von der freikonservativen Fraktion des Ab geordnetenhauses folgender Antrag zur zweiten Beratung des Kultusetats eingebracht worden: Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen, die königliche Staatsregierung zu ersuchen, baldigst den Entwurf eines Gesetzes vorzulegen, durch welches die Unterhaltung der Volksschule nach Maßgabe der Verfassung geregelt und unter entsprechender Er höhung der Staatszuschüsse den Übclständen abge holfen wird, welche aus der großen Ungleichheit der Lehrerbesoldungen für Schule und Lehrer, sowie für die Volksschulbudnng weiter Kreise der Bevölkerung erwachsen. * Gegenüber einer Blättermeldung, daß die Fe st ung König st ein aufhören werde, ein militärischer Platz zu sein, erklärt das sächsische Kriegsministerium, daß ein Aufgeben der Festung Königstein niemals in Frage komme, und daß sich demnach die bisher geltenden Be stimmungen über den Eintritt in die Festung nicht ändern würden. * Einen allgemeinen Kranken kassenkongreß hat die Ortskrankenkasse für Leipzig und Umgegend und die Zentral kommission der Krankenkassen in Berlin auf Sonntag den 15. März nach Berlin bemfen. * Eine Reichsbiersteuer ist im elsässischen Landesausschuß angekündigt worden. Dort erklärte nach den ,Münch. Reuest. Nachr.' am 3. März auf eine Anfrage wegen Aende- rung der Landesbiersteuer der Unterstaatssekretär v. Schraut, daß eine Aenderung der Landes biersteuer nicht empfehlenswert ist, weil eine Reichsbiersteuer in naher Aussicht steht. England. *Die englische Regierung stellt neuerdings lebhafte Nachforschungen nach dem Verbleib der von der früheren Transvaal-Re gierung angeblich nach Europa ge brachten Millionen an. Wie das ,Hamb. Fremdenbl.' mitteilt, ist zum Zweck der Ermittelung des Absenders jener Summe ein Privatdetektiv der englischen Regierung nach Transvaal abgeschickt worden. In seiner Be gleitung befindet sich ein höherer eng lischer Offizier, der den südafrikanischen Krieg mitgemacht hat. Mitglieder der früheren Trans vaal-Regierung haben von dieser Sendung, die geheim bleiben sollte, Kenntnis erlangt, sodaß die Transvaalgelder, von denen sich der größte Teil in Hamburg (?) befinden sollte, in zwischen fortgeschickt sein dürsten. Balkanstaaten. * Zur Ausführung des macedonischen Reformprogramms ordnet ein Jrade des Sultans die Amnestierung der politischen Verbrecher in Macedonien an; der Groß- Wesir erklärte einem Berichterstatter des ,Stan dard', die Reformen würden auf den Buchstaben ausgeführt werden. Die Türkei brauche nur Zeit. Überall in Macedonien seien Ingenieure mit dem Bau neuer Wege beschäftigt und es bestehe kein Zweifel, daß der Handelsverkehr in der Provinz infolgedessen sehr anwachsen werde. * Die deutschen Offiziere Auler Pascha, General Pinedgisch und Major Fitzan find mit der Reorganisation der Gendarmerie in Macedonien betraut worden. *Jn Serbien hat das Präsidium der Skupschtina zum Empfang bei Hofe aus Anlaß der Gedenkfeier der Proklation des König reichs keine Einladung erhalten. *Jn allen Städten Serbiens wurden Kundmachungen derBürgermeisterämter veröffentlicht, in denen die Bevölkerung darauf aufmerksam gemacht wird, daß im Augenblicke der Mobilisierung auf dem Kirchturme vier Fackeln entzündet werden, auf welches Zeichen sich alle wehrpflichtigen Männer bei dem zuständigen Kommando zu melden haben. Es verlautet auch, daß die Lieferung von 50 000 Mänteln und 100 000 Eßschalen und Feldflaschen ausgeschrieben wurde. * Zwischen dem Kronprinzen