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Börsenpanik Neuqork, 24. Oktober. Nachdem schon an der Neuyorker Mittwochbörse eine gröbere Anzahl Papiere starke Kurseinbrüche erlitten haben, haben sich am Don nerstag die Verkäufe» aus dem ganzen Lande in riesi gem Ausmaß fortgesetzt, so das? von einer Börsenpanik gesprochen werden kann. Besonders die schweren Pa piere, wie U.-S.-Steel-Corporation, ferner Radio-Cor poration, General-Motors und Eeneral-Eleckric, sind stark in Mitleidenschaft gezogen. Das Eingreifen der Grossbanken, die die angebotenen Aktien paketweise übernahmen, konnte eine Beruhigung des Marktes zunächst nicht her beifuhren. Auf neue Intervention hin trat spater eine leichte Erholung und Beruhigung ein. Der Gesamtum satz betrug rund 8 Millionen Shares. Der Eindruck in London. London, 25, Oktober. Das Direktorium der Fede ral Reserve Bank in Neuyork hat sich, wie von dort ge meldet wird, am Donnerstag vertagt, ohne die erhoffte Herabsetzung der Bankrate vorgenommen zu haben. Die E r h o l u n g an der Neuyorker Börse im Anschlusz an die Konferenz führender Bankiers war unzu rei ch e n d. In sehr vielen Fällen betrugen die Kursrückgänge bis zu 20 Punkten. Die Katastrophe an der Neuyorker Börse wird sich in Großbritannien kaum ernsthaft auswirken. Die ver hältnismäßig zuversichtliche Beurteilung des Neuyorker Bankkraches sowohl durch das amerikanische Schatzamt wie durch die führenden Vankkreise in Neuyork hat die Zu versich tau fdemLondonerGeld markt v e r st ä r k t. Abgesehen von den spekulativen Verlusten in den Vereinigten Staaten würden nach Ansicht Lon doner Kreise die Kursstürze der beiden Tage abera u ch f ü r Amer ikavonNutzen sein. Der Neuyorker Börsenkrach werde auch eine Verbesserung des Wertes des Pfundes gegenüber dem Dollar zur Folge haben, sowie vielleicht in kürzester Zeit eine Verbilligung der Geldbedin gungen und vielleicht sogar eine Verminderung des Diskontsatzes der Bank von England. Die Blätter geben dem Neuyorker Bankkrach den aller größten Raum. Durchweg wird darauf hingewiesen. in Neuyork. daß seit dem Oktober 1907 ein ähnlicher schwarzer Tag an der Neuyorker Börse nicht mehr zu verzeichnen war und daß selbst die Ereignisse zu Beginn des Krieges gegenüber den gestrigen Vorgängen fast belanglos waren. Man schützt, daß wenigstens 50 000 kleinere Spekulanten so gut wie ruiniert sind und die G e s a m t v e r l u st e viele Milli- ard en betragen. Die Zahlcnangabeck' schwanken aller dings beträchtlich und zwar zwischen 5 und 100 Mil liarden Mark. Betroffen ist, wie verlautet, auch der Vorsitzende der First National Bank, der 22 000 Aktien der Bank in seinem Besitz hält. Da die Aktien gestern um 500 Dollar das Stück fielen, würde sein Verlust nahezu 45 Millionen Mark ausmachen. 20 Millionen Passiven in Kopenhagen? Kopenhagen, 25. Oktober. Zur Untersuchung der Betrügereien, die zum Volksbankkrach führten, hat die Negierung einen Ausschuß eingesetzt, der auch festzu stellen hat, ob Direktor Plum, der bekanntlich Selbst mord verübt hat, Mitschuldige gehabt hat. Inzwischen haben auch mehrere Plum-Gesellschaften ihreLiquidationbeschlossen. Die General versammlung der Lrown-Vutter-Export-Co. wird vor aussichtlich ebenfalls die Liquidation Vorschlägen, da das ganze Aktienkapital verloren ist. Auch in der Aktiengesellschaft der Vereinigten Milch-Co. wur den Verluste festgestellt. Man hofft jedoch, daß die Ge sellschaft ihre Geschäfte wird fortsetzen können. Private Schätzungen gehen darauf hinaus, daß die Gesamt- verluste der V o l k s b a n k, mehreren anderen Ban ken sowie der Plum-Gesellschaften 10 bis 14 Mil lionen Kronen bei Passiven von insgesamt 20 Millionen Kronen betragen. In Mitleidenschaft ge zogen dürfte a u ch a ^»s l ä n d i s ch e s Kapital sein, das Plum