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China gibt nach. Die Mukdener Negierung will wieder sowjetrussische Staatsangehörige bei der Ostbahn einstellen. London, 24. Juli. Der russische Konsul in Mul den erhielt am Dienstagabend aus Moskau die Auf forderung, noch in der Nacht nach Wladiwostok abzu reisen. Eine gleiche Anweisung hat auch der russische Generalkonsul in Charbin erhalten. Die Abberufung beider Konsuln hat in Mukden überrascht, da man bis her damit gerechnet hatte, das; sie für die Einleitung von Besprechungen mit Nanking ausersehen seien. General Semenoff hat der Nanking-Regierung die Dienste von 10 000 Weißtruppen angeboten, die aber, wie man an- uimmt, von der nationalen Regierung abgelehnt wer den. Die Negierung in Mukden hat am Dienstag durch Funkspruch eine Erklärung verbreiten lassen, in der die Gründe für die Beschlagnahme der Ostbahn dar gelegt werden. Weiterhin heißt es in der Erklä rung, das; die Mukdener Negierung als Ersah für den ausgewiesenen russischen Direktor der Ostbahn und seine Mitarbeiter die Ernennung anderer rus sischer Staatsangehöriger erwartet. Eine Erklärung der Nankingregierung. London, 24. Juli. Der chinesische Gesandte in Tokio hatte nach Tokioter Meldungen am Dienstag eine wei tere lange Aussprache mit dem Außenminister Schide- hara, wobei er Schidehara eine Uebersetzung der Er klärung der Nanking-Regierung an die Mächte und an den Völkerbund überreichte, die folgendes besagt: Die Nanking-Negierung bedauere, das; die Ver mittlungsschritte der amerikanischen und der französi schen Negierung durch die Ablehnung der Sowjetregie- rung gescheitert seien. Für die Vorfälle, die unter die sen Umständen an der chinesisch-russischen Grenze ent stehen könnten, habe die Sowjetregierung die Folgen zu tragen. Anfang nächster Woche werde die Nanking- Negierung alle Schriftstücke veröffentlichen, die bei den Haussuchungen gefunden wurden, und die Mitwirken Moskaus an den kommunistischen Unruhen in China bewiesen. Der Befehlshaber der japanischen Truppen in der Südmandschurei, General Hatta, habe mitgeteilt, daß Japan die Beförderung chinesischer Truppen auf den südmandschurischen Bahnen nicht zulassen könne, weil dadurch eine Gefährdung des Friedens entstehen würde. In Mutden hat diese Erklärung den Eindruck hinter lassen, daß es sich bei dieser Maßnahme um einen Freundschaftsdienst Japans an Rußland handele. China wünscht direkte Verhandlungen mit Moskau. Japan soll vermitteln. Der chinesische Gesandte teilte dem Außenminister weiterhin Einzelheiten über die sowjetrussische Werbung in der Mandschurei mit. Er verwies dabei nachdrücklich auf die friedlichen Absichten der nationalen Regierung, deren Wunsch es sei, den Streit mit Moskau auf fried lichem und diplomatischem Wege zu regeln. China habe nicht die Absicht, eins dritte Macht oder den Völker bund als Vermittler in Anspruch zu nehmen, sondern ziehe vor, mit der Sowjetregierung unmittelbar zu ver handeln. Da aber die Verbindungen zwischen China und Rußland unterbunden seien, hoffe er, der Gesandte, daß die japanische Regierung als Vermittler für die Ein leitung der Verhandlungen tätig sein werde. Schide hara erwiderte, daß die japanische Regierung unmittel bare Verhandlungen begrüße. Sie werde, wenn sie von beiden Seiten dazu aufgefordert werden sollte, als tech nischer Vermittler amtieren. Die japanische Regierung werde ihr Bestes tun, um im Interesse der Erhaltung des Friedens im Osten zu einem völligen Ausgleich in dem Streit zu gelangen. Pertinax über die Hintergründe der amerikanisch - chinesischen Vermittlung Paris, 24. Juli. In seinen Bemühungen, den Kel- log-Pakt als politische Utopie zu brandmarken, beleuch tet das „Echo de Paris" die amerikanischen Bestrebun gen um die Beilegung des chinesisch-russischen