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Dic „Gttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla nm Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Bandel und Wandel", „Held und Garten", „öpiel und Tport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag zg Uhr. Inserate mcrdcn mit Pf. für die Spaitzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr. 8. Mittwoch, den 1. Oktober 1902. 1. Jahrgang. Bekanntmachung. Bei dem Unterzeichneten ist eine braune, schwarz und hellgrau gestreifte Pferdedecke als gefunden abgegeben worden. Gttendorf-Mori^dorf, am 2Z. September ^02. Der Gememdevorstand. Lincke. UM" Bestellungen auf die „O/Zezzk/oz/ez' Ss/Wz/F" werden in Lomnitz bei Herrn Kaufmann Schlotter, in Lunnersdorf von Herrn I. Hirche entgegen genommen. Oertliches und Sächsisches. Vttrndorf-Gkrilla, Zo. September 1Y02. — De. Majestät der König und Ihre königliche Hoheit die Prinzessin Mathilde besuchten am Sonntag Vormittag den Gottes dienst in der Schloßkapellc zu Pillnitz und nahmen na.mittags 2 Uhr mit dem Kron- Prinzen paar und dessen beiden ältesten Söhnen an der FamickeMaiel bei Ihrer Majestät der Königin-Wittme in Villa Strehlen teil. — Tic beiden grossen Bilder, die eine Deputation beider Kammern des sächsischen Landtages am Freitag Sr. Majestät dem König überreichie, sind jetzt mit Genehmigung Seiner Majestät im Schaufenster des Ateliers vom Hofphowgraphen Otto Meyer, in dem sie her- gestellt worden sind, öffentlich ausgestellt. j^j Medinge n. In der Nacht zum Montag stürzte der 25 Jahre alte Robert Menzel an der Viktoria-Brauerei in die Röder und ertrank. Der Leichnam wurde Montag früh geborgen. ft) Lomnitz. Der am Sonntag Abend im hiesigen Gasthofe abgehobene Her bstball des hiesigen Turnvereins erfreute sich eines zahlreichen Besuches von auswärtigen Turnern. Die abwechselnder Weise zwischen den Tanze vorgeführten Stabübungen, Reigen und Gruppen machten den Verein alle Ehre und sah man, daß cS derselbe mit seinen Uebungöabenden genau genommen hatte. — Man schreibt uns aus Landwirtskreisen: Die königt- Annshauptmaunschasl ist stets in anerkennenswerter Weise darauf bedacht, daß bei sich nötig machenden Baumpflanzungen «n öffentlichen Wegen nur Obstdäume und zwar für die betreffende Bodenlage geeignete Sorten angepflanzt werden. Mancher wird aber schon erfahren haben, wie schwierig es oftmals ist, einen Baum fortzubringen. Die Pflanzung muß manchmal wiederholt vor genommen werden. Dies kostet nicht nur Zeit und Mühe, sondern auch Geld. Ist nun ein Baum längere Z.it gehegt und gepfbgt worden und trägt er endlich die ersten Früchte, der Besitzer hat seine Freude darüber, fo fragt es sich nun: Wem gehören diese Früchte? „Dem lieben Publikum." Lieser Ansicht scheinen wenigstens viele zu sein. Der Eigentümer kommt in der Regel am schlichtesten daber weg. Fortwährend kann man beobachten, wie l'. ssanten, klein und groß, nicht nur alles Fallobst ungenie. t auslescn, nein, da wird geschüttelt, abgepflückt, mit Steinen oder Stöcken hineingeschlagen, Aeste heruütergeschlitzi und was das fchlimmste ist, junge und noch schwache Bäume dabei ganz umgebrochen. Der Besitzer kann auch in der Nähe auf dem Felde beschäftigt sein, dies thut Nichts zur Sache. Ehe dieser hinkommt, ist man längst über alle Berge. Wo größere Alleen sind, die verpachtet werben können, mag dies wohl nicht so schlimm sein, da ist eher etwas Furcht dahinter. Die