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Der Parlamentarismus in Gefahr. Zu Beginn dieser Woche werden lebhafte Unter handlungen zwischen den Parteiführern der großen Reichstagsparteien einsehen, die als Auftakt zu dem neuerlichen Versuch derNeubildungdesReichs- kabinetts angesehen werden können. Von volkspar teilicher Seite wird jetzt die Betrauung Dr. Luthers mit der Kabinettsbildung mit größtem Eifer betrieben. Von einigen Seiten ist von der Möglichkeit ge sprochen worden, daß es bei einer Wiederbctrauunq Dr. Luthers zu einem Konflikt mit dem Parlament kommen müsse. Da nämlich ein neues Kabinett Luther nicht über eine ausreichende Mehrheit verfügen würde und der Reichstag von sich aus nicht imstande sei, die Regierungskrise zu lösen, würde der Reichspräsident der Notwendigkeit ausgesetzt werden, auf.Grund des Artikels 48 der Reichsverfassung dem neuen Ministerium besondere Vollmachten zu verleihen, und das Parlament auf bestimmte Zeit auszuschalten. Derartige Befürchtun gen werden neuerdings namentlich im Lager der Links parteien ausgesprochen, die es für notwendig halten, die maßgebenden Instanzen schon jetzt vor derartigen Maß nahmen warnen zu müssen. Ein demokratisches Blatt, die ..Vossiscke Zsitung'V sprach sogar von einem beabsichtig ten „trockenen Staatsstreich", in dem cs behauptet, daß die zeitweilige Ausschaltung des Reichstages von gewis sen politischen Kreisen planmäßig angestrebt werde. Der artige Besorgnisse dürften die Linksparteien nunmehr veranlassen, alle erdenklichen Anstrengungen zur Bil dung einer Regierung der Großen Koalition zu machen und eine Berufung Dr. Luthers mit allen nur mögichen Mitteln, zu vereiteln. Demgegenüber hält die Deutsche Volksvar- rei daran fest. Dr. Luther für die Neubildung des Kabinetts inVorschlagzu bringen und weitere nutzlose Versuche zur Wiederaufrollung der Verhand lungen über die Große Koalition mit größter Entschiedenheit zu bekämpfen. Das schwerkranke Kind. Die „Kölnische Zeitung" schreibt über die gegen wärtige Regierungskrise: „Zu unfruchtbarem Zeitver- rreib rst die Lage zu ernst. Die geschäftsführende Negie rung, die zur Erledigung schwerwiegender Aufgaben nicht befugt.ist, muß schleunigst und auf geradestem Wege durch eine ordentliche ersetzt werden. Dis Väter des Par lamentarismus sind in banger Sorge um ihr s ch w e r- krankesKind. Ob es sich um eine heilbare Kinder krankheit oder um ein todbringendes Leiden handelt, wissen weder sie noch sonst jemand. Aber die Arzneien, die sie anwenden, und weiter anzuwenden sich anschicken, haben keine Heilkraft, weil sie nicht an die W urzel des Uebels gehen, nämlich das Parteiwesen und das Wahlrecht. Hätten wir das Zweiparteigruppen- system, so hätte jetzt automatisch die rührende Oppo sitionspartei, also die Sozialdemokratie, die Regierung zu bilden und die anderen Parteien dieser Gruppe Forinten dann nicht sagen, diese Regierung machen wir nicht mit. Es ist nachgerade die höchste Zeit, daß dem dauerndem, keine Entscheidung versprechendem Kampfe der Stände und der Weltanschauungen um die Macht, worin sich der Parlamentarismus in Deutschland bisher erschöpft, ein Ende gemacht wird, Wenn der Reichstag dazu nicht imstande ist, dann möge er sich bankerott er klären und die Bahn für die gesetzmäßige Diktatur einerRegierung von Köpfen mit Ermächtigungs gesetz frcigeben. Ohne diese Vollmacht wird sich eine solche Regierung schwerlich finden lassen." Noß-Mira! von AM «der die M!MKW des KnM. Wie aus Loudon gemeldet wird, veröffentlicht KAyr» Expreß,? einen Aufsatz - vomGroß-Admiral .von AkKtf üb>r döpEinftuß der Flotten-Strate^ auf die Dauer.des Welkkrieg'eS. Eftbezeichnet die Frage, wer an db^ MAMffsrckng,dtzs-"Krft sei, als nundestenK, ebenso MchMI'wi^ nach.dem Ar- yn/Jahre 1914. oder im Laufe von 1Ä1ö'eine Entscheidung zur'See erfolgt, .so Mte.diese Entscheidung insofern den Ausschlag gegeben, als angesichts