von Griechenland und dem Kriegsminister ist hinsichtlich der Heeres-Reorganisa tionsvorschläge des Ministers eine Ver ständigung erzielt worden. Amerika. * Der neue deutsche Gesandte für Venezuela, v. Pelldram, der jetzt auf dem Wege von New Jork nach Caracas ist, soll in New Jork geäußert haben, daß die von Venezuela an Deutschland für die erstklassigen Forde rungen zu zahlenden Summen Personen zu kommen, die in Venezuela leben, und im Lande selbst zu dessen großem Nutzen zur Verwendung gelangen werden. Afrika. *Jn Marokko sollte der Prätendent wieder einmal gefangen genommen sein. Wenigstens will der Gouverneur von Tanger diese frohe Botschaft empfangen haben. Die ,Köln. Ztg.' wiederum meldet, daß der Präten dent, nachdem ihm zwei Pferde getötet worden waren, auf einem dritten entkam. Doch sein Sonnenschirm, das Zeichen seiner Würde, fiel mit dem gesamten Lager und zwei früher erbeuteten Kanonen den Truppen des Sultans in die Hände. Achtzig Köpfe und fünfzig Ge fangene seien in Fes angekommen. Gleichzeitig wird gemeldet, daß Wgesandte der Kabylen aus der Umgebung von Melilla den Präten denten in seinem Lager besucht und gefunden haben, daß er noch immer über viele Partei gänger verfügt. Aus ciem Reichstage. Der Reichstag erledigte am 7. d. zunächst den Etat des Vensionsfonds. Dann wurde noch einmal die von der Bndgetkommission zurückgekommene Post assistentenfrage erörtert, wobei Staatssekretär Krätke daran festhielt, daß eine Vermehrung der etatsmäßigen Assistentenstellen über das ini Etat vorgesehene Maß hinaus durch die Bedürfnisse nicht gerechtfertigt sein würde. Zu einer Abstimmung über diesen Gegen stand kam es nicht, da das Haus nicht beschlußfähig war. Die Postassistentenfrage wurde zurückgestellt und mit der Beratung des Militäretats begonnen. Nachdem beim Titel „Ministergehalt" Abg. Kunert (soz.) über Soldatenmißhandlungen und Manöver fragen gesprochen hatte, wurde die Beratung vertagt. Am 9. d. wird die zweite Beratung des M ilitä r- Etats beim Titel „Ministergehalt" fortgesetzt. Abg. Müller-Meiningen (frs. Vp.) wünscht und begründet eine Neuuniformierung der deutschen Armee. Die jetzige sei zu verschwenderisch. Sogar konservative Blätter hätten sich dahin ausgesprochen. Die vielen Auszeichnungen erinnerten an die Tage von Jena und Auerstädt. In der französischen Armee nehme man schon verschiedene Vereinfachungen vor. Die jetzige Uniform, vor allem der Kragen und die Halsbinde, sei in sanitärer Beziehung unhaltbar. Die alten Bestände könnte man als Garnison- und Friedensuniform aufbrauchen. Unsere Soldaten seien nicht an indifferente Farben gewöhnt, wenn wir mit der Reform zu spät kämen. Abg. b. Ezarlinski (Pole) bringt den Thorner Polenprozeß, den Eid der jungen Leute und die Entziehung der Berechtigung zum einjährig-freiwilligen Dienst zur Sprache. Kriegsminister v. Goßler weist an der Hand eines gerichtlichen Erkenntnisses nach, daß der von den jungen Polen in verbotenen Vereinen geleistete Eid an Bedeutung weit über das hinausgehe, was er (der Minister) seinerzeit bei der Poleninterpellation ausgeführt habe. Abg. Zehnter (Ztr.) wünscht eine andere Be rechnung der Frachtspesen beim Verkehr der Proviant ämter mit den Lieferanten. 