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Bombenattentat auf das Reichstagsgebäude. Verlin. 1. Sept. Am Sonntagmorgen um 4 Uhr Der Polizeipräsident hat eine Belohnung von 25 000 Mark ausgesetzt. Von diesem Betrag sind 10 000 Mark als Belohnung für die Personen bestimmt, die zur Auf klärung des Sprengstoffanschlages am Reichstag, ins besondere zur Festnahme der Täter beitragen. Den Restbetrag von 15 000 Mark erhalten diejenigen Per sonen, durch deren Angaben der Nachweis eines Zu sammenhanges des Berliner Anschlages mit den frühe ren Anschlägen erbracht wird. explodierte unmittelbar neben dem Portal V am Nord- eingang des Neichstagsgebäudes eine Höllenmaschine, die jedoch nur geringen Schaden anrichtete. Zu dem Attentat erfährt die Telegraphenunion folgende Einzelheiten: Der Nordeingang des Reichs tagsgebäudes birgt im rechten Flügel in den Keller- rüumen ein Zeitungsarchiv und im Hochparterre die Garderoberäume. Im ersten Stock des Flügels befin det sich in einer Front von etwa 20 Metrn das Zimmer des Aeltestenrates, daran anschließend die Waschräume und dann die große Freitreppe. Die Höllenmaschine war vor eines der drei Kellerfenster des Zeitungsarchivs nicdergelegt worden. Durch die Explosion wurden sämt liche im Erdgeschoß liegenden Fensterscheiben zertrüm mert, die Fensterkreuze zum Teil herausgeschleudert, während die Inneneinrichtung nur nebensächliche Be schädigung erlitt. Im Hochparterre wurden ebenfalls die Fensterscheiben, die hier sine Stärke von 12 Mill- metern haben, vollkommen zertrümmert, während im ersten Stock nur das Fenster des Waschraumes beschä digt wurde. Der Tatort wurde sofort in-weitem Um kreis durch Schutzpolizei abgesperrt. Bald nach der Ex plosion erschienen Polizeipräsident Dr. Weiß, Regie rungsdirektor Windisch und Kriminaldirektor Werner mit den Kriminalkommissaren Dr. Braschwitz und Mühlfriedel der Abteilung la zur Feststellung des Tat bestandes. Es wurden zahlreiche Reste der Sprengstoff ladung, insbesondere Teile einer Wetteruhr und von Taschenlampenbatterien gefunden, die teilweise bis auf die gegenüberliegende Straßenseite geschleudert worden waren. An einem Straßenmast, der in Höhe des Spreng- Herdes auf dem Bürgersteig steht, wurde eine so genannte Klebemarke vorgefunden, die das Haken kreuz und die Inschrift „Großdeutschland erwache!" trug. Der von der Polizei sofort hinzugezogene Sachverstän dige Dr. Richter von der Chemisch-Technischen Reichsan ftalt, der auch bei der Aufklärung der früheren Spreng stoffanschlüge in Oldenburg und Lüneburg als Gut achter tätig gewesen ist, hat an Ort und Stelle eine vor läufige Untersuchung vorgenommen. Er hat zwar bis her noch nicht die Art des Sprengstoffes genau feststellen können, doch ist nach seiner gutachtlichen Bekundung die Sprengstoffladung ähnlich wie bei den Anschlä gen in Oldenburg und Lüneburg vorbereitet ge wesen. Ein Zusammenhang des neuesten Berliner Anschlages mit den früheren Sprengstoffattentaten ist daher anzunehmen. Neuyork, 1. Sept. Das Luftschiff ,Gras Zeppe lin" ist heute morgen um 8,18 Uhr AZ. (13,18 Uhr MEZ.) nach Friedrichshafen aufgestiegen. Der Start des Luftschiffes war ursprünglich auf 5 Uhr morgens MEZ. angesetzt, mußte aber wegen widriger Vodrn- winde verschoben werden. Der Start des „Graf Zeppelin" Neuqork, 1. Septbr. Nachdem sich in den frühen Morgenstunden die Windverhältnisse etwas gebessert hatten, entschloß sich Kapitän Lehmann, doch noch zu starten. Um 12,20 Uhr MEZ. durchtönten die Befehle für die Hilfsmannschaften die Luftschiffhalle. Kapitän Lehmann betrat den Kommandoraum, die Motoren wurden angedroht und das Luftschiff etwa 120 Meter von der Halle entfernt zum Start bereitgemacht. Nach dem die Spitze nach Westen gedreht war, vollzog sich der Start unter dem Jubel von Tausenden, die den Flug platz umlagerten, glatt. Nach einer Runde über dem Flugfeld verschwand das Luftschiff bei klarem