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Die Rheinlan-protokolle unterzeichnet. Haag. 30. August. Die politische Kommission, in der sechs einladende Mächte vertreten sind, ist heute vormittag um 10,30 Uhr zusammengetreten, um die Unterzeichnung und den Austausch der Akten über die Rheinlandräumung und die Vergleichskommission vor zunehmen. Briand und Henderson nehmen an der Sit zung der politischen Kommission teil, reisen dann aber mittags ab. Haag, 30. Aug. Die Protokolle und Abkommen über die Nheinlandräumung und die Vergleichskommis sion sind am heutigen Vormittag in der politischen Kom mission der Konferenz durch die Vertreter der beteilig ten sechs Mächte England, Frankreich, Belgien, Italien, Deutschland und Japan unterzeichnet worden. Die Sitzung war um 12,15 Uhr zu Ende. Die Dokumente. Haag, 30. Aug. Die Unterzeichnung der Abkom men über die Rheinlandräumung und die Vergleichs- kommission erfolgte durch die Vertreter der sechs ein ladenden Mächte: Dr. Stresemann. Briand, Henderson. Zaspar, Grandi und Adatschi. Folgende Schriftstücke wurden ausgetauscht: 1. Ein Protokoll der sechs Mächte über den Ab schluss der politischen Arbeiten der Konferenz. 2. Ein gemeinsames Abkommen der Locarnomächte (Deutschland, Frankreich, Belgien, Italien, Englands über die Regelung der Vergleichskommission im Rhein land. 3. Ein gemeinsam von Frankreich, England und Belgien verfaßter Brief an Deutschland über die Einzel ¬ heiten der Räumung mit drei Anhängen, die sich auf Einzelheiten der Durchführung der Räumung und die zu gewährende Amnestie beziehen. 4. Eine gleichlautende Antwort Deutschlands an Frankreich, Belgien und England, in der die Verein barung über die Rheinlandräumung bestätigt wird. Sämtliche Dokumente werden am heutigen Freitag abend veröffentlicht werden. Die feierliche Unterzeichnung. Die Unterzeichnung der Abkommen erfolgte in feierlicher Weise mit einem goldenen Füllfederhalter, der nach Unterzeichnung Jaspar, dem Präsidenten der Konferenz, als Geschenk der Konferenzteilnehmer über reicht wurde und in einer besonderen Eingravierung das Datum der Unterzeichnung trägt. Nach der Unter zeichnung drückten sich die sechs Führer der sechs Abord nungen unter allgemeinem Beifall die Hände. Abschlutzarbeiten im Haag. Haag, 30. Aug. Dr. Stresemann, stattete vor Beginn der Sitzung Briand noch einen Besuch ab, in dem, wie behauptet wird die Saarfrage erörtert werden sollte. Im Anschluß an die Sitzung der politi schen Kommission tritt um 11 Uhr die finanzielle Kom mission zusammen, um die gestrigen Vereinbarungen in den finanziellen Fragen zu punktieren und das ab schließende Protokoll auszuarbeiten. Die beiden Proto kolle, das der politischen und das der finanziellen Kom mission, werden am Sonnabend in der öffentlichen Voll versammlung der Konferenz öffentlich angenommen werden. Aus aller Well. * Mord aus Eifersucht. In Koblenz spielte sich am Donnerstagvormittag eine blutige Eifersuchtstragödie ab. Der Leiter des Telegraphendienstes bei der Rhein landkommission Balino wurde am Morgen am Kaffee tisch von seiner Frau erschossen. Die Ehegatten hatten eine scharfe Auseinandersetzung, in deren Verlauf die Frau ein Jagdgewehr ergriff und ihren Mann durch einen Schuß in den Kopf tötete. Frau Balino versuchte danach durch Durchschneiden der Pulsadern Selbstmord zu verüben, konnte jedoch noch rechtzeitig von ihren An gehörigen, die auf den Schuß herbeieilten, vor einer Verblutung gerettet werden. Sie wurde dem Militär lazarett zugeführt. Frau Balino, die am Freitag nach Paris zurllckreisen wollte, hat die Tat aus Eifersucht verübt. * Korkfabrik im Kreise Uelzen niedergebrannt. Am Mittwochnachmittag entstand auf dem Hansawerk in Westerweyhe, wo aus Teer getränkter Korkfußboden belag und Isolierstoffe hergestellt werden, ein Eroß- feuer, das vermutlich im Korkraum durch einen heiß gelaufenen Motor verursacht wurde. Da in der Fabrik einige Waggons