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KoimmlDlitW MW der MW MsM!. Oberbürgermeister Dr. Blüher über die kommunal politischen Verhältnisse im Freistaate Sachsen. Die Deutsche Volkspartei veranstaltete gestern in Berlin eine von Vertretern aus dem ganzen Reiche stark besuchte kommunalpolitische Reichstagung. Der Vor- - sitzende des Ausschusses, Geheimrat Dr. Leidig, be tonte in seiner Eröffnungsansprache, daß der bevorstehende kommunale Wahlkampf in erster Linie gegen Marxismus und Sozial demokratie zu führen sei. Abg. Kempkes überbrachte dann die Grütze der Reichslagsfraktion und erklärte u. a.: Das Volksbegehren ist ein Unternehmen, das ledig lich Parteizweckcn dient. Es ist in seiner Tendenz nichts weiter als ein grotz an gelegter Angriff, in erster Linie gegen die Deutsche Volkspariei und ihren Führer Dr. Stresemann. Es wurde dann eine ganze Reihe von Referaten gehalten. So sprach u. a. Pros. Dr. Leidig über Kommunalpolitik und Wirtschaft. Der Redner betonte, die Volkspartei wolle die wirt schaftliche Gemeindebctätigung auf die Gebiete be schränken, wo sie notwendig sei und nicht zur Unterdrückung des gewerblichen Mittelstandes führe. Die Verwaltung der wirtschaftlichen Gemeindebetriebe werde am besten in der gemischt-wirtschaftlichen Form durchgeführt. Der preußische Landtagsabgeordnete v. Eynern sprach dann über Gemcindefinanzen. Die übergrotze Bewilligungsfreudigkeit mancher Gemeindevertretungen gebe der Finanzleitung hin und wieder einen nicht unberechtigten Anlatz, die Finanzverhältnisse zu verschleiern und sie noch ungünstiger erscheinen zu lassen, als sie wirklich seien, aber tatsächlich seien sie auch außerordentlich schlecht. Ihre bedrohliche Lage beweise die Neichsfinanz- statistik, die ein ständiges Anwachsen des Zuschnß- bedarfes, fo 1927/28 allein um 722,5 Millionen ausweise. Das schlimmste sei, daß etwa zwei Fünftel der auf genommenen Jnkandsschulden nur mittel- oder kurzfristig aufgenommen seien. Am Nachmittag berichtete dann der Dresdner Oberbürgermeister Dr. Blüher über die kommunal- politischen Verhältnisse im Freistaat Sachsen. Der Redner erklärte u. a.: Die Verhältnisse im Freistaat Sachsen haben ihren eigenen Charakter. In einem großen, ja wohl im überwiegenden Teile Sachsens, handelt es sich bei den Eemeindewahlen um die Frage, ob die aus den Marxismus eingeschworenen Parteien die Oberhand bekommen. Ein Sieg dieser Parteien würde sich auf allen Gebieten der Gemeindeverwaltung verhängnisvoll aus- wirken; aus wirtschaftlichem Gebiete durch Einschränkung des privatwirtschaftlichen Gewerbes im Wege der Aus dehnung der Sozialisierung und Einführung gemeind lichen Eigenbetriebes, aus kulturellem Gebiete durch Unter drückung der privaten Wohlfahrtspflege und Bekämpfung aller kirchlichen Einrichtungen; auf dem Gebiete der Per sonalpolitik durch einseitige Begünstigung der Partei gänger ohne Rücksicht auf sachliche Eignung und Vor bildung; vor allem aber auf finanziellem Gebiets durch eine Ausgabmwirtschaft, die den Grundsatz „Keine Aus gabe ohne Deckung!" völlig außer acht läßt und auf die Leistungsfähigkeit der Steuerzahler keine Rücksicht nimmt. Es gilt daher, alle Kräfte anzuspannen und zu diesem Zwecke eine Zusammenarbeit der bürgerlichen Parteien, sei es durch Einheits Lin Sturmvogel. Roman von Berni Lie. Einzig berechtigte Übersetzung aus dem Norwegischen von F Gräfin zu Reventlow. SN) «Nachdruck verboten.) Wieder ging Andreas Neerdrum aus und ab und fuhr dann fori: „Die Sache ist die, daß Kasper im innersten Grunde keine wirklich liefe Natur ist Ja, und nun muß ich das Schlimmste aussprechen, Dagny, er ist im Grunde keine feine Natur.' Er sah sie an. Diesmal nickte sie nicht. Aber ibr Blick sagte ihm, daß sie aufmerksam zuhörte. „Kasper hat so etwas von einer unkultivierten und un- , kultivierbaren Naturkraft. Es ist gleichsam keine Entwick lung in ihm, kein Zusammenhang wie