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Ottendorfer Zeitung : 01.10.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-10-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190210017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19021001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19021001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-10
- Tag 1902-10-01
-
Monat
1902-10
-
Jahr
1902
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 01.10.1902
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Uou Unl» und Fer»». Ihr Dienstmädchen. Bei der Unter suchung eines Eisephahnunfalles hat sich heraus- gestellt, daß eine Schrankenwärterin wiederholt ihren Posten verlassen und ihr Dienstmädchen mit Schrankenbedienung während ihrer Ab wesenheit beauftragt hat. Minister Budde hat das Vorkommnis den königlichen Eisenbahn direktionen mit Kem Auftrage bekannt gegeben, in geeigneter Weise darüber zu wachen, daß die Schrankenwärterinnen, gleichwie alle übrigen Bediensteten ihren Dienst stets in eigener Person wahrnehmen. Zuwiderhandlungen find in jedem Falle zu untersuchen und gegebenen Falles streng zu ahnden. Den wegen Geheimbündelei vor einem Jahre in Toorn verurteilten polnischen Gym nasiasten soll nach neuerer Bestimmung der Unterrichtsbehörde der Berechtigungsschein zum einjährig-freiwilligen Dienst belassen werden, soweit fie nicht Gefängnisstrafen von mehr als einer Woche verbüßt haben. Den zu längeren Gefängnisstrafen Verurteilten soll der Berechti gungsschein entzogen werden, wenn ihnen nicht ganz besondere Milderungsgründe zur Seite stehen. Hiervon werden sechs Gymnasiasten und acht Kleriker beziehungsweise Studenten betroffen, während 21 zu Gefängnis bis zu einer Woche verurteilte junge Leute die Ver günstigung erhalten. Hickel «md Marten. Der aus dem Gum- binner Morsprozeß bekannte Wachtmeister Marien sowie der Sergeant Hickel werden nach Hamburg ziehen. Marten fand bereits in einem dortigen Getreidegeschäfi Anstellung. Hickel hat Aussicht, als Zollbeamter beschäftigt zu werden. Auch der junge Marten wird später nach Hamburg kommen. Für junge Mädchen. Ein Mann, der seine Zeit versteht, ist anscheinend der Direktor des Neuen Theaters in Halle a. S. An der Kasse sowohl, wie bei der Direktion selbst wurden, so erzählt man der,Volksztg.', wieder holt Anfragen gehört, ob denn auch wohl dieses oder jenes Stück für junge Mädchen ge eignet sei. Mauthner macht jetzt den Versuch, das Problem durch die Farbe der Zettel zu lösen. So nimmt er für Wolzogens Lustspiel »Ein unbeschriebenes Blatt" einen weißen Zettel. Weiß bedeutet die Unschulo und soll erkennen lassen, daß zu dem Stücke ohne jede Bedenken selbst kleinere „höhere Töchter" mit genommen werden dürfen. Bei der „Dame von Maxim" dagegen läßt Mauthner knallrote Zettel drucken, wohl um anzudeuten, daß zarte Seelen bei dem Stück erröten müßten. Weitere Abstufungen in der Farbe find vorläufig nicht beabsichtigt. Beim Thalsperrenbau in Glüder er eignete fich ein schwerer Unglücksfall. Eine Schmalspurmaschine schob einen mit Baum stämmen beladenen Wagen. Die Baumstämme rannten fich plötzlich an Felsen fest und drangen in die Maschine. Der Maschinenführer, dem der Schädel zertrümmert wurde, war sofort tot, der Heizer und ein Arbeiter wurden schwer verletzt. Rätselhafter Tod. Bei einer am Donnerstag abend in Frankfurt a. M. statt- gefundenen Razzia wurde