der Erschwerung der Kriegsführung auf dem Lande guf diese Weise der Diplomatie die Erkennt- nis der, wirklichen Lage'gekommen wäre. Verantwortlich für das Ausbleiben einet Entscheidung zur See sei letzten Endes die englische Admiralität, die diese Entscheidung vermieden Habes Dadurch sei die Ermattungs-Strategie, die Blockade und.die große Schwäche Europas entstanden. " Ein kurzer Krieg hätte dem Ansehen Europas,nicht geWühpft M K ä n g e. d e s K richge s seien alle die Heute zu beklagenden Schwierigkeiten und Nöte entstanden. Deer Krieg sei sehr bald zu einem R i n gen z wisch en- ,E n g l a n d und D e u t sch land ge worden. Tirpitz gibt zy, daß auch die. deutsche,Flotten- reitüng wenn sie gewollt hätte, im Anfang .des Krieges sine Entscheidung zur See hätte erzwingen können. Wenn Has nicht geschehsn-sei, so sei daran die H o ffn u n g a u f V e r st ä n d i g u n g schuld gewesen. : Der Aufsatz hat in England großes Auf sehen erregt, dann der englischen Flotte sich zwei Rich- kungen scharf-bekämpfen, von denen die eine die Tat sache bedauert, daß die der deutschen zweimal über- kegene engl'sche Flotte niemals die Gelegenheit ge sucht. habe, eine Seeschlacht bis zum Ende d u r ch z.u k ä mpfe n. Mischungen französischer Franken in Ungarn. Hervorragende Politiker der Frankenfälschung oerdäch- , tig. — Diplomatische Auseinandersetzungen. B u d a p e st, 4. Januar 1926. ' ' Großes Aufsehen erregt in Budapest und Paris die Aufdeckung umfangreicher Frankenfälschungen, an der hervorragende politische Persönlichkeiten beteiligt, sein svllen. Graf Albert Apponyi veröffentlicht im Pesti Naplo einen Leitartikel, in dem er erklärt, daß die Frankenfülscher-Affäre für Ungarn eine größere Katastrophe sei, als das augenblickliche Hochwasser- unglück.- Es -handle sich um eine sehr e r n st e weltpoliti sche Lage, in die Ungarn geraten sei, Der Thef der un garischen Landespolizei ist wegen der Angelegenheit seines Dienstes enthoben worden. Inzwißhcnchat die Skandal-Affäre auch zu diplo matischen Auseinandersetzungen geführt. Gestern abend erschien der französische Gesandte in Buda pest beim Ministerpräsidenten Graf Bethlen und legre ims Namen der französischen Regierung gegen die Machenschaften der ungarischen B e h ö r- d e n Protest ein. Dor Ministerpräsident .begab sich sofort nach dieser Unterredung zum Reichsverwsser, worauf ein außerordentlicher Ministcrrat einbcrufen wurde. Die französischen Kriminalbeamten der Bank von Frankreich haben Budapest verlassen und sich rach Wien begeben, um dort ihre Nachforschungen fortzusetzen. Der frühere H o n v e d m i n i st e r Csak n, der Schwa ger einer der verhafteten Fälscher, hat ebne „Erholungs reise" angetretcn, von der er wohl nicht zurückAhren wkM Weiter wird bekannt, daß die französischen Krimi nalbeamten von der Budapester Polizei die Verhaftung k^-früheren 'Ministerpräsidenten und Außenministers Graf Teleky gefordert hätten, da er im Verdacht stehe, mit den Fälschern in Verbindun g gestanden zu haben. Militärdiktatur in Griechenland. Der Athener britische Sonderkorrespondent der bri tischen United Preß meldet, daß Ministerpräsident P a n- galos die Militürdiktatur und sich selbst zu deren Chef ausgerufen hat. Seine erste Negierungshand lung bestand darin, daß er die für den 10. Janaur ange setzten Senatswahlen auf unbestimmte Zeit vertagte. Ferner hat er eine Proklamation an das griechische Volk erlassen. Großmacht-Pläne. Pangalos hat nach seiner Ausrufung zum Diktator dem Vertreter des Daily Expreß in Athen folgende Erklärung abgegeben: „Das parlamentarische Regie- rungssystcm ist die Ursache alles unseres Elendes. Ich bin am Ende meiner Geduld angelangt und werde nicht länger Politiker dulden, die keine. Gelegenheit vorüber- gehen lass n. um der Regierung Schwierigkeiten zu machen. Wir sind gewillt, alles zu tun, um dieKräfte derNationzu reorganisieren. Unsere Flotte