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Die „Vttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Held und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag w Uhr. Inserate werden mit w Pf. für die Sxaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Liroß-Vkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Nr. 41. Mittwoch, den l7. Dezember 1902. Die Sparkasse Httendorf-Worihdorf verzinst Einlagen mit SV40/0 und werden dieselben streng gekeim gehalten auch der Steuereinschätzungskommission gegenüber. Die Uebertragung bei auswärtigen Sparkassen angelegter Gelder wird kostenfrei vermittelt. Geschäftszeit der Sparkasse Werktags von 8—1 und 3—5, 3onnabends und an Vorabenden von festtagen von 8—2 Ukr. Die Sparkassenverwaltung. Oerttiches und Sächsisches. Gttendorf-Gkrilla, z6. Dezember 1902. /X Das am vergangenen Sonntag im Gasthof zum „schwarzen Roß" staltgefundene Gesangs-Konzert, ausgeführt vom Turner- Gesangverem Reichenberg war als ein in allen seinen Teilen gutes zu bezeichnen, jedoch konnte der Besuch zu diesen gesanglichen und turner ischen Darbietungen, welche mit reichen Bei fall ausgenommen wurden, ein besserer sein- — Vom sächsischen Finanzministerium soll laut „Dresdner Nachrichten" m diesen Lagen sämtlichen deutschen Eisenbahnverwatlungen eine Denkschrift über eine Reform der Eisenbahn- Personentarife zugestellt werden. Die schwer wiegendste Veränderung, die von Sachsen an gestrebt wird, dürfte in dem Wegfall der Rück fahrkarten liegen, und zwar wird sich der künftige P.eis einer einfachen Fahrkarte durchweg etwas höher stellen als der halbe Preis einer jetzigen Rückfahrkarte. Dagegen werden Rückfahrkarten nach außerjächsijcheu Staaten nach wie vor bei- vehalten. Ferner soll eine Erhöhung der Preise für Monatskarten im Vorortverkehr eintreten und die schon viel besprochene Verteuerung der Fahrten m der 1. Wagenllasse durchgesüyrl werden. Im ganzen erwartet man von der Reform eine Meyreinnahme von etwa zwei Millionen Mark. — Die Nadfahrkarten verlieren mit Ende dieses Monats ihre Giltigkeit, denn die LandeSorönung vom 2. April 1901 beschränkt sie auf die Dauer des Kalenderjahres. Wer demnach am 1. Januar 1903 fein Fahrrad ohne neue Radsahrlarte benutzt, macht sich einer Uevertrelung. dieser Verordnung schuldig und kann sich Strafe zuziehen. Radfahrer werden daher gut daran am, sich schon in der letzten Hälfte dieses Monats mit einer Karle für 1903 zu versehen. — Die Bahnhofswirtschaften zu Bautzen und Waldheim sollen vom 1. April 1903 ab anderweit auf 6 Jahre verpachtet werden. Die allgemeinen Bedingungen Kegen auf den sächsischen Bahnhöfen aus. Königsbrück, 16. Dezember. Vergangene Nacht brach in dem am Marti gelegenen Gast hof zum „schwarzen Adler" ein Schadenfeuer aus. Dresden, 14. Dezember. Der vormalige Straßenbahnwagensührer Franz Andreas Lerch aus Züllkowitz, der am 8. Januar 1900 in Löbtau den Zabrikwächler Pratsch ermordete und deshalb vorigen Montag von dem hiesigen königlichen Schwurgerichte wegen Mordes zum Tode verurteilt wurde, Hal gestern gegen dieses Urteil Revision eingelegt. Dresden, 14. Dezember. Im Monat November sind bei der königlichen Polizeiüirekaon hiecfelbst 14 Selbpmorde und 9 Selbstmord versuche zur Anzeige gekommen. Großenhain. Der von der Staats anwaltschaft Dresden seit