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Neueste Nachrichten. Die Untersuchung der Bluttat im Berlin—Breslauer Perfonenzuq. Breslau, 14. Aug. Die Vernehmung der im Zu sammenhang mit der Bluttat im Berlin—Breslauer Zug in Frankfurt a. d. O. verhafteten Mei Reichsban nerangehörigen hat ergeben, das; es sich wohl um Hel fer, aber nicht um die eigentlichen Täter handelt. In Breslau wurde der 21jährige Reichsbannerangehörige Otto Jaschek als der eigentliche Täter verhaftet und am Dienstagabend dem Polizeiprä sidium vorgeführt. Jaschek war mit dem in einem Ab teil zweiter Klasse fahrenden Fleischer Rademacher in Streit geraten, hatte einen Dolch hervorgezogen und Rademacher einen Stich in den Oberarm beigebracht, an dem Rademacher verblutete. Jaschek hat bei seiner ersten Vernehmung zwar die Schuld auf sich genommen, indes jede Mordabsicht in Abrede gestellt. Poli tische Beweggründe sollen bei der Tat nicht mitgespielt haben. Der Dolch ist von einem Land jäger am Eisenbahndamm bei Jakobsdorf vor Frank furt gefunden worden. Die Aufstände in Venezuela. London, 14. Aug. Die venezolanischen Aufständi schen beschlagnahmten vor einiger Zeit den alten deut schen Dampfer „Falke", mit dem sie auf dem Fluß Man zanares in die Stadt Cumana hineinfuhren, die an der Mündung des Flusses liegt. Während des Kampfes um die Stadt wurde der Führer der Regierungstruppen General Fernandez getötet. Auch die Führer der Auf ständischen wurden niit Ausnahme des früheren Innen ministers General Linares getötet bezw. gefangenge nommen. In einer amtlichen venezolanischen Erklärung wird mitgeteilt, dass der frühere deutsche Dampfer „Falke" keinerlei Schiffspapaiere habe und keinem Lande zugehöre. Da er bewaffnet und ohne legitime Flagge fahre, muh er als Piretenschiff betrachtet wer den. Aus Port of Spain (Trinidad) wird aus angeb lich zuverlässiger Quelle berichtet, daß sich die Aufstän dischen unter einem neuen Führer zusammengeschlossen haben. Sie sollen stark genug bewaffnet sein, um die venezolanische Regierung anzugreifen. Schweres Flugzeugunglück. Tokio. 14. Aug. Ein vom Flugplatz Kaüma gaura am Mittwoch früh zu einer Uebung aufgestiege nes neues Bombenflugzeug des in Tokio stationierten Vombenflugzeuageschwaders stürzte mit sechs stabsoffizieren in der Nähe des Flugplatzes ab. Vier Offiziere und der Flugzeugführer wurden astötrt, zwei Offiziere schwer verletzt. Die Ursache des Absturzes stekt noch nicht fest. Der Finanzausschuß auf Sonnabend vertagt. Haag, 14. August. Der Finanzausschuß hat am Mittwoch vormittag nach längerer Aussprache zunächst seine weiteren Arbeiten auf den Sonnabend vertagt. Die Vertagung sei, so wird amtlich mitgeteilt, lediglich erfolgt, um in der Oeffentlichkeit nicht falsche Eindrücke entstehen zu lassen und in der Zwischenzeit unverbindliche Ausschußverhandiungen stattsinden zu lassen. Am Sonn abend sollen die offiziell vorgesehenen Unterausschüsse eingesetzt werden. Paris stellt Entspannung im Haag fest. Paris. 14. August. In den Stellungnahmen der Morgenblätter zu den Haager Beratungen wird der Verlauf des gestrigen Dienstag weniger pessimistisch als in den letzten Tagen beurteilt. Man bezweifelt nicht, wie z. B. der „Figaro" schreibt, im Rahmen des Poung- planes und ohne seinen Bestand zu gefährden, Maßnah men zu finden, die es ermöglichen, gewissen englischen Forderungen, die nicht vollkommen unvernünftig seien, zu entsprechen. Der „Petit Parisien" stellt eine völlige Entspannung im Haag fest. Auch der Haager Vertreter des „Matin" ist der Ansicht, daß der gestrige Dienstag, obwohl keine offizielle Sitzung stattfand, als bedeu tungsvoll angesehen werden könne. Sowohl vom finan ziellen wie vom politischen Standpunkte aus Hütten sich die Verhältnisse entspannt und klarer gestaltet. In der Umgebung Briands habe man sich am Dienstagabend, wie das „Journal" zu melden weiß, recht befriedigt ge zeigt. Zurückhaltender habe sich Loucheur geäußert, der erklärte, man dürfe weder Optimist noch