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Were MMei in MW MeMWen IlhUus. 15V0 Gefangene revoltieren. — Der Aufstand nach heftigen Kämpfen niedergeschlagen. Insgesamt 2 Tote, 20 Schwer- und 25 Leichtverletzte. Neuqork, 29. Juli. Im Staate Neuqork kam es am Sonntagabend zu einer schweren Meuterei im Ge fängnis von A u b u r n e. an der über 1000 Gefangene und zahlreiche Frauen beteiligt waren, die bei Ausbruch eines kleineren Feuers versucht hatten, die Haupttore des Gefängnisses zu stürmen. Erst nach längeren An strengungen war die Polizei wieder Herr der Lage. Erbitterte Kämpfe. Neuqork, 29. Juli. Die Meuterei im Zucht haus von Auburne, der ältesten Strafanstalt im Staate Neuqork, stellt sich als außerordentlich schwer heraus. In dem Zuchthaus waren insgesamt 1700 Sträflinge »ntergebracht. Der Aufstand brach aus, als sich die Ge fangenen auf dem Hofe des Zuchthauses befanden. Nach dem die Wärter überwältigt waren, stürmten die Gefangenen dieWaffenkammerundver- sahen sich mit Gewehren und Revolvern. Mehrere Gebäude wurden von den Ausbrechern mit Hilfe von Petroleum inVrandge st eckt. Vier Wächter wurden nieder geschossen, be vor die ersten Verstärkungen der Wach mannschaften herankamen. Es entspann sich dann ein dreistündiger schwerer Kampf zwischen der Polizei und den Gefangenen, der besonders auf feiten der letzteren verlustbringend war. Zwei Sträflinge wurden erschossen. Elf Gefan gene liegen zum grössten Teil schwer verletzt in den Stacheldrähten auf den Manersimsen. Inzwischen hatte die Kefängnisleitung Truppen zur Unterstützung ange- sordert. Als diese anmarschierten, besetzten etwa 40 Gefangene die Mauern und eröffneten sofort das Feuer. Im Sturm konnte die Mauer schliesslich genommen wer den. Die Meuterer mutzten sich ergeben. Die zur Löschung des Feuers herbeieilende Feuerwehr hatte gleichfalls einen autzerordentlich schweren Stand, da die Gefangenen die Schläuche mehrfach zerschnitten. Acht Gefangene sind entwichen. Die Zahl der entsprungenen Gefangen beläuft sich auf insgesamt 30. Das Verhal ten der Gefangenen lätzt den Schlutz zu, datz der Aus bruchsversuch sehr sorgfältig vorbereitet worden war. Die Opfer des Aufstandes. Neuqork, 29. Juli. Nach den letzten Meldun gen sind bei den Kämpfen im Auburner Zuchthaus sechs Wachbeamte schwer und fünf leicht verletzt worden. Die Aufrührer hatten 2 Tote, 14 Schwer- und 20 Leichtver letzte zu verzeichnen. Die Werkstätten der Strafanstalt, die von den Aufständischen in Brand gesteckt worden waren, sind vernichtet, ebenso ein Wagen der Feuer wehr. Die englischen Forderungen zum Young-Plan Kein Nachgeben Snowdens. London, 28. Juli. In London ist einstweilen ein Antrag auf Verschiebung der internatinalen Konferenz nicht eingegangen, so datz der 6. August vorläufig als Konferenzbeginns bestehen bleibt. In nichtamtlichen Kreisen rechnet man gleichwohl noch immer mit einer Verschiebung um zehn Tage. Die britische Regierung trifft inzwischen alle Vorbereitungen für den Beginn der Arbeiten am 6. August. Außenminister Henderson wird von seinem parlamentarischen Privatsekretär Pro fessor Baker begleitet. Die Teilnahme Macdonalds, die sich höchstens auf einige Tage erstrecken könnte, ist vor läufig noch ungewiß. lieber die Haltung der britischen Abordnung auf der Konferenz steht nach Mitteilungen von gutunter richteter Seite soviel fest, daß Großbritannien entgegen der ursprünglichen Absicht, sich nicht mehr damit be gnügen wird, den Poungplan in seiner gegenwärtigen Form unter einem formellen Widerspruch anzunehmen, sondern auf Abänderungen in wesentlichen Punkten be stehen wird. Das ist insofern bemerkenswert, als dieser Entschluß zeigt, datz die Nachteile des Poungplanes so groß angesehen werden, datz sie auch nicht durch poli tische Zugeständnisse wettgemacht