November 1901 wegen Diebstahls und Unterschlagung steckbrieflich ver- foigte 1878 hier geborene Handarbeiter Johann Friedrich Lölling wurde in hiesiger Stadl be troffen und feslgenommen. Freiberg, 16. Dezember. Der bei der Firma „Straßenbahn und Elektrizitätswerk Freiberg" als Kajsirer angestellte Kaufmann K. hat sich seit acht Tagen heimlich entfernt. Bei einer nach seinem Verschwinden vorgenommenen eingehenden Durchsicht der Kassenverhälmisse und Bücher der Werkes soll sich herausgestellt haben, das sich derselbe ziemlich bedeutender Unterschlagungen schuldig gemacht hat; man spricht von 3000 Mk. Leipzig. 14. Dezember. Der hiesige Jour nalist Schaffer, der Inhaber eines Korrespondenz- bureauL, dessen unzuverlässige Berichterstattung wiederholt gerügt werden mußte, ist auf An trag der hiesigen Staatsanwaltschaft feslgenommen worden, namdem vorher Haussuchung bei ihm vw genommen war. Gegen Schaffer schwebt eine Untersuchung wegen Urkundenfälschung. Chemnitz, 16. Dezember. Im Arrest gestorben ist am Donnerstag vormittag der im hiesigen Kriegsgerichtsgefängnis untergebracht gewesene Rekrut Felix Oehme vom Pionier- Bataillon Nr. 22 in Riesa. Oehme war erst vor einigen Tagen cingeliefert worden und sollte sich vvr seinen Richtern wegen Gehorsams verweigerung verantworten. Chemnitz, 15. Dezember. Welch große Vorficht bei Kontrollversammlungcn am Platze ist, das zeigte dieser Tage eine Verhandlung vor dem hiesigen Kriegsgericht. Wegen Achtungs verletzung vor versammelter Mannschaft hatte sich der Markthelfer Schramm aus Chemnitz zu verantworten. Der Anklage lag folgender Vorgang zu Grunde. Am 7. November fand in einem dortigen Etablissement Kontrollver sammlung statt. In dieser wurde auch die Vereidigung der Leute auf König Georg vor genommen. Als diese Handlung vorgenommen wurde, will der Leutnant Müller gesehen haben, daß der Angeklagte „eine lächerliche Miene zur Schau" getragen habe. Er setzte ihn sofort zur Rede, und da der Mann angab, er habe nicht gelacht, ließ er ihn sofort festnehmen und gab dann einen Bericht über den eben geschilderten Vorgang ein, der die Anklage zur Folge hatte. Der Angeklagte blieb in der Verhandlung da bei, daß er nicht gelacht habe und setzte hinzu, er habe immer heiteres Gesicht; die Handlung sei ihm zu heilig gewesen, als daß er sie hätte lächerlich finden können. Leutnant Müller sagte dagegen unter Eid aus, was er im Tatbericht niedergelegt halte. Ler die Verhandlung leitende Kriegsgerichtsrat wendete sich nun wieder zu dem Angeklagten und sagte: „Na, hören Sie! Sie haben doch gelacht; Gestehen Sie's nur es ist für Sie besser. Man wird auch prüfen müssen, ob man in Ihrem Lachen eine Be leidigung Sr. Majestät erblicken kann." Der Angeklagte blieb dabei, er habe nicht gelacht; sollte aber seine Miene eine lächerliche gewesen fein, so sei das unbewußt geschehen, auf keinen Fall habe er die Handlung ins Lächerliche ziehen wollen. Nach längerer Beratung erfolgte die Freisprechung des Angeklagten. Daß er gelacht habe, wurde durch das eidliche Zeugnis des Leutnants Müller als erwiesen erachtet. Zu einer Verurteilung habe in dem Verhalten des Angeklagten die Auflehnung gegen die Autorität des Vorgesetzten gefehlt, und das sei ein wesemlicher Bestandteil des Begriffs Ach tungsverletzung. Reichenbach, 14. Dezember. Die könig