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Neueste Nachrichten. Ein Polizeidiener als Massenbrandstifter. Donaueschingen, 3. Juli. Der 43 Jahre alte Land wirt Johann Fritschi von Mlmendshosen war bei den zahlreichen Bränden, von denen die Baar in den Jahren 1924--28 heimgesucht worden war, immer als erste Hilfs kraft am Brandplatze und setzte seine ganze Kraft bei den Löscharbeiten ein. Der Brandstiftung überführt, erklärte er, daß er als Polizeidiener die amtlichen Stellen auf seine Tüchtigkeit habe lenken wollen. Im ganzen wurden ihm 20 Brandstiftungen zur Last gelegt. Acht Brandstif tungen hat er eingestanden. Das Schwurgericht Konstanz verurteilte ihn zu sieben Jahren Zuchthaus, während der Staatsanwalt zehn Jahre beantragt hatte. Ulitz wieder hergestellt. — Ansetzung eines neuen Pro- zesjtermins. Kattowitz, 3. Juli. Nachdem der Geschäftsführer des Deutschen Volksbundes Ulitz die Blinddarmoperation glücklich überstanden hat, hat er die Klinik verlassen. Er ist wieder auf dem Wege der Besserung. Der Prozeß wurde daher erneut aus den 23. Juli angesetzt. Den Vorsitz im Prozeß wird Direktor Pahrling führen, wäh rend die Anklage Staatsanwalt Malkowski vertreten wird. Die Verteidigung hat erneut der sozialistische Sejmabge- ordnete Rechtsanwalt Dr. Liebermann-Warschau neben Rechtsanwalt Dr. Bay übernommen. Der Staatsanwalt hat sechs Zeugen und drei Sachverständige laden lassen, während vom Angeklagten die Vorladung von vier Zeu gen beantragt worden ist. Grotzfcuer im Pariser Varackenviertel. Paris, 3. Juli. In den Abendstunden des Diens tags brach an der Porte Montreuil in dem Baracken viertel Großfeuer aus, das sämtliche Baracken und einen 2000 Quadratmeter großen Bauplatz zerstörte. Die Feuer wehr mußte sich aus den Schutz der in der Nähe liegen den Geschäftshäuser beschränken. Die neue Minderheitsregierung in Japan. London, 3. Juli. Das japanische Kabinett Hama- guschi, das heute vom Kaiser im Amt bestätigt wird, verfügt im Parlament nur über 218 von 466 Mitgliedern, doch rechnet man damit, daß das Kabinett, das zunächst eine Minderheilsregierung ist, durch Uebertritt von Mit gliedern der bisherigen Opposition auf die Regierungs seite eine ausreichende parlamentarische Verstärkung er hält. Die großen Erdbebenverwiistungen in Neuseeland. London, 3. Juli. Durch ein Flugzeug der neusee ländischen Regierung wurden am Dienstag die ersten ge naueren Nachforschungen nach dem Umfang der Erd bebenschäden im Gebiet von Karamea sauf der Südinsel Neuseelands) angestellt. Es wurden meilenweite Land striche sestgestellt, in denen ziemlich alles zerstört ist. Die verbliebenen Bewohner sind von allen Verbindungen abgeschnitten. Sie müssen in Kürze gerettet werden, da bereits starker Nahrungsmiltelmangel herrscht. Aus aller Well. * Schwere Verkehrsunfälle in Berlin. Am Diens tag nachmittag ereignete sich in Berlin vor dem Hause Reinickendorfer Straße 9 ein schwerer Verkehrsunfall. Ein Lastauto wollte einem Radfahrer ausweichen und sah sich hierbei plötzlich einem Straßenbahnwagen gegen über. Der Führer verlor die Sicht, riß den Wagen her um und geriet dabei auf den Bürgersteig. Dort riß der Wagen die Säule der Haltestelle der Straßenbahn um und fuhr in die wartende Menschenmenge hinein. Dabei wurden vier Personen schwer, und drei leicht ver letzt. Einem^Schwerverletzten mußten sofort beide Beine amputiert werden. Andere Verletzte hatten Unter- schenkelbrllche, Schädelbrüche und starke Hautabschür fungen davongetragen. * Die Schwester Dr. Richters irrsinnig geworden. Der Ausgang des Eiftmordprozesses Dr. Richter in Vonn hat die Brüder des in Glees beheimateten Ange klagten, kleine Landwirte, schwer geschädigt. Sie mußten bei den Verteidigern des zum Tode