in einer Kaffeewirt schaft in der Altstadt eine 21 jährige Näherin sterbend ausgefunden. Sie war offenbar ver giftet. Das Mädchen wurde ins Krankenhaus gebracht und ist dort bald verstorben. Man vermutet ein Verbrechen. Raubzeug an der russischen Grenze. Wie in jedem Jahre, tritt auch in diesem das vielfach vorhandene Raubzeug aus den Forsten der russischen Gouvernements Suwalki und Kowno nach Preußen über. In der nördlich von Pillkallen liegenden großen Schoreller Forst treibt bereits seit einiger Zeit ein offenbar von Rußland herüber gewechselter Wolf sein Un wesen und räumt unter dem Wildstande auf. Eigentümliche Beerdigungs - Koste«. Einem Arbeiter in Wien wurde ein Bein ampu tiert. Nach seiner Genesung erhielt er zu seinem nicht geringen Erstaunen vom Wiener Magistrat eine Rechnung in der Höhe von 3,50 Kronen für Beerdigungskosten, die er bei sonstiger Exekution zu bezahlen angewiesen wurde. Der Arbeiter verlangte die Kosten von der Krankenkasse, welche dieselben jedoch ver weigerte, weil man den entfallenden Betrag weder als Krankengeld noch als Unterstützung verrechnen könne. Der Arbeiter fordert nun, da ein Teil seines Jchs begraben wurde, eine Abschlagszahlung auf die ihm nach seinem Tode rechtmäßig gebührenden Leichenbestattungs- und Beerdigundskosten. Eine lange Verlobung. Den Rekord der längsten Verlobung hat jedenfalls ein alter Mann in Böhmen gedrückt. Franz Rosner, ein armer Tagelöhner aus Oberpörlitz, verliebte sich als junger Mensch von 25 Jahren in die bildschöne Anna Renner, und diese erwiderte seine Neigung. Aber der ehelichen Verbindung thürmten fich stets neue Hindernisse in den Weg, bald sehlte es an den nötigen Geld mitteln, bald an einem Heim, dann mußte Franz in den Krieg und kam als Krüppel mit glücklich und wolkenlos schien, in Wahrheit aber eine reine Hölle war, daß Frau David dagegen Syndon liebte. Am Mittwoch fand die Be erdigung des Ermordeten statt. Die Beteiligung, besonders der Finanzkreise, war sehr groß. Frau David war, von Verwandten geleitet, auf dem Kirchhof erschienen. Der Versuch, das Mittelmeer mit einem Ballon zu überfliegen, ist, wie schon kurz ge meldet, abermals mißglückt. Der Ballon war von dem Torpedobootzerstörer „Epöe" nach Corsica geschleppt und dann freigelassen worden. Der „Epse" folgte ihm, so gut es ging, um nötigenfalls Hilse bringen zu können. Die Fahrt ließ fich zuerst gut an, zwar nicht in dem Sinne, wie der Luftschiffer es erwartet hatte, indem der Ballon in eine südliche Luft strömung kam und statt nach Afrika auf die französische Küste zugetrieben wurde. Er lan dete dort gegen 4 Uhr nachmittags in der Nähe des Ortes Marscillan, südlich von Cette. Die deutsche zoslogische Station in Neapel. zerschossenem Arm wieder. Trotzdem ließ das Mädchen nicht von ihm und schlug alle anderen Bewerber aus. Vor kurzem nun wurde Franz krank, schwer, unheilbar, und auf dem Totenbett ließ er fich noch mit der Geliebten trauen. Zwei Tage nach seinem 100. Geburtstag starb er. Seine trauernde Witwe ist 93 Jahre alt. Wie Jellinek die unterschlagenen fünfte- halb Millionen der Wiener Länoerbank anlegte, ist jetzt festgestellt. Danach verwendete Jellinek 1,5 Millionen Kronen für die Elek'romobilwerke, 1 Million Kronen für die Torf-Industrie, 180 000 Kronen wurden in Jellineks Kasse gesunden, 50000 Kronen bei der Postsparkasse, 300 000 Kronen als Depots in mehreren Börsenkontors, 250 000 