Wetter in südwestlicher Richtung. „Graf Zeppelin" auf der Heimreise. Standortmeldungen. Nenyork, 2. Sept. „Graf Zeppelin" befand sich um 7,52 Uhr MEZ. auf 46,10 Grad westlicher Länge und 39,06 Grad nördlicher Breite. Von Dampfern gesichtet. Neuyork, 2. Sept. „Graf Zeppelin" wurde beim Ueberfliegen der Dampferroüte um etwa 6 Uhr MEZ. von einem belgischen Passagierdampfer und bald dar auf von den Dampfern „Roma" und „Präsident John sen" gesichtet. Das Luftschiff hat einen südlicheren Weg einschlagen müssen, da in der Gegend von Neufundland ein Schlechtwettergebiet liegt. Die Wetterlage auf dem Atlantik. Hamburg, 2. Sept. Das Seeflugreferat der deutschen Seewärts gibt heute um 10.30 Uhr den nachfolgenden Bericht über die Wetterlage auf dem AtlantiE: Die Tief druckrinne, die in mittleren Breiten des Nordatlan tischen Ozeans sich erstreckt, schob sich das südlich Neu fundland liegende Sturmtief ostwärts. An seiner Süd seite hat das Luftschiff starke Rückenwinde bekommen. Es führt nunmehr in einen flachem Hochdruck teil hinein, der sich im Westen der Azoren nord wärts bis zum 45. Breitengrad ausdehnt. Weiter östlich liegt zwischen Azoren und der Iberischen Halbinsel ein ausgedehntes Tief, in dessen Bereich trübes regnerisches Wetter herrscht. Dieses dehnt sich langsam in Richtung auf die britischen Inseln aus. Bei der Annäherung an dieses Tief wird sich der Rückenwind vermindern, kann sich sogar in einen stärkeren Seitenwind verwandel r. In der Nähe der europäischen Küste dürfte das Luft schiff wieder Rückenwind erhalten. Reise des Neichsverkehrsmimsters zum Empfang von „Graf Zeppelin". Stuttgart, 2. Sept. Zum Empfang des Luftschiffes „Graf Zeppelin" in Friedrichshafen wird als Vertreter Der Bombenanschlag am Reichstag. Berlin, 2. Septbr. Im Ministerium des Innern hat am heutigen Montagmorgen eine längere Konfe renz stattgefunden, an der maßgebliche Persönlichkeiten der Berliner Polizei teilgenommen haben und in der der Anschlag (siehe Meldung in heutiger Beilage. D.R.) Gegenstand der Besprechungen war. Regierungsdirek tor Windisch vom Berliner Polizeipräsidium erstattete dabei den Bericht über die bisherigen Feststellungen der Abteilung la. Bis zur Stunde liegt ein greifbares Er gebnis der Ermittlungen, die die Polizei während des gestrigen Sonntags und auch in der Nacht angestellt hat. noch nicht vor. Die allgemeine Ansicht der in Frage kommenden Stellen geht jedoch dahin, daß die Täter es kaum darauf abgesehen hatten, dem Gebäude ernstlichen Schaden zuzufügen, daß hier vielmehr eine politische Demonstration beabsichtigt worden war. Darauf deutet schon die Art und Weise, in der die Höllenmaschine gelegt war. Bei der Stärke der Mauer konnten die Täter von vornherein kaum damit rechnen, daß es ihnen etwa gelingen könnte, die Grundmauern zum Einsturz zu bringen oder dem Gebäude ernsthaften Schaden zuzufllgen. Heute mittag findet am Reichstagsgebäude noch ein mal eine genaue Ortsbesichtigung statt, an der Spreng- stoftechniker teilnehmen, die von der Polizei zur Auf klärung des Verbrechens herangezogen worden sind. Die in der Umgebung des Tatortes gefundenen Sprengstücke der Höllenmaschine sind in der Chemisch-technischen Reichsanstalt genau untersucht worden. Die Unter suchung hat bereits einzelne Anhaltspunkte ergeben, über die jedoch noch nichts gesagt werden kann. Auf Grund dieses Anschlages wird man von jetzt an die Bewachung des Reichstages erheblich verstärken und auch der Polizeidienst auf der Straße wird in un auffälliger Form schärfer als bisher durchgeführt wer den. Das gleiche gilt auch für den Landtag. der Neichsregierung Reichsoerkehrsminifter Dr. Ste-ger- wald in Friedrichshafen eintreffen. Er wird begleitet sein von einer Anzahl Herren des Reichsverkehrsmini steriums. Ein Schuß aus das Luftschiff. Wie „Associated Preß" aus Lakehurst meldet, ent deckte der Oberzellenmaat Kroner in der Hülle des „Graf Zeppelin" ein