Verpachtung ist .jedoch in Gemeinden, wo die Bäume den an grenzenden Besitzern gehören, nicht immer an gängig und letztere können nicht immer als Wächter bei ihren Bäumen stehen. Es wäre wirklich zu wünschen, wenn diese rücksichtslosen Diebereien und gemeine Baumfrevelei etwas vermindert werden könnten. Vielleicht tragen diese Zeilen dazu bei. Am besten wäre es ater wohl, wenn allermärtS jeder einzelne wahr genommene Fall zur Bestrafung angezeigt würde. — Dresden, 29. September. Der heute vor dem zweiten Civilsenate des hiesigen Ober landesgerichts auberaumte Termin in der Be rufungssache der Leipziger Bank in Konkurs gegen den sächsischen Staatsfiskus siel aus- — Vom Görlitzer Schnellzug ließ sich gestern früh in der 4. Stunde der bei der 0. Batterie des 4. Feld - Artillerie - Regiments Nr- 48 stehende Kanonier Hammer zwischen Heer- und Fabrikstraße überfahren. Der Kopf war vom Rumpfe abgeschnilten. Bis zum Eintreffen der Gerichtskommission war ein Posten mit Gewehr an der Leiche ausgestellt worden. Als Motiv dieser unglückseligen Thal ist nach einem Briese, welcher an den Vater des Soldaten gerichtet war und beim Toten gesunden wurde, gekränktes Ehrgefühl anzu nehmen. Hammer war. von seiner Stelle als Offiziersbursche enthoben und zur Truppe ad- gelöst worden. — Eisenberg-Moritzburg. Dienstag, den 7. Oktober, wird hier Roß- und Vichmurlt abgehalten. — Großenhain, 2g. September. Der auf der Katharinengasse wohnende Cigarren macher Sch. mußte gestern Abend infolge über kommener Geisteskrankheit dem Krankhause zugeführt werden. Drei Mann waren nötig, den Tobsüchtigen zu bewältigen. — Großenhain, 29. September. Die diesjährigen Jagden des Großenhainer Parforcejagd-Vereins beginnen nächsten Sonnabend. Heute und Donnerstag dieser Woche werden Probejagden abgehalten. Morgen treffen die Wildschweine aus dem Moritzburger Tiergarten im „Jägerhaus" zu Folbern ein. Jagden finden während des Okwber allwöchentlich Montags, Donnerstags und Sonnabends statt, sie schließen mit der Hubertusjagd am 3. November. — Riesa. Freitag, nachmittags in der 6. Stunde, ivurde der unoekannte Leichnam eii.es jungen Mädchens im Alter von ca. 20 Jahren unterhalb des Parkes aus der Elbe gezogen und polizeilich aufgehoben. Die Tote hatte ca. 7 Mk. Geld bei sich und muß bereits längere Zeit im Wasser gelegen haben. — Wegen Sitllichkeitsvergehen, begangen an schulpflichtigen Kindern, wurde der in Staucha vedienstele 47 Jahre alte G. aus Riesa von der Gendarmerie gesucht. Es gelang unserer Schntzmannschaft, den Betreffenden hier zu ver haften und an das Amtsgericht abzulieferu. — Lommatzsch, 29. September. Am Sonntag Nachmittag ist aus dem hiesigen Amtsgerichtsgefangniß ein Untersuchungs gefangener entsprungen. Der Flüchtling ist der 20jährige Schneider Hermann Isidor Krantz, gebürtig aus Döbeln. Derselbe wird wie folgt beschrieben: Kleine Statur, große spitze Nase, bekleidet mit schwarzen Rockanzug und gelber Loofamütze. — Neudorf bei Pirna, 29. September. Gestern, des nachts in der ersten Stunde ist das Gehöft des Gutsbesitzers Weber vollständig niedergebrannt. — Wilthen bei Bautzen, 28. September. Einen plötzlichen Tod fand der Gutsbesitzer Richler m Kleinpostwitz. Auf dem Felde hatte ihn eine Fliege gestochen, was er aber nicht beachtete. Einen Tag darauf ist R. im Alter von 54 Jahren an Blutvergiftung gestorben. — Großbothen. Hier gab es dieser Tage btlligen Gänsebraten. Eilt Bahmvagen Gänse