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Ottendorfer Zeitung : 30.11.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-11-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190211308
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19021130
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19021130
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-11
- Tag 1902-11-30
-
Monat
1902-11
-
Jahr
1902
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 30.11.1902
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Politische Rundschau. Deutschland. * Der Kaiser nahm am Mittwoch mittag in Essen an der Beisetzung Krupps teil. Gleich nach der Beisetzung trat er die Rück reise nach Berlin an. — Nach der ,Schles. Zeitg.' trifft der Kaiser am Freitag abend in Neudeck Seim Fürsten He nckelv. Donners marck ein, am Sonntag in Groß-Strehlitz beim Graten Renard-Tschirsky. am Dienstag in Llawentz'tz beim Fürsten Hohen lohe und am Donnerstag in Drachenberg beim Füsten Hatzfeld. Deutschland und England planen einegemeinschastlicheFlottenkund- gebung gegen Venezuela. * Zwischen den Regierungen einerseits und der Zentruwspartei anderleit? ist das Kompromiß ÄS abgeschlossen und eine Mehrheit für dasselbe durch den Anschluß anderer Parteien als gesichert zu betrachten. Die Regierung ist einverstanden mit der Erhöhung des Mindestzolles für G rste von 3 auf 4 Mk., lodern es sich um Braugerste handelt, wo- a-gen der Mindestzoll für Futtergerste überhaupt in Fo tfall kommt. Für Futtergerste soll der Tarifzoll gleick dem MatSzoll auf 4 Mark festgesetzt werden. Da die Nationalliberalen von vornherein für die Regierungsvorlage eingetreten find und ein Anschluß der Gruppen der Deutsch-Hannoveraner, Polen und Elsässer sowie Antisemiten an das Kompromiß er- waetet wird, auch die Freikonservativen demselben geneigt »ein sollen, so rechnet man au, eine Mehrheit von 220 Stimmen, auch wenn die Deutschkonser- vativen sich mit ihren sechzig Stimmen nicht an- schließen. Die Deutschkonservativen verhalten sich noch ablehnend und verlangen mindestens Ermäßi gung der Eisenzölle. Dagegen aber find die Nationalliberalen. *Zum bayrischen Justizminister an Stell« des zurückgetretenen Frb. v. Leonrod ist RrichSgcrichtsrat Miltner ernannt worden. *Der bayrische Finanzminister Frh. v. Riedel feierte am Dienstag sein 25jährigeS Ministerjubiläum. Im Jahre 1877 wurde der damalige Ministerialdirektor im Ministerium deS Innern Dr. Riedel als Nachfolger d:S Herrn von Berr an die Spitze des Finanzministeriums berufen. * Offiziös wird geschrieben: Von verschie denen Verbänden werden neuerdings Agi tationen ins Wer! gesetzt für eine weitere Ab kürzung der Beschält igungszeit der Angestellten in den offenen Ver: auf 8- steilen, als fie bereits durch die letzte Ge- werbeordnunModelle (Neun Uhr-Ladenschluß und zehn bezw. elfstündige Ruh: zeit) gewähr leistet wird. In den Kreisen der verbündeten Regierungen ist man übereinstimmend der Au-» sassung, daß an eine Revision der geltenden gesetzlichen Bestimmungen zunächst nicht herangetreten werden kann, da die durch die letzte Gewerbeordnungsnovslle erfolgte Lösung der Frage als eine ausreichende und zweck entsprechende erachtet wird. *Jm Landtage von Schwarzburg- Rudolstadt, von dessen 16 Mitgliedern 7 Sozialdemokraten sind, wurde der Sozial demokrat Winter zum Vizepräsi denten gewählt. Die Mehrheit gab bei der Wahl unbeschriebene Stimmzettel ab. Frankreich. * Nur Interpellation im Senat erwiderte Kriegsminister Andrö, er müsse zugeben, daß die Sterblichkeit in der französischen Armee viermal so groß sei als in der deutschen. Hieran trage aber nicht das San tätskorps schuld, das tadellos sei. Die Ursache der meisten Todesfälle sei Schwind sucht, man