Kronen als Ueberschuß in der Vorschußkaffe der LSnderbank- bcamten, 60000 Kronen waren als Darlehen an Verwandte, 150 000 Kronen als weitere Darlehen, Vorschüsse und Geschenke an andere Personen, dar unter auch Bankbeamte, verwendet, zusammen 8 540 000 Kronen. Es fehlt somit noch mehr als eine Million Kronen, deren Verwendung nicht be kannt ist. Aus Deutschland, so auch aus Berlin, richteten zahlreiche Geldinstitute an die Länderbank das Ansuchen um genaue Darstellung der Mani pulationen Jellineks, zur Einrichtung einer besseren Kontrolle. Die Länderbank selbst führt ein ganz neues Kontrabuch für Checkverkehr und jährliche Zwangsurlaubt für alle Beamten ein. An den Untersuchungsrichter zu Wien ist ein Telegramm gelangt, demzusolgc der Defraudant Jellinek sich bereits auf dem Meere auf der Flucht nach einer englischen Kolonie befindet. Eine großartige Schenkung für die Stadt Triest hat der soeben verstorbene Großindustrielle Georg Galatti gemacht. Er schenkte sein ganzes anderthalb Millionen Kronen betragendes Ver mögen der genannten Stadt zur Gründung eines Krankenhauses. Mit dem Selbstmordversuch eines vor nehmen Russen in Algier brachten Pariser Blätter fortgesetzt einen Onkel des Zaren, den Großfürsten Paul Alexandrowitsch, in Verbin dung. Jetzt wird der .Rheinische Kurier' von amtlicher Seite in Schlangenbad ersucht, be kannt zu geben, daß Großsürst Paul Alexan« drowitsch fich seit dem 2. September ununter brochen zur Kur in Schlangenbad aufhält, also an der Affäre in Algier nicht beteiligt sein kann. Die Blutthat i« Etretat. Dem,Fransais' zufolge hat die Untersuchung über die Er mordung Lucien Davids bereils ergeben, daß die Ehe Davids und seiner Gattin nur äußerlich Das Torpedoboot „Epöe" traf eine halbe Smnde später in Cette ein. Der Ballon war bei seiner Landung schon stark erschöpft. Deutsche Bahuprojekte in Palästina. Nach Mitteilungen von durchaus glaubwürdiger Seite, die der,Dtsch. Warte' zugehen, finden Verhandlungen mit der türkischen Regierung statt, die die Konzession eines deutschen Finanz konsortiums zur Ausführung des Baues einer Bahnstrecke behufs Erschließung von Nord- Palästina herbeiführen sollen. Es wird fich voraussichtlich um den Bau der Linie Haifa-Damaskus handeln. Die Strecke wird zum Teil im Jordanthale und dann an der südlichen Hälfte des östlichen Ufers des SeeS Genezaretb bis Damaskus entlang geführt werden. Man verspricht fich von der Inbetrieb setzung dieser Eisenbahnlinie große Rentabilität, da fie, abgesehen von der Verkehrsförderung in Nord-Palästina, in Damaskus Anschluß an die Mekka-Bahn findet. Diese ist bekanntlich ein Lieblingsprojekt des Sultans und zur Zeit auf einige 100 Kilometer bereits fertiggestellt. Gleichzeizig mit dem deutschen Bahnbau-Unter nehmen soll auch eine Verbesserung und Neu- Herstellung der Hasenaulagen in Haifa erfolgen. Einen echt amerikanische« Gewalt streich haben die Ausständigen im pennsyl vanischen Kohlengebiet verübt. Sie hielten nachts einen Expreßzug der Philadelphia and Reading-Eisenbahn an, weckten alle Fahrgäste aus dem Schlaf, fragten fie genau aus und stellten eine Untersuchung an, ob fich im Zuge Arbeiter befänden, welche nicht Gewerkschaften angehörten. Wirklich wurden auch einige in korporierte Arbeiter entdeckt und unbarmherzig durchgeprügelt. Amerikanischer Riesentunnel. Auf der Zentral-Pacificbahn soll ein Riesentunnel durch die Sierra Nevada in