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Die „Dttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen i,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme vonZInseraten bis vormittag w ^Uhr' fJnseratTwerden'mit so Pf. für die Sxaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr. 27. Mittwoch- den 4. März 1903. 2. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Dttendorf-Dkrilla, 3. März 1903. — An hiesiger Kassenstelle des Vereins zur Konfirmanden-Aussteuerung in Dresden wurden in der vorigen Woche an 22 Kon firmanden k 06,94 Mart Spareinlagen aus gezahlt. Die am Sonntag, den 1. März 1903, im Gasthof zum „schwarzen Roß" in Otten dorf abgehaltene Versammlung zur Gründung eines Geflügelzüchter-Verein wies trotz des schlechtes Wetters, welches eingetreten war. einen sehr guten Besuch auf. Der Verein ist gegründet worden, jedoch mit der Ausdehn ung auf die Ortschaften Ottendorf-Okrilla, Moritzdorf, Cunnersdorf, Lomnitz, Seifersdorf, Wachau, Grünberg, Hermsdorf, Medingen, Höckendorf und Naundorf um möglichst hier allen Interessenten entgegen zu kommen. Die von verschiedenen Seiten vorgelegten Statuten Nahmen eine größere Zeil in Anspruch und sind zur Ausarbeitung derselben die Herren Gärt nereibesitzer Friedrich Matthes, Gasthofsbesitzer Wilhelm Hanta und Briefträger Eckhardt ge wählt worden. Die Statuten sollen am 15. März 1903, Nachmittag 4 Uhr, im Gast hof zum „schwarzen Roß" in Ottendorf zur Beschlußfassung vorgelegt werden, wozu alle Beteiligten noch darauf aufmerksam gemacht werden auch Diejenigen, welche gesonnen sind dem Vereine beizutreten, können sich an diesem Tage zur festgesetzten Zeit einfinden. Es soll der Gesamt-Vorstand gewählt werden und die Einreichung der Statuten an die Königliche Amtshauptmannschaft zur Genehmigung be schlossen werden. Es ist daher sehr erwünscht, daß sich j,da alle Interessierenden für Ge flügel- und Kaninchenzucht sowie Tiersport möglichst zahlreich einfinden, damit diese Ver. sammlung dem vorgesteckten Ziele bedeutend näher gebracht wird und dieser an und für sich, mit ,0 großen und wichtigen Gebiete wi. die Geflügelzucht bietet, sehr viele Anhänger derselben hat und sich hier zur vollen Ent wickelung durch Aussprache über gegenseitige Erfahrungen auf diesem Gebiete gemacht wird. — Durch vergeßliche Spieler wird all jährlich den privaten und den Staatslotterien ein hoher Betrag geradezu geschenkt; das Kapitel der „unabgehobenen Gewinne" weist in der Regel eine ansehnliche Summe auf. Auch unsere königlich sächsische Staatslotterie ist in der glücklichen Lage, den den sächsischen Steuer zahlern zugute kommenden Ueberschuß — für die Etatsperiode 1902/1903 4 265 096 Mark — um 10541 Mark höher einstellen zu können, als in der vorhergehenden Etats periode; dieser Mehrüberschuß ergiebt sich eben falls zum größten Teile daraus, daß Gewinner zu ihrem Schaden übersehen, daß sie mit einem kleineren oder größeren Gewinne „herauvkamen." Der preußische Staat hat Ende 1902 badura, ein außerordentlich gutes Geschäft gemacht, daß sogar der Hauptgewinn der 4. Klasse der 204. Lotterie nicht erhoben wurde, wodurch der Nutzen der Lotteriekaffe infolge der Ver geßlichkeit oder Nachläffigkeit einzelner Spieler sich auf fast 430000 Mark erhöht. Wie mancher Fortunaverehrer wird beim Lesen dieser Zeilen an seine Brust schlagen und aus rufen: „DaS könnte mir nicht passieren!" — Für das Mobilmachungsjahr 1903/04 — vom 1. April 1903 ab — wird die Ein berufung der Mannschasten des Beurlaubten standes — Reserve, Landw.hr I und II, Er satzreserve, Dispositionsurlauber — wie für das laufende Mobilmachungsjahr erfolgen und erhalten vorgenannte Mannschaften bererts im Frieden eine Mitteilung — Kriegsbeorderunf oder Paßnotiz — über ihre Verwendung im Falle einer Mobilmachung in der Zeit vom 1. April 1903 bis 31. März 1904. Hierzu wird noch bekannt gegeben: 1) Die Aus tragung der Kriegsbeorderungen beziehungsweise Paßnotizen wird in der Zeit vom I. dis 15. März erfolgen und zwar innerhalb der Stadt Dresden durch Militärpersonen, im Landbezirk durch Vermittlung der Ortsbehörden. 