Zähle deren in der französischen Armee 1415, in der deutschen dagegen nur 129. Di; Schwindsucht sei die Krankheit Frankreichs. Außerdem erklärten die Aerzte die sich stellen den Leute zu leicht für diensttauglich. Er habe deshalb die Aerzte angewiesen, zu schwache junge Leute sofort wieder heimzuschicken. England. *Der Schiedsspruch des Königs Eduard in dem chilenisch-argen tinischen Grenz st reit gewährt keiner Partei das streitige Grenzgebiet. Von dem 94 000 Quadrakilometer großen Grenzgebiet erhäli Cinle 54 000 Quadratkilometer und Ar gentinien ungefähr 40000. * Ueber die ans dem südafrikanischen ! Krigezu gewährenden Entschädigungen bemerkte am Montag Chamberlain im Unterhaus; auf eine Anfrage, die letzte im Kap- Parlament angenommene Akte bestimme, daß dec für diesen Zweck ausgesetzte Geldbetrag in erster Linie den loyalen Bürgern gegeben werde. Wenn aber nach Befriedigung ihrer Ansprüche noch ein Uberschuß bleiben sollte, dann solle eine Entschädigung denen gewährt werden, die sich zuerst den Aufständischen angeschlossen dann aber sich ergeben hätten und loyal geblieben seien, und zwar für die Verluste, die fie in der Zeit erlitten hätten, wo fie loyal gewesen seien. Die englische Negierung werd; nicht gestatten, daß irgend welche Geldsummen aus englischen Mitteln oder Mitteln Transvaals zur Schad loshaltung von Rebellen verwandt würden. *Chamberlain hat am Dienstag seine Fahrt nach dem Kaplande angetretm. Schweiz. * Am Montag begann in Genf ein eigen artiger Vrozeß; die KriegsgerichtsverhaMnng gegen 17 Wehrpflichtige, die sich bei dem allgemeinen Truppenaufgebot während der Unruhen des Genier Generalansstandes ihrer Dienstpflicht entzogen hatten, weil fie nicht gegen Gesinnungsgenossen marschieren wEen. Insgesamt waren damals 820 Mann nicht eingerückt, etwa 200 haben jedoch annehmbare Entschuldigungen Vorbringen können. Während 108 disziplinarisch bestraft wurden, find die 17 schwersten Fälle, darunter der des ArbeitersekretSrs Sigg, nun vor dem Kriegsgericht anhängig. Der erste Angeklagte, ein Tischler namens Wyß, wurde zu 2 Monat Gefängnis verurteilt. In der Nachmittags« fitzung wurden drei weitere Ausreißer zu Ge fängnisstrafen von 4—12 Wochen verurteilt, em Korporal mit Namen Zcmgg außerdem zur Degradation. Amerika. * Nach einer Meldung aus Caracas (Vene zuela) vom Sonntag geht General Belutini mit 2500 Mann nach Barcelona und Ciudad Bolivar ab, um einen Feldzug gegen die Aufständischen einzuleiten. Der Au ist and ist somit trotz aller gegenteiligen Versicherungen nochimmer nicht völlig niedergeschlagen. * In Havana ist ein Generalstreik ausgebrochen. Es ist weder Brot noch Fleisch käuflich. Straßenbahnwagen wurden zer trümmert und mehrer- Betriebsbeamie verletzt. Vor dem Palast des Präsidenten Palma kam es zu einer Kundgebung, bei der zwei Aus ständige getötet, ein Poiizeihauptmann und zwei Schutzleute verwundet wurden. Afrika. *Die italienische Regierung gestaltete, daß die gegen den Mullah in Somaliland vorgehende britische Streitmacht unter General Manning den Vormarsch von Obbta, das Mr 130 Meilen von der Fest- de"? Mullah entfernt liegt, beginnt. Die Scheichs von OSbia er« boten sich, den Briten 8000 Zugtiere und 300 Reiter (Kundschafter) zu liefern. Den neuesten Meldungen Zufolge schloß sich dem Mullah, der 120 Meilen südöstlich von Bohotle stehe, der ganze Dolbahantastamm an; der Mullah ver fügt jetzt über eine Streitkraft von 32 000 Mann, von denen 6000 Schußwaffen haben und 5000 beritten find; die übrigen find nur mit Speeren bewaffnete Fußtruppeu. Es ver lautet, der Mullah marschiere gegen die britenfreundlichen Stämme im Westen seines Machtbereichs, zu deren Schutze Manning Maßregeln ergriffen habe. *Die Errichtung emes Laud-Departements