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Di? „Gttcn0orfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich i Mark. Durch die Post bezogen i,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bi, vormittag za Uhr. Inserate werden mit 40 Pf. für die Sxaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 9. Freitag, den 3. Oktober 1902. 1. Jahrgang. Oertliches nnd Sächsisches. Ottendorf-Okrilla, 2. Oktober z9o2. ff- Der erste Schnee! Heute Vor mittag fielen die ersten Flocken des ersten Schnees, es waren jedoch sehr wenig Boten des allerdings zu früh beginnenden Winters. Das jetzt herrschende stürmisch-regnerische Wetter bringt solche Absonderlichkeiten zu Tage und wäre es im Interesse der Landwirte sehr wünschenswert wenn ein baldiger Witterungs umschlag eintritt, damit die notwendigen Feld arbeiten beendet werden können, /X Ein trübseliges Gesicht batte der Himmel zu der am Sonntag stattfindenden Gründungsfeier des Turnvereins Jahn aufgesteckt. Regenschwere Wolken standen schon früh am Himmel, sie hielten sich bis 8 Uhr Vormittags und dann setzte der Regen ein, der mit wenigen Unterbrechungen bis gegen abend fortdauerte. Die Festfreude wurde dadurch merklich herabgestimmt, aber trotz alledem war die Beteiligung eine sehr rege, auch die aus wärtigen Turnbrüder waren zahlreich vertreten, sogar am Spätnachmittag trafen mehrere Ab ordnungen der angemeldeten Turnvereine ein, um an der Gründungsfeier teilzunehmen. Die am Vormittag eingetroffenen auswärtigen Turner wurden von einer Abteilung des genannten Vereins unter Musikbegleitung nach dem Fest platze geleitet. Um Uhr stellten sich die Vereine zum Festzug und ^«3 Uhr setzte sich derselbe in Bewegung durch die festlich ge schmückten Straßen, leider mußte der Festzug infolge des schlechten Wetters und der fort während niedergehenden Regenschauer vorzeitig abgebrochen werden. Nach Ankunft auf dem Festplatze beg chen sich die Festteilnehmer in den Saal woselbst sie durch den Vorsitzenden des Turnvereins „Jahn" mit herzlichen Worten willkommen geheißen wurden, hierauf sprach der Gemeindevertreter von Ottendorf - Moritzdorf welcher ebenfalls die erschienenen Festteilnehmer begrüßte und im Namen der Gemeinde will kommen hieß. Darauf hielt Herr Schul direktor Endler die Festrede, welche wir nach stehend zum Abdruck bringen. Hochverehrte Festversammlung I Macht auch der Himmel ein trübes Gesicht, verscheucht er auch die Festesfreude von unserm Antlitz, tief im Herzen lebt sie doch. Sollten wir uns nicht freuen, da bei uns der Sinn für Leibes übungen nach langer Pause wieder frisch und fröhlich sich regt! Ja, die Gründungsfeier eines Turnvereins ist ein rechter Jubel- und Freudentag für uns alle. Welch edles Gut ist nicht die Gesundheit des Leibes, die Kraft und Schönheit des Körpers! Da erhebt es uns im tiefsten Innern, wenn sich deutsche Männer und Jünglinge zu- sammenthun, solch edles Gut zu fördern und zu pflegen, namentlich in unserer entnervten Zeit, da das Laster oft tiefe Furchen gräbt im Jünglingsantlitz, da Ausschweifungen aller Art die Jugendkräfte zerreiben. Wie freut es uns, daß Ihr, liebe Turner, solch jämmerlich Treiben verabscheut, daß Ihr Euren Leib nicht zerrütten wollt durch Ausschweifungen, Sünd und Laster weder im geheimen noch öffentlich. Nein, Euer Ziel soll sein: Vermehrung der Kraft Eurer jugendlichen Leiber, Gewandtheit und Geschwindigkeit Eurer Glieder, edler Gang, anmutige Bewegungen. Durch die aufopfernden, ausgezeichneten Bemühungen Eures Turnwarts seid Ihr «auf dem Wege zu diesem Ziele. Unverrückt aber soll es Euch stets vor Augen schweben, keinen Finger breit sollt Ihr von ihm weichen. Wohlthuende Frische wird dann einziehen in Euren Körper, und auf Euren Wangen wird erblühen die rosige Gesundheit der