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V-lttischr R»«d!ch»«. Deutschland. *DaS Befinden des Kaisers ist wieder vorzüglich. Die Schonung, welche ihm ärztlich angeraten worden war, hat die besten Erfolge gehabt. * Der Großherzog von Weimar hat sich in Bückeburg mit der Prinzessin Karoline Elisabeth Ida von R eu ß ält er er L in i e verlobt. *Auf das deutsch-englische Ultimatum hat die venezolanische Regierung die ihr gestellte Frist von 24 Stunden verstreichen lassen, ohne eine Antwort darauf zu erteilen. Infolgedessen beschlagnahmte am Dienstag bei La Guayra das deutsch - engliche Geschwader vier venezolanische Kriegsschiffe mit 390 Mann Besatzung, ohne daß Widerstand geleistet wurde. Die Schiffe wurden im Schlepptau aus dem Hafen gebracht. Die beiden Ver treter dieser Länder haben Caracas verlassen; der deutsche Geschäftsträger v. Pilgrim be findet sich zur Zeit an Bord der vor La Guayra liegenden „Bineta". * Ueber die Kündigung der Handels verträge ist, wie die ,N. P. C.' erfährt, seitens der verbündeten Regierungen noch nichts Bestimmtes beschlossen. Nach Annahme des Tarifs hängt die weitere Behandlung dieser Frage ganz von wirtschaftlichen Gesichtspunkten ab. Bestimmte Termine für eine etwaige Kün digung lassen sich daher im voraus nicht fixieren und ebensowenig wird die Kündigung gleich zeitig für alle Verträge, sondern nur von Fall zu Fall stattfinden. * Die Mehrheit deS Reichstages will, wie man erfährt, die Weihnachtsferien spätestens am 19. Dezember eintrete» lassen. Sollte es ihr gelingen, die Zolltarifvorlage in zweiter nnd dritter Lesung früher zu er ledigen, so würden die Weihnachtsferien eher eintreten. *Abg. Singer hat den Vorsitz in der Geschäftsordnungs-Kommission des Reichstages niedergelegt. * Der preußische Landtag wird auf Donnerstag, den 8. Januar, einberufen. Orsterretch-Unzar«. * Der deutsche Botschafter in Wien, Fürst Eulenburg, ist am Dienstag nachmittag in Schönbrunn vom Kaiser Franz Joseph in Abschiedsaudienz empfangen worden. Schwerz. * Der Nationalrat genehmigte nach längerer Diskussion fast einstimmig die Konzessions vorlage jürdenJuradurchstichFrasne— Vallorbe als internationale Verbindungs« und Zufahrtslinie zum Simplon. Der Bundes rat erklärte, daß alle andern Zufahrtklivien, welche genügende Garantien bieten, (Lötsch berg, Faucille rc.) beim Bunde die nämliche günstige Aufnahme finden werden, wie Frasne— Vallorbe. Italien. * Vor einigen Tagen sahen die Kammer deputierten an den Thoren von Monte Citorio ein imposantes Schauspiel: 72 Riesenbände, gefüllt mit Petitionen gegen das der Kammer vorliegende Ehescheidungs gesetz, wurden in großen Wagen ins Kawmer- gebäude gebracht. Für die meisten Deputierten war diese stumme Kundgebung ein Gegenstand ehrfürchtigen Grauens. Einer aber hat sich darangemacht und alle Bände nachgesehen. Allerdings find die Unterzeichner dieser Millionen- prtition gegen die Ehescheidungsvorlage zum weitaus größten Teil Analphabeten, die nur Kreuze gemacht haben, denn die Hälfte der italienischen Bevölkerung kann nicht lesen und schreiben. Dänemark. * Zur Bekämpfung der Trunksucht hat die dänische Polizei ein Mittel ersonnen, von dem fie sich den besten Erfolg verspricht. Sie hat nämlich die Verfügung getroffen, daß derjenige Gastwirt, der einem Betrunkenen das letzte GlaS verabreicht, für die Kosten für die Verbringung des Berauschten in seine Wohnung und für eine eventuelle Sachbeschädigung oder Körperverletzung aufzukommen hat. Portugal. * Die Zeitung .Imperial', die einen heftigen Kampf gegen die englandfreund- liche Politik der Regierung führte, ist willkürlich durch Befehl der letzteren ver boten worden. An