2) Etwa im Hauptmeldeamt noch nicht zur Anzeige gebrachte Wohnungsveränderung ist umgehend zu melden. 3) Die Mannschaften des Beurlaubtenstandes haben an den vorge nannten Tagen, innerhalb derer die Austragung erfolgen wird — falls sie nicht selbst zu Hause ein können — eine andere Person des Haus tandes oder den Hauswirt mit Empfangnahme der Kriegsbeorderung oder der Paßnotiz zu be auftragen. 4) Jeder Mann des Beurlaubten- tandes, der Ins 15. März 1903 keine Kriegs- leorderung oder Paßnotiz erhalten, hat mes osort dem zuständig.» Bezirkstommando (Huupl- neldeamt) schriftlich oder mündlich zu melden. 5) Die vom 1. April d. I. ab Nicht mehr gültigen alten Kriegsbeorderungen oder Paß- nollzen sind an diesem Tage zu vernichten. — Nachdem die Blokade gegen Venezuela eingestellt worden ist und damit das mobile Verhältnis der beteiligten Streitkräfte aufgehört hat, können Postsendungen an und von Personen der Besatzungen S. M. Schiffe in den westindischen Gewässern nicht mehr als Gegenstände der Feldpost zur Beförderung ge langen; es kommt daher die nach der Be kanntmachung vom 11. Januar zugestanoem Portofreiheit und Portoermäßigung in Wegiaii. Für den Poslverkeyr mit diesen Scyfffs- oejatzungm geilen von jetzt ab wieder die un Verkehre mit den deutschen Kriegsschiffen im Auslände allgemein bestehenden Portos ätze, — Von der Geschäftsstelle des „Sächsischen Landesverbandes gegen den Mißbrauch geistiger Getränke" in Dresden ist eine Schrift: „Was sollst Du vom Bier und Branntwein wissen?" herausgegeben worden. Dieselbe bietet in knapper Form alles Wissenswerte über die einschlägigen Fragen und kann zu einer weiten Verbreitung in allen Schichten der Be- oülkerung angelegenilichil empfohlen werden. Sie ist von der Geschäftsstelle bei portofreier Zusendung zu folgenden Preisen zu beziehen: 1 Exemplar 25 Pf., 10 Exemplare a 20 Ps., 50 Exemplare ä 15 Pf-, 100 Exemplare ä 13 Pf. — tz 883 des Bürgerlichen Gesetzbuches be stimmt: „Wird durch ein Tier ein Mensch ge tötet, oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt, oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, der das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen." Diese Bestimmung hat nament lich die Haftpflicht der deutschen Landwirte außerordentlich erhöht und viele von ihnen veranlaßt, teilweise un Anschluß an die land wirtschaftliche Berufsgenoffenfchasl, zur Selvst- hilfe auf der Grundlage der Gegen, eMgtcu und ÖesMllichtell zu schreilen und sich umec- einander gegen elwaige Folgen dieser vermehrten Haftpflicht zu versichern. In dieser Richtung ist man bereits in einigen preußischen Provinzen, Hannover, Westfalen, Schleswig- Holstein und im Königreich Sachsin erfolgreich vorgegangen. Wie verlautet, fleht ein weUerer Ausbau dieser übrigens mchl obligatorischen Versicherung auf berufsgenossenfcyasllicher Grundlage bevor. Radeburg. Hier findet am 8. März nachmittags 3 Uhr eine Bezirksversammlung, veranstaltet vom landwulschafilicyen KrelSverecn zu Dresden, um dem Bedürfnis nach Belehr ung und Gedankenauslausch über landwirt schaftliche Fragen von allgemeiner Bedeutung abzuhelfen, zu dem besonders die landwirt schaftlichen Vereine eingeladen werben, statt. Unter anderen findet auch eine Versammlung m Meißen statt. Bei allen Versammlungen wird Herr Oekonormerat Andrä-Braunsoor über die land- und forstwirtschaftliche