sowie die Einsetzung eines Land-Kom- miss arsfürTransvaal, welchem Bezirks komm fsvre unterstehen, wird amtlich in Pretoria bekannt gemacht. Kronländereien werden in Zukunft nur unter besonderen genau festgelegten Bedingungen veräußert. Die etwa aus Regie rungsland entdeckten Mineralien bleiben auf jeden Fall Eigentum der R e c. i; - r u n g. Affe«. * Zwischen den fremden Truppen in Peking scheinen arge Zwistigkeiten zu herrschen. Ein österreichischer Matrose, der Polizeidienste that, tötete nach einer,Reuters- Meldung aus Peking vom Montag durch einen Schuß einen angetrunkenen italienischen Matrosen, der fich der Festnahme widersetzte. Um Zu sammenstöße zu vermeiden, dürfen die österreichi schen und italienischen Truppen die Kasernen nicht verlassen. Ans dem Reichstage. Der Reichstag setzte am Dienstag die zweite Be ratung des ZolltarifgesetzcS fort. Zunächst wurde eine namentliche Abstimmung über den zum 8 11 gestellten Antrag Bebel wiederholt, wonach 100 Mill. Mk. von den Zollerträgen für Schul zwecke verwendet werden sollten. Der Antrag wurde mit großer Mehrheit abgelehnt. Nunmehr gingen die Tozialdemokraten mit einer Reihe von neuen Abänderungsanträgen zum § 11 vor. ES kamen drei Anträge zur Verhandlung. Diese be trafen die Aufhebung der Salzsteuer und der Zucker steuer und Herabsetzung der Branntweinsteuer. Alle drei Anträge wurden in namentlicher Abstimmung abgelehnt. Die Sozialdemokraten hatten aber noch einen neuen Antrag in Bereitschaft, wonach der Bundesrat die Zölle iür die betreffenden Artikel ansheben soll, falls die Preise für Weizen, Roggen, Hafer, Gerste rc. eine bestimmte Höhe erreichen. Vor der Verhandlung über diesen An'rag vertagte fich das HauS. Am 26. d. wird die zweite Beratung des Zolltarifgesetzes fortgesetzt bei dem von den Sozialdemokraten beantragten 8 11h wonach der Bundesrat verpflichtet sein soll, die landwirtschaft lichen Zölle aufzuheben, sobald die Preise von 215 Ml. pro Tonne Weizen, 165 Mk. für Roggen, 155 Mk. für Gerste und Hafer rc. erreicht seien. Abg. Molkenbuhr (soz.) begründet den An trag, indem er daran erinnert, daß früher die Abgg. Grafen Kanitz und Schwerin-Löwitz zugegeben HSiten, daß höhere Getreidczölle auch eine unbeschränkte Steigerung der Geireidepreise zur Folge haben würden. Unter diesen Umständen müßte in diesem Zollgesetz doch eine Bestimmung getroffen werden, den schweren Schaden, welcher dem Volke durch die Erhöhung der Zölle zugefügt werde, auszugleichen. Aog. Müller- Sagan (sr. Vp.) bemerkt, daß seinen F cund.m zwar der Antrag sympathisch sei, fie ihm aber heute doch nicht zustimmen könnten, weil sie dir ««gesetzten Maximalpreise nicht für richtig hielten. Sollten bis zur dritten Lesung hierin Verbesserungen eintreten, so würden fie den Antrag unterstützen. Abg. Stadthagen (soz.) meint, der Vor redner Hätte doch lieber die Sätze angeben sollen, die er für richtig halte. Nach seinen früheren Aus führungen müßte heute Graf Kanitz für den 8 m tinlreten. Wer die Wucherp .eise bekämpfe, wie Abg. Müller-Sagan, müsse auch die Mittel gegen diese Ausbeutung unterstützen. Dawit schließt die Besprechung. Der Antrag w! ' mit 192 gegen 4l Stimmen abgelehnt. ES folgt 8 12, dessen Hauptbestimmung nach dem Beschluß der Kommission lautet: Dieses Gesetz tritt an einem durch kaiserliche Verordnung mit Zu stimmung des Bundesrat, festzusttzendm Tage, spätestens am 1. Januar 1905 in Aast. Abg. Paasche (nat.-lib.) beantragt Wieder herstellung der Regierungsvorlage, die keinen spätesten Termin emhält. Abg A l b r e ch t (soz.) beantragt, den Zeitpunkt des Inkrafttretens durch besonderes Gesetz zu bestimmen. Abg. Gothein (fr. Vgg.) gibt dec Befürchtung Ausdruck, daß cm Falle der Annahme des Kom missionsantrages sehr leicht ein vertragsloser Zu stand emtrctev könne. Die Zeit bis zum 1. Januar 1905 sei viel zu kurz und binde der Regierung allzu sehr L'e Hände bei HanbelSvertragSverhandlungen. Abg. Paasche (nat.