einer Höhe von 5300 Fuß gebaut werden, dessen Länge 34 800 Fuß betragen wird. Die Kosten schätzt man auf gegen 57 Mill. Mk. Die Strecke Chicago- San Francisco würde dadurch um 16 Stunden abgekürzt, somit auf 2V- Tage vermindert werden, so daß die Reise New Jork-Chicago- San Francisco unter Benutzung der neuen 20 Stunden - Blitzzüge New Jork—Chicago in weniger als 3^2 Tagen zurückgelegt werden könnte. Durch ein Erdbebe« wurden in Kaschgar am 22. August 100 Personen getötet und meh rere Gebäude zerstört. In Jangi wurden 20 und im Dorfe Astyn 400 Personen getötet. Die chinefische Bevölkerung erhielt die Nachncht von der Zerstörung des Ortes Aksu Kutsche. Die Erderschütterung dauerte bis zum 3. d. an. Gerichtslkalle. Halle. „Wem gehört der Thaler?" Darum handelte es fich in der Anklage gegen den Handels mann August Roller. R. sollte am 12. Juli in Halle auf offener Straße dem 15jährigen Dienstmädchen Dimar einen Thaler entwendet haben, indem er ein solches Geldstück, das dem Mädchen entfallen war, aufhob und behielt. Der Angeklagte erklärte, der Thaler, den er aufgehoben, fei sein Eigentum ge wesen. An jenem Tage sei er aus dem Laden eines Kaufmanns gekommen und habe noch sein Geld täschchen in der Hand gehabt, wobei ihm ein Thaler herausgerutscht und auf den Fahrdamm gerollt sei. Als er das Geldstück aufbob, habe auch das junge Mädchen danach gegriffen und ge sagt: „Das ist mein Thaler —", wogegen er ge äußert habe: „Nein, das ist mein Thaler." Er sei dann mit seinem Geschirr weitergefahren, aber von der Polizei angehalten und aufs Revierbüreau be stellt. Dort habe er seinen Geldvorrat aufgezählt und seine Einnahme nebst Ausgabe vorgerechnet, wonach sich ergeben habe, daß seine Kaffe mit Einschluß deS fraglichen ThalerS mit der Rechnung stimmte. Die Zeugin Dimar bekundete, sie habe einen Thaler in der rechten Hand gehabt und habe in der Künig- tzraße ein Paar Schuhe kaufen wollen. Aus dem Kaufladen sei ein Mann gekommen und habe ihr einen Schlag auf den rechten Arm versetzt, wodurch ihr der Thaler entfallen sei. Sie habe das Geld stück ausheben wollen; aber der Mann habe eS aufgehoben und auf ihre Aeußerung: „Das ist mein Thaler!" erwidert: „Vorläufig ist eS mein Thaler!" Der Angeklagte bestreitet das, wie auch die Angabe der Zeugin, daß er ihr einen Schlag auf den Arm verfehl habe. Auf Vor halt gab tue Zeugin zu, sie fei vielleicht bloß aus Versehen angestoßen worden. Gemäß dem Anträge des Staatsanwalts erkannte das Gericht auf Frei sprechung des Angeklagten, weil nicht widerlegt sei, daß er jenen Thaler nicht als den seinen, der ihm fortzerollt fei, betrachtet habe. Buttles Allerlei. Die Wachteln find in diesem Jahre sehr zahlreich, während die Feldhühner ziemlich selten find. Die Ursache dieser Erscheinung, so schreibt die ,Saale-Ztg.', dürfte in weiteren Kreisen und selbst manchem Jäger unbekannt sein. Seitdem die Engländer Aegypten besetzt haben, also seit etwa 18 Jahren, werden dort jährlich un geheure Mengen Wachteln gefangen und lebend nach England gesandt. Die Zahl wird auf 10—15 Mill, geschätzt. Von diesen kommen aber nur 2—3 Mill, lebend nach England. Die ordern verenden während des Trans ports. diesem Unfug, fo weit es in ihrer Macht steht, ein Ende zu bereiten, haben vor zwei Jahren Deutschland und Frankreich fich dahin geeinigt, während der geschlossenen Jagdzeit keine Sendungen von lebendenWachteln, die in Aegypten