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Neueste Nachrichten. Die Amerikafahrt des „Gras Zeppelin". — Start in der Nach t zu m 1. August. Friedrichshafen,, 29. Juli. Wie die Telegraphen- Union erfährt, wird der Start -es „Graf Zeppelin" zur Amerikafahrt in der Nacht vom 31. Juli zum 1. August erfolgen. An der Ueberfahrt nehmen, wie jetzt feststeht, 21 Fahrgäste teil. Dr. Eckener sprach sich über das Ar beiten der Motoren äusserst befriedigt aus. Vor der Ame rikafahrt findet keine Probefahrt mehr statt. Ueber 14 Tage in der Luft. St. Louis, 29. Juli. Die Flieger Jackson und O'Brien, die sich durch ihren Dauerflug mit Betriebs- stoffversorgung bereits seit langem den Weltrekord ge sichert haben, befinden sich nach mehr als vierzehntägi gem Fluge noch immer in der Luft. Am Sonntag abend um 9 Uhr (Neuyorker Zeit) betrug die Flugzeit 373 Stunden. Sie beabsichtigen, den Dauerflug in dem Flugzeug „St. Louis-Nobin" auch noch während der dritten Woche fortzusetzen. Die Motoren des Flugzeuges befinden sich nach einer Meldung der beiden Flieger in bester Verfassung. Beginn des Tuka-Prozesses in Prehburg. Preßburg, 29. Juli. Unter starkem Andrang des Publikums begann im Montag vormittag hier der Pro zeß gegen den Slowakenführer Dr. Tuka, der unter der Anklage des Landesverrates steht. Die Polizei hat umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen getroffen. Man spricht davon, daß Tuka bei seiner Vernehmung eins große politische Rede halten wolle, in der er eine ganze Reihe von Enthüllungen zu machen gedenke. Zu Be ginn der Verhandlung stellte der Verteidiger Tukas einen Antrag, in dem der Vorsitzende als befangen ab gelehnt wird,, da er früher mit Tuka befreumdet gewesen sei, woraus sich für den Vorsitzenden psychologische Hem mungen ergeben könnten. Eine Verschwörung gegen den peruanischen Präsidenten aufgedeckt. Buenos Aires, 29. Juli. Wie gemeldet wird, wurde in Lima, der Hauptstadt von Peru, eine Verschwörung gegen den Präsidenten Leguia aufgedsckt. Die Füh rer der Bewegung benutzten als Vorwand die kürzlich erfolgte Ratifizierung des Tanka-Arica-Abkommens mit Chile, durch das die Ansprüche Perus auf die beiden Provinzen nur zur Hälfte erfüllt worden sind. In Wahrheit aber richtete sich die Verschwörung gegen die Diktatur des Präsidenten, der in der letzten Zeit zahl reiche politische Gegner hatte verhaften lassen. ^3 ? Große Ueberschwemmung in Indien. Bombay, 29. Juli. Der indische Fluß Sabarmati ist infolge der schweren Regenfälle über die Ufer getreten und hat große Gebiete, darunter auch die Gegend von Ahmedabad in Varoda, in der Ghandi wohnt, über schwemmt. Soweit bisher feststeht, kamen etwa 35 Per sonen ums Leben. 18 Todesopfer bei Straßenunfällen in England. London, 29. Juli. Während des Wochenendes kam es in England wieder zu einer großen Anzahl von Straßenunfällen. Insgesamt wurden 18 Personen ge tötet. Die Zahl der Verletzten ist groß. Eine chemische Fabrik in Pilsen niedergebrannt. Prag, 29. Juli. In der Nacht zum Sonntag ist die chemische und Zellulose-Fabrik Gustav Tal bei Pilsen vollständig niedergebrannt. Nur das Kesselhaus blieb vom Feuer verschont. Der Schaden beträgt mehrere Mil lionen Kronen und ist nur teilweise durch Versicherung gedeckt. Viele Arbeiter sind brotlos geworden. Ein britisches Schmugglerboot aufgebracht. Neuyork, 29. Juli. Aus Fernandina (Florida) meldet die Küstenwache die Beschlagnahme eines briti schen Schmugglerbootes, das innerhalb der amerikani schen Hoheitsgewässer mit einer Alkoholladung aufge bracht wurde. Dampfer - Katastrophen. Schiffsuntergang auf dem Rhein. — Der Dampfer „Undine" beim Binger Loch gesunken. Vingen, 28. Juli. Der Köln-Düsseldorfer Damp fer „Undine" ist am Sonntagmorgen auf der Binger Reede gesunken. Das Schiff war kurz vor Mitternacht von einer Sonderfahrt, die die Kreuznacher Kasino- Gesellschaft nach Braubach gebracht hatte, zurückgekehrt. In der Nähe des Binger Lochs fuhr das Schiff plötzlich auf Grund und wurde leck. Mit den größten Anstren gungen gelang es noch hinter Bingen zu fahren. Die Fahrgäste, etwa 200 Personen, konnten das Schiff noch rechtzeitig verlassen. Der Führer des Dampfers gibt an, von dem Scheinwerfer eines Kraftwagens in seiner Sicht behindert worden zu sein. Die Schiffsgeräte und die Habseligkeiten der Schiffsbesatzung konnten an Land gebracht werden, während die gesamten Weinvorräte nunmehr auf dem Nheinboden schlummern. Durch Sirenenrufe und Brandglocke wurde die Binger Feuerwehr alarmiert, die mit zwei Pumpen versuchte, das Schiff zu retten. An den Rettungsarbei ten beteiligte sich auch der Rheinlanddampfer „Robert Sauer", der mit seiner Dampfpumpe gleichfalls zu Hilfe geeilt war: aber alle Mühe und Arbeit waren ver gebens. In den frühen Morgenstunden ist der Damp fer mit lautem Krach und Getöse gebrochen und ge sunken. Das Schiff zählte zu den Bauwerken älterer Art und fuhr seit etwa 37 Jahren auf dem Rhein. Schiffsunalück auf dem Aegäischen Meer. Berlin, 29. Juli. Nach einer Meldung des „Mon tag" aus Athen stieß der Personendampfer „Goissa". der zwischen Piräus und Nauplia verkehrt, mit einem Frachtdampfer zusammen. Der Personendampfer wurde in der Mitte durchschnitten, und er sank innerhalb von fünf Minuten. Nach den bisherigen Ermittlungen sind 7 Personen ertrunken. Man vermutet aber, daß sich dis TotenMex auf 15 erhöhen wird. Aus aller Welt. * Ein mecklenburgisches Dorf niedergeb.rannt. Von einer Vrandkatastrophe ist in der Nacht zum Sonntag das Dorf Gaegelow zwischen Wismar und Klütz heim gesucht worden. Von den 26 Gebäuden des Dorfes sind nur 10 stehengeblieben. Der Schaden wird auf 300 000 Reichsmark geschätzt. Das Feuer brach gegen 20 Uhr aus und ergriff in kurzer Zeit alle strohgedeckten Wirt schaftsgebäude, Tagelöhnerkaten und ein Wohnhaus. Mitverbrannt sind außer den landwirtschaftlichen Ma schinen und der ganzen Heuernte auch 10 Schweine, während das Rindvieh gerettet werden konnte. * Die Rache eines Abgewiesenen. In dem elsaß-loth ringischen Erenzort Klein-Rosseln schoß der aus Neustadt an der Saale stammende 30jährige Bergarbeiter Karl Weiß die 40jährige Ehefrau Jung, die seine Liebesan träge ständig zurückwies, nieder und verübte dann Selbst mord. Weiß gab vier Schüsse auf die Frau ab, von denen drei trafen. Trotz der heftigen Schmerzen schleppte sich die Frau noch bis zur Kellertreppe, wo sie aber die Kräfte verließen. Sie stürzte die zehn Stufen der Treppe hinab und blieb bewußtlos liegen. Weiß eilte, offenbar in der Absicht, die Frau getötet zu haben, die Treppe hinauf in das Schlafzimmer der Eheleute, wo er sich durch einen Revolverschuß in die Schläfe tötete. Der 15- jährige Sohn der Eheleute Jung sprang, als er den Täter mit dem Revolver in der Hand die Treppe hinaus eilen sah, vom zweiten Stockwerk aus die Straße hinab, wo er mit dem Kopf gegen einen Bordstein stürzte und ebenfalls schwere Verletzungen erlitt. Mutter und Sohn wurden ins Krankenhaus gebracht. Was Schönheitsköniginnen verdienen. Paris, 29. Juli. Bei dem internationalen Schön heitswettbewerb in Deauville wurde der Preis von 500 000 Franken unter die beiden Bewerberinnen „Miß Amerika" und „Miß Europa" je zur Hälfte geteilt. Der Ozeanflugverkehr kommt. Das neue Riesenflugboot