in uns anderen. Lein ganzes Wesen ist eine seltsame tiefe Rastlosigkeit. Er ebt nicht wie wir andern mit einem bestimmten Glücksziel or sich, über das wir uns freuen, wenn wir es erreicht haben, in dem wir uns einnisten und ausruhen. Ich möchte sagen, er lebt, um noch mehr zu leben — nur leben, leben. Und was bedeutet denn eigentlich „leben"? Ein Mittel, aber doch kein Ziel. Ja, er ist wie ein Schiff, das ohne Bestimmungsort herumfegelt, einzig und allein, um auf dem Meere zu schwimmen. Aber mit einem solchen Charakter kann man nicht in ein festes Verhältnis fürs ganze Leben treten, wie es die Ehe ist, Dagny." Er blieb wieder stehen, dicht neben ihr. „Jedenfalls kannst dn es nicht, Dagny. Du hast das- selbe Schicksal mit ihm gehabt, das ich selbst, wenn auch in abgeschwächtem Maßstab, in meinem früheren Verhältnis zu ihm erfahren habe. Du ließest dich erobern, überwälti gen. Und nun sitzt du ganz verwirrt und bestürzt da, wie du mir selbst sagtest, und kannst keinen Sinn in diesem Leven finden, das du mit ihm gelebt hast. Du bist zu mir gekommen, um nur einmal wieder eine menschliche Stimme zu hören " Während er so sprach, dachte Dagny darüber nach, wie gut Andreas Kasper kannte und wie er ihn studiert hatte, wie neu ihr das alles war, was er da sagte — und wie wenig sie selbst Kasper studiert hatte. Als er jetzt wieder innehielt und auf ihre Zustimmung wartete, sagte sie kein Wort. Ihre Gedanken arbeiteten und sie konnte nicht so schnell zu einem Resultat gelangen Sie konnte weder ja noch nein sagen. Und gleichzeitig kam eine An Unbehagen über sic, baß sie hier saß und ibn über Aaspei sprechen hörte rare über irgend jemand dn ihr selbst fremd wai liste, sei es durch Listenverbindung oder mindestens durch Burgfrieden herbeizuführen. Dabei gilt es, auf alle Sonderbestrebungen zu verzichten, Zersplitterungen zu vermeiden und die Wahlmüdigkeit mit aller Macht zu bekämpfen. Ruhiger Verlauf der Heimwehr kundgebungen. Wien, 29. Sept. Der berühmte und seit Wochen mit Spannung erwartete 29. September ist ruhig und unblutig verlaufen. Der Aufmarsch von ins gesamt 30 000 Heimwehrleuten in vier Städten Nieder österreichs wurde keine K a m p f k u n d g e b u n g. sondern eine politische Kundgebung von zweifellos gro ßer Bedeutung. Der Landeshauptmann von Nieder- österresch Dr. Buresch, der damals den Aufmarsch nicht ohne jedes Bedenken hingenommen hatte, nahm diesmal als aktives Mitglied an der größten der vier Kundgebungen teil. Der Obmann des niederöstelrei- chischcn Bauernbundes, der Landeshauptmann-Stellver treter Reither, beteiligte sich ebenfalls. In den vier Aufmarschorten der Heimwehrkund gebung, in Stockerau, Mödling, Töchlarn und Zwettel, herrschte schon in den frühen Morgenstunden des Sonn tags reges Leben. Mit der Eisenbahn und im Kraft wagen kamen die Heimwehrleute in Uniform zu den Sammelplätzen. Die einzelnen Feiern begannen mit einem Wecken, dem eine Feldmesse mit Ansprachen der Heimwehrführer und ein Umzug durch die Orte folgte. Ein reicher Vlumenregen ergoß sich während der Fest züge auf die Marschkolonnen. Die Orte hatten alle reichlich geflaggt. Die Häuser waren vielfach mit Tanncnreisig und Blumengewinden geschmückt. Die Kundgebung verlief in allen Orten ohne ernstere Zwi schenfälle. Das zur Bereitschaft befohlene Militär und die verstärkten Polizeiposten hatten keinen Anlaß ein zuschreiten. Militärpatrouillen waren in den Ort schaften nicht zu sehen. Auch Feldpolizeibeamte genüg ten in kleiner Zahl, um den Ordnungsdienst zusammen mit der Ortspolizei aufrechtzuerhalten. In Mödling bei Wien versuchten die Kommunisten mehrere Male, die Kundgebung zu stören. Ihre Versuche konnten je doch von der dort in Bereitschaft stehenden Abteilung der Wiener Bundespolizei verhindert werden. Einer Kommunistin gelang es, ihre Anhänger, zum größten Teil Frauen und Jugendliche, gegen die Wache aufzu reizen, die das Bajonett