Kork lagern, fanden die Flammen reiche Nahrung, so daß in kurzer Zeit die gesamten Fabrikgebäude bis auf die Mauern niederbrannten. Das Wohnhaus für Werkbeamte mußte wegen der gro ßen Gefahr zeitweilig geräumt werden. Der geschmol zene Teer floß bis zum Bahndamm und verbreitete starken Qualm und große Hitze auf eine weite Strecke und mußte durch Ueberschütten mit Sand bekämpft werden. Bei den Löscharbeiten wurden einige Personen verletzt. Die Belegschaft von über 70 Mann ist zum größten Teil arbeitslos geworden. Der Schaden, der auf eine halbe Million geschätzt wird, ist durch Versiche rung gedeckt. * Gewitterschäden im Harzgebiet. Aus Nordhau sen wird gemeldet: Der tropisch heiße Mittwoch brachte am Abend kurze, aber schwere Gewitter. Während am Südharz fast kein Regen fiel, wütete das Unwetter im östlichen Harz schwer. So hat ein Gewitter in Allrode in kurzer Zeit mit orkanartigem Sturm und schwerem Hagelschlag großen Schaden angerichtet. Fast in jedem Hause des Ortes wurden Fensterscheiben eingeschlagen. Erntefuhren auf den Feldern wurden glatt vom Wagen gerissen. Ueber dem Ort gingen auch mehrere kalte Blitzschläge nieder. * Gegen ein ViehtransporLauto gefahren. Am Mittwoch fuhr auf der Chaussee Halle—Ämmendorf der Motorradfahrer Kurt Bayer aus Mücheln mit großer Gewalt gegen ein Viehtransportauto. Der Führer des Autos riß den Wagen so scharf herum, daß er umfiel. Der Motorradfahrer blieb mit zerschmettertem Schädel tot liegen. Der Chauffeur erlitt an Armen und Beinen schwere Schnittwunden. Sein Begleiter und das Vieh blieben merkwürdigerweise unverletzt. * Das übersehene Hindernis. Auf der Landstraße nach Erfurt ereignete sich unweit Langensalza in der Nacht zum Donnerstag ein folgenschweres Unglück. Der Schmiedegeselle Paul Jung aus Oesterbehringen bei Eisennach und der Schmied Kurt Schmidt aus Erfurt fuhren auf einem Motorrad gegen einen auf der Land straße wegen eines Defektes liegengebliebenen Lastzug auf. den sie anscheinend trotz des vorschriftsmäßig vor handenen Schlußlichtes nicht bemerkt hatten. Der Mo torradfahrer wurde mit einem Schädelbruch tot und der Beifahrer schwerverletzt aufgefunden. * Durch einen Faustschlag in den Tod. Der Kraft fahrer W. Strube unternahm mit Bekannten eine Auto fahrt von Ballenstedt nach Suderode bei Aschersleben. Bei Verlobung einiger vergnügter Stunden in einem Cafe in Bad Suderode gab es mit dem Kellner einige kleine „Plänkeleien", in deren Verlauf dem Strube von dem Büfettier ein Faustschlag in die Herzgegend versetzt wurde. Auf der Rückfahrt mit dem Auto von Bad Sude rode mußte das Auto auf der Chaussee halten, da dem Strube unwohl geworden war. Kaum trat Strube aus dem Auto heraus, als er auch schon tot hinfiel. Bei näherer Untersuchung des Toten stellte sich heraus, daß der Faustschlag einen großen blauen Fleck in der Herz gegend zurllckgelassen hatte. Die Wucht des Schlages hatte den Tod zur Folge. * Millionennachlaß ohne Erben. Im Jahre 1885 hatte ein kleiner Friseurgehilfe aus Neradin, der sich recht und schlecht in der syrmischen Stadt Ruma fort brachte, eine Haarschneidemaschine erfunden. So sehr er sich bemühte, konnte er bei niemandem eine kleine Summe Geldes erhalten, um die Erfindung auswerten zu können. Im Gegenteil, alle Leute, an die sich der Friseurgehilfe wandte, lachten ihm ins Gesicht. Dä griff der Mann kurz entschlossen zum Wanderstab und gelangte nach man nigfachen Abenteuern nach London. In der fremden Stadt ohne Mittel umherirrend, traf er zufällig aus einen Amerikaner, der sich für die Erfindung interessierte und und sich als Millionär entpuppte. Er ließ die Erfindung , patentieren und nahm die Erzeugung der Haarschneide- Maschinen im Großen auf. Sie fanden reißenden Absatz, j und in kurzer Zell war der armselige Friseurgehilse aus dem kleinen syrmischen Dorfe ebenfalls Millionär ge worden. Als er im Jahre 1906 starb, hinterließ er ! ein Vermögen von rund 22 Millionen