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Bluüger Kampf mit Gefängnisinsassen. London, 4. Okt. Im Staatsgefängnis von Canon City im Staate Colorado brach am Donnerstagabend eine Meuterei unter den etwa tausend Gefangenen aus. Es gelang ihnen, zu dem Eefängnisarsenal Zutritt zu erhalten. In dem folgenden Kampf wurden drei Ge fängniswärter getötet und verschiedene andere schwer verletzt. Eine Abteilung Artillerie ist nach Canon be ordert worden. Polizeistreitkrüfte aus verschiedenen anderen Teilen Colorados wurden gleichfalls zu Hilfe gerufen. Ein anderer Bericht spricht davon, daß sich auch Flugzeuge von Denver unterwegs befinden und Tränengasbomben und Maschinengewehre mit sich führen. Bisher 16 Todesopfer. — Die Gefangenen stellen ein Ultimatum. Neuyork, 4. Okt. Die Kämpfe seit der Meu terei im Zuchthaus von Canon City haben bis jetzt 16 Todesopfer gefordert. Unter den Toten befinden sich fünf Wärter. 15V Zuchthäusler haben sich verbarri kadiert, nachdem sie zwei Gebäude in Brand gesteckt hatten. Truppen und Miliz mit Artillerie belagern das Zuchthaus regelrecht. Die Zuchthäusler haben ein Ultimatum gestellt. Sie verlangen drei Lastautomobile, mit denen sie davonfahren wollen. Zehn Wärter sind von ihnen als Geiseln festgesetzt worden. Die Zucht häusler erklären, da» sie die Wärter mitnehmen wollen, bis sie außer Reichweite der Geschütze sind. Das Ulti matum wurde abgelehnt. Mehrere Angriffe der Be lagerer konnten von den Zuchthäuslern abgeschlagen werden. Vier Wärter sind von den Zuchthäuslern auf die Mauern geschleppt und vor den Augen der Belage rer in die Tiefe gestürzt worden. Die Unglücklichen waren sofort tot. Die Führung des großen Truppen- aufgcbots. das an der Belagerung teilnimmt, ist ent schlossen, die Gebäude am Sonnabend bei Tagesanbr uch in die Luft zu sprengen, falls sich die Zuchthäusler nicht ergeben sollten. Das Zuchthaus von Canon-Stadt in die Luft gesprengt. Neuyork, 4. Okt. Die Belagerer des Zucht hauses von Canon-Stadt haben früher als erwartet zu dem letzten Mittel gegriffen, um dem Treiben der Meu terer ein Ende zu bereiten. Zn den ersten Morgen stunden sprengten Milizpatrouillen einen Teil des von den Aufständischen besetzten Zuchthauses in die Luft. Die Truppen besetzten darauf die Gebäudetrümmer, die einer genauen Durchsuchung unterzogen wurden. Die Sprengung wurde vorgenommen, nachdem bekannt ge worden war. das; die Meuterer dis letzten Geiseln er mordet hatten. * Die Sturmschäden auf den Bahama-Znseln. London, 4. Okt. Nach einer Mitteilung des Ver treters der Royal Bank of Canada auf den Vahama- Jnseln wird der Schaden, den die Stadt Nassau durch die Sturmverwüstungen erlitten hat, auf 4 Millionen Mark geschätzt. Von den anderen Inseln fehlen noch immer bestimmte Nachrichten. New Bork in Erwartung Macdonalds. Neuqork, 4. Okt. Die „Berengaria" mit dem eng lischen Ministerpräsidenten und seinem Gefolge an Bord wird die Neuyorker Quarantänestation vermutlich gegen 11 Uhr MEZ. in Begleitung der beiden amerikanischen Kreuzer erreichen. Dort werden die Gäste auf den Dampfer des Neuyorker Magistrats „Macom" über steigen, und etwa vier Stunden später an der Battery in Neuyork an Land gehen. Für Macdonalds Aufent halt in Neuyork sind nur zwei Stunden vorgesehen, die ausreichen sollen, um im Rathaus die Ehrenbürgerur- kunde entgegennehmen zu können. Macdonald reist dann sofort nach Washington weiter. Die politischen Unterredungen sollen auf Hoovers Landsitz Rapidan Fluh stattfinden, wo beide Staatsmänner abgeschlossen vom Getriebe der Welt beraten können. Die Presse beschäftigt sich ausführlich mit dem Be such Macdonalds und spendet dem englischen Außen minister großes Lob. Das Regierungsblatt unterstreicht