Pessimist sein. Die von Deutschland betriebene politische Angelegen heit mache viel schnellere Fortschritte als die finanzielle. Russisch - chinesische Zusammenstöße. London, 13. August. Nach zuverlässigen privaten Informationen des Sonderkorrespondenten der „Daily Mail" in Charbin kehren die chinesischen Delegierten von Mandschurin nach Charbin zurück, da die Versuche zu Verhandlungen mit den Nüssen über die Beschlag nahme der chinesischen Ostbahn durch die Chinesen fehl- geschlagen sind. Der neue russische Oberbefehlshaber. London, 14. Aug. Wie die „Times" aus Schang hai berichtet, ist man dort überzeugt, daß General Blücher, der neuernannte Oberbefehlshaber aller russischen Streitkräfte im Fernen Osten, mit Gene ral Ealenz, dem Hauptberater der chinesischen Na tionalarmeen in den Jahren 1926 und Anfang 1927, identisch ist. Galenz war seinerzeit der wirkliche Leiter des erfolgreichen Marsches auf Hankau. Bei Abbruch der Beziehungen der Nationalisten zu Moskau im Jahre 1927 kehrte General Galenz nach Moskau zurück und er hielt später das Kommando des Militärbezirks in der Ukraine. Galenz gilt allgemein als ein ungewöhnlich fähiger Militär und seiner Ernennung zum Oberbe fehlshaber der russischen Streitkräfte im Fernen Osten wird erhebliche Bedeutung beigemejsen, da er die chine sischen Armeen sehr genau kennt und zahlreiche Ver bünde selbst ausgebildet hat. Aus Eharbin werden weitere Sabotageakte gemel- tet: Ein Güterzug wurde zerstört und in einem Weizen- schuppcn Feuer angelegt. An der Grenze soll es zwi schen chinesischen und russischen Beamten zu Zusammen stößen gekommen sein, in deren Verlauf zwei Chinesen getötet wurden. Die „Times" berichtet, daß die wenig entgegen kommende Haltung Chinas Sowjetrußland gegenüber in erster Linie auf die Regierung in Nanking zurück zuführen war. die sich in die erfolgversprechenden Ver handlungen zwischen Mukden und Moskau einmischte. Die russische Staatsbank in China befindet sich gegen wärtig in vollkommener Liquidation und baut alle ihre Zweigniederlassungen ab. Zwischenfälle an der sibirisch mandschurischen Grenze. Paris, 14. August. Wie der „Petit Parisien" aus Schanghai meldet, veröffentlicht die chinesische Regie rung Mitteilungen über eine Reihe von Zwischen fällen an der sibirisch-mandschurischen Grenze. die sich in den letzten Tagen ereigneten und für die von der chinesischen Regierung den Russen die Schuld in die Schuhe geschoben wird. Am Sonntaq er öffneten russische Truppen in der Nähe von Suifoni das Feuer mit Maschinengewehren und Feldgeschützen. Zwei Chinesen wurden dabei getötet und mehrere verletzt. Am Montag sei es zu neuen Schießereien gekommen, wobei auf beiden Seiten Verwundete festgestellt wur den. Die Grenze wurde nicht überschritten. Der chine sische Bevollmächtigte ist immer noch in Mandschuria und verhandelt gelegentlich mit dem Sowjetkonsul, der ihm gegenüber auf der anderen Seite der Eisenbahn- brllcke wohnt. Aus aller Well. * Pelzdiebstahl am Hellen Tage. In der Tauent- zienstraße im Berliner Westen wurde am Dienstag ein ungewöhnlich dreister Einbruch verübt, bei dem die Ver brecher für 50 000 Mark Beute machten. Die Diebe drangen zur Mittagszeit, als die Hausangestellte auf dem Wochenmarkt war, in die in der Privatwohnung eines Pelzhändlers gelegenen Geschäftsräume ein, pack ten vier Koffer voll Pelze und Felle und verließen da mit die Wohnung. * Selbstmord eines Berliner Rechtsanwalts. Aus Herford wird gemeldet: Einem aufsehenerregenden Selbstmord kam die Polizei am Dienstag früh auf die Spur. Erschossen im Bett aufgesunden wurde der etwa 40jährige Rechtsanwalt und Notar Ganz. Wie der Arzt feststellte, hat der Selbstmörder schon am Sonntagabend Hand an sich gelegt. Was Ganz, der kurz vor der Hoch zeit stand, in den Tod getrieben hat, ist völlig unbe kannt. * Alte Schiffe als Staudamm vor Helgoland. Ein Vorgang in Amerika, wonach unbrauchbar gewordene Holz- oder Eisenschiffe, die für Kriegszwecke gebaut waren, bei Philadelphia zur