englischer Pfund, i was in Jugoslawien eine Milliarde Dinar ausmacht. Da er keine Nachkommen hinterließ, wandten sich die eng lischen Behörden nach Ruma, damit man dort die Erben ausfindig mache. Jahrelang zogen sich die Nachforschun gen hin, aber man fand niemanden, der erbberechtigt gewesen wäre. Aber ganz Syrmien spricht noch heute von nichts anderem als von den Milliarden des Friseurs, und jeder zweite Syrmier hat bereits irgendeine Ver wandtschaft mit dem verstorbenen Krösus herausgefunden. * Das Schicksal der Ppern-Glocke. Ein kanadischer Soldat, der während des Weltkrieges nach London auf Urlaub kam, bat seinen Zimmerwirt, ein schweres Paket für ihn aufzubewahren. „Wenn ich am Leben bleibe," sagte der Soldat, „will ich das Paket früher oder später abholcn." Der Kanadier ging an die Front und ließ nichts mehr von sich hören. Das geheimnisvolle Paket, das einen großen Umfang hatte, stand vierzehn Tage in einer Ecke, ohne daß der Zimmerwirt sich traute, es zu öffnen. Endlich entschloß sich der Wirt, zumal er die Nachricht von dem Tode des kanadischen Soldaten be stätigt erhielt, das Paket zu öffnen. Er fand darin eine kleine Vronzeglocke mit der Inschrift, daß sie von einem gewissen Pierre de Conink und seiner Frau im Jahre 1728 der kleinen Kapelle des heiligen Johannes von Ppern zum Geschenk gemacht worden ist. Die Bevölke rung von Ppern vermißte seitdem diese Glocke, die als heilige Reliquie galt und von der es hieß, daß sie von Deutschen weggenommen worden sei. Der Zimmerwirt des kanadischen Soldaten übergab die Glocke sofort der belgischen Gesandtschaft in London, die sie nach Ppern transportieren ließ, wo sie von der ganzen Bevölkerung mit größter Begeisterung empfangen worden ist. * Zweiunddreißiq Grabdenkmäler zertrümmert. In der Nacht zum Donnerstag wurde auf dem Friedhof des bei Sömmerda (Bezirk Erfurt) gelegenen kleinen Ortes Tunzenhausen eine Schandtat verübt. Ein Eisen bahnbeamter bemerkte morgens 6 Uhr eine schreckliche Verwüstung auf dem Friedhof. Zweiunddreißig Grab denkmäler wurden vollständig zertrümmert aufgefun den. Grabtafeln und Kreuze lagen zerschlagen umher. Die Platten waren kurz und klein geschlagen. Aus eimm Erbbegräbnis war eine Urne herausgenommen und zerstört. Nach dem Bekanntwerden bemächtigte sich der Einwohnerschaft eine begreifliche Erregung. Sie versammelte sich in Scharen auf dem Friedhof und ver wischte dabei natürlich die Spuren der unbekannt, ent kommenen Täter, so daß die Nachforschungen der Polizei erheblich erschwert wurden. Ein Sturmvogel. Roman von BerntLie. Einzig berechtigte Übersetzung aus dem Norwegischen von F. Gräfin zu Reventlow. 7) (Nachdruck verboten.) Kasper mußte lächeln, wenn er das Knabenzimmer mit all dem Luxus und all der Eleganz verglich, die ihn in den letzten Jahren umgeben hatten. Da stand sein Reise necessaire aufgeklappt am Boden, das feine Leder und all die blanken silbernen Geräte bildeten einen seltsamen Kon trast zu dem einfachen Toilettetisch mit seinem weiß leinenen Vorhang und den vier dünnen Beinen. Es sah so strenge aus hier. Das bloße Gefühl, daß alles so unverändert war, berührte ihn wie mahnende Worte aus alter Zeit. Ihm wurde dabei zumut wie einst als Knabe, wenn eine schlechte Zensur oder irgendein anderes schweres Vergehen sein Gewissen bedrückte. Dort hinten auf dem kleinen zweifächerigen Bücher bord standen noch einige von seinen alten Schulbüchern. Autenrieds deutsches Lesebuch war das einzige, das keinen Umschlag hatte, die anderen waren in graues Papier ein gebunden. Aber er konnte trotzdem jedes einzelne er kennen, wenn er nur den Rücken ansah. Es war ganz still im Hause. Frau Bugge war längst in ihrem Zimmer, das zu ebener Erde lag. „Mutter ist so strenge," dachte er. Er hatte das ja schon früher gewußt, sie war immer so gewesen, aber er hatte es inzwischen ganz vergessen. Und jetzt hatte es ihn so unerwartet, so überraschend hart getroffen. Nicht, daß sie