unberechtigterweise im Namen seiner Gesell schaft ausgenommen hat. Es soll sich hierbei um ins gesamt 5l4 Millionen Kronen aus Deutschland. England, Holland und Polen handeln. Außerdem hatte die Nordische Trust Co. Kapitalien aus Amerika. Die Ursache des Stahlhelmverbots. Königsberg, 24. Oktober. Die „Ostpreußische Zei tung" in Königsberg veröffentlicht aus den „Deutschen Führerbriefen" eine vertrauliche Mitteilung, in der es u. a. heißt: „In der Erklärung auf die Beschwerde der deutsch nationalen Neichstagsfraktion aus Anlaß des Verbotes des westdeutschen Stahlhelms, mit der Reichskanzler M ii l 1 er seinen Kabinettskollegen Severing deckte, ist ein Satz bemerkenswert, in dem festgestellt wird, daß Severing auch die Stellungnahme des Aus wärtigen Amtes vorher eingeholt und seine Ent scheidung erst getroffen habe, als von diesem keine Be denken geäußert worden seien. Nach einer uns zugegangenen Darstellung besteh: allerdings ein Zusammenhang mit dem Stahlhelmver bot und dem Auswärtigen Amt. In Wirklichkeit entstammt das Verbot nicht einem innerpolitischen preußischen Willen, sondern, wie wir ans sonst gut unterrichteter Quelle erfahren, der Ini tiative des Auswärtigen Amtes. Botschafter von Hoesch habe in der Wilhelmstraße berichtet, daß die Franzosen das Langenberger Unternehmen des Stahl helms zum Vorwand nehmen wollten, bei den noch aus stehenden Näumungsverhandlungen Schwierigkeiten zu machen und Garantien zu verlangen. Er habe gleich- zeitig angeregt^ durch eine geeignete Aktion den Fran zosen diesen Vorwand zu nehmen. Herr v. S ch u b e r t sei daraufhin zu Severing gegangen und habe um eine solche Aktion ersucht, sei aber von Severing, der im Anfang Bedenken äußerte, an das zunächst zuständige preußische Innenministerium verwiesen worden. Es leuchtet ein, daß hier die An regung leicht und schnell auf günstigen Boden fiel. Zu nächst sondierte aber der Innenminister die Lage. Sein Fachrefercnt weilte einige Tage vor dem Verbot im Westen und befragte die Vertreter der Regierungs- und Polizeipräsidien, die durchweg Bedenken gegen die Ab sicht des Verbotes äußerten. Trotzdem erfolgte am Mon tag darauf die Auflösung. Eine Erklärung der zuständigen Stellen. Berlin, 24. Oktober. Von zuständiger Stelle wird der Telcgraphenunion hierzu erklärt, daß sie nicht in der Lage sei, Einzelheiten zu geben. Jedoch sei die ganze Angelegenheit hinreichend geklärt durch das Schreiben des Reichskanzlers an den Reichsausschuß für das deutsche Volksbegehren in Sachen des Stahlhelmver bots. Darin war bekanntlich zum Ausdruck gebracht, daß der Reichskanzler durch den Reichsminister über das geplante Verbot orientiert und daß auch das Auswärtige Amt zu der Sache gehört worden war. Aus aller Well. * Großfeuer bei Sangerhausen. Im dreistöckigen Getreidespeicher der Firma Witchel bei Sangerhausen brach in der Nacht auf Donnerstag Eroßfeuer aus. Die Feuerwehr mußte sich darauf beschränken, die anliegen den Gebäude und die benachbarten Holzlagerplätze zu schützen, da an eine Rettung des Getreidespeichers nicht zu denken war. In dem Speicher besanden sich etwa 120 000 Zentner Weizen und Gerste und außerdem große Mengen Futtermittel. Der Verkehr auf der Reichs bahnstrecke Sangerhausen—Halle, die unmittelbar an der Brandstelle vorbeiführt, kann aber durchgeführt werden, dagegen sind die Telephonleitungsn nach Eis leben und Halle abgeschmolzen. Der Schaden stellt sich auf nahezu eine Million Mark, lieber die Ursache war bisher nichts zu erfahren. * Nächtliche Zigeunerschlacht in Charlottenburg. In der vergangenen Nacht kam es in Charlottenburg zwischen zwei Zigeunerstämmen zu blutigen Zusammen stößen. Der Streit entstand dadurch, daß sich ein Zi geuner einer Angehörigen des anderen Stammes nach einer Feier in einer Kneipe zu nähern versuchte. Als Waffen