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Ottend Annahme von Inseraten bis vormittag 40 Uhr. Inserate werben mit 10 Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Die „Vttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen ,,20 Mark. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterbaltnngsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „^eld und Garten", „öpiel und ^-port" und „Deutsche Mode". okalzertung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Aloritzdorf und Umgegend. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr. 17. Mittwoch, dcn 22 Oktober 1902. 1. Jahrgang. Orrtliches und Sächsisches. Dttendorf-Gkrilla, 22. Vktober 1902. — Se. Majestät der König wohnte mit Ihrer königlichen Hoheit der Prinzessin Mathilde Sonntag Vormittag 9 Uhr dem Gottesdienste in der Hauökapelle zu Hosterwitz bei. — Die 5. Klasse der 142- königlich säch sischen Landes-Lotterie wird vom 3. bis mit 24. November gezogen. Die Erneuerung der Loose ist vor dem 25. Oktober zu be wirken. — Die Heringe werden voraussichtlich in nächster Zeit noch billiger, als sie ohnehin schon sind. Wenigstens läßt daranf folgendes, was aus Niesa geschrieben wird schließen: Seit Jahren sind hier nicht solche Mengen frischer Heringe zur Ausladung gekommen, wie in diesem Jahre. Schon ungefähr acht Wochen lung treffen fast ohne Unterbrechung zum Teil oder ganz mit Heringen beladene Schleppkähne hier ein und für die nächsten Wochen ist be reits die Ankunft zahlreicher Heringskähne an gemeldet. — Der Turnergruß „Gut Heil" stammt nicht vom Vater Jahn, sondern der Crimmitschauer Bürgermeister Fincke, der jetzt in Amerika lebt, hat ihn „erfunden", wenn man so sagen darf. Mit diesem Gruße weihte Fincke 1840 den ersten Turnplatz in Plauen ein. — Der Beschäftigungsgrad in den Steinbrüchen hat seit einiger Zelt erheblich nachgelaffen. Die winterliche Arbeitslosigkeit tritt dieses Jahr vielfach früher ein, als in den vergangenen Jahren. Der Bedarf des Baugewerbes an Werksteinen geht mehr und mehr zurück. So kommt es, daß die Verdienst- gelegenheit für die Arbeiter ungenügend ist und das Einkommen fällt. Während in manchen Gegenden der Wochenverdienst im Jahre 1898 noch auf 22 Mark und darüber sich stellte, ist er schon im vorigen Jahre bis auf 18 Mart zurückgegangen und dürfte gegenwärtig noch viel tiefer stehen. Die Verminderung des Ein kommens tritt von selbst dadurch ein, daß die periodische Arbeitslosigkeit von Jahr zu Jahr steigt. Während in guten Jahren der Stein- brucharbecker durchschnittlich einen Monat pro Jahr feiern muß, wie zum Beispiel im Jahre 1898, hat sich die Zahl der Feierschichten in den Jahren der Krise immer stärker vermehrt. Schon im Jahre 1901 betrug für den ein- zeinen Arbeiter die Zeil der Arbeitslosigkeit im Durchschnitt zwei Monate. Im Laufe dieses Jaches dürfte aber die Zeit der Beschäftigungs losigkeit sich noch weiter ausdehnen. Dresden. Die Gesammtzahl der im Monat September dieses Jahres im hiesigen elektrischen Straßenbahnbetnebe vorgekommenen Unfälle betrug 23 — darunter 20 Zusammen stöße. — Bei 7 Unfällen wurden 7 Personen (6 männl., 1 weibl.) verletzt. — Im Monat September 1902 sind bei der königlichen Po- lizetdirektion hier 13 Selbstmorde und 6 Selvst- mordversuche zur Anzeige gekommen. — Ein zur Zeit hier in Haft befindlicher 29 Jahre aller mittelloser Ingenieur hat sich Anfang vorigen Monats in verschiedenen hie sigen Kleidergeschäften unter Vorzeigung einer gerichtlichen Vorladung zu einer TestamentS- eröffnung und unter dem Vorgeben, daß er in den nächsten Wochen em nicht undedeutend s mütterliches Erbteil ausgezahlt erhalte und dann Zahlung leisten werde, Anzüge und Herren- Ueberzieher zu erschwindeln gewußt und diese Sachen dann sofort weiter