Streites. Pertinax schreibt u. a.: „Die auswärtige Diplomatie habe es sich weniger angelegen sein lassen, die Aufrecht erhaltung des Friedens zu sichern, die sie für sehr wahr scheinlich halte, als darauf Wert zu legen aus ihrem Vorgehen für national-politische Zwecke Nüßen zu zie hen. Dieser Gedanke habe die Initiative Stimsons be stimmt, dem die Gelegenheit ausgezeichnet schien, den Wert des Kellogg-Vertrages, der als ein amerikanisches Werk angesehen werde, herauszustreichen. Briand, der Amerika die Vaterschaft des Kellogg-Paktes streitig mache, habe selbstverständlich nicht hinter Stimson zu rückbleiben wollen. Daher habe er sich ebenfalls so be geistert. Die Sowjetregierung habe nicht gewünscht, daß die Wahrung des Friedens den bürgerlichen Regierun gen als Sprungbrett für ihren Triumph diene. Sie habe daher nicht verfehlt, den französischen Vorschlag abzu lehnen." Erneute Versicherung des chinesischen Friedenswillens. Peking, 24. Juli. Nach Meldungen aus Nanking veröffentlicht die Telegraphen-Agentur „Gomy" eine amtliche Mitteilung des Nankinger Außenministeriums folgenden Inhalts: „In der letzten Zeit wurden in der ausländischen Presse Nachrichten verbreitet, daß die Nanking-Negierung weißgardistische Korps zum Ueber- fall auf Rußland organisiere. Die Nanking-Negierung erklärt, daß diese Gerücht nicht den Tatsachen entsprechen. China wird keine Ueberfälle der Weißgardisten auf Rußland unterstützen, weil die chinesische Regierung keinen Krieg mit Rußland wünscht. Die Nanking-Regie- rnng hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, daß der chinesisch-russische Konflikt auf friedlichem Wege beiqe- legt wird. Die chinesische Regierung hofft, daß Moskau das Ultimatum vom 13. Juli zurückzieht und neue Wege zu einer wirtschaftlichen und politischen Ver ständigung mit China in der Frage der chinesischen Ost bahn finden wird. Die russischen Generalkonsuln in Peking und Tientsin freigelassen. Peking, 24. Juli. Nach einer amtlichen Mitteilung des chinesischen Außenministers ist der Streit zwischen den sowjetrnssischen Generalkonsuln in Peking und Tientsin mit den dortigen chinesichen Behörden beige legt. Beide Generalkonsuln sind durch Japan nach Ruß land abgereist. Von der „Mauretania" zur „Bremen". Die Bedeutung der Nekordfahrt des deutschen Niesendampfers. Die Nekordfahrt der „Bremen", der es nach 22 Jah ren gelungen ist, das „Blaue Band" des Ozeans wieder nach Deutschland zurückzuführen, hat in Amerika größte Begeisterung ausgelöst. Dies ist bei der Psyche des Ame rikaners verständlich; denn noch immer setzt er die Sport leistung über alles. Wir wissen, daß die Fahrt der „Bremen" nicht als eine Sportleistung zu werten ist, sondern daß die große Tat nur durch systematischen Auf bau erzielt werden konnte. Ein weiter Weg mußte zurückgelegt werden, ehe der Eeschwindigkeitsrekord für Fahrten über den Ozean ge brochen werden konnte. 22 Jahre lang hat die „Maure tania" mit Erfolg ihre Rekordleistung verteidigt. Dabei muß man allerdings bedenken, daß die Fahrt des eng lischen Schiffes damals nicht als eine normale Leistung dieses Schiffstypes und seiner Größe angesprochen werden konnte, sondern daß man dem Kapitän die Weisung ge geben hatte, das Tempo so stark wie möglich zu forcieren. Es ist denn auch der „Mauretiana" niemals wieder ge lungen, ihre eigene Höchstleistung zu überbieten. Ganz anders die „Bremen". Schon jetzt steht fest, daß die erreichte Geschwindig keit noch lange nicht die Höchstleistung der Maschinen darstellt. Besonders am ersten Tag der Fahrt ließ Kapitän Zie genbein die Motoren noch nicht voll laufen. So wurde denn auch nur eine Geschwindigkeit von 27,4 See meilen gegen 28,16 Seemeilen am zweiten, 28,3 am dritten und 29,54 Seemeilen am letzten Tage erreicht. Aus diesem systematischen