oder anderswo gefangen wor den find, nach England mehr durchzulassen. Durch diese Maßregel, die nur gebilligt werden kann, ist jenem Massenmord Einhalt gethan, und deshalb treten jetzt die Wachteln in Mittel europa wieder viel häufiger auf. Dies ist sehr erklärlich, denn 15 Mill. Wachteln oder 7,5 Mill. Paare, mit durchschnittlich 10 Jungen pro Nest, vermehren fich in einem Jahr auf 90 Mill. Wachteln. In den nächsten Jahren werden diese Vögel, die zudem für die Land wirtschaft so nützlich find, sicher noch in viel größerer Zahl austreten als in diesem Jahre. * * He Treffend. Vater: „Sieh' mal, mein Sohn, wie gefällt dir dies Tuch zu meinem neuen Rock?" — Sohn (die Unke Seite des Tuches betrachtend): „Sehr schön, lieber Vater!" — Vater: „Dummer Junge, du stehst dir ja die linke Serie an!" — Sohn: „Nu ja, Vater — ich krieg'n Rock ja doch erst, wenn er g'wend't ist!" (Mch. Jahrh-.) Umsonst. Patient: „Herr Doktor, es wäre ganz vergeblich, wenn Sie mir das Trinken ver böten !... Ich bin furchtbar vergeßlich!" Jenny faßte fich bald, und auch Waldeck juchte sich zu sammeln. Die bestellten Er frischungen wurden gebracht und bald plauderte man von allen möglichen Dingen, als sei nichts Bemerkenswertes vorgefallen. Bei der Heimfahrt verhielt auch Jenny fich still und einsilbig. Sie dachte über Waldecks Geständnis nach und wie cs nun ihre Pflicht sei, ihre Verlobung mit Edgar von Hohenzil zu lösen, denn jetzt galt kein Zögern mehr, jetzt mußte Emst gemacht werden. Waldecks Herz war nur von Glück und Seligkeit erfüllt. Beim Emsteigen hatte ihm Jenny leise und flüchtig die Hand gedrückt, aber diese kaum sühtbare Berührung war von ihm wie ein elektrischer Strom empfunden worden. Er liebte Jenny mit der ganzen Innigkeit seines Gemütes; für ihn war fie die beste, die schönste ihres Geschlechts auf der ganzen weiten Well und selbst sür seine kleine Hohenziler Freundin hatte er keinen Gedanken mehr. Arme Elfriede — und fie dachte täglich, stündlich an ihn! Obgleich Jenny von der Fahrt ermüdet war, begab fie fich doch nicht zur Ruhe. Nach dem fie ihre Kammerfrau entlassen, ging fie sinnend in ihrem Zimmer auf und ab. Viel leicht wurden ihr die Folgen ihrer perfiden Handlungsweise erst jetzt recht klar, da fie vor dem Uliimatum stand. Entweder — oder! Wollte fie ihr Edgar gegebenes Wort halten, so war fie gezwungen, dem Doklor die volle Wahrheit zu gestehen, und das hätte fie um keinen Preis vermocht. Sie liebte ja Robert Waldeck, liebte ihn ja so sehr, wie es ihr kalter, selbstsüchtiger Charakter nu. Meß. So hatte sie es fich in den Kopf gesetzt, seine Frau zu werden; war fie doch reich genug, um fich die Laune zu gestatten, die Gattin eines in ihren Augen armen Mannes werden zu können, denn ein Leben ohne Luxus wäre >ür fie undenkbar gewesen. „Wären wir beide arm," sagte fie halblaut vor fich hin, „ich würde mich keinen Moment bedenken. In dürftigen Verhältnissen könnte ich nun und nimmer leben! Aber ich bin reich, ich habe genug >ür ihn und für mich. Wir können in die Residenz ziehen, dort ein großes, Haus führen. Er ist ein intelligenter Mann, dem eine Zukunft bevorsteht. Mein.Gott, mit Geld ist ja alles möglich. Der Adel Edgars hat mich nie verlockt, ich bin die Tochter eines freien Landes und gebe nichts auf einen leeren Titel. — Und nun — es muß einmal sein, ich darf nicht länger zaudern, es muß geschehen, und das heute noch!" Am Ringfinger