Verurteilten 12 000 Mark hinterlegen. Als das Todesurteil im Heimatort bekannt wurde, bekam die Schwester des Angeklagten, wie erst jetzt bekannt wird, Schreikrämpfe. Im Laufe der letzten Woche wurde die Schwester irrsinnig und mußte in eine Heil- und Pflegeanstalt gebracht werden. * Wechselkreditschwindler Helou verhaftet. — Eine Million erschwindelt. Dienstag abend wurde einer Meldung der „Vossischen Zeitung" zufolge, auf der Joachimsthaler^Straße der Aegypter Ali Ben Helou ver haftet, der von den internationalen Kriminalbehörden aller Länder seit langem gesucht wird. Der Aegypter hat es in den letzten Wochen auch in Berlin verstanden, ganz große Schwindeleien zu verüben, durch die Ber liner Kaufleute um rund eine Million Mark geschädigt worden sind. Ali Ben Helou hat seine Schwindeleien auf eine Art verübt, die in Berlin in den letzten Jahren noch nicht dagewesen ist. Er hat Wechsel in Zahlung ge geben, die deshalb anstandslos für gelieferte Waren angenommen wurden, weil das Bankhaus den Akzep tanten, mitteilte, daß der Aegypter ein so großes Gut haben in amerikanischen Dollars unterhalte, daß die Wechsel anstandslos eingelöst werden würden. Als die Wechsel am Verfalltage aber trotzdem zu Protest gingen, wurde Anzeige erstattet und die Polizei erkannte nach der Personalbeschreibung, daß es sich bei dem Betrüger um einen langgesuchten internationalen Verbrecher handelte. Wie die Bank dazu kam, die Wechsel des Schwindlers als gut zu bezeichnen, ist noch Gegenstand der polizeilichen Untersuchung. * Besuch Venizelos in Deutschland? Die „DAZ." meldet aus Athen: Ministerpräsident Venizelos wird anläßlich seiner Europareise auch nach Deutschland kommen und Berlin besuchen. Der deutsche Gesandte von Kardosf hat um nähere Angaben über die beab sichtigte Reiseroute gebeten, damit Vorbereitungen für den Empfang getroffen werden könnten. * Autounfall in Belgien. Ein Kraftwagen mit drei Personen fuhr bei Löwen gegen einen Baum, wobei der Führer getötet und zwei Frauen sehr schwer verletzt wurden. Der Getötete ist einer der Sieger des Auto ¬ mobilrennens Lüttich—Madrid—Lüttich, das am letzten Sonntag ausgetragen wurde. * Schweres Unwetter in Bosnien. — Mehrere Personen getötet. Wie aus Serajewo gemeldet wird, richtete in der Gegend von Zanica ein heftiges Unwetter großen Schaden an. Ein großer Teil der Ernte wurde vernichtet. Die Vosna trat in wenigen Minuten aus den Ufern und riß 11 Personen fort, von denen zwei als Leichen geborgen wurden. Man befürchtet, daß auch die anderen umgekommen sind. In Podgorica wurden zwei Personen vom Blitz erschlagen und neun schwer verletzt. * Schulzeugnisse in polnischer Sprache an den deut schen Minderheitenschulen. Für das mit Beginn der Sommerferien schließende Schuljahr haben die meisten Kinder der Minderheitenschulen Schulzeugnisse in pol nischer Sprache erhalten, obwohl nach einer besonderen Entscheidung des Präsidenten des gemischten Ausschusses. Calonder, die Schulzeugnisse an Minderheitenschulen in polnischer und deutscher Sprache auszufertigen sind. Trotzdem diese Entscheidung vor zwei Jahren gefällt worden ist, haben die polnischen Schulbehörden noch immer nicht entsprechende Zweisprachige Vordrucke für die Schulzeugnisse an den Minderheitenschulen Herstellen lassen. * Mißglückter Bombenanschlag. Aus Kattowitz wird gemeldet: Im Vorgarten eines Hofes in Jano wurde eine Bombe mit etwa 100 Gramm Sprengstoff gefunden, deren Zündschnur abgebrannt war. Glück licherweise war die Bombe infolge eines Konstruktions fehlers nicht explodiert. Ob der Anschlag aus poli tischen Motiven entsprungen war, konnte bisher nicht ermittelt werden. * Tqphusepidemie in Schwientochlowitz. In Schwientochlowitz ist eine Typhusepidemie ausgebrochen