80 Pfennige für Naturalverpflegung seien in der heutigen Zeit viel zu wenig. Generalmajor v. Dallwitz: Die Frage der höheren Bewertung der Naturalverpflegung sei von mehreren Seiten in Fluß gebracht. Durch die Er höhung der Löhnung des einzelnen Soldaten nur um 10 Pf. täglich entstände eine Mehrausgabe von 600 000 Mk. jährlich. Wird der Verpflegungssatz aber erhöht, so würde das Millionen mehr kosten. Gegen die Änderung der Servissätze beständen die selben Bedenken. Abg. v. Gersdorff (kons.) bespricht den Be such des Kaiserpaares in Posen und knüpft daran den Wunsch, daß die Garnisonen in der Provinz vermehrt würden. Abg. Bebel (soz.) bemerkt, daß die Abgeord neten leider gezwungen seien, ihre Beschwerden noch mals vorzubringen. Redner beleuchtet dann den Duellunfug. Immer und immer wieder kämen Dinge vor, die man als Faustschlag ins Gesicht des Reichs tages empfinden müsse. Er erinnere an die Be gnadigung des Leutnants Hildebrand, für die doch Wohl der Kriegsminister die Verantwortlichkeit über nehme. Auch der Leutnant Thieme, der in Jena den Studenten Held erschoß, sei bald begnadigt worden. Einer der schwersten Fälle sei der des Rechtsanwalts Aye-Flensburg, der von seinem eben erst, Anfangs dieses Jahres, ans Afrika zurück gekehrten Gegner, einem Leutnant, erschossen wurde. Reserveoffiziere, die ein Duell ablehnten, würden verabschiedet. Kein Wunder, daß da der Duell unfug nicht verschwinde. Weiter wendet sich Redner zum Kapitel der Soldaten-Mißhandlungen. Charakteristisch sei die Tatsache, wie sich selbst noch vor Gericht die Soldaten als Zeugen aus Furcht sträubten, die Wahrheit zu sagen. Redner führt einige Fälle an, in denen die Verschiedenheit der Strafabmessungen dargetan wird. Weiter führt Redner aus, wie selbst Offiziere jetzt der Ansicht seien, daß die Armee in ihrer Ausbildung sich auf einem falschen Wege befinde. Das Gefechtsexerzieren werde zu wenig geübt. Die phantastischen Kaiser- Manöver erregten den Spott des Auslandes und fänden die Mißbilligung seitens der Sachverständigen in der Armee. Kriegsminister v. Goßler: Wesentlich Neues hat Herr Bebel heute nicht gesagt. Er sprach von Duellen. Im ganzen Jahre 1902 hat aber zwischen aktiven Offizieren kein einziges Duell stattgefunden. Ein aktiver Offizier war an dem Duell in Jena beteiligt, war aber von dem be treffenden Studenten ins Gesicht geschlagen worden. Die Begnadigung von Duellanten erfolgt stets nur auf Empfehlung des höchsten Militärgerichts, dem die Akten vorgelegen haben. Was die Vorgänge in Gumbinnen anlangt, so ist dort so scharf durch gegriffen worden, daß über die Auffassung an höchster Stelle wohl kein Zweifel möglich ist. Herr Bebel hat wieder Mißhandlungen uns vorgeführt. Ich kann hier nicht jedem einzelnen Falle nachgehen. Wenn solche Dinge Vorkommen, wie er sie geschildert hat, so ist natürlich die strengste Strafe gerade gut genug. Aber die Fälle prinzipieller Mißhandlungen sind doch sehr selten geworden. Das Urteil wegen Meuterei in Halberstadt ist aufgehoben. Der Minister weist dann die Bebelschen Bemängelungen der Aus bildung der Armee zurück. Die Truppen leisten bei den Manövern Hervorragendes, sie haben sich in ausgezeichnetem Lichte gezeigt. Gerade die Kaiser- Manöver lehren uns den Wert der Kavallerie schätzen. Daß das Ausland uns nicht lobt, ist natürlich. Abg. v. Tiedemann (freikons.) erklärt, schwere Mißhandlungen Untergebener seien durchaus zu ver urteilen, aber Bebel übertreibe. Redner wünscht dann noch Verlegung von Garnisonen möglichst in kleine Orte in der Provinz Posen. Minister v. Goßler fuhrt aus, daß hierbei doch auch stets die Kasernisrungs- und die Woh nungsfrage für die. Osfiziere in Betracht kommen müsse. Abg. Kunert (soz.) kommt