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ttendorfer Zeitung. Die ,, Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich t Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mil ^loritzdors und Umgegend. Alit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt",Wwie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „sandel itnd Wandel", „Leid und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme »an Inseraten bi, »»nnitt«- z, Uhr. Inserate werden mit »o Pf. für die Spaltzeil« berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühlc in ctzroß-Gkrilla. Lür die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 24. Freitag, den 7. November 1902. 1. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. DUendorf-Okrilla, s. November 1902. sI Fast täglich durchfahren einige Auto- Mobils die hiesigen Orte mit rasender Geschwindigkeit und ist es schon wieder holt vorgekommen, daß sich Straßenpassanten nur mit knapper Not vor dem Ueberfahren- werden gerettet haben. Obwohl die gesetzlich vorgeschriebene Fahrgeschwindigkeit auf den Straßen bebauter Ortsteile eine mäßige sein soll, so fahren doch der größte Teil der Kraft fahrzeugleiter mit einer derartig großen Ge schwindigkeit, daß es geradezu als ein Wunder bezeichnet werden muß, daß bisher nicht mehr Unglücksfälle in den hiesigen Ort schaften, in welchen es noch an Straßen beleuchtung und erhöhten Fußwegen mangelt, zu verzeichnen sind. Um diesem Uebelstandc zu steuern und dadurch eine größere Sicherheit des Straßenverkehrs herbeizuführen, sollte es sich jeder Einwohner zur Pflicht machen, die mit übermäßiger Schnelligkeit fahrenden Auto- Mobilfahrer bei der zuständigen Ortsbehörde zur Anzeige zu bringen. Es ist hierbei nur die am Hinteren Teile des Fahrzeuges ange brachte Nummer genau zu beachten. Wenn erst einige dieser Sportsherren exemplarisch be straft worden sind, dann werden sie schon den gesetzlichen Vorschriften den erforderlichen Respekt entgegenbringen. — Die Gemeindevertretungen von Groß- und Klein-Okrilla haben in ihrer letzten Sitzung die Einführung öffentlicher Straßen beleuchtung beschlossen und sollen die Straßen laternen, welche Herr Klempnermeister Müller liefert, noch im Laufe dieses Monats zur Auf stellung kommen. Hierdurch wird einem bisher bestandenen Uebelstande abgeholfen und es der Einwohnerschaft ermöglicht nach eingetretener Dunkelheit die Straßen sicheren Fußes begehen zu können. — Das große Loos der königlich säch sischen Landeslotterie ist gestern Mittwoch, also bereits am dritten Ziehungstage der fünften Klasse, gezogen worden. Es fiel auf die Nummer 65338 in die Kollektion von Ferd. Schlegel in Riesa. Die Anteilhaber sind Riesaer und Riesaer Landbewohner. Um eine große Hoffnung ärmer sind wieder einmal die vielen Loosinhaber und die Ziehung hat etwas an Reiz emgebüßt- Denn so lange der Glücks- zettel mit der schönen fünfnulligen Zahl noch in der Trommel ruht, keimt doch in jedes Loosinhabers Brust, mehr oder minder aus gesprochen, ein kleines Fünkchen von Hoffnung, den die Kunde vom Ziehen des großen Looses verlöscht. Aber noch braucht keiner zu ver zagen; es ruhen noch recht ansehnliche Ge Winne in der Trommel, Gewinne, die auch nicht zu verachten sind. Auf diese richtet sich nun die Hoffnung; als besonders verlockend winkt noch die Prämie von 400000 Mark. Und wenn man erwägt, daß jeden Tag zweitausend Nummern gezogen werden, so ist wohl ohne weiteres klar, daß noch vielen die Kunde von einem Gewinn in Aussicht steht, freilich . das große Loos giebts nur einmal. — Die königliche Generaldirektion der sächsischen Staatsbahnen hat acht Personen wagen für elektrischen Betrieb bei der Säch sischen Waggonfabrik Werdau in Auftrag ge geben. — DK königlichen Jagden in den Eisenberg-Mvntzburger