verkauft. Da nicht ausgeschlossen ist, daß Vieler Betrüger auch noch in anderen hiesigen Geschäften ausgetreten ist, deren Inhaber Anzeige bis jetzt noch nicht erstattet Haven, werden etwaige weitere Ge schädigte hiermit aufgeforderk, sich zu Akten zeichen 0. IV. 2052 in der Kriminalabteilung dec königlichen Polizcidirckuo» zu melden. Bühlau. Hier sind kürzlich öfters Diebstähle und Einbrüche vorgekommen. Ein Thäter ist in einer Frauensperson ermittelt und festgenommen worden. Plauen. Ein entsetzlicher Vorfall hat ich am Sonntag Abend gegen ^8 Uhr in dem am hiesigen Rathausplatze gelegenen Re staurant „Am Marktplatz" abgespielt. Das genannte Lokal war vom Publikum dicht be- etzt. Da ertönte plötzlich der Ruf: „Du Hund, Du hast mich betäubt!" und in dcm- lelben Augenblicke zog der allein an einem Tisch sitzende, 36 Jahre alte Lithograph Hugo Barth, in Wien geboren und in einer hiesigen Blechwarenfabrik beschäftigt, einen Revolver aus der Tasche und schoß dem am Neben- tische sitzenden Bureau-Aspiranten bei oer Staalsbahn, Herrn Paul Hermann Knoll, 26 Jahre alt und hier wohnhaft, eine Kugel in den Kopf, so daß dieser schwer verletzt voin Stuhle sank. Der Thäter ergriff sofort die Flucht, wurde aber von einigen Personen ein- A)olt und verhaftet. Knoll wurde nach dem Louisen-Hause in Löbtau übergeführt. Heute Morgen 7 Uhr trat der Tod ein. Die Kugel ist in der Nähe des Auges in die linke Kopf- eite eingedrungen, hat das Gehirn beschädigt und ist in der anderen Seite der Schädeldecke kecken geblieben. Vian hat es hier unzwcifel- jaft mit der That eines Geisteskranken zu thun, denn Barth war bereits in einer Irren anstalt untergebracht und ist aus derselben erst vor einigen Wochen entlassen worden. Der tätliche Schuß traf den bedauernswerten Beamten, dem der Thäter gänzlich unbekannt war, in dem Augenblick, als er mit einigen Freunden ein Skatspiel beginnen wollte- Krippen, 18. Oktober. Am hiesigen Re visionsplatze legte gestern Vormittag 1/28 rUhr die erste in diesem Herbste aus Böhmen (Mol- baugebiet) kommende Karpfenprahme an. Sie enthielt unter dem Floßboden in den dort an gebrachten Fischkästen einige Tausend Stück lebende Karpfen. In Pirna stellte dieses Fahr zeug wieder und nahm weitere Karpfen auf, die aus den Teichen bei Kamenz stammten und von den Händlern per Bahn nach Pirna be fördert worden waren. Eine abermalige Fahrt unterbrechung erfolgt noch in Torgau, wo wiederum frische Ware aus den dortigen Teichen dieser Prahme zugeteilt werden, deren Reiseziel Hamburg ist. Mo ritzb urg. Die Ausfischung des Mittel teiches findet Mittwoch den 22. und Donners tag den 23. Oktober statt. Großenhain, 20. Oktober. Der 24 Jahre alte unverheiratete Holzarbeiter Wall aus Spremberg verunglückte heute Nachmittag kurz nach der Vesperpause in hiesiger Bau fabrik dadurch, daß wohl durch seine eigene Unvorsichtigkeit seine spiritusgetränkten Kleid-r durch jein weggeworfenes Streichholz in dein Augenblicke in Brand gerieten, als Wall mit Schellack zu arbeiten beginnen wollte. Wall verbrannte schwer an Brust, Händen, Armen und Beinen und mußte mittelst Snchkor. ä nach dem Krankenhause überführt werden. — Die diesjährigen Rennen des Parforce- Jagdvereins, die alljährlich bei Kalkreuth statt finden, sind auf Donnerstag den 30. Oktober festgesetzt worden. Senftenberg, 20. Oktober. Die erst seit circa 8 Tagen hier im Dienst befindliche Lehrerin Fräulein Messerschmidt hat sich durch Erhängen den Tod gegeben. Was der Grund zu dem traurigen Entschluß gewesen, ist völlig rätselhaft. Mühlberg an der Elbe, 19. Okwber. Heute gegen Abend ertönte hier Feucrlärm. Im nahen Burxdorf stand die mit reichen Erntevorrüten gefüllte große Scheune veö Gutsbesitzers Gaumitz in Hellen Ftammen. Das Feuer griff auch auf das