wird das gesamte östliche Mittelmeer beherrschen, unsere Armee wird die stärkste des Balkans sein und zur Ver wirklichung unseres großzügigen Programms werden wir uns einzig und allein auf unsere bewaffnete Macht stützen. Die öMmgü-MWlNM in Amenda. Das beschlagnahmte deutsche Eigentum als Grundlage für Kredite? Wie der Korrespondent des Daily Telegraph zu Wissen glaubt, handelt es sich bei den Besprechungen der Bankprüsidenten in Newyork nicht um die Unter bringung der deutschen Eisenbahn- Obligationen, sondern der Vorzugs- Aktien. Der Vizepräsident der Bank von Belgien, der bei den Verhandlungen in Washington beteiligt ist, fungiert außerdem als Vertreter des Herrn De la Croix, der dex Treuhänder der Eisenbahn-Obligationen ist und dessen Lieblingsplan in der Mobilmachung dieser Obligationen besteht. Die Newymker Verhand lungen beziehen sich nach Meinung des Korespondenten jedoch nicht auf diese einzelnen Fragen, sondern auf das G e s a m t p r o b l e m der B eschaff u n gvonKr e-' diten für Deutschland und Frankreich. Was Deutschland anbetreffe, so erwäge man, das deutsche beschlagnahmte Eigentum in den Bereinigten Staaten als Grundlage einer Kreditopera- tion für Deutschland zu benutzen. M «MW «es Kr«WW M «Wien. Der entscheidende Kron rat in Bukarest. In dem Kronrat legte Ministerpräsident Bratianu schärfste Verwahrung gegen die Verzichtleistung des Kronprinzen Karol ein. König Ferdinand äußerste jedoch seinen unbeugsamen Entschluß, die Verzichtleistung im Interesse der Dynastie anzunehmen. Die Gründe hier für sind angeblich in der Opposition des Kronprinzen gegen die Untersuchung der Abnahme der fehlerhaften Ftuczeuge zu suchen, außerdem weil sich der Kronprinz in Begleitung einer rumänischen Jüdin im Auslands befindet. König Ferdinand schloß weinend den Kron rat, in dem mehrere Mitglieder des Rates nochmals für eine Intervention des früheren Erziehers des Kron prinzen, Iorga, eintraten. Der König unterbrach die Redner und wies das Ansinnen zurück. Der Patriarch batte in vielen Briefen den Kronprinzen zur Ausgabe seines Entschlusses zu bewegen versucht, jedoch ohne Er folg. General Averescu erklärte, ihn habe der Thron verzicht nicht überrascht, da Kronprinz Karol schon im Johre 1919, als er die Ehe mit der Eeneralstochter Zizi Lambrino schloß, habe abdanken wollen. Ein Abschiedsbrief Karols an seine Frau. Bukarest, 4 .Januar. Prinz Karol hat sich nach der Schweiz begeben. Neben Briefen an seinen Vater und an seine Mutter habe er auch einen Brief amseine Frau geschrieben, in dem er mitteilte, daß er die Ehe gemeinschaft aufhebe und ihr die volle Freiheit gebe, die Scheidungsklage einzureichen, Prinzessin Helena sei außerordentlich niedergeschlagen. In dem Brief an seinen Vater habe er gebeten, ihm zu gestatten, daß er den Namen Scarlat Monastireanu führen dürfte. Kronprinz Karol soll an den König einen zweiten Brief gerichtet haben. In diesem Briefe habe Karol eine ganz ungewöhnliche Haltung eingenommen und dem König gegenüber sonderbare Feindseligkeiten an den Tag ge legt. Der Brief offenbart einen gefährlichen Geisteszu stand s N des Verfassers. Politische Tagesschau. Löbe über seine Eindrücke in Amerika. Reichstagspräsident Löbe hielt am Sonnabend im Präsi dentenhause vor den Angestellten des Reichstages einen Vortrag über Amerika. Er schilderte die Eindrücke, die er auf der Amerikareise der interparlementarischen Union gewonnen habe. Löbe kam zu folgender Schlußfolge rung: „Mir scheint, daß Europa in seiner staatlichen Gestaltung eine gewaltige Zusammenfassung wird vor nehmen müssen, wenn es den weiten Vorsprung, den Amerika in den letzten zehn Jahren gewonnen hat, wie der einholen will. Weiter habe ich aus den Ver einigten Staaten den Eindruck milgebracht, daß dort im großen und ganzen jede Arbeit geehrt wird, ganz gleich, welcher Art, sie ist. Auch derjenige, der die einfachste und widerwärtigste Arbeit