-lib.) betont, seine Freunde seien für den Abschluß langfristiger Handelsverträge, s aber auch für die Annahme des vorliegenden Tarifs. Nach den Erklärungen der Regterungsvertreter würde die Festsetzung eines bestimmten Termins die Ver tragsverhandlungen erschweren. Eine einfache Ver längerung der bestehenden Verträgt halte er keines wegs für zweckmäßig, eine Zustimmung des Reichs tages auch für sehr zweifelhaft. Abg. Stadthagen Ooz.) bekämpft den Be schluß der Kommission, zugleich den Antrag seiner Fraktion befürwortend. DaS Hauptziel müsse sein: Handelsverträge! Der Zolltarif müsse demgegen- ! über in zwrüe Linie zurücktreten. Bei den Groß- Industriellen, auf die sich Paasche gegenüber Gothein ! berufen habe, handle eL sich lediglich um eine Politik ' der Angst. Diese ganze Politik der Angst sei eine : verkehrte. Hauptsache sei es, zu guten Verträgen s zu kommen, und das fei viel leichter möglich ohne, ! aiS mit diesem neuen Zolltarif. Abg. Schrader (fr. Vgg.) tritt ebenfalls für ! Wiederherstellung der Regierungsvorlage ein. Wie i er höre, wären von den Mehrheitsparteien einige Herren zum Worte gemeldet gewesen, aber wieder zurückg'treten. Danach habe wohl Herr Paasche sür die Mehrheitsparteien gesprochen, wie ja überhaupt die Nationalliberalen augenblicklich die Führung er langt zu haben schienen. Staatssekretär Graf Posadowsky gibt die kurze Erklärung ab: Die Regierung könne den 8 12 so, wie thn die Kommission beschlossen, nicht an- nehmen. Die Regierung könne sich unmöglich eine« Termin setzen lassen, bis zu dem bcr Zolltarif in Kraft treten müsse. Die Gründe hierfür habe er selbst bereits in der Kommission dargelegt. Die Partiten seien in der Kommission vollkommen darüber informiert worden, welche schwerwiegenden Gründe vorliegen gegen den Beschluß der Kommission. Er bitte daher das Haus dringend, den Antrag Paasche anzunehmen. Abg. Gras Limbur'g-Stirum (kons.) er klärt, seine Freunde seien der Meinung, daß gerade der Kommisstonsdeschluß das Richtige treffe. Durch Energie könnten sehr wohl gute Handelsverträge von dem Auslände erzwungen werden. Das Ausland habe genau so großes Interesse an dem Zustande kommen von Verträgen wie wir. Abg. Spahn (Zentr.): Meine Freunde haben fich nach wiederholter eingehender Beratung dahin entschieden, den Beschluß der Kommission fallen z« lassen. Wir haben uns davon überzeugt, daß die in der Kommission von der Regierung erhobenen Bedenken begründet seien. Wir haben auch das Vertrauen, daß die Regierung auch so auf das baldige Inkrafttreten des neuen Zolltarifs hinwirke« wird, auch schon im finanziellen Interesse. Damit schließt die Diskussion. In namentlicher Abstimmung wird zunächst der Antrag Albrecht, den Zolltarif durch besondere» Gesetz in Kraft treten zu lassen, mit 230 gegen 46 Stimmen abgelehnt. — Der erste Absatz de« § 12 wird in der von dem Abg. Paasche wieder ausgenommenen Fassung des Entwurfes mit 1S6 gegen 76 Stimmen angenommen und mit dieser Aenderung 8 12 im ganzen nach dem Vorschläge der Kommiision. desgleichen Einleitung und Neber- schrift des Gesetzes. Damit ist die zweite Beratung des Zolltarif gesetze» beendet. Abg. Speck berichtet über die eingegangene« 16 854 Petition-« zum Zolltarifgcsetze. Abg. Gothein: Da» einzig Richtige wäre ge- wesen, die Petiüonm st-t» in Verbindung mit dem zugehörigen BeramngS-Segcnstande auf die TageS- orsnung zu setzen. Den Präsidenten bitte ich, von jetzt ab wenigstens in dieser Weise zu Verfahren. Präsident Graf Ballestrem erklärt, er werde an der bisherigen Praxis festhalten, wonach über die Petitionen immer erst nach Abschluß der zweite« Lesung beraten werde. Er werde von diesem Ge brauch erst abweichen, wenn er dazu durch einen Beschluß der Hauses veranlaßt werde. Nach weiterer Debatte werden die Petitionen zum Tarifgesetz für erledigt erklärt. Ebenso die Petitionen zu den bereits bei dem Mindestzoll-Para- graphen miterledigten Tarisposttionen. Darauf vertagt sich das HauS. Pan Llal» nnd Fern. Ein Bersuchs-BNtzzug fuhr am Don nerstag von Hannover bis Essen, ohne unte.