gebrauchen mußte. Die Kom munisten versuchten den Polizeiring zu durchbrechen, wodurch ein Kommunist durch einen Bajonettstich leicht verletzt wurde. Dreißig Kommunisten wurden verhaf tet. Sonst verliefen die Kundgebungen in voller Ruhe und Ordnung. Ein Zwischenfall. Wien, 29. Sept. Nach Schluß der Kundgebungen der Heimwehren in Stockerau kam es beim Abmarsch einer Gruppe von Frontkämpfern zu einem Zwischen fall. Kommunisten versuchten die Frontkämpfer anzu greifen und es entstand eine Auseinandersetzung. Ein Kommunist gab zwei scharfe Revolver schüsse ab, wodurch ein in der Nähe befindlicher So zialdemokrat verletzt wurde. Der Kommunist wurde verhaftet, die Polizei stellte die Ordnung wieder her und die Frontkämfpfer setzten ihren Marsch fort. Oberschlesischer SLahlhelmausmarsch Zusammenstöße mit Kommunisten. Der Gau Oberschlesien des Stahlhelms veranstal tete am Sonntag einen Aufmarsch in der südostdeurschen Grenzstadt Veuthen. Auf einer öffentlichen Kund gebung auf dem Beuthener Ring sprach der erste Bun „Und weiß! du, Tagny/' suhl er langsam fort, „oer größte Mangel bei Kasper, der Schlüssel zu all Vein Sonderbaren, das wir an ihm sehen, ist, daß er eigentlich gar nicht imstande ist, zu lieben." Nun kniff sie die Augen zusammen. „Ja, darin habe ich recht. Liebe ist fortschreitende Ent wicklung, Dagny. Das Verhältnis zweier Liebenden ist gegenseitige innerliche Arbeit, in der beide Teile ihr Bestes geben, um in dem andern das Beste zu fördern — eine Dagny Hörle, was er sagte, wie aus immer wetierer Ferne. innerliche Wechselwirkung zum beiderseitigen Wachstum an Glück und Verständnis. Es muß alle Fähigkeiten der Seele zur Betätigung bringen von der strahlenden Kraft bis zum intimsten Erraten und dem feinfühligsten Ah- nnugsvermögen. . . . Ja, und vor allem ist das Wesen der Liebe die himmlische Geduld — daß die Geduld uns zur zweiten Natur wird, zur Harmonie und Erneuerung. Denn das muß der Inhalt des Lebens zu zweien sein, daß jeder die Seelenregungen des andern erforscht und bis in die feinsten Verzweigungen hinein verfolgt. Das alles lieg» Kasper so sern, wie — wie überhaupt jeder seelische Eniwicklungsgang." Dagny Hörle, was er sagte, wie aus immer weiterer Ferne Ihre Unruhe wuchs, ein Gefühl von Angst desführer über die Ziele des Stahlhelms. Von den Kommunisten war zu gleicher Zeit eine Eegenkund- gebung veranstaltet worden. Einigen Kommunisten war es auch gelungen, bis auf den Ring vorzudringen, wo sie dis Stahlhelmkundgebung durch Zwischenrufe zu stören versuchten. Die Schutzpolizei hatte erhöhte Alarmbereitschaft und unternahm alles, um Zusammen stöße zu vermeiden. Als gegen 6 Uhr abends mehrere auswärtige Gruppen des Stahlhelms nach ihren Quar tieren abmarschierten, ereigneten sich auf dem Moltke platz heftige Zusammenstöße zwischen Stahlhelmleuten und Kommunisten. Die Stahlhelmleute wurden mit Pfuirufen empfangen. Als die Kommunisten versuch ten. den Stahlhelmleuten eine Fahne zu entreißen, ent wickelte sich eine Schlägerei, bei Der Steine und Messer- gebraucht wurden. Zwei Personen wurden verletzt. Während der eine der Verletzten nach Anlegung eines Notverbandes entlassen werden konnte, waren die Ver letzungen des zweiten schwererer Natur. Die Polizei, die zu Hilfe gerufen wurde, nahm sieben Personen, Kommunisten und Stahlhelmleute, fest. Aus aller Well. * Ein Motorrad in eine Reichsbanner gruppe gerast. Wie Berliner Blätter berichten, fuhr am Sonntag abend gegen 1/28 Uhr aus der Chaussee Berlin-Lichtenrade-Zossen ein Motorradfahrer zwischen den Orten Blankenfelde und Mahlow in eine Gruppe von Rerchsbannerleuten hinein und riß sechs von diesen zu Boden. Der Motorradfahrer und seine Begleiterin auf dem Soziussitz wurden aus das Chausseepflaster ge schleudert und schwer verletzt. Die sechs verunglückten Mitglieder des Reichsbanners erlitten ebenfalls zum Teil schwere Verletzungen. * Reichstagsabgeordneter