Errichtung eines Stau damms verwendet wurden, gibt dem Helgoländischen Heimatbund Veranlassung, einen entsprechenden Vor schlag für Helgoland zu machen. Der Helgoländische Heimatbund erklärt, daß man auch, was Helgoland be treffe, den Versuch machen könne, alle unbrauchbar ge wordenen Schiffe billig zu kaufen und mit Steinen ge füllt nordwestwärts der Dünen zu versenken, so daß sie als Wellenbrecher wirken würden. Wenn solche Wel lenbrecher auch nicht für Jahrhunderte helfen würden, so würden sie doch vorläufig aus Jahrzehnte die Erund- seen von der Düne abhalten. Der Heimatbund glaubt, daß damit derselbe Erfolg erzielt würde, den ein Stau damm bringe. Nur würden die Kosten bei dieser be helfsmäßigen Anlage wesentlich geringer sein. Der Hel goländer Heimatbund wünscht, daß die preußische Re gierung diesen Plan ernstlich in Erwägung ziehe und schützt die Kosten des von der preußischen Regierung in Aussicht genommenen Stauwerkes ganz unverhältnis müßig höher als die Versenkung der Schiffe. * Eine Kirchenräuberbande in Italien unschädlich gemacht. In Rom wurde kürzlich eine Diebesbande fest genommen, die eine Reihe von Kirchendiebstählen in Viterbo, Perugio und Rom ausgeführt hatte. Aus den verschiedensten Kirchen dieser Städte wurden wertvolle Geräte und Messegewünder gestohlen. Das letzte Mit glied der Bande wurde am Montag beim Plündern eines Opferstockes in der Kapuzinerkirche von Rom fest genommen. Auch ein Hehler befindet sich hinter Schloß und Riegel. Die gestohlenen Messegewänder hatten einen Wert von mehreren 10 000 Lire. Bei einem An tiquar wurden auch schwer vergoldete Kandelaber ent deckt, die aus der Kirche San Ägnese in Nom gestohlen worden waren. "Streiken de st ürmendasRathausin N e u - O r l e an s. In Neu-Orleans drangen tausend Streikende in das Rathaus ein. Erst nach heftigem Handgemenge gelang es der Polizei, die Räumung des Rathauses zu erzwingen. — Wie hierzu ergänzend ge meldet wird, verlangte zunächst eine Abordnung den Bürgermeister und andere höhere Beamte zu sprechen. Als dies abgelehnt wurde, überrannten die Streikenden die Wachmannschaften, die sich ihnen in den Weg stell ten, und drangen in das Gebäude ein. Ein Polizei offizier wurde dabei zu Boden gerissen. In dem folgen den Durcheinander entlud sich sein Revolver und ver letzte einen Streikenden schwer. Erst nachdem bedeu tende Polizeiverstürkungen eingetrosfen waren, gelang es, das Rathaus zu räumen. Bei dem Handgemenge sind mehrere Beamte und Streikende verletzt worden. Schweres Blut. Roman von Emmi Lewald. 29) (Nachdruck verboten.) „Vor solchen Mutmaßungen schützt mich mein Glaube ün sie," sagte er. „Vielleicht unberechtigt — und doch un abweisbar habe ich ihn. Sagt sie Ja, tut sie es vielleicht mehr um das Kind als um mich — aber ich bin in meiner heutigen Zweiselsstimmung gar nicht imstande, um ihre Gründe zu rechten. Ich hoffe nur das eine, daß sie es tut." „Sonderbarer Mann!" „Ich sah sie vor ein paar Tagen ganz plötzlich in Han nover auf einem Basar. Sie stand hinter einem Tisch und verkaufte Wollsachen für arme Kinder. Ihre Tante hatte sie dahin dirigiert. Zwischen all den blassen Stadt kümmerlingen stand sie groß und blond und breitschultrig, mit jenem unwillig-herben Ausdruck in den Zügen, den sie nur ablegt, wenn sie mit dem Kinde spricht. Sie war kühl und unpersönlich und fragte nicht einmal nach meiner Reise — in allem das Gegenteil jener Frauen, wie ich sie sonst gewohnt bin. Ihre Helle Haut sah in dem Oberlicht wie etwas aus, wofür ich den Vergleich nie finde. So sehr germanisch — irgendwie. Ich sah sie gleich beim Ein treten, arbeitete mich langsam an ihren Tisch heran. Und mir fiel, wie ich sie nach so langen Monaten wiedersah, der Vergleich ein, den Sie damals machten, daß sie doch eigentlich sei wie ein Blatt aus der Geschichte des Tacitus; und es fiel mir auch ein, daß ich auf meiner Reife mehr ihrer gedacht hatte, als mir eigentlich lieb war. Und ich wußte, daß nie eine andere Frau für mich in Frage