nochmals auf die Kaiser-Manöver zurück, welche er zu kritisieren ver sucht. Vom Präsidenten Grafen Ballestrem daran gehindert, wendet sich Redner gegen diesen, und erst ein dreimaliger Ordnungsruf vermag ihn zum Schweigen zu bringen. Abg. Graf Roon (kons.) polemisiert gegen Bebel, dessen Methode dahin ziele, die Armee dem Volke zu verekeln. Würde das Experiment der zweijährigen Dienstzeit aufgcgeben, dann würden alle Klagen von Schinderei und Überanstrengung der Mannschaften von selbst aufhören. Abg. Südekum (soz.) stellt fest, daß gegen die Münchener Post', welche dem Hauptmann v. Feilitzsch Feigheit vorgeworfen, kein Strafantrag erhoben ist. Redner bringt dann einen Fall von Soldatcnmißhandlung bei der zweiten Kompanie des Hannoverschen Trainbataillons vor. Kriegsminister v. Goßler erklärt, daß gegen den Frh. v. Feilitzsch auch nicht der geringste Grund vorliegt, seinen Mut und seine Tüchtigkeit anzu zweifeln. Wir rechnen es uns zur Ehre an, den Mann in der preußischen Armee zu haben. Die Richtigkeit der Ausführungen des Vorredners über den zweiten Fall zweifle ich durchaus an. Abg. v. Oldenburg (kons.) gibt seiner Freude Ausdruck über die Begnadigung der beiden Leut nants. Beide sind eingetreten für diejenigen Auf fassungen, welche unser Offizierkorps zum ersten der Welt gemacht haben. Ohne das Duell würde das Ehrgefühl unseres Offizierkürps leiden. Nach einer Entgegnung des Abg. Bebel wird die Diskussion geschlossen und der Titel „Kriegs minister" bewilligt; desgleichen debattelos eine Reihe weiterer Artikel. Hierauf vertagt sich das Haus. VrruftUch-r Landtag. Im Abgeordnetenhause begann am 7. d. die Be ratung des Kultusetats. Abg. Dauzenberg führte lebhaft Klage, daß die Katholiken nicht als gleich berechtigt mit den Evangelischen von der Kultus- verwaltnng angesehen würden. Kultusminister Studt erklärte die Beschwerden des Abg. Dauzen berg für unbegründet. Auf Anregung des Abg. v. Epnern (nat.-lib.) erklärte der Minister, daß Ver handlungen eingeleitet seien betreffs Zurücknahmen des Publikandums des Bischofs Korum in Trier und daß mit der Frage der Aufhebung des ß 2 des Jesuitengesetzes der Bundesrat befaßt sei. Abg. Porsch (Zentr.) führte ebenso wie Abg. Dauzenberg Beschwerde über unparitätische Behandlung der Katholiken und bedauerte, daß der Minister keine Änderung des Ordensgesetzes in Aussicht gestellt habe. Der Minister erwiderte, daß den katholischen Krankenpflegeorden das weiteste Entgegenkommen ge zeigt werde. Abg. Sattler (nat.-lib.) betonte das Vordringen und die politischen Erfolge des Zentrum in der letzten Zeit und warnte die Regierung vor zu weitgehenden Konzessionen an das Zentrum. Das Abgeordnetenhaus setze am Montag die Be ratung des Kultusetats fort. Abg. Barth (frs. Vag.) fragte an, ob der bekannt gewordenen Zurücknahme des Trierer Schulerlasses irgend eine Gegenleistung des Staates gegenüberstehe. Kultusminister Studt teilte den Wortlaut der Zurücknahme der Kanzel verordnung des Bischofs Korum mit, welcher am letzten Sonntag in den Kirchen Triers verlesen worden ist. Danach hat der Bischof mit Rücksicht auf die Erklärungen des Ministerpräsidenten und Kultusministers im Abgeordnetenhanse, wonach die Regierung den Wünschen der Katholiken in bezug auf die Trierer Schulfrage gerecht zu werden beabsichtigt, im Einvernehmen mit der Kurie angeordnet, daß seine Kanzelverordnung „wegen veränderter Umstände" als nicht geschehen zu be trachten sei. Hierzu bemerkte der