Dr. Kulenkampff gestorbcn. In der Nacht zum Sonntag ist der Reichstagsabgeordnete Dr. Kulenkampff, der der Deutschen Volkspartei ange hörte, an einer Rippenfellentzündung als Folge einer Lungenentzündung gestorben. Kulenkampff war 46 Jahre alt. Er war Mitglied des Präsidiums desZentralverban- des des deutschen Großhandels und des ^Präsidiums des Hansabundes. Dem Reichstag gehörte er für den Wahl kreis Magdeburg seit 1920 an. Er ist im Reichstag be sonders in Sieuerfragen hervorgetreten. * Eine Lehrerin im Klassenzimmer erschossen. Wie ein Berliner Blatt aus Nürnberg meldet, ereignete sich ini Schulhause in Auerbach (Oberpfalz) eine schwere vorhergegangenem kurzen Wortwechsel mehrere Revolver- Bluttat. Dort feuerte der Hilfslehrer Josef Bauer nach schüsse auf die in der zweiten Mädchenklasse Unterricht erteilende Hilfslehrerin Vetter! ab. Die Lehrerin brach schwerverletzt zusammen und verschied nach kurzer Zeit. Bauer richtete darauf die Waffe gegen sich selbst und brachte sich einen Schuß in die Schläfe bei. Er wurde in schwerverletztem Zustand ins Krankenhaus überführt, lieber das Motiv der Tat herrscht vorläufig noch völlige Ungewißheit. * Erne Rundjunksendung nach fünf Minuten amt licherseits unterbrochen. Am Sonntag morgen sand die erste Sendung des neuen Freidenker-Rundfunks in Holland statt, die durch eine Rede eines bekannten hollän dischen Atheisten über Mussolini eröffnet wurde. Als der Redner, der darauf hinwies, daß Mussolini früher auch ein Atheist gewesen sei und im Gefängnis gesessen habe, ihn als einen Papstfresser bezeichnete, wurde die Weiterscndung von selten der Negierung nach kaum fünf Minuten Dauer untersagt. * Zugzusammenstoß in Goslar. Auf dem Bahnhof in Goslar stieß in der Nacht zum Sonntag eine Loko motive auf einen Zug, der nach Hannover abfahren wollte. Durch den Zusammenstoß wurden mehrere Per sonenwagen zusammengeschoben. Einige Fahrgäste er litten Verletzungen mehr oder weniger schwerer Art. dämmerte in ihr auf — als ob der Boden ihr unter den Füßen entglitte. Andreas Neerdrum stand hinter ihr. Er hatte sich heiß geredet. Und jetzt sagte er mit leiser, bebender Stimme: „Die große Lebenskunst, Dagny, das ist die Resig nation." Es war das drittemal, daß seine Worte ihr wehe taten, daß ein flüchtiger Gedanke sie erschreckte. Sie spielte nervös mit der Stuhllehne. Nach einer kurzen Pause wandte er sich dann plötzlich ab und ging durch das Zimmer. Sie sah aus. „Wir gingen zusammen spazieren. Zum erstenmal sprach ich mit ihm Und ich legte alle Wärme, die ich für ihn empfinde, hinein. Dafür erntet man niemals Dank. Aber ich — ich bekam dafür die brutalste Antwort von ihm — förmlich einen Schlag ins Gesicht — Roheiten — Haß! „Wo trafst du ihn?" „Im Klub natürlich." „Und dann ging« ihr zusammen spazieren." „Ja, am Strand trennte er sich von mir Mit den ab scheulichsten Worten." „Wann war das?" „Ach — als ich heimging — vielleicht gegen zwei Ubr." „Und Kasper?" „Er ging am Strande weiter, als wii uns tr-nnten." Hochaufgerichtei saß sie da und blickte in tiefer Angst vor sich hin. Er war also die ganze Nacht am Strande herumgegangen — Langsam stand sie aus und griff nach ihren Hand schuhen. „Nun?" fragte er. „Ich — ich muß gehen," sagte sie wie zu sich selbst. Er stand und blickte sie an Dann trat er auf sie zu und nahm ihre Hand „Ja, ja, es ist zuviel für dich — aus einmal. Das verstehe ich ja so gut Aber das eine sollst du wissen, Dagny, daß ich bereit bin, wenn du mich rufst. Denke daran, daß du in mir deinen besten Freund hast, der dich versteht und der nichts auf der Welt will, wie dir helfen können — soweit es in seinen schwachen Kräften stellt." Er drückte ihre Hand innig zwischen seinen beiden „Denke daran, wie lieb ich dich habe, Dagny - m:e ich dich immer lieb gehabt habe." Sie wurde blutrot, zog ihre Hand zurück und >i g hastig au, ihren Mantel znznknöpfen. lgorisetzung folgt.)