- wegs anzuhalten. Die Fahrgeschwindigkeit sollte auf der Hinfahrt, Hannover—Essen, 90 Kilo meter in der Stunde, auf der Rück ahrt, Essen— Hannover, 100 Kilometer in der Stunde be tragen. Auf der Hinfahrt legie laut ,Güt. Zig/ der Zug zwischen Bielefeld und Gütersloh den Kilometer in 31 Sekunden zurück (gleich 116 Kilo meter in der Stunde). Für die Strecke Güters loh—Rheda brauchte derselbe 4V- Minuten. Der Zug, der eine extra dafür eingerichtete starke Maschine hatte, bestand aus 8 derachfigen V-Zug-Wagen und fuhr mit voller Belastung. Die Passagiere des Zuges bestanden nur aus höheren Betriebsbeamten. Lie Düsseldorfer Kunstausstellung ist, wie jetzt bekannt wird, von etwa 800 000 Personen besucht worden. Aus Eintrittsgeldern wurden 353 265 Mk. eingenommen. Aus dem Verkauf von Kunstwerken wurde ein Erlös von rund 546 000 Mk. erzielt. Dieses Ergebnis ist stark beeinflußt worden durch oie wirtschaftliche Krists; in besseren Zeiten Warde cs fich weseutlch glänzender gestaltet haben, zumal wenn man die Summe von mehr als 200 000 Mk. aus öffentlichen Muieln von den 546 000 Mk. ab setzt, bleibt eine Summe aus Einkäufen der Privaten übrig, die eine bei einer großen nationalen Ausstellung nicht allzu bedeutsame Unterstützung der Künstler bedeutet. K Truggold. 6Z Roman von Anna Seyffert-Klinger. (Fortsetzung.) Lisa liebte Heinrich mit sawärmerischek Ver ehrung, mit der Tief; und Hingebung eines Herzens, das fich zum ersten Male dem heiligen GotteLstrnhl erschließt. Und wie so gern glaubte fie an Gegenliebe l Selig lächelte fie i sich hinein, und a!s fie fich, mädchenya t ergebend, emporr'chtete, strahlte ihr Iie >es zartes Gesichtchen alle im Herzen em- p'undene Wonne wider. Erst die besorgten Fragen der Umstehenden erinnerten fie wieder an den Unfall und ließen fie den Schmerz von neuem empfinden. Doch hält; fie in dieser Stunde wohl größere Qualen gelassen ertragen, fie dachte auch nich. daran, ihr Glück ru verbergen, sondern antwortete heiter, »ast übermütig. Der Vorgang war im Garten wohl bemerkt word-n; als man jedoch sah, daß die kleine Gcsellscha't Anstalten traf, an einem andern Tische Platz zu nehmen, wurde das Interesse wieder abgelenkt. Die Pios ssorin litt unsagbar. Ihrem müt- telstchen Schar di cke blieb die Wandlung in den Zügen ihrer Tochter nicht verborgen. Der armen Mutter schien es, als öffne fich ein Abgrund vor ihren halbgrschloffenen Augen, fie wandle das Gesicht ab, um Lisas Lächeln, ihr vor Glück gerStetes Antlitz nicht sehen zu müssen. Ihr zärtlich geliebtes Kind sollte die Gattin des Barons werden mit der Liebe zu einem andern im Herzen -- ^ese Entdeckung bereitete der Professorin mebr Qnal als alles andere, wie Fieberfrost du-chrieselte es ihre Adern, fie wagte nicht aufzusehen, aus Furcht, jenem dämonischen Gesichte wieder zu begegnen, vor denk fie nie etwas anderes als Abneigung emp und?