der Redaktion und der Druckerei find die Siegel angelegt worden. Auch die Beschlagnahme der Zeitung Mendo' erregt Aussehen. Balkanstaate«. * Der englische Botschafter kündete der Pforte die bevorstehende Beschießung Horelvables wegen fortgesetzter See räuberei im Roten Meere an. Zur Unterdrückung des Piratenunwesens im Roten Meere wird die Türkei fünf Forts zwischen Mandeb und Koufidah errichten. "Die neuen Reformen für Mace do nie n werden trotz gewisser Mängel von der Mehrheit der Botschafter als geeignet angesehen, eine Besserung der Zustände anzu bahnen. Auch der französische Geschäftsträger ist angewiesen, im Rahmen der bisherigen Vor schläge anderer Mächte auf die Notwendigkeit der thatsächlichen Durchführung jener Maßregeln hinzuweisen. * Issa Boljetinatz, der bekannte Albanesen- Häuptling, welcher der Errichtung des russi- schenKonsulatesinMitrowitza that- kräftigen Widerstand entgegensetzte, wurde, es kortiert von zwei höheren Offizieren und drei Unteroffizieren, aus der Umgebung von Mitrowitza nach Konstantinopel ge bracht. Seine Festnahme war mit großen Schwierigkeiten verknüpft. Amerika. * Der Pariser Vertreter Venezuelas erhielt ein Telegramm seiner Regierung, nach welchem letztere einen Schiedsrichter er nannt hat, welcher im Verein mit einem französischen Schiedsrichter die Ansprüche französischer Staatsangehöriger prüfen soll, über welche Leide Regierungen sich kürzlich auf schiedsrichterliche Erledigung ge einigt haben. Afrika. "In Marokko ist die Lage für den Sultan nicht unbedenklich. ,Wolffs Büreau' meldet aus Tanger: Nachdem der Sultan den Stamm der Beni Semmur zur Unterwerfung zurückgebracht hatte, wurde sein Heer von einem anderen Stamme angegriffen, der ihm den Weg nach Rabbah verlegte. Die Truppen des Sultans erlitten sehr empfind liche Verluste und mußten sich auf Fes zurück ziehen. Deutscher Reichstag. Am 9. d. fleht auf der Tagesordnung der Antrag Gröber (Ztr.) u. Gen., den ersten Satz de- 8 44 der Geschäftsordnung, der lautet: „Sofortige Zu lassung zum Worte können nur diesenigen Mitglieder verlangen, welche über die Verweisung zur Geschäfts ordnung reden wollen" — folgendermaßen abzu» andern: „Das Wort zur Geschäftsordnung wird nur nach freiem Ermessen des Präsidenten erteilt. Eine von demselben zugelaffene Bemerkung zur Ge- schästSordnung darf die Dauer von fünf Minuten nicht übersteigen." Abg. Singer (soz., zur Geschäftsordnung): Der Antrag Gröber ist «m Initiativantrag und kann erst nach der Reihenfolge der andern beraten werden. Ich beantrage daher, ihn von der Tages ordnung abzusetzen und beantrage zugleich nament liche Abstimmung über diesen Antrag. Abg. Bassermann (nat.-lib.): Der Antrag Gröber ist durchaus zulässig, von einem Rechtsbruch kann absolut nicht die Rede sein. Es geht nicht länger an, daß man eine sachliche Diskussion da durch unmöglich macht, daß man fortwährend zur Geschäftsordnung redet. Die Linke will nur den Zolltarif verschleppen. Die Mehrheit hat aber dm festen Willen, den Zolltarif zu erledigen. Abg. Pachnicke (fr. Vgg.) schließt sich dem Abg. Singer an. In namentlicher Abstimmung wird hierauf der Antrag Singer auf Absetzung von der Tagesord nung mit 225 gegen 56 Stimmen abgelehnt. 