im Interesse der Gesamt heit verrichten muß, wird in dem Augenblick, wo er seine Arbeitsstelle verläßt, als ebenbürtiger Mensch ge wertet. Daraus sollten wir auch in Europa lernen." Auswärtiger Ausschuß am 9. Januar. Der Auswärtige Ausschuß des Reichstages ist zum Sonn abend, den 9. Januar, einberufen worden, um sich mit der Angelegenheit der Posten beim Völkerbund zu be schäftigen. Ferner steht auf der Tagesordnung die Affäre des Professors Stratil-Sauer. Die deutsche Regierung wird vermutlich so schnell wie möglich in dieser Ange legenheit diplomatische Schritte bei der afghanischen Re gierung unternehmen. Der Ausschuß wird sich schließ lich mit der Frage der Auswirkungen der Locarno verträge .beschäftigen. Ein Prozeß wegendes päpstlichen Frie densschrittes. Wie die Morgenblätter aus München melden, hat hxr katholische Schriftsteller v. Lama beim Amtsgericht Berlin , gegen Hosprediger Dr. Döhring Strafantrag wegen Beleidigung gestellt. Der Kläger verfolgt mit diesem Prozeß die Absicht, den ganzen Her gang des päpstlichen Friedensschrittes vom Jahre 1917 gerichtlich soweit als möglich klären zu lassen. . Ein Termin für die Verhandlung, in der vor allem Reichs kanzler a. D. Michaelis eine wichtige Nolle spielen wird, ist bis jetzt noch nicht angesetzt. Frankreich. Die geistige Wiederannäherung zwi schen Deutschland und Frankreich. Die Be trachtungen der Presse zu der gestrigen Neujahrsansprache des Präsidenten Doumergue gipfeln in der Feststellung, daß die politische Entspannung zwischen Deutschland und Frankreich im vergangenen Jahre große Fortschritte ge macht hat und sich fortan besonders im Zeichen der geistigen Wiederannäherung weiter vollziehen wird. Bei der aut den 15. Januar festgesetzten Uebergabe des von der französischen Regierung, begründeten „Institut intellectuell" an den Völkerbund werden Vertreter der deutschen Wissenschaft offiziell in Paris weilen. Auch der deutsche Botschafter hat die Einladung zur Teil nahme bereits angenommen. Eines von den sechs Dezer naten des Institutes wird der Leitung eines deutschen Gelehrten anvertraut werden. Am 20. Januar trifft Thomas Mann in Paris , ein, wo er im Carnegie-In stitut Vorträge halten wird. Französische Schriftsteller planen ihm zu Ehren eine Kundgebung, an der. der französische Unterrichtsminister teilnehmen wird. England- Eine abfällige Kritik der englischen Wirtschaftslage. Der „New Statesmann" ver öffentlicht einen ausführlichen Aufsatz über die englische Wirtschaftslage. Er spricht darin die Meinung aus, daß auch der begrenzte und vorsichtige Optimismus, der viel fach zum Jahresende zum Ausdruck komme, unbegründet sei. Er könne nur zu neuen Enttäuschungen führen. Die Abnahme der Arbeitslosigkeit gehe hauptsächlich auf administrative Maßnahmen zurück. Die Lage im Kohlen- bergba' sei genau so schlecht wie früher. Die.vor handene Besserung der Konjunktur gehe größtenteils aus die Kohlenbergbausubvention zurück und sei eine künst liche. Die Möglichkeit einer Lohnherabsetzung in Eng land bestünde nicht. Sie würde eine weitere Verminde rung des Konsums bedeuten, und damit eine Schädigung der Industrie. Das Sprechen von der Besserung der Verhältnisse gleiche dem Geigenspiel eines Verrückten in einem brennenden Hause. Die Türkei kehnt direkte Verhandlungen mit England ab London, 4. Jan. (Eig. Fuukspr.) Wie „Erchänger" aus Konstantinopel meldet, wird nach den türkischen Blättern die Regierung den Vorschlag Baldwins, direkte Verhandlungen wegen Mossul auf der Grundlage wirt schaftlicher Zugeständnisse aufzunehmen, ablehnen. — Zur Erleichterung des türkisch-englischen diplomatischen Verkehrs soll demnächst in Angora ein neues Gebäude zur Unterbringung eines besonders für Angora be stimmten Vertreters der englischen Botschaft in Kon stantinopel errichtet werden. Man erhofft von dieser Regelung einen günstigen Einfluß aus die türkisch-eng lischen Beziehungen.