« hatte. Glücklicherweise achtete niemand auf die erregte alte Dame. Die Handarbeiten waren nun doch znsammengelegt worden, und Anni fand ihren Uebermui bereits wieder. „Scherben bedeuten Glück und Verlobung!" rief fie neckend Lisa zu, „entschieden hast du heute abend eine Eroberung gemacht, gönne dem alten Großpapa doch einen freundlichen Blick! Vielleicht ist es ein Erbonkel, dessen Interesse du in so hohem Grade erregst, und du sicherst dir durch ein Lächeln ein Vermögen. So etwas soll schon vorgekomMN sein!" Lisa schüttelte sauft verweisend den blonden Kopf, Ewald aber wa aufmerksam geworden; er fixierte den Baroa, welcher inzwischen wieder auf seinen Platz zurückgekehrt war, und dann trafen fich die Blicke von Mutter und Sohn in stummem, trostlosen Verstehen. Ewald vermochte sein Erschrecken kaum zu verbergen. Er erhob fich, um fich an der Seils seiner Mutter niederzuiaffen. Beschwicht - gend streichelte er unter dem Tische ihre öcmd. Zu einem vertraulich gesprochenen Worte jedoch fanden fie kein; Zeit mehr, der Baron kam jetzt geradeswegs herüber, respektvoll näherte er fich der Professorin, um fie dann mit weltmännischer Gewandtheit und vollendeter Ritterlichkeit zu begrüßen. „Vielleicht, meine gnädigste Frau, . statten Sie einem einsamen, ruhelosen Wanderer einen bescheidenen Platz in Ihrem fröhlichen Kreise, Sie würden mich durch ein wenig Güte zu unsagbarem Danke verpflichten." Die Professorin hatte widerstrebend ihre feine, zitternd; Hand in die von tadellosem Glaceehaudschuh umschlossene Rechte des alten Aristokraten gelegt. Ewald aber war aufgestanden. Seine hohe, elegante Gestalt schien selbst dem blasierten Baron zu imponieren, er verlor einen Moment die Haltung, um freilich nur schnell sein bosha t überlegenes Lächeln wisdrrzufindev. „Vermutlich Ihr Sohn, r uerste Freundin," bemerkte er, fich dec Pro efforin mit der hoch- achtungsvollcn Vertraulichkeit eines alten Be kannten wieder zuwendend, „der berühmte Sohn eines berühmten Vaters! Wollen Sie e nen intimen Freund Ihres leider viel zu srüh Heimgegangenen Vaters nicht in der Heimat willkommen heißen, lieber Doktor?" Er sah mit semen dunilen Augen, die den Frauen einst nicht ungefährlich gewesen sein mochten, heraus fordernd den jungen Gelehrten an, wodurch dessen Haltung noch abweisender und eisiger wurde. „Sobald meine Mutter Gelegenheit gefunden hat, mich über Ihre Beziehungen zu unserer Familie zu informieren, werde ich mir erlauben, Sie aufzusuchen und in gebührender Weise zu begrüßen, mein Herr Baron. Einstweilen bitte ich um Ihre gütige Nachficht, meine Mutter ist leidend, und es war soeben unsere Abficht, das Konzert zu verlassen." Der Baron erblaßte vor tiefinnerem Grimm über die erlittene Niederlage, aber er war viül zu sehr Formenmensch, um fich nicht voll ständig zu beherrschen und fich der Notwendig keit zu fügen. „Ich wünsche ausricklig, Gnädigste. Sie morgen bei allerbestem Wohlsein anzutreffen," raunte er ihr zu, „und werde mir gestatten, durch einen Boten anfragen zu lassen, wann ich Ihnen meine Aufwartung machen darf." Die alte Dam; nickte wie geistesabwesend, im stillen außer fich vor Angst, ihr Sohn könne den Baron so ties beleidigen, daß eine Ver söhnung sür alle Zeit ausgeschlossen bliebe. „Ihr Bote wird mir — wiro mir —" fie wollte sagen: „will ommen sein." doch fie brachte das Wort nicht hervor. Hilflos sah fie ibrem alten Feinde ins Gesicht, die zitternde Hand krampfte fich an der Tischtante fest, als bedürfe fie eines Stützpunktes. Der Baron kam ihr zu Hilse. „Ihres Ent gegenkommens bin ich sicher, meine gnädige Frau," ergänzte er leise, mit unnachahmlichem Hohne, „unser; Beziehungen find, wie Sie wissen, unlösbare!" Er verneigte fich tief, wie in unbedingter Ergebenheit, streifte Ewald mit flüchtigem Blicke und ging. Die Professorin war außer stände, fich länger aufrecht zu halten. Sie sank förmlich in sich zusammen. Ewald flüsterte seiner Schwester zu, daß er die Mutter nach Hause führen werde, doch schon hatte Tante Guste fich erhoben, Käthe Winkler folgte ihrem Beispiele, und auch Hein-
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