der Rohrbach - Werke. Am Freitag wurde das im Auftrage der Deutschen Lufthansa von den Rohrbachwerken erbaute Riesenflugboot übernommen, das nichts Geringeres als die wirtschaftliche Überquerung des Ozeans in Etappenflügen ermöglichen soll. Das Boot hat denk bar größte Seetüchtigkeit und eine Reichweite von 4000 Km. Das Boot ist durch Schotten in sechs Abteilungen unterteilt, von denen zwei beim Leckwerden des Bootes voll Wasser laufen können, ohne daß die Schwimmfähigkeit des Bootes beeinträch tigt wird. Die Motoren sind auf besonders hohen Stützgestellen montiert, damit sie bei schwerer See vom Wasserschlag frei ge halten werden. Das Boot vermag selbst einem Seegang 5 stand zuhalten. Bei ihren Probeflügen hat die neue Rohrbach-Romar tatsächlich den Beweis erbracht, daß sie auch in der Lage sein wird, den Atlantik in luftverkehrsmäßigen, wirtschaftlich unter teilten Etappen zu überfliegen. Gedacht ist zunächst die Be förderung von Fracht und Post. Unser Bild zeigt das Flugboot beim Start zu einem Probefluge. Schweres Blut. Roman von Emmi Lewald. 22) (Nachdruck verboten.) Sie eilte fort. Gerda verzog keine Miene. Sie baute ihre Wollsachen neu zurecht und sah dann gleichgültig den Saal hinunter. Ja, da stand Hartking. Ob er sich durch- arbeitete zu ihr? Oder vorher bereits ganz ausgeplündsrt war? Sollte sie es wünschen oder nicht? Der junge Geistliche trat an Gerdas Tisch und er kundigte sich umständlich nach dem Knieleiden der Ge neralin. Gerdas scharfe Augen merkten, ohne direkt hinzu sehen, wie Hartking schnell Tisch auf Tifch absolvierte. Er mußte sie längst gesehen haben, denn ohne jede Verwun derung grüßte er sie. Gottlob, daß sie die Hände gerade voll Wollschals hatte und so die Frage des Handgebens entschieden war. „Sie geben eine Gastrolle in der Stadt, Fräulein von Wessenberg?" „Für ein paar Tage," sägte sie. „Ich fahre heute abend wieder auf meinen Hof am Osming. Da gibt's soviel arme Jungen. Bitte, geben Sie mir an Strümpfen, was da ist." Gerda wickelte ein. Es war ganz bequem. Man brauchte sich dann weiter nicht anzusehen. „Nach meiner Rückkehr wird sich der Zustand im Schloß verändern," sagte Hartking. „Ich nehme meinen Neffen zu mir auf den Ulmenhof. Ich möchte meine Sammlungen alsdann in meine Schloßhälfte bringen lassen und ein altes Paar als Aufseher dahinsetzen, die Sie gewiß weniger stören dürften als der jetzige Zu stand. Ich habe gute Bronzen von der Reise mitgebracht und allerhand Etrurisches, aus der Periode wie jener Fund am Quell. In der Art jenes goldenen Armreifens, den Sie damals nicht die Gnade halten, von mir anzu nehmen." „Wie interessant," bemerkte Gerda ganz obenhin. „Ja, mich interessiert es. Bei der Unerfreulichkeit einer solchen Heimkehr wie der meinen ist es gut, etwas Schönes mitzubringeu." Gerda sah ihn an. „Ich glaubte, Sie hingen so an Ihrer Heimat?" sagte sie. Sein Gesicht war sonnenverbrannt. Er sah finster drein wie immer. Aber er kam ibr plötzlich sehr jung vor und in raschem Gedankengang rechnete sie ans, daß er ja Noch längst nicht dreißig mar. „Nein. Ich hasse meine Scholle im Moment. Aber ich kann auch nicht anderswo leben. Das habe ich in diesen sechs Monaten ausprobiert." Frau von Deister drängte sich neugierig mit einer Gutsnachbarin an den Tisch. Hartking legte seine Scheine hin und ging. „Ja," sagte eine alte Stiftsdame kopfschüttelnd und drückte mit dem langen Zeigefinger gegen ihre Nasen wurzel. „Natürlich sieht er gut aus. Wie sollte jemand nicht gut aussehen, der sich erste Schneider leisten kann?" „Ja, aber," sagte das wohlerzogene junge Mädchen, „es ist nicht nur der Schneider, er