Loch, das, wie Kroner erklärte, sicherlich durch ein Geschoß verursacht wurde. Das Ge schoß durchbohrte jedoch nur den äußeren Bezug, ohne die Wasserstoffzellen zu berühren. Kroner ist der An sicht, daß das Geschoß während der Ueberfliegung von Texas abgeschossen wurde, gab jedoch keinen Grund für diese Annahme an. Der Gerichtsvollzieher droht noch immer. Washington, 1. Sept. Das Marineamt teilte dem Komandanten der Station Lakehurst mit. falls die Be hörden des Staates Neujersey den bereits gemeldeten Beschlagnahmebefehl gegen „Graf Zeppelin" durchsetzen wollten, müßten sie das Luftschiff spätestens eine Stunde vor der festgesetzten Abfahrtszeit aus dem Schuppen ent fernen. Das Marineamt beantwortete die Anfrage des Kommandanten von Lakehurst dahin, daß die Staats behörde von Neujersey die Rechtsgewalt in Sachen Be- schlagnahmebefehl hätte. Als der Unterscheriff bekanntgab, daß er das Luft schiff durch den früheren Zeppelinpilsten Heinen in Be sitz nehmen lassen werde, hinterlegten die Anwälte der Goodyar-Zeppelin-Csmpany beim höchsten Gericht in Neujersey eine Bürgschaft von 25 009 Dollar, um die Beschlagnahme des Luftschiffes zu verhindern. Heinen war bereits vom Scherffs angeworben, „Graf Zeppelin" ans der Halle heransbringen zu lassen s!) und an einem Baum zu befestigen. Streik der Reparationsarbeiter bei Metz. Metz, 2. Sept. Aus Perl an der deutsch-französi schen Grenze wird berichtet, daß im Laufe des Sonn abend die deutschen Arbeiter bei den Kanalisierungs- arbeitsn zwischen Metz und Diedenhofen, die auf Ne parationskonto ausgeführt werden, in den Streik ge treten sind und bei Perl in Massen über die Grenze kamen. In den Lokalen des Ortes wurden Protestver sammlungen abgehalten. Sämtliche deutsche Arbeiter sind in den Streik getreten bis auf zwei Bauabschnitte, die nicht benachrichtigt werden konnten, weil die deut schen Voten unterwegs von französischen Polizeibehör den verhaftet wurden. Die Gewerkschaften haben für Montag den Beginn des Generalstreiks proklamiert. Als Grund für diese Maßnahmen wird schlechte Ver- pfleaung in den Kantinen und ablehnende Haltung der deutschen Baufirmen gegenüber einem Tarifvertraqs- abschluß angegeben. Unter den Arbeitern herrscht un geheure Erregung, besonders da die lothringischen Fir men von dem Streik nicht betroffen werden und also die französischen Arbeiter weiter im Verdienst bleiben kön nen. Wie zu dem Streik der bei den Kanalisierungs arbeiten bei Metz beschäftigten deutschen Arbeitern er gänzend gemeldet wird, haben etwa 2000 Arbeiter, also nahezu zwei Drittel der gesamten deutschen Belegschaft, Frankreich verlassen. NWg Genf, 2. Sept. Die zehnte ordentliche Vollver sammlung des Völkerbundes ist heute vormittag 11 Uhr durch den persischen Botschafter in Angora, Ali Khan Foroughi, eröffnet worden. — Deutschland wird bis zur Ankunft Dr. Stresemanns durch Staatssekretär von Schubert vertreten. Die Tagesordnung. Genf, 2. Sept. Die Tagesordnung der heutigen Völkerbundsversammlung enthält außer der Eröffnungs ansprache durch den amtierenden Ratspräsidenten, den Perser Ali Khan Foroughi nur die Wahl der Kommis sion zur Prüfung der Vollmachten und die Wahl des diesjährigen Präsidenten der Vollversammlung. Der Ratspräsident wies in seiner Eröffnungsrede darauf hin, daß der Völkerbund sein zehnjähriges Jubi läum feiere und hob in längeren Ausführungen die Be deutung und bisherige Tätigkeit des Völkerbunds her vor. Dann zeichnete er in kurzen Zügen die Arbeit des Völkerbunds im vergangenen Jahr. Schließlich werde der Völkerbund in diesem Jahre zur feierlichen Grund steinlegung des neum Völkerbundspalastes schreiten, der ein Symbol für die Zusammenarbeit der Völker sein werde. In der Ansprache des Präsidenten ist allgemein der Hinweis auf die Haager Konferenz aufge fallen. Der Präsident betonte, daß die Verhandlungen zur Regelung gewisser Probleme, die aus dem Kriege