10 Ab geordnete enthalten sich der Stimme. Nunmehr begründet Abg. Gröber (Ztr.) seinen Antrag. Schon 1848 in der National-Versamm lung zu Frankfurt a. M- hat Robert v. Mohl dar auf hingewiesen, wie wichtig eine gute Geschäfts ordnung sei. Sie solle dazu dienen, um eine ge ordnete, eine beschleunigte und eine würdige Ge schäftsführung zu ermöglichen. Eine Geschäftsord nung, die es der Minderheit ermöglicht, die Mehrheit zu terrorisieren, ist unhaltbar. Bei dem Zolltarif hat man nun im großen Obstruktion getrieben, zu erst mit zahllosen namentlichen Abstimmungen und dann, nachdem man diese abgekürzt, durch endlose Reden zur Geschäftsordnung. So hat eine sonst wohlgemeinte Bestimmung nur dazu geführt, daß Abg. GrSbrr zu seinem Antrag«. alles inVerwirnms geriet. Um dies zu verhindern, haben wir nach eingehenden Erwägungen unseren Antrag gestellt, der Unfug darf nicht weiter gehen. Wir werden jeder Abänderung der Geschäftsordnung zuflimmen, die eine geordnete, beschleunigte und würdige Geschäftsführung ermöglicht. Denn höher als die Geschäftsordnung steht uns die Existenz deS Reichstags. Abg. Bebel (soz.): Auch wir halten die Ge schäftsordnung nicht für unantastbar. Aber man darf sie mast aus einem Werkzeug der Gerechtigkeit zu einem Werkzeug der Parteien machen. Es ist nicht richtig, daß die Sozialdemokraten di« Geschäfte verhindern wollen. Ob der Tarif angenommen wird Abg. Hobel mm Antrag Gröber. oder nicht, das hat mit dem Bestehen der Staat«, und Gesellschaftsordnung nichts zu thun. Eher noch kann daS Zustandekommen des HimgeriartfS die be stehende Ordnung erschüttern. Wenn wir daher de» Tarif bekämpfen, sind wir di« Konservativen, di« Hüter der Gesellschaftsordnung. Sie wollen uns mit diesem Antrag herausfordern. Aber Sie werden MS nicht aus der Ruhe, aus der Fassung bringen. Und wir werden weiter arbeiten und haben keine« Zweifel darüber, wer zuletzt siegen wird. Abg. Richter (frs. Vp.) bekämpft oen Antrag, weil er eine Aenderung der Geschäftsordnung mit Rücksicht auf eine bestimmte Vorlage für unzu- lässig halte- Nachdem sich Abg. Barth (frs. Bgg.) gegen den Antrag ausgesprochen, stellt Abg. v. Normann (kons.) den Antrag au» Schluß der Debatte, der in der Abstimmung angenommen wird. Da während derselben der Abg. Singer da« Wort zur Geschäftsordnung verlangt, aber nicht er- halten hat, entspinnt sich unter großer Erregung j des Hauses ein« lebhafte Debatte zwischen dem § Vizepräsidenten Grafen Stolberg Md Singer, der die UngültigkeitSerkläruung der Abstimmung ver- s langt, da er den Antrag auf Uebergang zur Tages- s ordnung über den Schlußantrag stellen wollte, einen j Antrag, den Gras Stolberg als unzulässig erklärt - Md hierauf dem Abg. Singer nm da« Wort für dm Uebergang zur Tagesordnung über den Antrag Gröber erteilt. Hiergegen protestiert Singer neuerlich. Graf Stolberg kehrt sich aber nicht an den Protest Md gibt unter großer Unruhe bei den Sozialdemokraten und unter eben solcher Heiterkeit auf der Rechten das Wort an Gröber gegen den Uebergang M Tagesordnung. Abg. King«» Mr G«schiiftsordn»ma. Hieraus wird zunächst der Antrag Singer ans Uebergang zur Tagesordnung über den Antrag Gröber-Bassermann mit 208 gegen 88 Stimmen b« 4 Stimm-Enthaltungen abgelehnt Md sodann der Antrag Gröber-Bassermann mit 176 gegen 125 Stimmen bei 6 Stimm-Enthaltungen ange nommen. Später wird mitgeteilt, daß nach defini tiver Feststellung der Antrag Gröber mft 206 gegen 92 Stimmen bei 8 Stimm-Enthaltungen ange nommen sei. Nunmehr fährt das HauS in der Beratung des Zolltarifs «setze» fort. Von den 38 Referaten ist jetzt zunächst an der Reihe das Referat des Abg. Schlumberger über Seide und Wolle. Zugleich geht ein Anttag Baudert ein, einzelne dieser Positionen an die Kommission zurückzuverweisen. Vizepräsident Büsing erteilt dem Abg. Baudert zur Begründung seines Antrages daS Wort; Redner wird aber nach fünf Minuten vom Präsidenten ver anlaßt, abzubrechen. Dem Abg. Reißhaus (soz.), der einen An- trag eingebracht, eine andere Einzelposttion an eine Kommtssion zu verweisen und hierzu sprechen will, wird vom Präsidenten das Wort verweigert, wegen