angrenzende Stallgebäude über. Scheune und Stallung brannten nieder. Das stark gefährdete Wohn haus tonnte erhalten werden. Nur mit großer Mühe gelang es, bas Vieh in Sicherheit zu bringen. Die Branbursache lst unbekannt. Hohenstein-Ernstthal, 17. Oktober. Im benachbarten Orte Meinsdorf hat sich das Gerücht verbreitet, daß das vor einigen Tagen verstorbene, etwa vier bis fünf Monate alte Kind des Handelsmannes Bernhard Löbert daselbst keines natürlichen Todes gestorben, sondern möglicherweise das Opfer eines Ver brechens geworden sei. Die Beerdigung des Kindes ist deshalb von der Behörde untersagt und der Leichnam in die Totenhalle zu Lan genberg gebracht worden. Das weitere wird die Untersuchung ergeben. Burgstädt, 19. Oktober. Durch einen rohe» Scherz wurde in einem hiesigen Re- kaurant ein Unglücksfall herbeigeführt. Unter einen Tisch war eine Patrone gelegt worden, welche, wahrscheinlich mittelst Zündfadens an gebrannt, plötzlich explodierte. Einer der Gäste wurde am Fuße erheblich verletzt, die einge drungene Kugel mußte auf operativem Wege entfernt werden. Meerane, 18. Oktober. Der Genera l- treik der Fabrikweber hält unverändert an. Heute wurde seitens der Ausständigen ein Flugblatt verbreitet, in welchem über die nie drigen Weblöhne geklagt und zum Aushallen im Stre k ausgesoidert wird- Die Streikenden hielten Freitag Abend zum ersten Male, seit dem sie feiern, in 3 Säler Versammlungen ab, m welchen über das Thema „Was lehrt UNS der Streik?" gesprochen wurde. Die Ausständigen, die zu vielen Hunderten er- "chienen waren, sprachen sich am Schluffe ein mütig dahin aus, im Lohnkampfe noch länger auszuharren. Olbernhau, 19. Oktober. Beim Sprengen im Hüttensteinbruche ereignete sich durch einen seitwärts losgehenden Schuß insofern ein Un- glücksfall, als der Arbeiter Tomann durch einen 10 Pfund schweren Stein an der Brust getroffen wurde. Tomann, der sofort be wußtlos zusammenbrach, wurde in das hiesige Krankenhaus gebracht, wo er schwer verletzt darniederliegt. Glösa, 20. Oktober. In der Nacht zum Sonntag haben Kirchenschänder ihr Hand werk getrieben. Die Einbrecher sind nach Ein drücken des Bitoerglasfensters in das Gottes haus eingedrungen haben ken Taufstein um geworfen, die Gotteskästchen und Opferbüchsen erbrochen, ohne jedoch etwas oorzufinüen. In der Sakristei begnügten sich die Kirchenräuber damit, die Bücher und sonstigen Utensilien durcheinander zu werfen. Ihre ganze Beute bestand in einigen Altarkerzen. Zwickau, 19. Oktober. 90 Gefangene der hiesigen Landesstrafanstalt sind nach der neuen Strafanstalt Bautzen übergeführt worden. Aus der Woche. Das Lesen ist eine schwierigere Kunst, als so mancher glaubt. Wer die schwarzen Hiero glyphen auf dem weißen Papier ganz geläufig zu Silben, Worten und Sätzen zusammenzu reihen und dem so Ermittelten auch die rechte Betonung zu geben vermag, der kann noch lange nicht lesen, wenn sein geistiges Auge nicht zugleich genau .dasjenige zu erfassen versteht, was, dem leiblichen Auge unsichtbar, „zwischen den Zeilen" steht. Diese — sagen wir — Geiste^ chrift war in den jüngsten Tagen massenhaft am Markle, Der Aniricb war jedenfalls viel stärker wie der von schlachtreifem Rindvieh und Schweinen. In jedem Artike über die Absage der Bu en-Audwnz wimmelt es davon und wir übertreiben nicht, wenn wir behaupten, daß die Entzifferung des zwischen den Zeilen Stehenden wenigstens zwanzig ver schiedene Lesarten von der Vorgeschichte der Nicht-Audienz ergiebt und daß man daraus als sicher nur das eine erkennt: Die Burell- generaie lügen nicht und verheimlichen nichts. Natürlich ist das Schreiben ebenso schwierig wie das Lesen. Mit den schönsten Schnörkeln und den blumigsten Pyrasen veroeckl mau das jenige nicht leicht vor dem strengen Herrn