Bisher wurden 23 Krankheitsfälle festgestellt, von denen zwei tätlich verliefen. * Unfälle durch explodierende Geschosse. In einem Dorf in Wolhynien fanden Bauern während der Ar beit ein offenbar noch aus dem Kriege dort verbliebenes Artilleriegeschoß. Als einer von ihnen versuchte den Zünder herauszudrehen, explodierte das Geschoß und lötete vier Mann. Vier andere trugen schwere Ver letzungen davon. —Während einer Artillerieübung auf dem großen Schießplatz bei Krakau, wurde plötzlich völlig unerwarteterweise statt eines Uebungsgeschosses eine richtige Granate abgefeuert. Dieselbe krepierte. Die „Gruga" in Essen. Seit Sonnabend sind die Pforten der Großen Ruhr ländischen Gartenbau-Ausstellung, die gemeinsam von dem Deutschen Gartenbauverein und der Stadt Essen veran staltet wurde, geöffnet. Die Ausstellung gibt ein impo santes Bild von dem heutigen Stande des deutschen Gartenbaues. Bemerkenswert ist, daß die Ausstellung auch für die Zukunft als Volkspark erhalten bleiben soll. Unser Bild zeigt ein Warmwasserbecken für erotische Wasserblumen (Victoria Regia usw.). Schweres Blut. Roman von Emmi Lewald. 11) (Nachdruck verboten.) Albrecht trat neben Gerda. „Wenn das losgeht, das kann drei Tage dauern. Arme Gerda! Du hast solche Opfermiene, als solltest du an einem Altar der Demeter geschlachtet werden. Ich glaube, es ist dir zu viel Philo logie, zuviel Kunstgeschichte; wir sind ja au konck so schön ungebildet, wir zwei — oder vielleicht ist dir auch nur zu viel Hartking heut abend." Sie sah ihn an. „Es ist mir vielleicht auch zuviel Albrecht!" sagte sie. Draußen fuhr Hiddensens Wagen vor. Er sollte den Für sten auf sein entlegenes Waldgut zurückfahren. Es war höchste Zeit. Der Fürst dankte Hartking und dem Kustos, an den er noch eine Menge Fragen auf dem Herzen hatte. Da er auch Albrecht ins Gespräch zog, konnte Gerda es nicht hindern, daß Hartking ihr in den Pelz half. „Ich möchte Sie gern morgen irgendwo sprechen," sagte er, Zn einer Angelegenheit, die Sie betrifft, wie die damalige. Vielleicht sagen Sie mir Platz und Stunde." Er sprach unlustig und sachlich und sah sie nicht an. Gerda erschrak. „Was ist nun wieder?" sagte sie, „bitte nicht im Schloß, vielleicht im Wald ani Hünenstein oder sicherer noch um zwölf Uhr an Ihrem Quell." Hiddensen, wie in den Tagen seiner Adjutanten pflichten, stieg zu dem Fürsten in den Wagen. Albrecht konnte sich nicht genugtun in Dankesworten für Hartking, der schweigsam und fast ein wenig ableh nend alle Emphase entgegennahm. „Nun hat Hoheit mal wirklich einen genußreichen Abend gehabt dank Ihrer Gastfreundschaft. Es ist eine ordentliche Wohltat, solch beklagenswertem hohen Herrn auch mal eine nette Stunde zu bereiten." Albrecht und Gerda gingen. Das Helle Licht aus der weit offenen Pforte schnitt scharf in die Finsternis. Hart king ging bis zu den Ulmen mit, die das weiße Tor flan kierten. Das Paar tauchte in die Nacht. „Gerda — ich bin d,r ja so dankbar!" „Und was habt Ihr erreicht, du und Hiddensen? Den Gobelin verschachert? „Er gibt Hiddensen eine große Anleihe," sagte Albrecht zögernd — „Gott, Gerda, laß uns nicht reden von diesem Quark. Der lahme Wilhelm hat noch eine Flasche kalt gestellt. Darf ich sie mit dir trinken an deinem Kamin?" Sie gingen die Freitreppe hinauf zur Pforte, die alte Dienerin leuchtete am Schloßtor. „Gute Nacht, Albrecht," sagte Gerda schnell und lief die Treppe empor zu ihren Zimmern. Er hörte eine Tür ins Schloß fallen, laut und dröh nend, wie Menschen Türen zuschlagen, die am Ende ihrer Kraft sind . . . * * * Der Fürst und Hiddensen fuhren durch die kalte mondlose Nacht. „Es ist sehr nett von Ihnen, Hiddensen, daß Sie den weiten Weg mitkommen." „Oh, es ist mir die größte Ehre und