liche Generalükellwa der sächsischen St aals - eisenbahnen giebt bekannt: Das Finanzministerium hat beschlossen, die schmalspurige Nebeneisen bahn von Reichenbach i. V-, unterer Bahnhof, nach Oberhemsüorf am 15. Dezember dem all gemeinen Verkehr zu übergeben. An derselben liegen außer der Anschlußstation Reichenbach i. V., unterer Bahnhof, die Ladestellen Unter- beinsdorf unö Overheinsdorf. Die Linie dient iiur dem Stückgut und Wagenladungs-Güter verkehre und zwar nur für Sendungen, die zwischen den Verkehrsstellen Unterheiusdorf und Oberheinsdvrf einerseits unö jenseits Reichen bach i. V., unterer Bahnhof, gelegenen Sta tionen andererseits befördert werden. DreihunderLvierund sechzig und eine Nacht. Von P, Rosegger. Mein Vater hatte vier große Ziegen im Stalle stehen, so wie er vier Kinder hatte, welche zu den ersteren stets in enger Bezieh ung standen. Jede der Ziegen hatte ihren kleinen Fulterbarcen, aus dem sie Heu oder Klee fraß, während wir sie molken. Keine einzige gab die Milch am leeren Barren. Die Ziegen hießen Zitzerl, Zutzerl, Zeitzerl und Heitzerl und waren, einer schönen Schenkung zufolge, das Eigentum von uns Kindern. Das Zitzerl und das Zutzerl gehörten meinen zivei Schwesterchen, das Zeitzerl meinem achtjährigen Bruder Jakoberle, das Heitzerl war mein! Jedes von uns pflegte und hütete sein ihm zugeteilten Geepons in Treue; die Milch aber lhaten wir zusammen in einen Topf, die Muller kochte sie, der Vater schenkte uns dazu die Brotschnitten — und Gott der Herr hat uns den Löffel Suppe besegnet. Und wenn wir so mit den breiten Holz löffeln, die unser Oheim geschnitzt hatte, und die ihrer Ausdehnung wegen für's Erste kaum in den Mund hinein, für's Zweite kaum aus demselben herauszudringen waren, unter Nacht mahl ausgeschaufelt hatten, so nahmen wir jedes unseren Roßhaarkotzen (wollene Decken) und legten uns, eins wies andere, in den Futter barren der Ziegen. Das wa.en eine Zeitlang unsere Betten, und die lieben Tiere befächeken uns mit ihren weichen Bärten die Wangen und beleckten uns die Näschen. Aber, wie wir Kinölein auch in der Krippe lagen, so kam das Einschlafen auch nicht just immer nach dem ersten Lecken. Ich habe von unserer Ahne eine Menge wundersamer Ge schichten und Märchen im Kopfe. Die er zählte ich nun in solchen Abendstunden, und meine Geschwister waren darüber glückselig, und die Ziegen hörten auch nicht ungern zu; nur daß oiese dann und wann, wenn ihnen das Ding gar zu unglaublich vorkam, so ein wenig vor sich hinmeckerten oder mit den Hörnern ungeduldig an den Barren pufften. Einmal, als ich von der Habcrgais erzählte, die, wenn sie um Mitternacht auf Lem Felde schreit, den Haber (Hafer) schwarz macht, und die nichts frißt als die grauen Bärte alter Kohlenbrenner, da begann mein Heitzerl dermaßen zu meckern, daß öle anderen drei auch mit einstimmten, bis meine Geschwister schließlich in ein fürchter liches Gelächter ausbrachen unö ich wie ein überwiesener Aufschneider erbärmlich schweigen muhle. Von derselben Zeit an erzählte ich meinen Lchlafgenüssen lange keine Geschichten, und ich nahm mcr vor, mk dem Heitzerl mein Lebtag kein Wort mehr zu reden. Da kam der Sonnwendtag. An diesem Tage lochte uns die Mutter den üblichen Eier kuchen, mein liebstes Essen auf öer Welt. In Diesem Jahre aber hatte uns der Geier