herrührten, von allen Mitgliedern der Völkerbundsver sammlung mit glühender Hoffnung verfolgt worden wären. Das dort zustande gekommene Ab kommen werde auch den Arbeiten des Völkerbunds einen neuen Impuls verleihen. Zum Abrüstungsproblem hob er hervor, daß man jetzt mit neuer Energie in den interessierten Län dern an einem Abkommen arbeite, das eine Herabsetzung der Seerüstungen erlaube und daß dem Völkerbund neue Wirkungsmöglichkeiten eröffne. Zum Schluß betonte der Präsident unter allgemeiner Aufmerksamkeit, es sei zu hoffen, daß der Völkerbund sich in Zukunft durch den Beitritt neuer Staaten erweitern werde. Insbesondere bestehe die Hoffnung auf einen Beitritt Aegyptens zum Völkerbund. Vor der Kabmettssitzung über das Haager Ergebnis. Berlin, 2. Sept. Neichsaußenminister Dr. Strese mann wird Berlin voraussichtlich noch im Laufe des heutigen Tages wieder verlassen, um sich nach Gens zu begeben. Die Kabmettssitzung, in der das Ergebnis der Verhandlungen im Haag besprochen werden soll, wird voraussichtlich am Dienstag stattfinden. Dr. Stresemann wird somit an dieser Sitzung nicht teilnehmen können. Da jedoch die Minister Dr. Hilferding und Dr. Curtius, die mit Stresemann zusammen am Sonn tag in Berlin ankamen, in Berlin anwesend sind und sich zu diesem Zeitpunkt auch der Minister für die besetzten Gebiete, Dr. Wirth, in Berlin erntreffen dürste, wird durch die Abwesenheit Dr. Stresemanns die Besprechung des Haager Ergebnisses nicht verzögert werden, da die drei Minister über die einzelnen Vor gänge im Haag unterrichtet sind. Die Grundlagen für das englisch-amerikanische Flotten abkommen. London. 2. Septbr. Nach einer Neutermeldung aus Washington sind für die englisch-amerikanischen Bespre chungen über die Flottenfrage folgende Grundsätze maß gebend: 1. Verbindung eines Flottenabrüstungsabkom mens mit dem Kelloggpakt. 2. Gleichheit zwischen Groß britannien und Amerika in allen Gattungen von Kriegsschiffen. 3. Gradweise Verminderung der See rüstungen während einer bestimmten Reihe von Jahren durch Nichtersetzung von Kriegsschiffen, die während dieser Zeit die Altersgrenze erreichen. 4. Grundsätzliche Verlängerung des Dienstalters der Kriegsschiffe. 5. Festlegung einer Höchsttonnage für Zerstörer und Unter seeboote. 6. Unterscheidung zwischen großen Schlacht kreuzern und kleineren Polizeikreuzern für den Schutz des Handels. - Ein Städtchen in Flammen. Saalfeld, 2. Septbr. In dem Städtchen Teuschnitz bei Steinbach am Wald (Oberfranken) brach in der Nacht zum Montag ein verheerendes Eroßfeuer aus, das insgesamt 117 Gebäude, davon 60 Wohnhäuser, völlig einüscherte. Das Feuer fing an einer Scheune an. Die Ursache ist unbekannt. Drei Straßcnzllge sind vollstän dig vernichtet. Bereits im Mai 1911 wurde das ins gesamt 190 Wohnhäuser umfassende Städtchen mit sei nen rund 1800 Einwohnern von einem Brande heim- gesucht, der damals 73 Gebäude einäscherte. 310 Personen obdachlos. Nürnberg, 2. Set. Aus Teuchnist wird weiter ge meldet: Das Feuer brach am Montag kurz nach Mitter nacht im nordwestlichen Teil der Stadt in der Scheune des Landwirts Joseph Martin, aus noch unbekannter Ursache aus. Es breitete sich mit rasender Schnelligkeit aus und legte im ganzen 59 Wohnhäuser, 37 Scheunen und 15 Schuppen in Schutt und Asche. 72 Familien mit 310 Personen sind durch die Feuersbrunst obdachlos ge worden. Der Schaden beträgt schätzungsweise 1^ Mil lionen Mark. Die geschädigte Bevölkerung besteht in der Hauptsache aus Heimarbeitern, die gar nicht oder nur gering versichert waren. Sieben Feuerwehren der Umgebung und die Motorspritze von Kronach be kämpften die Nacht hindurch das Feuer, doch waren die Löscharbeiten durch Wassermangel sehr beeinträchtigt. Die Motorspritze mußte das Wasser aus einem etwa 600 Meter entfernten Weiher entnehmen. Tote oder Ver letzte sind bei der Katastrophe nicht zu beklagen. „Graf Zeppelin" wieder über dem Atlantik.