Forsten werden den 11., 12. und 13. November abgehalten werden, und zwar findet am ersten Tage die Tier garten-Jagd, wo auch auf Schwarzwild mit gejagt wird, am zweiten Tage Jagd auf Bär- walder Revier und am dritten Tage im Bild chen und Oberecke des Tiergartens statt. — Nachdem erst kürzlich der Bundesrat über die Außerkurssetzung der Zwanzigpfennig stücke aus Nickel Beschluß gefaßt hat, ist es augezeigt, darauf aufmerksam zu machen, daß die silbernen Zwanzigpfennigstücke, die icieüs seit dem 1. Januar d. I. kein ge setzliches Zahlungsmittel mehr sind, nur noch bis zum 31. Dezember 1902 von den zu ständigen Kaffen in Zahlung und Umtausch genommen werden. — Die langen Abende öffnen in den Kinderstuben den Märchen-Erzälhungen alle Thüren, und zur Wonne der Kleinen hält die ganze holde Feenwelt mit Glanz und Schimmer ihren Einzug in die Kinderherzen. Aber jede vernünftige Mutter und Kinderpficgcrin sollte auch darauf halten, daß dem kindlichen Gemüt und der allzu lebendigen Phantasie nur an genehme und schöne Bilder vorgeführt werden. Die Zeit des finsteren Hexen- und Gespenster- Glaubens ist längst vorüber. Darum sollten wir auch die Einbildung unserer Kinder nicht mehr vollpfropsen und ihnen nicht mit der Erscheinung von bösen Geistern, wilden Tieren etc. drohen. Man erregt damit die Nerven der Kinder nur unnützer- und schädlicher Weise, und statt sie zu beruhigen, erzielt man damit die entgegengesetzte Wirkung. Die Kinder, welche abends vor dem Einschlafen mit der Furckt der unheilvollen Erscheinungen kämpfen und sich dadurch in einen Zustand nervöser Erregung bringen, werden unerfrischt aus den Belten aufstehen und matt und unfroh in den neuen Tag gehen. Dergleichen Zustände er zeugen mtt der Zeit eine nervöse Ueberreizt- heit, aus der sich dann später allerlei Leiden herausbilden, ohne daß man die wirkliche Ur sache kennt. Vor allem pflegen Kindermädchen das Furchleinjagen als ein bequemes und wirksames Mittel anzusehen, um Kinder zur Ruhe zu bringen. Sie erreichen diesen Zweck aber nur selten, denn gewöhnlich werden die Kinder darnach noch unruhiger. Es soll stets die Macht und die Wirkung des Guten in den Vordergrund gestellt und dadurch die Liebe zum Guten geweckt werden. Radeburg, 4. November. Am Montag (3. d. M.) abends 7 Uhr ist aus dem hiesigen Gerichtsgefängnis der eine kurze Freiheitsstrafe wegen Landstreichens verbüßende, 22 Jahre alle, aus Friedrichsthal bei Ruhland gebürtige Glasmacher Heinrich Hugo Scheibe entwichen. Scheibe ist ein mittelgroßer starker Mensch mit gesunder Gesichtsfarbe und trug den weißen Sträflings-Drillanzug. Es ist die Vermutung nicht unbegründet, daß Scheibe geistig gestört ist, zumal irgend ein plausibler Grund für sein Entweichen nicht vorliegt. Etwaige Wahr nehmungen würden unverweilt dem Königlichen Amtsgericht anzuzeigen sein. Klotzsche-Königswald. Hier er eignete sich Dienstag Abend gegen 10 Uhr ein Automobilunfall. Auf ebener Erde kam auf bis jetzt unaufgeklärte Weise die Maschine zu Fall, überschlug sich und schleuderte dabei die Insassen heraus. Der Besitzer des Auto mobils, Herr Sanitätsrat Dr. Reichardt aus Königswald, sowie der Führer des Wagens, ein Monteur der Firma, welcher den Wagen eben geliefert hatte, erlitten namentlich am Kopfe und im Gesicht starke Verletzungen, während ein dritter Herr mit leichten Ver letzungen an der Hand und dem Schreck davon kam. Die Maschine ist vollständig zertrümmert, Dresden. Am 27. Oktober d. I. ist ein etwa neun Monate alter männlicher Kindes leichnam unterhalb der hiesigen Augustusbrücke an der Neustädter Seite durch eine Bagger- maschine aus der Elbe gezogen worden. Der Leichnam ivar in einen unten ausgebogenen Flanellrock eingewickelt, um diesen befand sich ein Bogen grau s Papier, über diesem Pack