Jugend. Welch ein Ziel! Welch ein Lohn! Aber nicht der einzige. In einem gesunden Körper auch eine gesunde Seele! In der Ausdauer übt Ihr Euch, wenn Ihr manche turnerischen Uebungen elegant und graziös auszuführen Euch bestrebt, Festigkeit des Willens ist Euch nötig, um den Körper zu manchen Bewegungen zu zwingen, Vertrauen in die eigene Kraft muß Euch beleben, um schnell und gewandt eine Uebung ausführen zu können. Ausdauer, Festigkeit des Willens, Vertrauen in die eigne Kraft sind herrliche Charaktereigenschaften eines Mannes, die man rühmt, wo man sie findet. Sollten wir uns nicht freuen, daß sie hier er strebt werden? Und dort, wo deutsche Männer und Jüng linge sich verbinden zur Pflege des Leibes und der Seele, da herrscht auch allzeit in frischer, fröhlicher Sinn, da werden kleinliche Sorgen und trübe Stimmungen verscheucht und der Sonnenschein der Freude wird ausgegossen in die Herzen. Das ist Euer Segen von Eurem Verein. Welches aber ist der unsrige? Ein rechter Turnverein soll gleichen einen Brunnen, von dem aus Segensströme fließen belebend und befruchtend in Staat und Gemeinde. Hier, wo Leibesübungen gepflegt werden, fühlt sich der Einzelne als Glied eines großen Ganzen. Hier lernt er schnelle Auffassung eines gegebenen Befehles, willige Unterwerfung unter eine größere Gesamtheit. Da wird der Gemeinsinn gehoben, gestärkt das Gefühl der Zusammen gehörigkeit. Welch' reicher Gewinn für unser Gemeinde- und Staatsleben, wenn jeder mit seinem Nächsten fühlt, mit ihm gleiche Ziele verfolgt, wenn er nicht allein stehen will, sondern fest und treu zusammenhält mit den andern. Wohl dann dem Vaterlande! Ueber unserem herrlichen Vaterlande schweben glanz voll die Kronen eines Königs und eines Kaisers deren weiser Fürsorge wir es verdanken, daß unser Vaterland gewebt ist als duft'ge Blume in den Ehrenkranz der Völker, daß es daslehl, innen zwar vielgestaltig, aber „schwertgewaltig" nach außen hin, daß alle deutschen Stämme geschart sind um ein hoch Panier. Das hoch zu halten soll hier im Turnverein allezeit das eifrigste Bestreben sein. Freudige Pflicht sei es uns allen, dem Vaterlande auch heute hier an diesem Orte Treue zu geloben, die Treue bis in den Tod, die da in der Stunde der Not und Gefahr des Vaterlandes Ehre um schirmt mit Leib und Leben. Und dann: Nicht umsonst findet sich auch das „Fromm" in Eurem Wahlspruche. Ihr werdet der Forderung nach kommen im Ausblick zu dem von dem Kraft uud aller Segen herabströmt. Hohe Tugenden gilt es also zu pflegen: Gesundheit und Kraft des Körpers und des Gemütes, Gemeinsinn, Vaterlandsliebe, Frömmig keit. Wo sich in einer Gemeinde Männer und Jünglinge zusammenfinden zu solchem Beginnen, da ist die Unterstützung aller Edlen gewiß. Da ist in Wahrheit ein hoher Fest- und Freudentag. Hohes Ziel aber verlangt ernstes Streben. Darum frisch an die Arbeit! Nicht einen Vergnügungöverein sollt Ihr bilden, sondern eine Vereinigung, die da nachjagt den edelsten Tugenden, die ernst erstrebt die herr lichsten Güter der Menschheit uns allen zum Segen, Gott aber zur Ehre, dem treuen Gott, in dessen Namen wir jetzt den Verein weihen, der mit seiner Gnade walten möge über unserem Feste wie über der neuen Vereinigung früh und spät. Amen! Nach dieser mit großen Beifall aufgenommenen Rede begann das Turnen und zeigte der Turnverein „Jahn" in den von ihm auf geführten L-tabreigen eine wohlgelungene Leistung, auch das hierauf folgende Riegen- turnen genannten Vereins mußte als ein muster haftes bezeichnet werden. Das allgemeine Kür turnen fand von den verschiedenen anwesenden Vereinen eine lebhafte Beteiligung. Zum Schluß der turnerischen Darbietungen stellte der Turnverein „Jahn" eine Musterriege, welche unter Leitung des um den Verein sehr verdienten Turnwarts Herrn Arthur