Berufs- genossenschafl, ihre Einrichtungen und ihre Ver waltung Vortrag halten. Außerdem erfolgt hier ein Vortrag über rationelle Kalidüngung von Herrn Oberlehrer Dr. Schellenberger aus 'Meißen. Dresden. Die Gerichtsverhandlung gegen den immer noch wegen Verdachtes des Betruges und der versuchten Erpressung inhaf tierten Rechtsanwalts Vr. jur. Franz Bern hardt in Dresden wird erst im Laufe des Monats April vor der II. Strafkammer Les königlichen Landgerichts staltfinben. Lie Unter- uchung gegen Dr. Bernhardt wird vom Lanü- gerichtsral Vogt geführt und gestaltet sich zu einer umfänglichen und zeitraubenden, da ver- chiedene auswärtige Zeugen in der Sache ver- iommen werden müssen und die Angelegenheit eine sehr verwickelte ist. Die Verteidigung Dr. Bernhardts hat der bekannte Berliner Rechtsanwalt Dr. Sello übernommen. Colla. Der bei dem hiesigen Postamte be- chäftigle, unverheiratete Postbote Rassig hat nach Unterschlagung von ca. 700 Mark die Flucht ergrlffen. Blasewitz. Heute Abend wird im Saale des Hotel Bellevue hier der letzte Familien- abend dieses Winters für unsere Kircheu- gemeinde gehalten, bei dem Pfarrer Clauß aus Medingen über den Dichter Heinrich Seidel sprechen wird. Grova, 1. März. In der am Don nerstag staltgehabten L-itzung des Gemeinde- rates sil dem Vernehmen nach m der Gememve- oorstand Oitoschen Angelegenheit ein Ueberem- tommen oahln erzielt worüen, daß Herr Otto üer Gemeinde 25oo Mark Entschäoigung zahl! und auf den beanstandeien Gehalt, ebenso aus Pension für sich und seine Ehefrau verzichtet, die Gemeinde dagegen alle weiteren Klagen einsiellt. Ortrand. Die Brikettfabriken in Bock- witz, Naunoorf b- L., Casiebrau usw. arbeiten gegenwärtig mit beschränktem Tagesdienst. Die Abnehmer fordern infolge des müden Winters ihren Abschluß nicht ab. Die Werke haben daher großen Vorrat. 'Muhlberg a. d. E. Der Arbeiter Dietrich in Arzberg, welcher, wie wir berichteten, un Fieberwahn, nur mit Hemd bekleidet, sich heimlich aus seiner Wohnung entfernt hatte, wurde von der Ehefrau in der alten Elbe, im Gestrüpp hängend, tot aufgefunüen. Leipzig, I. März. Zn allen hiesigen Geschäflsk.elsen hat es außerordentlich ver- silmmt, daß eine Schnellzugsoeromdung von Leipzig nach Dresden am Vormittag uno von Dresden nach Leipzig am Avend in Wegfall gekommen sino. Auch oer Rai unserer «raor veschlog in seiner gestrigen Plenarsitzung, sich dem Gesuche der Han erstammer um Wieoer- eliifühcung dieser Lchneuzuge anzuschlleßen. — Heule lrasen bereits ine meisten Grossisten für ine morgen veginnenoe Osiec-Vormesse hier em. Zn allen Meßcentren, msvesondere lm staüt- lschcn KanfiMise, herrschte em außerordentlich oewegles Leven und Treiben; die ersten 'Meß lage sind erfahrungsgemäß die besten und für oas ganze Meßgescyaft maßgebend- Annaberg, 2. Marz. Gestern abend gegen 1/2! 1' Uhr sind aus dem österreichisch- sachsischen Grenzbahnyofe Weipert infolge Les herrschenden Slurmes zwei üer Buschleyraoer Eisenbahn gehörige Güterwagen nach Bären- siein-Cranzayl zu davongelaufen. Sie fuhren kurz hinter Bärenstein auf den abends 9 Uhr 40 'Minuten von hier nach Weipert verkehrenden Personenzug auf, doch fand nur Sachbeschädi gung statt. Nus Ler Woche. Die Venezuela-Angelegenheit schleppt sich in langsamstem Tempo weiter. In Washington werden immer noch Protokolle fabriziert und die aus der Affäre erwachsenden Kosten dürften höher sein, als die strittigen Forderungen. Die Gerichte machen es mchl billig und das Haager Schiedsgericht hat für len ersten von ihm ge schlichteten Streitfall (zwischen den Vereinigten Staaten und Mexico) eme Kostenrechnung aus ¬ gestellt, die nicht gerade dazu angetan war, für die schiedsrichterlichen Entscheidung nationaler