papier, zwei Bogen der „Dresdner Neuesten Nachrichten" vom 2'. Oktoer d. I. und über diesen wieder ein gelber Papicibogen mit der Firma: „Steigerwald L Kaiser, Amalien- straße 2." Das Ganze war mit Bindfaden verschnürt. Die Sektion da: ergeben, daß das Kind geübt hat und daß der Tod desselben durch Geüun- und Lungenschlagfluß bei Er stickung infolge Verbrennung eingetreten ist. In dem Flanellrocke befanden sich ein Stück Holz und mehrere Kohlenstücke und der Rock elbst, der angekohlt war, ist allem Anscheine nach mit Petroleum getränkt gewesen. Ein zelne Körperteile des Leichnams waren voll- tändig verkohlt. Mitteilungen, die zur Er mittelung der Mutter des Kindes beziehentlich des Thäters führen können, werden zu „Auf- Hebungs- und Unfallregister 43 Unbek." an die Kriminalabteilung erbeten. Ausgeschlossen rst nicht, daß der Leichnam von auswärts nach hier gebracht und hier erst in die Elbe ge worfen worden ist. Wahnsdorf. Der Führer de» mit zwei Eseln bespannten Fuhrwerkes der hiesigen Bäckerei zur grauen Presse giebt an, am Mitt woch voriger Woche auf einer seiner täglichen Rückfahrten abends gegen 8 Uhr im nahen Lößnitzgrunde von zwei aus einem Gebüsch lervorstürzenden Burschen überfallen und seiner Geldtasche, in welcher sich die Tageseinnahme von ungefähr 40 Mark befand, beraubt worden zu sein. Es ist eine amtliche Untersuchung eingeleitet und die Verhaftung eines 17 Jahre alten, hier wohnhaften Burschen, von Beruf Schweizer, verfügt worden. Der Bursche ist tüchtig geworden. Pirna, 4. November. Infolge Brand stiftung wurde am Montag Nachmittag in Thürmsdorf bei Königstein das Wohnhaus mit Nebengebäude der Frau verw. Linke ein Raub der Flammen. Der Brandstifter Namen» Kern, der wegen Diebstahls und anderer Ver gehen von der Polizei gesucht worden war, wurde verhaftet. Er hatte sich, um den Ver folgungen der Polizei zu entgehen, auf dem Oberboden des obenbezeichneten Hauses versteckt, und als er keinen Ausweg zum Entrinnen mehr sah, steckte er das Haus in Brand. Er mußte, da er augenscheinlich die Absicht hatte, den Tod in den Flammen zu suchen, gewaltsam aus dem Feuer geholt werden. Bautzen. Der noch nicht 15 Jahre alte Gärtnerlehrling Schiern hier, welcher vor einigen Tagen seinen Mitlehrkollegen de» Nachts im Bette durch Erwürgen bez. Messer stiche zu ermorden versuchte und dann flüchtig geworden war, ist in Brüx (Böhmen) ver haftet worden. — Einen gräßlichen Tod fand in Ober oderwitz der Kinderwagenfabrikant Wagner. Derselbe bediente sich zum Betriebe seiner Fabrik eines Wasserrades, und war er am letzten Donnerstag in dem Werke m't Aus- räumen von Schutt beschäftigt, al» er von der rotirenden Welle wahrscheinlich bei der Wolljacke erfaßt und nun in dem engen Raume herumgeschleudert wurde, sodaß Kopf und Beine immer gegen die Wände schlugen. Ehe da» Werk zum Stillstand gebracht wurde, war Wagner bereits entsetzlich zugerichtet worden. Man fand seinen Körper buchstäblich um die Welle gewickelt vor. Trotzdem lebte der Un glückliche noch und war bei voller Besinnung. Seine ersten Worten waren: „Schneidet mich los, es erwürgt mich!" Thatsächlich mußten ihm alle Kleider vom Leibe geschnitten werden, man konnte nur den nackten Körper bergen. Dieser wies unzählige Knochenbrüche an den Beinen und an den Armen auf, auf einer Seite waren fast alle Rippen gebrochen, durch das Anschlägen des Kopfes gegen die Wand war die ganze Kopfhaut losgeriffen und auch die inneren Verletzungen waren schwerster Art. Die Geistesgegenwart des Verunglückten war bewundernswert. Nachdem man ihn aus seiner qualvollen Lage erlöst hatte, kam keine Klage über seine Lippen. Bei voller Besinnung sagte er nur noch: „Na, meine Maschine, du hast mich schön zugerichtet." Trotz schnellstem ärzt lichen Beistand gab es keine