werden können, womit früher ernsthaft gerechnet werden konnte. Heute liegen die Dinge so, datz Schatzkanzler Snowden unter allen Umständen in einigen Punkten seine Auffassung durch setzen will und sich durch mehr formale Zugeständnisse, wie etwa die Verlegung des Sitzes der internationalen Bank nach London hiervon nicht abbringen lassen wird. Die Konferenz wird daher unter allen Umstün den recht lange dauern. Das ist insofern wesentlich, als sich bereits deutlich zeigt, daß vor der nächsten Völker bundstagung kaum etwas entschieden sein wird. Die Staatsmänner der verschiedenen Länder werden infolge dessen in Genf zusammentreten, ohne datz die Regierun gen im Haag sich vorher verständigt haben. Die Folge davon wird der Versuch sein, die Inkraft setzung des Houngplanes hinauszuschieben, und die hier aus entstehende zusätzliche Belastung Deutschland aufzu bürden, etwa in der Form, datz es bis zum 31. Dezember die höheren Verpflichtungen des Dawesplanes zu tragen und auch die Vesatzungskosten weiter zu übernehmen hätte. In der Räumungsklage liegen, wenn man von der nun schon fast als selbstverständiich angesehenen Verschiebung um einige Monate vom 1. September auf 31. Dezember absehen will, die Dinge günstiger. Es be steht guter Grund für die Annahme, daß die britischen Vertreter in dieser Hinsicht ihren Standpunkt durchzu setzen vermögen. Sie werden auch wesentliche Unter stützung durch die englische Presse finden. Die schrift lich und in eindeutiger Form niedergelegte Auffassung der Rechtsberater der britischen Krone, daß der Versail ler Vertrag eine gemeinsame Besetzung, aber keine ge meinsame Besetzungsverpflichtung vorsieht, so daß die etwaige Zurückziehung der englischen Truppen keine Ver letzung des Versailler Vertrages darstellen würde, hat ihren Eindruck umso weniger verfehlt, als dieses Rechts gutachten auf die Amtszeit der konservativen Regierung zurllckgoht. Es kann daher auch von Chamberlain und den Konservativen nicht zurückgewiesen werden. Das elfte Kabinett Briand. Paris, 27. Juli. Der Präsident der Republik, Doumergue, hat Briand mit der Kabinettsbil dung betraut. Briand hat diesen Auftrag angenom men. Er wird seine Besprechungen zwecks Kabinetts bildung am Sonntag beginnen. Briand über seine zukünftige Politik. Paris, 28. Juli. Briand wurde am Donnerstag mittag vom Staatspräsidenten Doumergue empfangen. Beim Verlassen des Elyse erklärte er, daß das bis herige Kabinett unter allen Umständen die Grundlage für das zukünftige Kabinett bilden werde, da es keine Niederlage in der Kammer erlitten habe, doch wolle er nach Möglichkeit das Kabinett „erweitern. „Ich habe bisher einem Kabinett angehört," sagte Briand, „das zu einem ganz bestimmten Zweck gebildet wurde. Unter diesen Umständen ist mein zukünftiger Weg vorgezeich net. Die bisherige Regierung hat ihren Chef verloren, an dessen Stelle ich nunmehr trete. Ich werde, soweit es in meiner Macht steht, den Weg weiter verfolgen den das Kabinett Poincare vertreten hat. Ich hoffe, daß es mir gelingen wird, bereits im Laufe des Mon tag dem Präsidenten der Republik das neue Kabinett vorzustellen. Ich habe gute Gründe für die Annahme, daß maßgebende politische Persönlichkeiten mir ihre Hilfe nicht versagen werden. Ich möchte möglichst viel Kräfte heranziehen, auf die ich bestimmt rechnen kann." Moskau begrüßt den Rücktritt Poincares. Kowno. 