öle beste Leghenne geholt, so wollte sich öas Eier- köcblein nicht mehr füllen, und als am Sonn- wendtag der Kuchen kam, war er ein gar kleinwinzig Laibchen. Wehmütig lugte ich hin auf den Holzteller. Plein fünfjährig Schwesterchen guckte mich 1. Jahrgang. an, und wie wenn es meine Sehnsucht wahrge nommen hätte, rief es plötzlich: „Du, Peterl, Du! wenn Du uns ein ganzes Jahr in jeder Nacht eine- Geschichte erzählen magst, so schenk' ich Dir meinen Teil von dem Kuchen!" Dieser hochherzigen Entäußerung der Kleinen stimmten seltsamerweise auch die anderen bei, und sie patschten in die Händchen, und — ich ging die Bedingung ein. So stand ich denn plötzlich am Ziel meiner Wünsche. Ich nahm meinen Kuchen unter die Jacke und ging damit in die Milchkammer, hinein wo mich niemand sehen und stören konnte. Dort verriegelte ich die Thür, setzte mich auf einen umgestülpten Zuber und ließ meine zehn Finger und das wohlgeordnete Heer meiner Zähne über den armen Kuchen los. Aber nun kamen die Sorgen; daß meine Geschwister strenge auf ihrer Forderung be stehen würden, daran konnte kein Zweifel ob walten. Ich ging auf meinen Hirlcnzüaen jeden Pecher, Kohlenbrenner, Halter und jedes wohlerfahrene Weiblein, wie ich's im Wald unö auf der Heide traf, um eine Geschichte an. Es waren ergiebige Quellen, und ich war jeden Abend in der Lage, meiner Schuldigkeit nach zukommen, Mitunter allerdings wars ein Elend, bis ich was Neues auftrieb, und nach einer Zeit geschah es nicht selten, daß das Lchwesterlein mich unterbrechend von seinem Barren herüber rief: „Du! die wissen wir, die hast uns schon erzählt!" (Fortsetzung folgt.) Tageskalender für Mtendorf-Moritzdorf. kaiserlickes Postamt: Ottendorf-Oki illa, Raöebergerslraße, geöffnet an Wochentagen von 8 Uhr bis 12 Uhr vormittags und 3—6 Uhr nachmittags. An Sonn- und Festtagen: 8 bis 9 Uhr vormittags und mittags von 12 bis 1 Uhr. WnigUckes Standesamt: Großokrilla, Komgsbrückerstraße. Gemeindeamt: Radeburgerstraße, Geschäfts zeit 8 Qkr vormittags bis 1 ttkr mittags. 3 bis b Mir nachmittags an Sonnabenden und Vorabenden von felttsgen von 8 dkr Vormittag un unterbrochen bis r Qbr s^ackmittag. Vie Gemeinclekalse 8 bis 1 Llkr, schließt bereits z ttkr und expediert an Sonnabenden und Vorabenden von Fest tagen nur bis 2 ttkr. Sparkasse: Gemeindeamt, Geschäftszeit wie die Gemeindetasse. Pfarramt: Kirchstraße, Expsditionszeit: Werktags von vormittags 9—12, nach mittags unbestimmt, Sonntags geschloffen Gemeinsame Gemeindekranken - Ver sickerung für Ottendorf und ttmgegend: Klemoknlla. Geschäftszeit: Sonnabends von 11—1 Uhr, sonst unbestimmt. feuermeldesteUen: Hauptmann Langen feld, Raöebergerslraße; Spritzenzugfüyrer Knöfel, Radebergerstraße; Steigerzugführer Müller, Großokrilla, Königsbrückerstraße; Signalist Großmann; Signalist Tamme, Terchstraße; Signalist Krause, Radeburaer- straße, „Friedrich-Wilhelms-Bad"; Sig nalist Hempel und Gumprich, Ersterer in Großokrilla, Letzterer in Kleinokrilla Bäckermeister Kühne, Bismarckstraße; Ge meindeamt, Radeburgerstraße: Walther, Moritzdorf: Schiffl L Sohn, Großokrilla.; 8ckule: Radeberger- und Dresdnerstraße. Vorsitzender des Schulvorstandes: Ge meindevorstand Lincke. Schuldirektor End ler, Dresdnerstraße. Geschäftszeit: An den Wochentagen von 9 bis 10 Uhr Vor mittags, sonst unbestimmt.