Minister noch, daß die Regierung nunmehr die Erhaltung eines fried lichen Verhältnisses in Trier erhoffe. Von unä fern. Der Grohherzog von Toskana stellt der Prinzessin Luise aus dem Hofarchiv den Geburts- und Trauschein zur Verfügung, damit die sächsische Regierung in der Lage ist, einen Heimatsschein auszufüllen, da die Prinzessin auch nach ihrer Scheidung die Heimat ihres Gatten hat. Sachsen hat, nach dem ,Fränk. Kur.', vorläufig aber die Ausstellung abgelehnt. Hochherzige Stiftung. Wie aus Aachen gemeldet wird, schenkten die Erben des ver storbenen Großindustriellen Heinrich Cockerill an die Stadt Aachen 200 000 Mk. für solche Unter stützungsbedürftige, welche die Berechtigung zur Armenunterstützung noch nicht erlangten. Frau Krupp hat dieses Jahr ihr Ein kommen nur auf 13 bis 14 Mill, geschätzt, während Herr Krupp in den letzten Jahren 22 Mill, deklarierte. Der Steuerausfall macht sich deshalb in den Finanzen der Stadt Essen sehr empfindlich bemerkbar. Die Abnahme des Einkommens ist, wie die /Franks. Ztg.' schreibt, zum Teil auch den hohen Stiftungen (4 Mill, für die Versicherungskafsen und Wohlfahrts einrichtungen, 1 Mill, für die Stadt Essen) und den bedeutenden Legaten Krupps an einzelne ihm nahestehende Personen zuzuschreiben. Krupp entrichtete in den letzten Jahren über 1 Mill. Alk. an Steuern. U Das Uebe 6elä. 4l Roman von Fritz v. Wickede. f^orf'k'tzNttgJ „Gewiß nicht, bestätigte die junge Frau mit Nachdruck, „Dora von Werdau ist ebenso lieb und gut, als der Freiherr boshaft und ver schmitzt ist." „Ein harter Ausdruck, meine Gnädige," versetzte Overkamp lachend, „aber Sie haben den Hem: vortrefflich charakterisiert." Ein leichtes Rot hatte Helenes Wangen über haucht. „Ich weiß selbst nicht, warum ich diese Be zeichnung gebrauchte," bemerkte sie, „seine Er scheinung hat eben auf mich einen abstoßenden Eindruck gemacht." „Wie es bei jedem Besserdenkenden auch sein muß," meinte der Doktor ernst. „Werdau ist ein Mensch, bei dem das alle Wort . nobisE odlixs- nicht am Platze ist. Im Gegenteil, sein adliger Name dient ihm zum Deckmantel, um gewisse Streiche ungehinderter ausführen zu können." Ein Diener trat ein, um dem Herrn des Hauses mit leiser Stimme eine Meldung zu er statten. Als jener sich entfernt hatte, rief Eduard mißmutig: „Man male den Teufel nicht an die Wand — soeben läßt sich Herr von Werdau in einer geschäftlichen Angelegenheit melden. Was kann das sein? Er wird mir doch nicht etwas zum Verkauf anbieten wollen? — Der Diener sagte, er hätte einen zweiten Herm mitgebracht. Nun, ich werde mir Mühe geben, mich bald los zumachen." Mit diesen Worten verließ Eduard das Ge mach, während Helene auf den Balkon hinaus trat und sich bequem in ihren Schaukelstuhl gleiten ließ, der zwischen blühendenGranatbäumen und hohen Blattpflanzen stand. „Kommen Sie, Doktor," sagte sie, „wir wollen uns durch diesen Herm von Werdau nicht in unserer Behaglichkeit stören lassen." Overkamp nahm unweit der jungen Frau auf einem der umherstehenden Stühle Platz. Einige Augenblicke schwiegen beide; während Overkamp mit unverkennbarem Genuß seine Zigarre zu Ende rauchte, spielte Helene mit einer Granatblüte, die sie soeben vom Stamm gebrochen. Ihre Augen ruhten sinnend auf dem Antlitz des Mannes vor ihr und zum ersten Mal sagte sie sich, daß Overkamp eigentlich ein schöner Mann genannt zu werden verdiente. Overkamp war nicht so groß als Eduard von Rembold, aber seine Gestalt, obwohl sie ein wenig zur Fülle