Andreas Neerdrum für den Abend eingeladen hatte — obgleich es ihn im ersten Augenblick unangenehm berührte —, cs war ja schließlich ganz gut gewesen und hatte über die ersten schweren Stunden des Wiedersehens hinweggeholfcn. Aber ihr ganzes Wesen! — In dem Augenblick, in dem er nun mit einemmal wieder in dem lieben, heimischen, alten Wohn zimmer stand, war sein überströmendes Gefühl mit ihm durchgegangen und er war in seiner Seligkeit zwischen den Stühlen, dem Piano und dem alten Hausmädchen Olevine herumgefahren. Und da hatte seine Mutter Plötzlich in nicht gerade freundlichem Tone gerufen: „Aber Kasper, ich bitte dich. Was sollen Jensens von dem Spek takel denken?" Mit leiser Bitterkeit antwortete er: „Sie werden sich denken, daß ich froh bin, wieder zu Hause und bei dir zu sein, Mutter." Als Andreas gegangen war, blieben sie nicht lange mehr sitzen. Frau Bugge pflegte sich zeitig schlafen zu legen. Und nun blickte er wieder hinaus in die stille Sommernacht. Er hätte beinahe Lust gehabt, sei« Reisenecessaire wieder zusammenzupacken, es in die Hand zu nehmen, sich die Treppe hinabzuschleichen — und dann hinaus —- durch die schlafende Stadt, über die Hügel und bis ans Meer. Frau Bugge setzte sich neben das Bett und sah ihn an. Nur wieder fort von hier, zurück dorthin, wo er hergekom men war. Hier war alles so strenge, so klein und eng. Die Sehnsucht wogte in ihm wie die Wellen gegen den Strand, sie traf auf lauter Steine und flutete wieder zu rück. Hinaus auf das Meer, das ruhelos wandernde Meer! Kasper Bugge lächelte vor sich hin. Wie bin ich immer noch kindisch! Dann schlug er das Fenster zu, kleidete sich aus und ging zu Bett. Er dachte an seine Mutter. Jeder Stuhl im Zimmer, jede Falte im Bettuch sprach von ihrer Liebe und ihrer Fürsorge. So schlief er ein Es war zwischen Nacht und Morgen. Das Liew draußen wurde immer Heller und kühler. Da ging du Tür zu Kasper Bugges Zimmer leise auf und seine Mutter schlich sich über die Schwelle. Sie hatte nur einen Schal über ihr Nachtgewand geworfen. Frau Bugge setzte sich auf den Stuhl neben dem Bett, beugte sich zu ihm nieder und sah ihn an, während sie die Hände unter ihrem Schal gefaltet hielt. Sie lächelte. Eine Weile später klang vielstimmiger Vogelgesang draußen vor dem Fenster und die leuchtende Morgensonne drang herein. Frau Bugge saß immer noch da, ganz M, über das Bett gebeugt und lächelte. Die Vögel waren wieder verstummt. In vollem festlichen Glanz schien jetzt die Sonne herein. Und nun raßfette et« Milchwagen draußen den Weg entlang. Fra« Bugge wurde plötzlich wieder ernst. Sie stand auf, hüllte sich fest in ihren Schal und ging leise aus dem Zimmer. I« den Tagen, die nun kamen, lag förmlich etwas Festliches über der Stadt. Es war, als ob das Sommer wetter noch einmal so HÄl leuchtete — denn Kasper Bugge war wieder nach Hause gekommen. Und das ist ein großer Zug bei den Kleinstädtern — wäre er an Leib und Seele schiffbrüchig heimgekehrt, so hätte man ihn mit Vergebung und Barmherzigkeit, ja, trotz aller Klatschsucht mit Diskretion ausgenommen. Es kommt ja im Laufe der Jahre fo manches Wrack in den heimatlichen Hafen zurück, um hier zu stranden. Aber als er nun mit Fest und Freude angesegelt kam, waren sie unsagbar stolz auf ihn. Alle miteinander. Die alten Herren der Stadt saßen wie immer vor mittags um den runden Tisch im Zeitungsklub — und vergaßen ganz, ihre Blätter zu lesen. Konsul Weidemann hatte Kasper Bugge auf der Straße getroffen und französisch mit ihm gesprochen. Wirklich tadelloses Französisch hatte der Bursche geschwätzt — es war einfach ein Vergnügen gewesen. „Ja, ein recht tüchtiger Bursche ist er geworden, der Kasper." „Und was für eine Freude für seine Mutter, ihn wieder zu Hause zu haben." „Und wie er Karriere gemacht hat," sagte Weidemann. „Ja und noch dazu bei der Konkurrenz," meinte der Lootsenälteste. „Denken Sie nur, wie das zu meiner Zeii war." tForlsetzung solgt.t