aber, daß Macdonald nach Amerika komme, um die Flotten beider Länder auf eine gleiche Grundlage zu bringen. Geschichtliche Beispiele für die friedliche Re gelung einer so großen Frage seien nicht zahlreich. Die „Neuyork Times" unterstreicht, daß Hoover und Mac donald keine bindenden Abkommen treffen könnten, da jedes Abkommen erst von den beiden Parlamenten rati- fiziert werden müsse. Die Ostpreußenfahrt des „Graf Zeppelin" aufgeschoben. Friedrichshafen, 4. Okt. Die Ostpreußenfahrt vom Luftschiffbau Zeppelin ist nicht aufgegeben. Allerdings ist es fraglich, ob der Besuch Ostpreußens diesen Herbst noch zur Durchführung kommen kann, da man beim Luftschiffbau Wert darauf legt, diese Reise bei Tage und bei klarem Wetter durchzuführen, da sonst der Zweck des Besuches nicht erreicht würde. Es kann ajso sein, daß Ostpreußen erst im nächsten Frühjahr besucht wird, wenn die Tage wieder länger sind. Eine Anzahl ost preußischer Städte würden übrigens bereits bei der Welt fahrt berührt. Die Schlesienfahrt am 7. Oktober. Hamburg, 4. Okt. Die Hamburg-Amerikalinie teilt mit, daß die auf den 5. Oktober festgesetzte Fahrt des Luftschiffes „Graf Zeppelin" nach Berlin ausfällt. Da gegen findet am 7. Oktober eine Fahrt nach Schlesien föhne Berlin) statt. Die Hollandfahrt kommt am 10. Ok tober, wie vorgesehen, zur Durchführung. Am 14. Ok tober wird „Graf Zeppelin" eine Fahrt in Richtung Budapest-Belgrad unternehmen. Neueste Nachrichten« Räumun« Dürens. Düren, 4. Okt. In den frühen Moraenstunden des Freitag haben die ersten französischen Vesatzungstrup- pen Düren verlassen. Ihre Zahl betrug etwa 200. Im Laufe des Sonnabends werden weitere Abteilungen, insgesamt wiederum etwa 200 Mann, abtransportiert werden. Schätzungsweise dürften sich noch etwa 1000 Franzosen, die Angehörigen eingerechnet, in Düren be finden. lieber die Freigabe der beschlagnahmten Woh nungen, deren Zahl sich auf etwa 150 beläuft^ steht noch nichts Genaues fest. Wie verlautet, wird die Räumung in Düren bis zum 1. Dezember beendet sein. Wieder ein polnisches Militärflugzeug über deutschem Gebiet. Königsberg, 4. Okt. Heute vormittag hat erneut eine Verletzung der deutschen Grenze durch Polen statt gefunden. Gegen 9 Uhr tauchte aus östlicher Richtung kommend in einer Höhe von nur etwa 70 Metern ein polnischer Militärdoppeldecker mit der Nummer 9 über der Stadt Deutsch-Eylau auf. Das Flugzeug kreiste einige Minuten dichl über den Kasernen und flog dann in südlicher Richtung wieder der polnischen Grenze zu. Autounfall Zaleskis. Warschau, 4. Okt. Der polnische Außenminister Zaleski hat am Donnerstagnachmittag auf der Strecke Warschau—Lowicz in der Nähe'der Eisenbahnstation Ozarow einen schweren Autounfall gehabt, bei dem er verletzt wurde. Der Minister, der selbst am Steuer saß, wollte einen Wagen überholen, als ihm plötzlich ein Bauerngefährt den Weg versperrte. Um einen Zusam menstoß zu vermeiden, zog Zaleski die Bremse so scharf an, daß sich sein Auto überschlug und die drei Insassen unter sich begrub. Augenzeugen eilten sofort zu Hilfe. Außenminister Zaleski kam mit einem Schlüsselbein bruch davon. Seine beiden Begleiter, ein Geistlicher und ein Abgeordneter, trugen am Kopf und an den Händen Schnittwunden davon. Der Geistliche war außerdem infolge einer Gehirnerschütterung bewußtlos. ' Der Außenminister konnte seine Wohnung aufsuchen. Griechenland läßt in Italien Zerstörer bauen. London, 4. Okt. In Athen wird amtlich mitge teilt, daß die Regierung einer italienischen Schiffbau firma den Bau von 1450-Tonnen-Zerstörern übertragen hat, die in 20 Monaten geliefert werden sollen. Neue Niederlage Habib llllahs. London, 4. Okt. Habib Allah hat nach Berichten aus Peschawar durch Streikkräfte