neigte, entbehrte nicht einer ge wissen Vornehmheit." Der Kopf mit dem an den Schläfen etwas zurücktretenden Haar war interessant und der spitz geschnittene Vollbart verlieh seinem Gesicht einen tatkräftigen Ausdruck; er war im ganzen genommen eine Erscheinung, die überall, wo sie austrat, des Erfolges sicher sein konnte. „Doktor," sagte Helene plötzlich unvermittelt, wie sie das Overkamp gegenüber gem zu tun pflegte, „wie kommt es eigentlich, daß Sie noch nicht verheiratet find?" „Das liebe Geld, gnädige Frau," entgegnete er lustig, die Asche von seiner Zigarre schnellend. Helene hatte eine unangenehme Empfindung beim Anhören dieses Wortes. Sie mußte unwillkürlich an den Areiherrn von Werdau denken. „Wie soll ich das verstehen?" fragte sie, sich etwas aus ihrer bequemen Stellung auf- richteud. Overkamp lachte. „Einfach so, gnädige Frau: Erst war ich zu arm, um heiraten zu können, und seit ich etwas besitze, bilde ich mir ein, ich könnte meiner Stellung wegen geheiratet werden. Sie sehen also, immer ist es das Geld, das dabei eine Hauptrolle spielt." „Immer?" fragte Helene träumerisch. „Ich dächte doch nicht." Der Doktor war mit einemmal sehr ernst geworden. „Wenn man alle Umstände genau abwägt und bettachtet — immer," versetzte er. „Der Besitz ist und bleibt einmal dasjenige, um welches sich aller Wünsche und Hoffnungen drehen — Geld und immer wieder Geld, das ist die Haupttriebfeder aller Handlungen im menschlichen Leben." „Sprechen Sie im Ernst?" rief Helene fast unwillig. „Gewiß, weil ich aus Erfahrung spreche. Sie, gnädige Frau, find immer reich gewesen und haben es wahrscheinlich noch nicht erprobt, welche unendliche Macht über die Verhältnisse uns der Besitz des Geldes verschafft. Nehmen wir zum Beispiel Fräulein Dora von Werdau; sie ist, wie Sie sagen, gut, schön und liebens würdig; sie wäre für jeden eine Perle, ein Juwel, wenn fie reich wäre. Wenden Sie mir nichts von dem Charakter des Vaters der jungen Dame ein — ich behaupte, daß, wenn er heute noch das Vermögen besäße, daS ihm einst seine Gattin zugebracht, er trotz seiner Fehler ein angesehener Mann wäre. Der dichteste Schleier, um alle Mängel zu verhüllen, ist das Geld; das ist und bleibt eine vielleicht traurige, aber unumstößliche Tatsache." Helene schauderte leicht, als ob sie stiere. „Seltsam," sagte sie dann, „genau denselben Grundsatz, oder vielmehr dieselbe Behauptung hat vor einigen Monaten der Freiherr von Werdau gegen mich aufgestellt. Ich gestehe, von diesem Manne hat es mich doppelt peinlich berührt, aber —nein," fuhr sie fort, sich elastisch austichtend, „ich will Ihnen doch nicht unbe dingt recht geben. Warten wir ab, was die Zeit in ihrem Schoße für uns birgt." Es klang so prophetisch, daß Helene vor dem Ton ihrer eigenen Stimme erschrak. — Overkamp meiste die Veränderung in ihren Zügen und sagte, um sie von ihrer Verstimmung abzu lenken : „So will ich Ihnen denn als Beweis meiner vorhin gemachten Behauptung einen kleinen Ab schnitt aus meinem Leben erzählen, den bisher nicht einmal Eduard von mir gehört hat. Es war im Anfang meiner Laufbahn und ich damals das, was man nicht schön, nicht poetisch, aber sehr wahr, einen armen Teufel nennt. Reich war ich nur an Hoffnungen für die Zu kunft, aber bekanntlich ist es um Hoffnungen nur dann eine schöne Sache, wenn man sie erfüllt sieht; für gewöhnlich sind es Seifen blasen, oder noch besser ausgedrückt, Irrlichter,
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