Freude." „Schließlich war der Abend merkwürdig in gewißer Weise," sagte der Fürst. „Hoheit meinen, so in vertrauter Gesellschaft mit dem Bauer zu tafeln?" „Ja und nein. Ich kann nicht leugnen. Gewisser maßen mußte ich mir zuerst einen Ruck geben, denn ich dachte immer: was würde mein guter Freund, der alte Wessenberg, sagen, wenn er das gesehen hätte!" „Und wie fanden Hoheit denn diesen Hartking?" „Ganz wie ich es mir dachte — sehr respektabel und ein wandfrei, was mich auch gar nicht wundert, denn wie gut der Bauernschlag bei uns ist, das wußte ich von jeher. Merkwürdig fand ich nur eins: die Blicke, mit denen dieser Hartking Gerda Wessenberg ansah." „O Gott, nein," rief Hiddensen, „davon hab' ich nichts bemerkt. Ich sah nur, wie mein Freund Albrecht die Augen nicht von ihr wandte. Na, und ich will mich schuldig bekennen, — ich auch nicht, — denn sie sah wunderschön aus." „Sie hat die herrlichen Schultern und Arme ihrer Mutter, — so wie auch die Generalin Stella Wessenberg in Hannover, die wohl über das vollendetste Decolletö verfügte, das mir je vorgekommen ist." „Gerda Wessenberg sieht zuweilen gar nicht gut aus, wenn sie bei Regen über die Felder läuft und sich wie mit Absicht häßlich macht. Da hat er sich vielleicht ge wundert, wie anders sie heut aussah." „Möglich. Er konnte sie sich ja auch betrachten, nun er einmal zu Gaste da war. Aber seine Art war merk würdig. Er sah im Grunde geflissentlich an ihr vorbei. Aber wenn er sich ganz unbeobachtet fühlte, dann schoß er aus seinen finsteren Augen einen ganz kurzen Blitz zu ihr hin. Und so einen faßte ich gerade ab. Und da sah ich, daß der Mann offenbar ein leidenschaftliches Interesse für diese Nachbarin hat — vielleicht Haß, vielleicht so der richtige Bauerngroll, ererbt von alters her gegen die Hochmutsteufel über ihnen. Gerade die Wessenbergs haben sich zuviel geleistet auf diesem Gebiet. Aber ein enorm starkes Interesse jedenfalls. Und das sand ich sehr originell von diesem Mann." Hiddensen lachte. „Nein, Hoheit! den überschätzen Sie! Der hat ein ganz reguläres Verhältnis in Bielefeld, wie jeder weiß, und versteigt sich gewiß nicht so hock. Ich habe die beiden auch gesehen, damals am Quell, wie oer Fund gemacht war. Äußerst feindselig waren sie gegen- Anander." „Ja immerhin, mir fielen diese Blicke auf. Und wie wir dann Mokka tranken und Gerda ging fort und dicht an ihm vorbei. Wie er da emporsuhr und ihr ins Gesicht starrte. Gott, Hiddensen! Grenzen gibt es ja gar nicht mehr heutzutage. Und nichts ist so kraß, daß es nicht irgendwo passieren könnte." „Um Gottes willen, Hoheit meinen doch nicht im Ernst, daß er sich einbilden könnte . . ." „Nein, aber sein Interesse ist ja seine Sach«, seine Privatangelegenheit. Ich weiß auch sehr wohl, wenn Gerda Wessenberg so etwas plötzlich merken sollte und es wäre gerade eine Axt zur Hand — ich glaube, sie spaltete ihm den Schädel." „Mit gutem Recht." „Nun, nein, . . . unsere Rasse ist sehr zäh und sonder bar und dieser Mann, der viel zu charaktervoll ist, mon däne Allüren zu erstreben, wird doch auf Rennplätzen und so weiter außerordentlich von aller Art Weiblichkeit verwöhnt und ist doch längst über seinen Stand hinaus." „Ich meine, sie bassen sich gegenseitig. Und das recht kräftig; und das ist ja auch ganz normal." Hiddensen lallte etwas, legte den Kopf zur Seite und schlief ein. Er hatte andere Sorgen als die Verstiegen heit des Bauern Hartking. Früher konnte so etwas auch nicht passieren, daß der Adjutant neben dem hohen Herrn einschlief. Damals waren sie gedrillt, auch solche Schwächeanwandlungen mannhaft im höchsten Dienste niederzukämpfen. Der brave Hiddensen, ein guter Kerl — nur, wie es hieß, so greulich verschuldet . . . (Fortsetzung folgt.)