eines Bruders des Generals Nadir Khan in der Nähe von Gardez eine neue schwere Niederlage erlitten 300 seiner Anhänger wurden getötet und zahlreiche aefangen genommen. Der Nest hat den Rückzug auf Kabul angetreten. Aus aller Welt. * Ein badisches Dorf in Flammen. Nach einer Meldung Berliner Blätter aus Waldshut wurde das oberbadische Dorf Bettinadingen von einer Feuers brunst heimgesucht. Von den etwa 75 Anwesen waren bis zum Abend 25, darunter das neuerbaute Rathaus, vollkommen niedergebrannt. Die aus der ganzen Um gebung zur Hilfe herangezogenen Feuerwehren mußten sich auf die Rettung der noch nicht vom Feuer ergriffenen Häuser beschränken. Wassermangel erschwerte die Lösch arbeiten. Dem Vernehmen nach sind die Brandgeschä digten, die sich durch Wald- und Heimarbeit ernährten, nur unzulänglich versichert. Die Ursache des Unglücks konnte noch nicht ermittelt werden. * Vier Verletzte, ein Toter auf der Zeche Zollverein. Ein folgenschweres Unglück hat sich auf der Zeche Zollverein I und II in Katernberg er eignet. Dort wurden vier Arbeiter und ein Maschinen steiger aus der Steinhalde beschäftigt. Sie wurden durch plötzlich sich loslösende glühende Massen zum Teil ver schüttet. Alle fünf erlitten mehr oder weniger schwere Brandwunden und mutzten sofort in das Knappschasts- kranlenhaus in Gelsenkirchen eingeliefert werden. Dort ist einer im Laufe des Tages an den Folgen der schweren Brandwunden gestorben. Der Zustand des Maschinensteigers ist ernst, doch besteht zurzeit keine Lebensgefahr. Das Befinden der drei anderen ist zu friedenstellend. * Urgroßmutter mit 48 Jahren. Die jüngestc Ur großmutter der Welt ist zweifellos die auf dem Mont martre wohnende Schneiderin Frau Eda Vertonelle. Sie heiratete selbst im Alter von 14 Jahren in Mailand und bekam mit 15 Jähren das erste Kind. Dieses wiederum heiratete mit 15 Jahren und führte im Alter von 16 Jahren ihrer Mutter den ersten Enkel zu. Vor Jahresfrist heiratete dieser im Alter von 17 Jahren, und Frau Bertoneile ist nunmehr im Alter von 48 Jahren Urgroßmutter geworden. * Schwerer Südweststurm an der schottischen Ost- Me. An der Ostküste Schottlands wütet seit 48 Stun den ein schwerer Südweststurm, durch den bereits be deutender Schaden angerichtet wurde. Die Gewalt des Sturmes hat noch nicht nachgelassen. Ein GtmMvoges. Roman von Bernt Lie. Einzig berechtigte Übersetzung aus dem Norwegischen von F. Gräfin zu Neventlow. 32) (Nachdruck verboten.) Kasper war aufgestanden und tastete unruhig an der Stuhllehne herum. Tann nahm er sich mit einer gewalt samen Kraftanstrengnng zusammen und sagte ruhig: „Ich wollte eigentlich nicht zu dir kommen, Mutter. Ich wollte abreisen, ohne dich wiederzusehen. Mir graute vor dem Gedanke», dich sprechen zu hören, Mutter. Mir graute vor dir, Mutter." Sie stand jetzt hochaufgerichtet da und rief ihm zu: „Kasper, Kasper! Sei stille, es ist sündig, es ist ver brecherisch, was du da sagst." „Und es wurde mir so schwer, ich wußte, daß ich nicht mehr konnte, es nicht mehr ertragen konnte — auch das noch. Nein, ich will nicht, Mutter, ich ertrage es nicht. Einmal, ein einziges Mal muß ich mein Haupt an eines Menschen Herz legen und weinen. Mutter, o Mutter, Mutter!" Er hatte beide Hände zu ihr erhoben, ohne sie anzu- lehen. Nun warf er sich vor ihr nieder, legte sein Haupt in ihren Schoß und schluchzte. Frau Bugge schlang beide Arme um ihn und legte ihren Kops an seinen. Ihr Weinen klang gedämpft, aber gualvoll und unartikuliert. Und dann hielt sie inne, erhob den Kopf und sah kummervoll vor sich hin. Sie strich ihm über die Haare. „So, also jetzt willst du fortgehen, Kasper. Fortreisens Ja, ja, mein Junge. Und da bist du zu deiner Mutter gekommen, um sie zu fragen Und