ihrer kleinen weißen Hand blitzten zwei kostbare, goldene Reifen. Der eine derselben war Edgars Geschenk. Mit einer schnellen Bewegung streute sie ihn ab und legte ihn auf den Lisch. Dann entnahm sie ihrer Schmuckkaffettc ein Kouvert; es enthielt Edgars Bild. Nur flüchtig weilten ihre Blicke am den ernsten Zügen des Mannes, den sie so treulos zu verlassen im Begr-ffe stand. Sentimentalität war Miß Howards Sache nicht; fie gab fich demnach keinen weiteren Be- irachlungen hin, sondern setzte fich, um an Edgar zu schreiben. Mit kurzen Worten sagte fie ihrem Ver lobten, daß fie ihm nicht angehören könne, weil fie erkannt, daß fie ihn nie recht geliebt habe, und es jedenfalls für beide Teile besser sei, beizeiten ein Verhältnis zu lösen, das, noch fester geknüpft, fie beide nur unglücklich machen würde. Kein inniger Herzenston, keine Anklage gegen fich selbst über ihre Wankelmütigkeit lag in den Zeilen. Jenny war eben eine durchaus prak tische junge Dame, die das Leben zu nehmen verstand, wie es eben war. In erster Linie war fie immer nur für fich und ihren Vorteil bedacht; ob fie den andern Teil damit schmerz lich traf und aufs tiefste verletzte, das war ihre Sorge nicht; ihr Wille war immer der behauptende gewesen, und fie dachte nicht im Traume daran, daß es Waldeck gegenüber anders werden mußte. Mit ruhiger Hand verschloß und konver tierte fie den verhängnisvollen Brief, dem sie Photographie und Ring beigelegt hatte. Somit war das für fie abgeschlossen und abgethan sür immer. Mit dem ruhigsten Gewissen von der Welt suchte die schöne Miß an diesem Abeud ihr Lager auf. Bald senkte fich ein sanfter Schlim mer auf ihre müden Lider herab, und nicht einmal im Traume trat das Bild des verratenen Mannes vor ihr geistiges Auge. — Am nächsten Morgen ließ Jenny sofort nach dem Erwachen die Sendung an Edgar von Hohen; l expedieren. Gelangweilt blätterte fie gegen Mittag in einem Buche, bis fie dasselbe endlich beiseite warf; nahm denn dieser Morgen gar kein Ende? Da tönte draußen die Klingel, und gleich darauf vernahm fie des Doktors festen gleich mäßigen Schritt. Sie richtete fich aus ihrer bequemen Stellung empor und sah erwartungsvoll nach der Thür. Ein Lächeln der Befriedigung umspielte ihre Lippen; er war noch vor der bestimmten Zeit gekommen. Als Waldeck eintrat, hatte fie wieder ihr Buch zur Hand genommen und lehnte mit nach lässiger Anmut in der Sosaecke. Robert warf einen fragenden Blick auf Jennys schönes Gesicht. Sie erschien ihm so ruhig, so gleichmütig, während ihm das Herz zum Zerspringen klopfte und das Blut fich in rascherem Kreislauf durch seine Adern drängte. War das, was gestern vorgefallen, von ihr ver- geffen, oder ? Er wagte es nicht, Wester zu denken. In stiller Nacht waren ihm mancherlei böse Ge danken gekommen. Nach allem, was er sah, mußte er darauf schließen, daß Jenny sehr reich sei. Wenn fie seinem Geständnis eigennützige Motive unterschob I Reiche Mädchen find immer der Gefahr ausgesetzt, um ihres Geldes willen geheiratet zu werden! Es war ihm qualvoll gewesen, daran denken zu müssen, daß Miß Howard ihn vielleicht auch unter die Zahl derjenigen rechne, die als Glücksjäger darauf ausgehen, fich eine reiche Fiau zu erobern. Ec hätte einen solchen Ver dacht nicht ertragen und eher seine Liebe ge- opfert, um vorwurfsfrei dastehen zu können, u, lFortfehanz folgt.»
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