Mai- Reichenberg eine Anzahl wirklicher Muster leistungen zur Ausführung brachte. Mit dieser Aufführung welche dem jungen Vereine alle Ehre machten nahmen die turnerischen Uebungeu ihr Ende und es begann punkt 6 Uhr der Ball. Während desselben sprach der Vorsitzende des Turnvereins „Jahn", Herr Fischer, im Namen des Vereins seinen herzlichsten Dank den erschienenen Festteilnehmern aus und fand die Ueberreichung einer Ehrengabe an den um den Verein sehr verdienten Turnwart Herrn Mai statt. Das Vergnügen hielt die Fest teilnehmer bis in die frühesten Morgenstunden zusammen. Möge dieser Verein allezeit eil: kräftiger Sproß an der gewaltigen deutschen Turnereiche sein. Ottendorf-Moritzdorf, 2. Oktober. Das Fleisch eines nicht für bankwürdig erklärten Rindes, dasselbe litt an generalisierter Tuber kulose, mußte auf behördliche Anordnung ver graben werden. — Saatenstand im Königreich Sachsen Mitte September 1902. (Zusammengestellt in der Kanzlei des Landeskulturrats.) All gemeine Uebersicht. Die unbeständige Witterung, über welche in den letzten Monaten zu berichten war, hat auch von Mitte August bis Mitte September, wenn auch nicht im gleichen Maße wie vorher, angehalten. Bis gegen Ende August war die Witterung vorherrschend trübe und regnerisch, nur wenige Tage waren regen- frei und warm. Anfang September klärte sich das Wetter auf und es erschien die Hoffnung berechtigt, die langersehnte trockene, warme Witterung werde von Dauer sein. Jedoch be reits der 5. September brachte wiederum Regen, der von neuem unbeständiges Wetter einleitete, bas im allgemeinen bis Ende der Berichtszeit sortdauerte. Die Getreideernte konnte nur in den tieferen und mittleren Lagen beendet werden. In den höher gelegenen Bezirken ist man noch damit beschäftigt. Das Grummet ist erst zur Hälfte geborgen. Es bereitet, wie bei allen anderen Früchten, große Schwierigkeiten, das selbe trocken zu vekommen. Dabei hat die Bergung der Ernte erhebliche Mühen und Kosten verursacht und konnte sowohl das Ge treide als auch das Futter nur selten in dem wünschenswerten dürren Zustande eingebracht werden. Indessen ist nur wenig Auswuchs bei Getreide und in seltenen Fällen gänzliches Verderben des Heues festzustellen gewesen. Der Raps ist gut aufgelaufen, doch haben die Erd flöhe hier und da Schaden verursacht. Die Kartoffeln sind fast überall zu zeitig abgestorben, was auf die kühle, nasse Witterung zurück geführt wird. Nur einzelne Sorten — es werden u. a. „Ceres", Professor Wohltmann" und Professor Märcker genannt — machen hiervon eine Ausnahme. Die Hoffnung auf eine reichliche Kartoffelernte ist infolgedessen nicht allzugroß, namentlich wird auch die Qualität der Knollen viel zu wünschen übrig lassen, denn aus den meisten Bezirken wird über Erkrankung (Fäule) letzterer berichtet. Die Runkelrüben stehen mit wenig Ausnahmen gut, jedoch ist bei ihnen ebenso wie bei den Zucker rüben die Zahl der Schosser sehr groß. Auch bei den Zuckerrüben hatten sich die Blätter sehr üppig entwickelt, die Wurzeln sind jedoch nur klein geblieben und dürften kaum einen großen Zuckergehalt aufweisen. Der Stoppel- tlee steht mancherorts sehr gut, namentlich nach Roggen; zum Teil ist er in der Entwickelung noch zurück. Der zweite Schnitt vom alten Klee hat ebenso wie der von den Wiesen gute Erträge gegeben. Die Herbstbestellung ist in folge der verspäteten Ernte noch weit im Rück stände. Aus vielen Bezirken wird über das Auftreten von Mäusen berichtet. Etwas Ein halt ist der Ausbreitung dieser Schädlinge durch die kühle, nasse Witterung gethan worden. — Dresden. Ein Durchgänger von hier wurde am Donnerstag Abend in Berlin sest- genommen. In einer dortigen Gastwirtschaft mit werblicher Bedienung verkehrte ein junger Mann, der schließlich eine große Zeche