war von der russischen Grenze ein getroffen. Der Adressat hatte aber die An nahme verweigert, weck der Gesundheitszustand der Tiere, der jedenfalls durch die enge Ver ladung gelitten hatte, ihn nicht befriedigte. Es gab ein Hin- und Hcrschreiben, das damit endete, daß die Tiere samt und sonders ab gestochen wurden, denn die Rücksendung ver lohnte sich nicht. Die geschlachteten Gänse wurden Stück für Stück für 50 Pfg. verkauft, und es gab alsbald ein gewaltiges Ueber- angebot, das selbst dadurch nur unwesentlich gelindert worden sein soll, daß ein paar hundert nach Leipzig abgeschoben wurden. — Wrktgensdorf, 29. September. Ein größerer E i s e n b a h n u n fa ll, bei dem glücklicherweise der Verlusi an Menschenleben nicht zu beklagen ist, ereignete sich am Sonn abend Abend kurz vor S Uhr zwischen hier und Burgstädt. Zwei beladene Güterwagen sollten auf dem Bahnhöfe Willgensdorf auf ein Abstellgleis geschafft werden. Infolge falscher Weichenstellung gerieten sie aber auf das in einem Gefälle von 4:95 liegende Leipzig- EhemmtzerHaupkgleis unü entliefen nach Burg- pabt zu. Ungefähr m der Mitte zwischen beiden Ltaüonen trafen die Wagen einen von Burgstädt nach Chemnitz verkehrenden Leerzug und fuhreii auf diesen auf. Hierdurch wurden jowohl die beiden entlaufenen Wagen zertrümmert, als auch die Maschine und mehrere Wagen des Leerzuges park beschädigt und vier Wagen zur Entgteffung gebracht. Leider erlitt dabei der Oberschaffncr Sachsenweger aus Chemnitz innere Verletzungen,; das übrige Personal kam ohne Schaben davon. Der Materialschaeen ist ziemlich bedeutend. — Crimmitschau. Ueber das Brand unglück im benachbarten Lauenhain, über das wir bereits berichtet haben, werden noch folgende Einzelheiten bekannt: Das Feuer in dein abgebrannten Nennigjchen Hause kam plötzlich zum Ausbruch. Die Holztreppen standen jchon in Flammen, als das Feuer zum Dach heraus kam. Bel Ausbruch des Brandes be fand sich Frau Nennig auf dem Boden, auf dem Heu und Stroh lagerte. Jedenfalls ist die Lampe, die von der Frau mit auf den Boden genommen worden war, explodiert, wo durch alles fosort in Flammen stand. Der Besitzer des Hauses wollte seine Ehefrau aus dem dichten Oualm retten, kam davet aber selbst in den Flammen um. Die Frau wurde schrecklich verstümmelt. An eine Retluug des Hauses ivar nicht zu denken. Auf dem Brano- feyauplatze spielten sich die ergreifendsten Szenen ab. Die rauchenden Trümmer, das Krachen und Bersten des Gebälks, die immer wieder von neuem auslodecnden Hellen Flammen und das dazwischen ertönende Weinen und Weh klagen der Umstehenden machten einen unheim lichen Eindrun. Die verkohlten Leichen — die Leiche der Frau konnte nur stückweise geborgen weroen — waren fast unkenntlich. Kus oer Woare. Gelegentlich des Krieges in Südafrika hat nur die eine Art der burifchen Fechtweise die allgemeine Beachtung der Mckckärstaaten ge funden: es war dies bas zerstreute Gefecht, bas öie Buren zur Anwendung brachten und das ihnen zu fo manchem Erfolge über ihre un erbittlichen Feinde verhalf. In England felbst hat man sich für diese Fechtart nie begeistern können. Buller, French und selbst Kitchener haben darunter sehr gelitten. Die Buren generale, die jetzt nach Europa gekommen sind, um nach Möglichkeit die Leiden ihres Volkes zu lindern, haben in England so gut wie gar kein Entgegenkommen gefunden und gedachten daher nun auf dem Festlande Proben einer andern „Fechtweise", der