Streitigkeiten im Haag Stimmung zu machen. Marokko bleibt auch noch eine offene Wunde. Wie es da eigentlich steht vermag niemand zu agen; die Meldungen schillern in allen Farben — heute so, morgen so! Nichts erscheint so bestimmt, als daß eine Entscheidung noch nicht gefallen ist. Ernster und uns näher angehend slnü die Dinge in Macedonien, wo es fraglich erscheint, ob die von den 'Mächten verlangten und vom Sultan zugesagten Reformen imstande ein werden, den drohenden großen Kladderadatsch auszuhalten. Dem guten Willen des Sultan stellen sich die mohamedanischen Albanesen in den Weg, die jeden Reformversuch mit einem allgemeinen Aufstande ihrerseits zu beantworten gedroht haben. Sie sind ohnehin schon erregt darüber, daß sie bei dem Streit um das neue russische Konsulat in Usküb den kürzer« ge zogen haben. Bulgarien behält seine zwei deutige Haltung bei und die „verhafteten" Führer der beiden feindlichen macedonischen Komitees sind teilweise wieder entkommen, teil weise wieder freigetaffen worden. Die Wühlerei geht weiter. In Holland sind die alten ge mütlichen Zustände auch vorbei. Die Re gierung will sich gegen die Möglichkeit eines abermaligen Effeubahnarbeiter - Streiks, durch weichen der ganze Handel und Wandel des üanöes latzmgeiegt würde, nach Möglichkeit schützen und Hal deshalb der Kammer strenge Mrafgesitze gegen streikende Verkehrs-Beamte und -Angesleltte vorgelegt. Allerdings will sie dabei auch die Strasvefttmmung für die Be amten etwas mudern, die sich irgend einer anderen dienstlichen Verfehlung oder eines Ver sehens schuldig machen; die ohnehin nicht glänzend enttohnlen Bahnbeamten stehen während ihres Dienstes stets mit einem Fuß im Ge fängnis. Ihre hohe Verantwortlichkeit für die Sicherheit des Bahnbetriebes steht keineswegs im Einklänge mit ihrem Einkommen. Daß da ein gerechter Ausgleich geschaffen werde, nicht nur in Holland, ist eine Frage der Gerechtig keit. — England will neue Armeekorps auf- stellen, Griechenland sein ganzes Heer in ein Armeekorps zusammenfassen, Österreich Hal eine neue Weyrvorlage durchgesetzl, Deutschland prüft sorgfältig jein Kanonenmaterial, Italiens Schmerz ist die Größe seines stehenden Heeres, Spanien will sich eine neue Flotte schaffen, Nordamerika legt sich beim Flottenbau scharf ms Zeug! Wohin man nur blickt, überall Rüstungen und Verstärkungen! Rußland, das selber an einer ungeheuren Schuldenlast zu tragen hat, will China Gelder vorstrecken, da mit dieses seine „Wirren"schulden pünktlich abtragen kann und nicht in neue Konflikte mit den auswärtigen Grochmächten gerät. Der Zar hat ein gutes Herz, wie er schon durch seme Idee der allgemeinen Entwaffnung gezeigt! — Bei uns in Deutschland geht man an die Wahlvorbereitungen. Karlelle der verschieden sten Parteien gegen die Sozialdemokratie sind schon in Sachsen, aber auch in einigen anderen Wahlkreisen zustande gekommen. Der Bund der Landwirte scheint bei der Regierung völlig in Ungnade gefallen zu sein. Die bayrische MimsteUrlse zieht wettere Wellen; auch der Fmanzminister Riedel will zurücktreten. Der Aufhebung des Z 2 des JesultengesetzeS scheinen nicht alle Landesregierungen geneigt zu sein, besonders die sächsische nicht, deren amtliches Organ zu einer Opposition im Biümarckschen Sinne auffordert. Da spielt dann wieder die Trierer Angelegenheit hinein, wo der Bischof vor dem Besuch eines paritätischen Semninars nuter Androhung von kirchlichen Strafen ge warnt hat, uno die Babel-Bibel-Bebel-Affäre, zu der der Kaiser nun öffentlich Stellung ge nommen hat. Das 'Mosaik der Tagesgeschichte läßt also an Buntheit nichts zu wünschen übrig, trotzdem ist es aber nicht schön, wenn gleich die Schmutzflecken ä la Giron abzutrocknen und zu verbläsfen beginnen.