kommen könnte als diese — und müßte ich lange Jahre um sie dienen, wie Jakob um Rahel. . ." „Und Sie haben ihr geschrieben, daß Sie sie liebten?" „Nein," sagte er zögernd, „und selbst, wenn sie Ja sagen sollte auf meine Frage, würde ich ihr diesen Um stand vielleicht immer verschweigen. Ich halte es auch gar nicht für nötig, derlei von sich auszusagen. Es ge nügt, daß man es selber weiß und fühlt." * * * „Merkwürdiger Mann," lächelte der Kustos, „gerade umgekehrt wie wir anderen. Und daran denken Sie gar nicht, was für eine glänzende Partie diese verschuldete Dame mit Ihnen machen würde?" „Nein. Ich wäre ja doch der Gewinner." „Gott im Himmel!" ries der Freund aus und griff sich an die Schläfen. „Ich gönne es ihr gar nicht." „Gönnen Sie es mir!" sagte Hartking. „Wenn ich sie beschützen kann, hat mein Leben Sinn. Und daß ich das in keiner anderen Form vermag als in dieser rechtmäßigen und legitimen, dafür sorgen ja die Menschen, die jede andere Form der Beziehung zwischen ihr und mir glossieren und verdächtigen würden — und nun Schluß . . . nun reite ich wieder Stunden tot . . . und am liebsten ritte ich die ganze Nacht bis morgen um zwölf; denn ich weiß nicht, wie ich in leerem Hause diese Wartestunden hinunterleben soll . . ." Und er ritt zurück durch das Dunkel, landeinwärts von der Weser, über Felder, auf denen Kartoffelfeuer glühten und die Rauchfahne im Mondlicht stieg, an Laub wäldern entlang, die stark und streng nach Pilzen und Buchnüssen rochen, durch kleine Dörfer mit rötlich Hellen Fenstern, Hundegebell und blassen Kirchhofskreuzen vor efeuumgrünten Backsteinkirchen — bis sein Husschlag lang samer ging und sein eigenes Dorf kam, mondbegossen, mit dem Eichenhain an der Bergseite und dem schönen Umriß des dunklen Schlosses im Wasser. Und er sah ein spätes Licht im Schloß da an ihren Fenstern. Und sein Mut sank und ihm graute vor dem kommenden Tag. * * * Das Kind saß auf der Bank neben der Schloßtreppe ünd sonnte sich — auf der alten Steinbank unter dem Wil- den Wein, wo Gerda es zuerst gesehen hatte — damals, als sie heimkam, widerstrebend und feindselig gegen den neuen Zustand. Es hielt die Händchen zusammengeballk und träumte in den Himmel hinauf. Das Leben war wieder gut — es war geborgen unter der warmen, liebevollen Frauenband. Es spähte zum Kirchturm, zu der alten Uhr, an der der Zeiger so ruck- weis ging, hörte die Tauben gurren und die alten Karpfen im Schloßgraben nach Lust schnappen. Nun rückte der Uhrzeiger auf fünf Minuten vor zwölf — nun entschied sich sein Schicksal — ob die ein« starke, liebevolle Hand loSließ oder ihn für immer an sich zog. .. Mit schnellen Schritten trat Gerda aus der Schloß« Pforte. „Komm!" sagte sie und griff mit ihrer keife zitternden Rechten nach seiner Hand. Sie wanderten durch die Sonne in den Neffen- bergschen Wald hinein. Wie sie zwischen de« entblätterten Rotbuchenstämmen auf den Feldweg bogen, begann di« Dorfuhr die zwölfte Stunde zu schlagen. Am Quell stand der „Bauer" Hartking und rührtt sich nicht. Nur seine Augen wanderten ihr entgegen, ernst und beherrscht. Gerda war barhaupt wie immer und die beiden blonden Häupter schimmerten im Herbstlicht. Sie sahen sich lange an. Der Mann sprach kein Wort. Sie hatte es sich wohl überlegt, was sie sagen wollte. „Ich habe zwei Tage und zwei Nächte nicht gewollt, und am dritten Tage habe ich begriffen, daß ich keinen besseren Freund habe als Sie und keinen besseren Weg gehen kann als den Weg zu Ihnen." Aber sie sagte es nicht. Es kam ihr zu unzulänglich und nebensächlich vor und so schwieg auch sie . . . Hartking hielt etwas in der Hand. Er nahm langsam ihren Arm und strich leise ihren Ärmel zurück. Dann legte er den goldenen Reif vom Weihgeschenk um ihr Handgelenk und lächelte ein wenig. Und da sie ihn noch niemals lächeln gesehen hatte, sah sie erstaunt zu ihm auf. - „Gerda," sagte er, „Frühlingsanfang . . .' Sie nahm das Kind auf den Arm. Schweigend gingen sie durch die Sonne hinüber in sein Haus. Ende.