der Gleichmäßigkeit mit dem Anträge Baudert. Weiter melden sich noch die Abg. Singer und Baudert zum Worte zur Geschäftsordnung. Beide antworten auf eine entsprechende Frage de» Präsidenten: „Um eine Mitteilung zu machen!" Beiden antwortet der Präsident Büsing: Wenn Sie mir nicht sagen wollen, wozu Sie das Wort wünschen, dann kann ich «S Ihnen auch nicht erteilen. Schließlich werden die Anträge Baudert und ReitzhauS mit großer Mehrheit abgelehnt. Nach weiterer Debatte zur Geschäftsordnung er hält dann noch Abg. ReitzhauS daS Wort zum Referat über .sonstige pflanzliche Spinnstoffe", worauf Vertagung eintritt. Am 10. d. wird die zweite Beratung d«SZoll - tarifgesetzeS fortgesetzt mit der Erstattung der Berichte über die Verhandlungen in der Kommission. Präsident Graf Ballestrem nimmt die Steno graphen Md die Temperatur Les Hause» gegen einige Bemängelungen von der Linken in Schutz. Abg. Arendt (freikons.) erstattet ein kurze» Referat über die Positionen 503—516, wasserdichte Gewebe, Linoleum, Buchbinderzeugstoffe u. s. w. Präsident Graf Ballestrem: ES ist mir ein Anttag Stadthagen zugegangen auf Rückverweisung einzelner, Md ein Antrag Spahn auf Rückverwei sung aller Positionen des Berichtsabschnittes, ferner «in Antrag Spahn auf Uebergang zur Tagesord nung über diese Anträge. Ich bemerkt dabei noch: Gestern habe ich noch die Herren Redner für und wieder den Uebergang zur Tagesordnung länger sprechen lassen. Nach reiflicher Prüfung bin ich aber zu der Ueberzeugung gekommen, daß auch diese Reden nur als einfache Bemerkungen zur Geschäfts ordnung zu bettachten sind und deshalb nicht mehr al» fünf Minuten Zeit in Anspruch nehmen dürfen. Nach einigen Bemerkungen der Abgg. Spahn Md Stockinann, der die Herren, die mit dem K Truggold. 12 Roman von Anna Seyffert-Klinger. iFortsetzu»«.) Sie reichte Winkler ihre kleine, vornehm zarte Hand hin. .Was ich vermag, um diese kleine Widerspenstige zur Besinnung zu bringen, das wird oescheaen, verlassen Sie sich daraus!" Heinrich beugte sich über die zierlichen Finger spitzen uns küßte fie, eine Thräne aus seinen Augen fiel brennend heiß darauf. Sprechen konnte er nicht. Die Kehle war ihm wie zugeschnürt, er empfand einen Jammer, wie nie zuvor in seinem Dasein. Und als die beiden lichten Müdchcngestalten langsam davon schritten, war es ihm, als gehe das Glück nun von ihm für alle, alle Zeit. .Wenn ich wenigstens jetzt noch einen raschen Entschluß faßte, energisch handelte, dann wäre es möglich, das Fliehende noch mir zurück zu gewinnen!' Das fuhr ihm so durch den Sinn, Md unwillkürlich that er einen Schritt vor, als wolle er den jungen Mädchen folgen. Aber es blieb bei dieser einen Bewegung. Was wollte er doch eigentlich ? Hatte Lisa nicht versprochen, Freiwerberin bei Anni zu sein, und konnte er sich eine nicht beredtere Fürsprecherin wünschen, als Lisa Siemann? Sie schätzte ihn hoch, das hatte fie ihm zahllose Male durch Worte und Blicke bewiesen, und gestern abend, als er fie im Arm hielt, wie war es ihm da so berauschend durch die Adern ge- stoffen. Die Gartenthür knarrte, nun war er ganz allein, ein Opfer der trostlosesten und wider sprechendsten Empfindungen. Mit glühendem Kovt und jagenden Pulsen ließ er sich auf der Bank nieder, wo Lisa gesessen hatte und die Zerstörung ihres süßen, heimlichen Liebes« iramneL erfuhr. Heinrich glaubte wieder ihr todblasses, schönes Gesicht vor sich zu sehen. Was war mit Lisa vorgegangen? Hatte fie nicht gesagt, fie sei verlobt? Sah fie aus wie eine strahlende Braut? Um Gotteswillen, was mochte dem jungen Mädchen widerfahren sein? . . . Winkler konnte vor einem quälenden Etwas, das in seiner Brust wühlte, weder