wurden alle möglichen Gegenstände benutzt. Polizei stellte schließlich die Ruhe wieder her. Vier schwerverletzte Zigeuner mußten dem Krankenhause zu- gefllhrt werden. . Drei von ihnen gelang es, nachdem sie verbunden worden waren, zu entfliehen. Elf Zi geuner erlitten leichte Verletzungen. * Die Ruhrgruppe freigelassen. Die Iustizpresse teilt mit: In der Voruntersüchungssache wegen Spreng stoffattentate ist heute eine weitere Gruppe von Ange schuldigten, die sogenannte Nuhrgruppe, Anton Groß und Kurt Rudorf, aus der Haft entlassen worden, da bei dem jetzigen Stand der Untersuchung zwar ein Tat verdacht auch jetzt noch besteht, aber sowohl Verdunke lungsgefahr wie Fluchtverdacht nicht mehr begründet erscheinen. Gegen den Angeschuldigten Fritz Rehling, bei dem stärkere Verdachtsgründe vorliegen, ist die Frei lassung von einer Sicherheitsleistung von 30 000 RM. abhängig gemacht worden. " „Graf Zeppelin" wieder in Friedrichshafen. „Graf Zeppelin" ist auf der Rückfahrt von Spanien um 13 Uhr wieder über Friedrichshafen eingetroffen und um 13,26 Uhr glatt gelandet. Bei der Ueberfliegung Barcelonas warf das Luftschiff „Graf Zeppelin" einen Postbeutel ab, der in der Avenue St. Jean niedersiel und von einem Passanten zur Hauptpost gebracht wurde. Zwi schen Lem Kommandanten des Luftschiffes Dr. Eckener und dem Bürgermeister von Barcelona wurden Be grüßungsbotschaften ausgetauscht. 450 Mann standen aus dem Flugfeld bereit für den Fall einer etwa not wendigen ^Landung. Das Luftschiff überflog darauf Valencia und zog zwei Schleifen über der Stadt. Die Einwohner begrüßten das Luftschiff durch Händeklat schen und TUcherwinken. „Graf Zeppelin" setzte dann seine Fahrt in Richtung Sevilla fort, wo der Flugplatz Tablada hell erleuchtet war und die Funkstation sich bereit hielt, etwaige Funksprüche des „Gras Zeppelin" aufzunehmen. * Autounfall des Generalmajors v. Hammerstein. Generalmajor Günther v. Hammerstein aus dem Reichswehrministerium erlitt gestern abend bei einem Zusammenstoß seines Kraftwagens mit einem anderen auf der Charlottenburger Chaussee nahe der Sieges- allee durch Glassplitter Schnittwunden im Gesicht. Die beiden Insassen des anderen Wagens scheinen schwerer verletzt zu sein und mußten sofort in die Charite ge bracht werden. * 39 Bauernhöfe niedergebrannt. Im Dorfe Lu- bowitz bei Warschau sind 39 Bauernhöfe durch Feuer vernichtet worden. 320 Personen sind obdachlos. Der Schaden beträgt 670 000 Zloty. Das einsame Haus. Roman von M. Nicholson. t7) «Nachdruck verboten.) Die Sonne sandle bereits ihre rötlichen Strahlen über die St.-Agathen-Schule, als John aus dem Heimweg an der kleinen Bucht vorbeisuhr, wo das Mädchen mit der roten Mütze tags zuvor verschwunden war. Der See hatte dort ein hohes User, an dessen Rand eine steinerne Bank stand, von der aus sich ein weiter Ausblick über die Wasser fläche eröffnete. Als John sich daraus niederlieb, um bei einer Pseise die Abendstimmnng zu geniesten, das leicht gekräuselte Wasser vor sich, während den Wäldern schon die Schatten entstiegen, erregte ein glitzernder Gegenstand in dem welken Gras seine Aufmerksamkeit. Er bückte sich und lwb eine Kelle aus goldenen Perlen aus, die, wie er dachte, vielleicht von einem der Schulmädchen verloren sein mußte. Er warf einen Blick zum Schulgebäude hinüber und suhlte Neigung, seinen Fund dort abzugeben, mutzte sich jedoch sagen, dast cs für einen Besuch schon zu spät war Als John sich am Abend ziemlich spät zu Bett be- 'geben wollte und mit der Kerze durch die dunkle Halle in jein Zimmer schritt, hörte er ein sonderbares Geräusch. Es klang, als ob sich jemand vorsichtig durch das Haus schliche. Das Geräusch kam zuerst von unten, dann schien es, als ob jemand die Treppe hinausginge, Auch in seinem Zimmer hörte er die Fußtritte noch, obzwar