machte, ohne bezahlen zu können, Als man ihn nun festnahm und als Zechpreller der Kriminalpolizei zuführte, erkannte diese in ihm einen Mechniker Heppe von hier, der seinen Arbeitgebern die Geldkaffe erbrochen und 3000 Mk. gestohlen hat. Heppe wurde bereits steckbrieflich gesucht. Das Geld hatte er in Berlin in leichtsinniger Gesellschaft durchgebracht. Die Kriminalpolizei führte ihn am Freitag dem Untersuchungs richter zu. Dresden, 2. Oktober. Die Maschinen gewehr-Abteilung Nr. 9 passierte gestern, von Hirschberg in Schlesien kommend, mittels Sonderzuges die hiesige Stadt. Der Sonder zug traf nachmittags 5 Uhr auf dem Altstädter Güterbahnhofe ein und fuhr nach kurzem Auf enthalte über Chemnitz—Reichenbach—Hof nach seinem Ziele Colmar im Elsaß weiter. — Nach dem „Fränk. Kurier" sind die Textilarbeiter Sachsens und des Vogtlandes in eine Lohnbewegung getreten. In der großen Albert'schen Weberei in Greiz, in der auch im vergangenen Jahre ein großer Streik aus gebrochen war, hat die Arbeiterschaft die Thätigkeit bereits eingestellt. Ein allgemeiner Ausstand für Sachsen und Thüringen sollte an gestriger Mittwoch beginnen. Es kommen rund 20- bis 30000 Arbeiter in Betracht. Großröhrsdorf, 2. Oktober. Hier wurde der bereits mehrfach vorbestrafte Tagelöhner Grundmann aus Bretnig, welcher sich seit der Zeit seiner Entlastung aus dem Zuchthause in hiesiger Gegend umhertrieb, wegen Sittlichkeits vergehens an einem neunjährigen Mädchen aus Bretnig von dem Gendarmerie-Brigadier verhaftet und an das Amtsgericht Pulsnitz eingeliefert. Riesa, 2. Oktober. Auf einem thalwärts fahrenden Elbkahn ist Montag Nachmittag der etwa 12 jährige Knabe Wilhelm Jauer aus Aken entweder verunglückt oder eigenwillig aus dem Leben geschieden. Der Junge hatte ge äußert, daß er in die Elbe springen wollte, später aber wurde er in einer als Schaukel be festigten Leine, die um den Hals geschlungen war, tot aufgefunden und von der Ortsbehörde Gröba aufgehoben. Ob sich die Schlinge beim Spielen zufällig gebildet hat und der Knabe in dieselbe geraten ist oder ob absichtliche Selbst- entleibung vorliegt, muß dahingestellt bleiben. — Ruhland, 30. September. Zu dem gestern bereits gemeldeten Unglücksfalle wird uns noch folgendes Nähere mitgeteilt: Auf der Station Schwarzbach wollte am gestrigen Sonn tage Herr Jagdpächter Schönert, ein Wein händler aus Dresden, den nach Ruhland gehen den Zug benutzen, um noch nach Dresden zu kommen. Herr Schönert begab sich in das Koupee des diensthabenden Schaffners, damit er seinen Jagdhund, welchen er an der Leine führte, mit hineinnehmen könnte. Plötzlich krachte ein Schuß — Sch. war mit der ge ladenen Flinte angestoßen. Das Geschoß ging ihm in die Kinnlade, zum Kopf hinaus und bei dem im Koupee mitfahrenden Schaffner hart an den Backen vorbei. Auf der Station Ruhland trug man Herrn Sch. besinnungslos hinaus, um den schwer Verletzten nach Dresden zu überführen. Der herbeigeholte Arzt, Herr Dr. Waldau-Ruhland, konstatierte jedoch den inzwischen eingetretenen Tod. Erwähnt sei, daß bei dem Verletzten während der,Fahrt eine Blutlache entstand, in der ein Stück Kinnlade mit Zähnen vorgefunden wurde. Todtenblaß entstieg der Schaffner dem Koupee. Der Ruh lander Gendarm nahm das Gewehr des Toten und es zeigte sich, daß auch der andere Lauf noch geladen war. Der so plötzlich aus dem Leben Geschiedene, der in heiterster Stimmung von seinen Logiswirten geschieden war, wird besonders von denen, die ihn als liebenswürdigen Menschen kennen zu lernen Gelegenheit hatten, ob seines tragischen Geschicks tief bedauert. Mühlberg a. d. Elbe, 2. Oktober. Ein männlicher Leichnam ist zwischen Camitz und Pülswerda von der Elbe ans Land geschwemmt worden. Die Persönlichkeit des Toten hat noch nicht festgestellt werden können.