sammelnden statt der zerstreuten abzulegen, in welch' ersterer ihnen die reisenden Handwerksburschen Vorbilder sind. Auch diese Fechtweise findet in England keinen Beifall und Chamberlain ließ den Buren generalen schon durch die ihm allezeit hilfsbereiten „Times" androhen, daß sie aus dem „britischen Reiche" verbannt werden würden, wenn sie bei den Europäern und Amerikanern für ihre not leidenden Landsleule Sammlungen organisieren würden. Die Schilderungen des Elends der Burenwitwen und -Waisen sowie der auf ihre verwüsteten Farmen zurückkehrenden Buren kämpfer seien in dem Manifest der Buren generale arg übertrieben, und das glauben wir auch. Wir wissen, daß in den Konzentrations lagern mehr als 20 000 Burenkmder gestorben md und die Sorge für diese fällt schon weg. So und so viele Taufende von Buren sind im Kampfe gefallen, im Kmnpfe fürs Vaterland; sie sinb der irdischen Sorge und Not Über- Hoven, und die Krüppel, d.e dec von seilen der Engländer (wie Chamberiam mgie) „mit einer Humanität ohne gleichen" geführie Krieg ge schaffen hat, könnten doch sehr wohl mit billigen Leierkästen bewaffnet werden, wozu doch die Beihilfe der gebildeten Welt nicht nölig wäre: die liefern ihnen die englischen Fabrikanten zu einem unerhört niedrigen Preise, womöglich auf Abzahlung. Was wollen die Buren noch mehr! DuS Agitieren ihrer früheren Generale rührt nur — beabsichtigt oder nicht beabsichtigt — die Gemüter gegen England auf und dieses Land ist sehr empfindlich! — Die vergangene Woche brachte das Leichenbegängnis der Königin Maria Henriette in Lacken, wo jahrelang die zähllbige und unglückliche Charlotte von Mexiko ihren kurzen Kaisertraum mit unheilbarem Wahnsinn bezahlte. Es sind dabei Szenen oorgekommen, die man in einfachen Bürger oder Bauernkreisen zu den Skandalosa zählen würde. Ein Vater hat die eigene Tochter von der Totenbahre der Mutter weggewiesen. König Leopold ist ein sehr sittenstrenger Mann und hat sich von seiner Tochter losgesagt, als diese nach züchtig vertrauerten Wüwenjahren sich zum zweiten Riale verheiratete, fast gleich zeitig mit ihrer Tochter. Las Bedenkliche war nur, daß sich kein Fürst gefunden hatte, um des Kronprinzen Rudolf Nachfolger im Ehe- dunde mit der belgischen Prinzessin zu sein, sondern ein einfacher Adliger, ein Ungar, ein Graf von Lonyay. Die jetzige Gräfin ist eine gute Tochter. Angesichts des Entrüstungsschreies gegen ihren harten Vater hat sie sich zu der offenbaren Unwahrheitsbeteuerung Hinreißen lassen, es habe zwischen ihr und ihrem Vater keine Szene statlgefunden. König Leopold seinerseits aber hat ein Rechtsfertigungsbedürfnis empfunden und öffentlich erklären lassen, die Leichenfeier habe d.m Wunsche der Verstorbenen gemäß im engsten Familienkreise stattfinden sollen, die Kronprinzessin Stephanie habe auf alle ihre Rechte einer belgischen Prinzessin ver zichtet und daher sei für die Gräfin Lonyay kein Platz am Sarge ihrer Mutter gewesen! Mit kurzen Worten: die Anwesenheit der Gräfin Lonyay hätte das Hofzeremoniell verletzt I Aller dings, wenn die Sache so liegt, dann wird die Kritik schweigen müssen. Das Zeremoniell geht über alles! Und wenn die gebildeten Nationen dafür kein Verständnis haben, so ist das eben ihr Schade. Für einen Maler oder einen Dramatiker aber wird es stets eine dankbare Aufgabe bleiben, die Szene darzustellen, in der ein König finsterblickend die eigene Tochter vom Totenlager der Mutter hinwegschickl!