Ansteigen der Geschwindigkeit geht hervor, daß noch lange nicht die größte Schnelligkeit der „Bremen" erreicht worden ist. Man kann damit rechnen, daß es der „Bremen" schon bei einer ihrer nächsten Fahrten gelingen wird, noch weitere neun Stunden schneller zu fahren, so daß damit tatsächlich das Ziel, in vier Tagen den Ozean zu überqueren, erreicht wird. Um sich von der erzielten Leistung ein Bild zu machen, muß man sich vergegenwärtigen, daß der Riesendampfer eine Geschwindigkeit von fast 60 Kilometer in der Stunde erreicht hat, was noch vor wenigen Jahren für solche Typen fast als unerreichbar galt. Mit besonderer Genugtuung kann gerade Deutsch land aus den Erfolg seines neuesten Großschiffes zurück blicken. Denn wenn man bedenkt, daß der Tonnagegehalt der deutschen Handelsflotte, der vor dem Kriege 5 Millio nen Tonnen betrug, wodurch wir an zweiter Stelle der Schiffsrangliste rangierten, auf 600 000 Tonnen zurück ging, so kann man erst ermessen, welche Aufbauarbeit in zwischen geleistet worden ist. Es ist uns wieder gelungen, in der Schiffsrangliste den dritten Platz einzunehmen, und gerade die deutsche Handelsflotte ist es, die über die schnellsten und modernsten Schiffe verfügt. Als die „Mau retania" das „Blaue Band des Ozeans" eroberte, wurde damit die Leistung eines deutschen Schiffes, des Lloyd- Dampfers „Kaiser Wilhelm der Große" überboten. Jetzt hat Deutschland das „Blaue Band des Ozeans" wieder zurückgeholt, und es ist auch anzunehmen, daß die „Bre men", die den bisherigen Weltrekord um über acht Stun den überbot, ihn noch lange behalten wird, da ihre letzte Leistungssteigerung noch nicht erreicht ist. Nenyork, 24. Juli. Am Dienstag abend fand die Taufe des Katapultflugzeuges der „Bremen" in der Flug- Halle in Neuyork statt. Die Taufe selbst nahm der Bür germeister Wa Iker von Neuyork vor. Nach den Prohi bitionsbestimmungen mußte er das Flugzeug mit Dünn bier, dem sogenannten Ginger-Ale (Ingwer-Bier) laufen. An der Feier nahmen 3500 Personen teil, darunter Hei- necken, Felir Warburg und der deutsche Generalkonsul von Lewinsky. Bürgermeister Walker beglückwünschte den Flugzeugführer von Studwitz zu seinem ersten Fluge von der „Bremen" nach Neuyork. Eine starke Polizeiwache war vor dem Schiff aufgestellt, um Unfälle infolge der Neugier des Publikums zu vermeiden. Severing über die Rückkehr des Kaisers. Die Republik gegen die Wiederherstellung der Monar chie gefeit. Paris, 24. Juli. Das „Ouevre" veröffentlicht eine Unterredung seines Berliner Vertreters mit Innen minister Severing über die Frage der Rückkehr Wilhelms ll. Das neue Republikschutzgesetz, so habe Severing u. a. erklärt, sei von den Sachverstän digen seines Ministeriums schon fertiggestellt worden. Es habe die Zustimmung des Reichskabinetts gefun den, und würde auch vom Reichstag angenommen wer den. Allerdings habe man in dem neuen Gesetz auf ge wisse Artikel, besonders auf den Kaiserparagraphen, verzichten müssen. Gesetzlich stehe der Rückkehr Wil hem s II. d i e wohl möglich, aber kaum wahrscheinlich sei, nichts entgegen Severing habe weiter erklärt, eine Rückkehr Wil helms II. sei zwar unerwünscht und peinlich, bilde aber keine Gefahr für die Republik. Die Republik sei durch aus gesichert und gegen eine Wiederherstellung der Mo narchie gefeit. „Die deutsche Republik", fuhr Severing fort, „scheint mir aber nicht von den Alliierten besonders verwöhnt worden zu sein. Akan hatte bei uns geglaubt, daß die Franzosen im Jahre 1918 Rücksichten für die Republik hätten. Heute, zehn Jahre nachher, kann man sagen, daß die Zeichen zur Aufmunterung sehr selten ge wesen sind. Die Friedensbedingungen und die lange Dauer der Besetzung haben dazu beigetragen, in Deutsch land der republikfeindlichen Propaganda zu dienen, während günstige Handlungen der Verbreitung republi kanischer Gedanken zugute gekommen wären. Der Jn- nenministerbetonte zum Schluß, derStahlhelm und die anderen Verbünde bereiteten zwar einige inner- politische Schwierigkeiten, würden aber schließlich in der Gleichgültigkeit der großen Mehrheit des deutschen Vol kes untergehen. 