sehr gedampft Einmal klang cs, als ob jemand stolperte und sich nur mit Mühe vor einem Fall bewahren konnte. Geister konnten es also nicht sein, dachte John, denn die sind über Stolpern erhaben. Das Geräusch erstarb in den entfernten Teilen des Hauses, Der junge Mann blieb noch über eine Stunde lauschend in seinem Zimmer sitzen hörte jedoch nichts mehr. Neuntes Kapitel. Fußspuren im Schnee. Der Wind rumorte im Wald und der Regen schlug klatschend gegen die Fenster der Bibliothek. Jeder Schorn stein des Hauses schien einen kreischenden Dämon zu be herbergen. Es Ivar Dezember geworden und John Glenarm fühlte sich in seiner neuen Umgebung bereits zu Hause. Oftmals haue er sich zu Lande und zu Wasser seinen Feinden als Zielscheibe dargeboten und aus der Mauer das Schicksal herausgesordert. Es war dem jungen Mann zur Gewohnheit geworden, sich durch das Haus zu schleichen, um Bate bei irgendeinem lichtscheuen Akt zu ertappen. Die Tage zogen jedoch eintönig dahin. Morgan hatte sich zwar einige Male gezeigl, aber die Feindseligkeiten nicht wieder eröffnet. Zweimal sah John die rote Wollmütze»durch den Wald schimmern und ein mal begegnete ihm das junge Mädchen mit einem kleinen, Als er mit der Kerze durch die dunkle Halle schrittz hörte er ein sonderbares Geräusch. dunkelhaarigen Mädchen und wechselte einen kühlen Grutz mit ihm. Selbst auf den bösen Geist im Hause war kein Verlaß; er hatte seine geheimnisvolle Wanderung durch das Haus nur einmal wiederholt. Beim Durchstöbern der Bibliothek zupste die Erinne rung an seinen Großvater John immer wieder am Ärmel. Überall in Notizblättern, die zwischen den Seiten der Bücher steckten, fand er Spuren seines Geistes und seiner liebevollen Sorgfalt. Dies erweckte in John den Ge danken, an der Außenmauer des Hauses oder der Kirche eine Gedenktafel anbringen zu lassen. Ein Entwurf nach dem anderen entstand, wurde jedoch verworfen, bis end lich das Folgende aus Johns Feder hervorging: Das Leben John Melville Gleuarms War eine Offenbarung von Großmut, Duldsamkeit und Edelsinn. Die schönen Dinge, die er liebte, waren ein Abbild seiner Seele. Ihm zum Andenken von seinem Enkel, der ihm seine Güte so schlecht vergalt. John hatte eben den letzten Federstrich gemacht, als Bate mit Holz eintrat, um nachzulegen. „Es schneit, Herr," sagte er vom Kamin aus. „Der Winter beginnt in allem Ernst." Bate hatte den Schuß durchs Fenster und Morgan mit keiner Silbe mehr erwähnt und sich in jeder Hinsicht als ein musterhafter Diener erwiesen. Nur Ferguson, der Gärtner der St.-Agathen-Schule, besuchte ihn zuweilen. John überraschte die beiden, als sie sich in der Küche dem harmlosen Vergnügen einer Pfeife und gewässerten Whiskys Hingaben. „Drüben in der Schule haben sie ihre Sorge," sagte Bate. „Wohl mit den jungen Damen?" „Nein, Herr. Schwester Therese ist krank. Ferguson hat es mir gestern abend gesagt Man befürchten schon Schlimmes, aber nun fall es ihr wieder besser gehen." „Freut mich, es zu hören " „Das dachte ich mir, denn sie sind doch unsere' ein zigen Nachbarn. Ferguson erzählte mir auch, wie auf opfernd Miß Devereux zu ihrer Tante ist " John richtete sich aus und schien Bates Rücken, dein ihm der Mann, der mit dem Festmachen eines klappernden Fensters beschäftigt war, bot, durchbohren zu wollen. „Miß Devereux sagten Sie?" »So heißt sie, Herr. Ein merkwürdiger Name das." „Jawohl, recht merkwürdig," erwiderte John zer streut. Seine Gedanken schweiften zurück zu einer gewissen Klausel im Testament seines Grotzvaters, worin es hieß: „Sollte jedoch im Verlaus von süns Jahren der ge nannte John Glenarm die genannte Marianne Devereux ehelichen oder eine auf Ehe abzielende Vereinbarung mit ihr eingchen, so soll die ganze Erbschaft der St.-Agäthen- Schule Fairvale-Washota zufallen." (Fortsetzung folgt.)