zur Ruhe kommen, noch Klarheit in seine tiesinneren Regungen bringen. Er stand wieder auf und eilte auf die Straße hinaus. Das Wetter, welches schon während des ganzen Tages gedroht hatte, ent- lud sich über dem kleinen, gartenreichen Vorort in voller Heftigkeit. Winkler dachte nicht daran, ein schützendes Dach aufzusuchen, ziellos irrte er stundenlang in dem Aufruhr der Elemente herum, und als er endlich heimkam, war er bis Ms die Haut durchnäßt. Käthe empfing ihn mit Ausrufen aufrichtiger Besorgnis; er aber schnitt jede Frage von vorn herein ab. „Sieh her, ich bin wie Ms dem Wasser ge zogen, ich gehe sogleich zu Bett und versuche zu schlafen, dann wird mir die kleine Abkühlung nicht schaden." „Aber so höre doch nur die große Neuig keit „Daß Fräulein Siemann sich verlobt hat? Ich weiß es bereits, Käthe! Du kannst mir glauben, das ganze Leben ist ein Rätsel und nicht wert, daß man sich mit der Lösung des selben ernstlich beschäftigt." Noch ein flüchtiges „Gutenacht", dann schloß er die Thür seines Zimmers hinter sich ab. Käthe sah ihrem Bruder kopfschüttelnd nach, fie wußte nichts von dem Borgefallenen und glaubte, er sei krank geworden und spreche im Fieber. „Wir werden morgen zum Arzt schicken müssen," sagte fie zu Anni, welche blaß und fröstelnd im Wohnzimmer am Fenster saß, „mit Heinrich stimmt es nicht, oder es ist die Aufregung über all das gewonnene Geld, die ihn so mitnimmt l" Ats fie auch hier nur eine undeutlich ge murmelte Antwort erhielt, winkte fie Anni schweigend ins Schlafzimmer hinein, und bald erlosch auch das letzte Licht in der Winklerschen Wohnung. 8. Als Lisa, Anni mit sich fortziehend, das Haus erreicht hatte, küßte fie das junge Mäd chen fast heftig auf die Stirn. .Ich hoffe, liebe Anni, du wirst es dir sehr überlegen, ehe du einem Manne wie Heinrich Winkler endgiltig einen Korb gibst. Und wenn du deine Launen und Wünsche fürchtest, so bedenke auch, daß Winkler durch den Lotteriegewinn mit einem Schlage sehr wohlhabend geworden ist, und daß er auch ohnedies bemüht gewesen wäre, deinen Ansprüchen weitgehendst Rechnung zu tragen. Er ist ein so guter, aufopferungssähiger Mensch, daß er bereit wäre, sein Herzblut für diejenigen hinzugeben, welche er liebt. Freilich gehört er auch zu denen, welche zu Grunde gehen, wenn ihre Liebe unerwidert bleibt." Da warf sich Anni aufschluchzend an die Brust der Freundin. „Wenn du Heinz so genau kennst, so versündige auch du dich nicht an ihm, heiratete nicht den alten, unausstehliche» Baron, sondern warte, bis der Tag kommt, wo Winkler —' „Anni, ich verbiete dir, Wetter zu sprechen l" rief Lisa atemlos. Aber das junge Mädchen schüttelte nur trotzig das reizende, eigenwillige Köpfchen. .Dich liebt er, Lisa, dich allein! Und du liebst ihn gleichfalls, leugne eS nicht, es wäre eine offenbare Lüge!" Lisas Augen sprühten. Anni hatte wohl kmm geglaubt, daß daS sanfte Gelehrten töchterlein so zornig werden könne. „Wolltest du diese sinnlosen, ganz aus der Luft ge griffenen Dinge vorhin vielleicht auch Herrn Winkler erzählen?" rief fie mit leidenschaft licher, wenn auch leiser Stimme. „Ich ver bitte mir ein für allemal, daß du mich zum Gegenstände deiner Empfindungen machst, die m Taktlosigkeit und Thorheit nichts zu wünschen übrig lassen. Ich bedarf keiner Für sprecherin bei der Wahl meines künftigen Gatten, und solltest du meine Warnung nicht respek tieren, so werde ich derselben den gebührenden Nachdruck zu geben wissen!" „Lisa, wie kannst du nm so heftig sein! Ich habe es ja so gut mit dir und Heinz ge meint!" rief Anni ganz bestürzt. Die andere aber war schon die Treppe hinauf-- gehuscht, wo hellflutendes Licht fie empfing.