Staatsanwalt, was man dem Leser gern zu verstehen geben mochte, was man ihm aber nicht ohne Gefahr sagen darf. Wenn irgend eine That oder eine Unterlassung des Kaisers Inzufnedenheit erregt, dann werden die „Re gierung", diejenigen, die den Kaiser in diesen Rügen beraten haben" oder sonstwer, den an- zugreifcn keinen besonderen Mannesmut er widert, nach der Möglichkeit mitgenommen. Sollte aber je der Schreiber die Empfindung jaden, zu eindeutig geworden zu sein, so para lysiert er die Gefahr durch irgend einen Bei- ätz über die Vorzüge des Monarchen. Der altdeutsche Schwerttanz ist zu neuer Hebung er wacht, allerdings in der mindergefährlichen Form des Eiertanzes, in dem es die Zeitungen aller Parteien — denn zittrieden ist keine bis zur unübertrefflichen Virtuosität gebracht haben. Wie zutreffend das Gesagte ist, kann man aus der Art ersehen, mit der die Tagesblätter der verschiedenen Parteien die Buren-Aubievz- rage behandelt haben. Aber das ganze Ge- chwafel ist von der Thatsache weggewn. t worden: Am Donnerstag gegen Abend sind die drei Buren-Generale m Berlin eingetroffen und haben einen Empfang g funden, wie er großartiger uno herzergreifender bisher »oll niemand zu teil wurde. Zwar ,haben die offiziellen Kreise von der Anwesenheit dieser Männer „keine Nottz gmommen", aber ine Be völkerung, arm unü reich, hoch und niedrig, tat das zehnfache ausgeglichen. Das Berliner Volk Hai sich beim Empfang alles dasjenige, waü ihm auf dem Herze» lagerte, geradezu, heruntergebrüllt. — Diese Hochrufe waren die elementaren Ausbrüche lauge zurück- gehaltener Leidenschaften. Der Kaster Hal bei den Manövern den Roberts und die Engläucer ausgezeichnet — die Berliner Be völkerung zeichnete die Buren aus. Und wenn Delarey in Frankreich auf seine Abstammung von französischen Hugenotten hinwies, so er innerte in Berlin „unser Christian" an seine deutsche Mutter und schlug damit die klingende Saite an: die Buren gehören zum deutschen Bolk und das deutsche Volk hat alle Ursache, auf seine naheverwandten Vettern stolz zu sein. Sie stehen uns verwandtschaftlich weit näher, als unsere „VAtern jenseits des Kanals." „Blut ist dicker als Wasser!" — Im Reichs tage hat inzwischen der ZoUtanz begonnen und Graf Bülow ist — man weig noch nicht, mit welchem schließlichen Erfolge.— bemüht, die Tour der „mittleren Linie"- zur letteuden zu machen. Neu ist die Tour ja nicht und über das „Balaucez l" geht sie nicht hinaus. Bebel und die um ihn wollen überhaupt nicht mit tanzen, aber die übrigen Parteien geben sich alle Mühe, auf den verschlungenen Pfaden dieses Tanzes eine recht gule Position zu be kommen, damit sie bei den Wahlen des kom menden Jahres möglichst vorleilh. fl abs.hn-ioen. — In Belgrad ist eitel Wehklagen ; die Zarin ist unpäßlich und kann daher den Beinah ihrer serbischen Kollegin nicht annehmen. König Alexander ist tief verstimmt über den seiner Draga angcthanen Affront und will sich nun mehr an Oesterreich anlehneu. Da wird es ihm auch besser glücken, denn Oesterreich hat ja keine Kaiserin mehr, die eine Draga bei sich empfangen müßte. Materiell betrachtet, hat sich bie Lage König Alexanders recht befrievigeno gestaltet. Sein Vater, der einen tüchtigen Grosch,n Geld unter die Leute zu bringen ver stand, ist tot und Draga soll eine recht wirtschaftliche Hausfrau sei». Die Kosten für die Reise nach Rutztaud werden nun auch noch gespart und so kommt es, daß Alexander bei der Generalslantskasse seines eigenen Landes den nicht unbedeutenden Posten von fünf -Millionen Frank gutstehen hat. Allerdings ist diese Staatckasse leer wie das Herz Chamber lains, aber wenn der Pump in Paris gelingt, wird auch König Alexanger zu seinen fünf Millionen kommen. Soviel aber hat der König noch nie bei einander gesehen!