Rettung mehr für den Unglücklichen, der 4 Stunden später von seinen Qualen durch den Tod erlöst wurde. Der Verstorbene, welcher die Feldzüge von 1866 und 1870—71 mitgemacht hatte, war ein rastlos fleißiger Mann, der e» ver landen hat, sein Geschäft aus kleinsten An« ängen auf die jetzige Höhe zu bringen. — Ein rechter Glückspilz scheint der 15jährige Kellnerlehrling Pöschel im Hotel „Kurhaus" zu Oppelsdorf bei Zittau zu sein. Der jugendliche Ganymed befand sich im Be itz zweier Loose der Wohlfahrtslotterie, deren Ziehung unlängst in Berlin stattfand. Auf eines derselben fiel ein Gewinn von 10 Mk.. das andere dagegen brachte ihm den Haupt gewinn, der 100000 Mark beträgt. Der flückliche Gewinner hatte anfangs über den hm zu teil gewordenen Goldregen völlige» Stillschweigen beobachtet und so wurde erst etzt die Thatsache bekannt. — Im Tiergarten zu Berlin wurde der etwa 25 Jahre alte Techniker Ernst Bernstein von Hainichen tot und seine Geliebte, die 19 Jahre alte Clara Metzler, auf den Tod verwundet aufgefunden. Da» Motiv zur That st in dem unüberwindlichen Widerstand zu uchen, den die Eltern des Bernstein einer Heirat entgegensetzten. Geringswalde. Hier brannte am Sonnabend Vormittag in der zehnten Stunde die Stuhlfabrik von August Ettig nieder. Der Brand entstand in den Kellerräumen, wo Spi ritus und Schellack lagerte, vermutlich bei un vorsichtigem Umgang mit Streichhölzern und drang rasch durch den Fahrstuhl nach den Arbeitssälen. Bei den Rettungsarbeiten brach der Feuerwehrhauptmann H. Busch ein Bein. Der Abgebrannte hat, wie ec heißt, nicht ver sichert. Der Schaden ist groß. Chemnitz. Ein in den sächsischen Eisenbahn-Reparaturwerkstätten in Chemnitz beschäftigter Werkmeister macht eine neue wich tige Erfindung betreffend die Schweißung und Härtung von Stahl für Steinformen. Die Kruppschen und staatlichen Werke bemühen sich um die Erfindung. Leipzig, 6. November. Se. Majestät der König besuchte gestern Vormittag in Be gleitung des Kriegsministers v. Hausen, de» Oberstallmeisters v. Haugk, des Generaladju tanten d'Elsa, des Flügeladjutanten v. Schön berg. de» Abteilungschefs im Kriegsministerium Oberst Bartzky und des Ordonnanzoffizier- Hauptmann Ihle die Garnisonanstalten in Möckern. Am Nachmittag hat Se. Majestät der König der Universität Leipzig zum ersten Male als Roetor maxnikivsntisoimus einen Besuch abgestattet und ist dabei mit all dem Glanz empfangen worden, mit dem die Uni versität ihr fürstliche» Oberhaupt in einem solchen Fall zu begrüßen pflegt. Abends 6 Uhr fand große Tafel bei Sr. Majestät dem König im Palais statt. Leipzig, 4. November. Heute früh hat der 25jährige Tischler und Druckschriftenhändler Hermann Gustav Lorenz in Leipzig seine von ihm in Lindenau getrennt lebende Ehefrau in ihrer Wohnung durch einen Revolverschuß am Kopfe leicht verletzt und sich dann durch einen Schuß selbst getötet. Der Beweggrund zur That ist noch nicht bekannt. Meerane, 4. November. In Glauchau, wo bekanntlich 300 Lohnweber in den Aus stand getreten waren» weil ihnen angesonnen wurde, Meeraner „Streikarbeit" zu liefern, haben mehrere Webereibesitzer sich zu Lohn aufbesserungen bereit erklärt, doch haben die Streikenden einstimmig beschlossen, die Arbeit nicht eher wieder aufzunehmen, als die Forder ungen der Meeraner Weber bewilligt sind. Gestern verteilten verschiedene Oekonomen aus einem Glauchau benachbarten Orte vierzig Centner Kartoffeln an die Streikenden, aber mals ein Beweis dafür, daß die Sympathien weiter Kreise auf selten der Ausständigen sind. Borna, 5. November. Der Dienstknecht Schellbach in Schlemhain stürzte au» einer in Kahnsdorf ausgestellten Luftschaukel. Der Verunglückte ist im hiesigen Krankenhause, wo hin er verbracht worden war, den erhaltenen Verletzungen erlegen.