sieht auch an sich gut aus. Und direkt rassig. Unsere Bauern find eben ein Primaschlag; Vater sagte es immer. Wir hatten damals bei Großvaters Schloß einen Torwart, der war ähnlich so. Die nämliche blonde, arische Art; auch so etwas frnfkr und versonnen." Gerda hörte schweigend zu. „Dieser Mann verdirbt meinen Charakter," dachte fie. „Ich habe Mißgunst nie gekannt — aber ihm gönne ich nichts — immer dasselbe Gefühl. Warum hat er jenes Geld, an dessen Mangel die anderen scheitern? Warum stürzte Albrecht in den Abgrund? Warum muß Hidden. sen zehn Monate brummen? Es ist sehr leicht, vorwurfs los über die Erde zu gehen auf so solider Basis." „Sie mögen ihn wohl nicht?" fragte das liebenswür dige Mädchen, der Gerdas ablehnende Miene auffiel. „Es ist nichts Persönliches," erklärte Gerda, „aber ich bin im Prinzip gegen Emporkömmlinge in jeder Form? „Die Barnekow hat ihn gestern auf dem Rennen ge keilt," erzählte die Stiftsdame, „daß er Herkommen möchte. Diese Art Männer zahlen ja immer sehr großzügig, wenn sie von unsereinem gebeten werden. Und gute Bezahler müssen her. Es ist ja schrecklich, wie alle Bekannten um jedes Fünfzigpfennigstück angstvoll kämpfen." Gerda schwieg. „Wie ist er denn so im Verkehr?" fragte Frau von Deister und fixierte Gerda. „Ich verkehre nicht mit ihm. Er war einmal im Schloß, als Albrecht ein Essen gab, und benahm sich durch aus einwandfrei." „Aber Sie sollen doch so reizend mit seinem Neffen sein?" „Nicht, weil er sein Neffe ist, sondern, weil er ein reizender Junge ist und ich kinderlieb bin." „Er soll die Schwägerin ja nur des Jungen wegen heiraten wollen?" forschte sie weiter. „Über alle diese Dinge bin ich gar nicht orientiert." „Über die Moral dieses Geschöpfes werden ja ori ginelle Dinge erzählt." Gerda zuckte die Achseln. „über meinen Wassergraben kommt Gott sei Dank niemals Klatsch und Gerede." Frau von Deister ging seufzend weiter. Offenbar ahnt diese arme Gerda noch nicht, wie sie mit ihm herein- gefallen ist und welches Resultat auf sie wartet. Wenn die alte Tante nur nicht noch Schulden zuzahlen muß von ihrer Pension! .... Heutzutage ist jede Konjunktur möglich. * 4- * Gerda war krank an der Stadt. Krank an dem alten General, der von früh bis spät die Zeit verfluchte, krank an der engen Etage, in der eine absterbende Welt in frnchtlo-kr Opposition die letzten Kräfte vertat. Und auch krank in Gedanken an eine Zukunft, die sie zwang, Dritter im Bunde zu sein — auch ein müder Schatten, auch so blaß wie auf einem alten Gobelin, eingesperrt zwischen Mietskasernen — ein armer gefangener Vogel in zu engem Käfig. . . Und nun, da die Blätterfärbnng jeden Tag leuch tender und brennender wurde, wo, sobald ein Wind kam, goldenes Ahornlaub von den Bäumen regnete, jedes Blatt wie ein Wunder, wo die Buchen kupferrot unter dem falben Eichengrün standen und frühmorgens wie taufend Diamanten der Tau auf den Schlehenhecken lag! Sie konnte nicht mehr vor Heimweh! Sie fuhr fort, beladen mit den Beschwörungen des Generals, der edel und schlank auf dem Bahnsteig stand und dessen graues, martialisches Haupt sie rührte und er griff, den sie doch nicht ertragen konnte in seiner chro nischen Blindheit des Einsichtslosen. * 4- * Gerda saß im Kirchenstuhl. Die Sonntagssonne flammte über die Kanzel. Der Geistliche, im ständigen Schmerz über die wach sende Lauheit der Gemeinde, an deren Erweckung er seit zehn Jahren vergebens arbeitete, sprach streng und er bittert wie zu einem Chor überführter Schuldiger. Seine junge Frau schaute anbetend vom untern Seitenstuhl zu ihm auf. Gerdas Gedanken schweiften weit ab. Fortsetzung folgt.)