du meinst, daß es so leicht wäre, darauf zu antworten. Aber es ist nicht leicht, mein Junge. Ich weiß es ja, mein lieber, geliebter Junge, wenn du jetzt ein kleines Kind wärest, würde ich alles an ders machen, so daß du mich nicht zu fragen brauchtest, ob ich dich lieb habe. Aber damals war ich jung, Kasper, auch ich war jung — und allein. Und ich war scheu und verängstigt." Sie hielt einen Augenblick inne. Sie wollte auf stehen, aber er zwang sie durch eine einzige Bewegung, sitzenzubleiben. „Du willst also fort, Kasper. Ja. ja. ja. Es muß dann wohl das Rechte sein Und ich weiß, daß du leidest, denn ich kenne deine Liebe, mein Junge. Niemand kennt sie so gut wie ich. Das ist wahr und gewiß Mein ge liebter Junge!" Sie saß eine Zeitlang nachdenklich da Dann stand sie auf. Sie machte sich sanft von ihm los und er blieb vor ihrem Stuhl liegen, die Stirn aus die Arme gepreßt. Frau Bugge ging im Zimmer aus und ab. Die Hände über der Brust gefaltet. „Ich glaube, Gott im Himmel hat mir diese Prü fung geschickt, damit ich wieder gutmachen kann — das, ^>ch haue cs m vergeßen, daß ich dich liebe was meine tiefste Angst war. Ja, das glaube ich. Kasper, mein geliebter Junge, du darfst nicht allein reisen. Das darfst du nicht. Es ist zu schrecklich. Es ist zu schrecklich für dich. Und auch für sie. Und dann ist es so schlimm für - für uns alle. Ich glaube, wir sollten noch einmal wieder von vorn anfangen, mein Kasper. Du und ich. Versuche es einmal, die Liebe deiner Mutter zu finden — ob sie dir vielleicht helfen kann." Sie blieb neben ihm stehen und legte ihm ihre Hand auf den Kopf. „Kannst du dich erinnern, Kasper, daß du mich mit- haben wolltest, als du damals heimkamst? Ich denke, Ole- vine wird den Koffer schon finden. Und du kannst wohl so lange warten, bis ich fertig bin." Kasper lag noch wie vorhin vor dem Stuhl. Plötzlich hielt sie inne. Hinter ihr war die Tür aufgegangen und Dagny stand da mit einem Paket auf dem Arm, das sie niedersetzte und aus dem Schal herauswickette. Es war die Kleine. Kasper Bugge hatte nichts gemerkt. Die Kleine trippelte im Zimmer hin und her - in Pelz und Biütze. „Großmama, Tulla ist mit Pferden gefahren." Kasper Bugge sprang auf. Sein Blick irrte von der Kleinen zu Dagny. Dann wandte er sich um, lehnte sich an die Wand und schlug die Hände vors Gesicht. „Ach — nein!" „Vater — Vater muß nicht umfallen und sich nicht weh tun." „Nein, du bist also wirklich mit Pferden gefahren Nein, was für eine flinke kleine Tulla. So, jetzt mußt du mit Großmama kommen und im Schrank Nachsehen." „Was ist denn im Schrank?" „Vielleicht Kuchen." „Ein Kuchen für Mutter und einer für Vater, und einer für Großmama und einer für das Pferd." Frau Bugge nahm das Kind auf den Arm und ging mit ihm hinaus. Dagny kam aus ihn zu. „Kasper," sagte sie mit bebender Stimme. Sie war totenblaß und ihre Augen glänzten. „Kasper, sieh mich an." Er wandte sich langsam um „Dagny!" „Ich komme, um dir zu sagen, daß ich eine Ent deckung gemacht habe " Er sah sie fragend au. Sic kam noch näher. „Wenn du damals, wo du die Wahl hattest, zu Hause zu bleiben oder in die Fremde zu gehen, wenn du damals gewählt hättest, das gewählt, wohinein du gehörtest mit all deiner strahlenden Tatkraft, dann wäre es niemals dahin gekommen, daß ich die große Sünde begangen hätte —" „Ach, Dagny, Sünde? — Du!" „Mein Koffer steht draußen auf dem Wagen, alles, was wir brauchen, Tullachen und ich. Wir haben uns so geeilt, alle beide, die Kleine und ich, um noch mitzu- kommen — damit ich meine große, schwere Sünde gegen dich wieder gutmachen kann." „Du — wieder gutmachen?" „Ja, mein ganzes Leben lang, Kasper." „Dagny!" „Ja, Kasper, ich hatte es ja vergessen, daß ich dich liebe." Ende.