70 bis 75 Prozent des deutschen Volkes seien fest mit der Republik verbunden. Frankreichs Kampf gegen die kommunistischen Kundgebungen am 1. August. Paris, 24. Juli. In den Abendstunden des Diens tag sand im Justizministerium eine längere Besprechung statt, an der neben dem Justiz -und dem Innenminister Vertreter der Eeneralstaatsanwaltschaft und der Pa riser Polizeidirektion teilnahmen. In der Besprechung wurden eingehend die Maßnahmen, die gegen die am vorigen Sonntag in Villenuve verhafteten Kommunisten zu ergreifen sind, erörtert. Außerdem wurde über die Mittel zur Verhinderung der kommunistischen Kundge bungen am 1. August beraten. Noch am Dienstagabend wurden 7 Untersuchungsrichter bestellt, die die in Ville- nuve verhafteten 96 Kommunisten vernahmen und in den Anrlagezustand versetzten. Verhaftung verantwortlicher Konunmiistenführer. Paris, 24. Juli. Am Dienstag wurden in Paris mehrere führende Persönlichkeiten des Zentralausschusses der Kommunistischen Partei festgenommen. Unter ihnen befinden sich der Generalsekretär der kommunistischen Eisen bahnergewerkschaft M idol, das Mitglied des Zentral ausschusses der Kommunistischen Partei und der Leitung der kommunistischen Gewerkschaft, Gourdeaur, der Sekre tär der Pariser Gruppe der Kommunistischen Partei und Mitglied der Gewerkschaft, Meiziaires, und ein weiteres Mitglied des Zentralausschusses, Mathieu. Außerdem wurden am Sitz des Regionalverbandes und des kom munistischen Eewerkschaftsverbandes Haussuchungen vor genommen und zwei Lastwagen mit Beschlagnahmten Schriftstücken dem Gericht zugeführt. Die TribuLfrage vor dem Finanz ausschutz der Kammer. Paris, 23. Juli. Der Finanzausschuß der Kammer trat am Dienslagnachmittag zusammen, um über die Briandschen Vorschläge zu beraten, die sich mit dem Ge setz über die Mittel und Wege zur Erfüllung der Washing toner und Londoner Schuldenabkommen beschäftigen. Der Abgeordnete Lill az hat dem Finanzausschuß einen Vor schlag unterbreitet, wonach eine besondere Abteilung für Empfang und Schuldenzahlung im Finanzministerium ein gerichtet werden soll. Einerseits würden die von Deutsch land zu zahlenden Summen verbucht werden. Demgegen über stünden Frankreichs Schulden an Amerika und Eng land. Keine Zahlung an Frankreichs Gläubiger dürfte außerhalb dieses besonderen Haushaltes geleistet werden. Daraus gehe hervor, daß Frankreich nicht einen Pfennig mehr bezahle» könne, als es von Deutschland erhalte. Diese Bestimmung würde der Vorbehaltsklausel entspre chen, die von der Kammer angenommen worden sei. Der Vorschlag hat bisher in der Kammer eine freundliche Annahme gefunden. Auch die Regie rung steht ihm günstig gegenüber. Der Gegenvorschlag stammt von dem Abgeordneten Gueruier und erstreckt sich insbesondere auf die Verwendung des ungeschützten Teiles der deutschen Zahlungen, wie sie der Poung-Plan vorsieht. Tuernier weist darauf hin, daß der Lillazsche Vorschlag für Frankreich gefährlich sei, wenn alle deut schen Zahlungen dauernd auf dem Spezialkonto des fran zösischen Finanzministeriums zu Buche ständen, würde, falls Deutschland längere Zeit seine Zahlungen aussetze, auch die für die Wiedergütmachungsschäden bestimmten deutschen Zahlungen, statt in Frankreich zu verbleiben, nach Amerika oder England fließen. Euernier schlägt daher scharfe Scheidung zwischen beiden Arten von deut schen Zahlungen, nämlich denjenigen, die der Schuld Frankreichs in Amerika und England und denjenigen, die der Wiedergutmachung entsprächen, vor.