28. Juli. Wie aus Moskau gemeldet wird, schreibt die „Jsvestija" zu dem Rücktritt Poincares, daß Poincare der böse Geist Europas gewesen sei. Briand werde zu Anfang die Politik Poincares nicht in derselben Gestalt weiterfllhren, wie Poincare es selbst getan habe. Die Mehrheit Europas begrüße den Rücktritt Poincares. Briands Kabinettbildung vollzogen. Die bisherigen Minister bleiben im Amte. Paris, 29. Juli. Das neue französische Kabi nett ist cke facto gebildet. Kurz nach 12 Uhr mittags erklärte Außenminister Briand der versammelten Presse, daß nach der Absage der Nadikalsozialisten seine Auf gabe sehr vereinfacht sei. Das alte Kabinett werde im Amte bieiben, mit dem einzigen Unterschied, daß er an die Stelle Poincare trete. Somit ist der Regierungs antritt des neuen Kabinetts nur noch eine Formsache und wird erfolgen, sobald Briand die Liste der alten Mitarbeiter Poincares dem Präsidenten der Republik zur Bestätigung vorgelegt hat. Die Absage der Radikalsozialisten. Paris, 29. Juli. Herriot gab heute vormittag per sönlich seine Zustimmung, in das neue Kabinett einzu treten, machte aber die Entscheidung von einem Ent schlusse der Radikalsozialistischen Gruppe abhängig. Diese tagte in der 10. Morgenstunde in der Kammer und lehnte das Angebot, Parteivertreter als Staats minister ohne bestimmte Portefeuille in das Kabinett zu entsenden, ab. Daladier wurde beauftragt, diese Entscheidung Briand mitzuteilen. Die Stellung der Radikalsozialistischen Partei kann folgendermaßen charakterisiert werden: Die Partei hat bisher die Re gierung bekämpft. Sie ist daher nicht in der Lage, einer neuen Regierung, die aus den alten Kabinetts mitgliedern besteht, ihr Vertrauen zu schenken, falls nicht ihre Partei zwei Ministerposten, und zwar die des Krieges und der Marine, erhält. Grundsätzlich wäre sie sonst nur zur Billigung der Außenpolitik Briands in der Lage, mit der sie stets einverstanden gewesen ist. die Innenpolitik würde dagegen in verschiedenenFragen auf Widerstand der Radikalsozialistischen Partei stoßen. Massenaussperrung in der englischen Baumwollindustrie. 500 000 Arbeiter im Ausstand. London, 29. Juli. Im Baumwollgebiet von Lan cashire tritt am heutigen Montag die Äussperrung fast der gesamten Belegschaft in Kraft. Von insgesamt 1800 Betrieben werden 1500 geschlossen, und etwa 500000 Arbeiter feiern. Der Lohnausfall beträgt wöchentlich rund 20 Millionen Mark. Bei längerer Dauer der Aus sperrung werden mindestens 100 000 Arbeiter verwand ter Industriezweige betroffen werden. Trgtz des wenig ermutigenden Verlaufes des Ausgleichsvörhandlungen der letzten Tage hofft man, daß es schließlich ooch noch zu irgend einem Ausgleich kommen wird. Der Präsident der Arbeitgebervereinigung erklärte, er glaube, daß in naher Zukunft eine neue Besprechung stattfinden werde, und daß es dann zu einer endgültigen Regelung komme. Der Arbeitsstreit, der größte seit dem Generalstreik im Jahre 1926, verursacht in allen politischen Kreisen starke Besorgnis. Der „Daily Herald" als Regierungsblatt richtet in einem fast beschwörenden Artikel an die Ar beitgeberschaft in Lancashire die dringende Aufforde rung, das einzig mögliche und wirksame Abhilfsmitte! für die Notlage der Industrie, nämlich die gründliche Neuordnung, nicht länger hinauszuschieben. Schwere Verkehrsunfälle in Wien. Wien, 29. Juli. Am Sonntag ereigneten sich in Wien zwei schwere Verkehrsunfälle. Als Opfer sind ein Toter, mehrere Schwerverletzte und zahlreiche Leicht verletzte zu verzeichnen. Der schwerste Unfall ereignete sich in Hietzing, wo eine 75jährige Frau, als sie eine noch in Fahrt befindliche Straßenbahn verlassen wollte von einem Kraftwagen umgestoßen wurde, und mit einem schweren Schädelbruch liegen blieb. Ein fol genschwerer Zusammenstoß ereignete sich auf der Floris- dorfer Brücke. Zwei Kraftwagen, die mit ziemlicher Ge schwindigkeit über die Brücke fuhren, stießen, da ein Kraftwagen auf der verkehrten Seite fuhr, zusammen, und verkeilten sich ineinander. Benzin und Oel flossen auf die Straße und gerieten in Brand. Eine Frau er litt sehr schwere Brandwunden, sowie Schnittwunden an der Brust und im Rücken. Der Führer und eine Frau des zweiten Kraftwagens wurden schwer verletzt. Die Feuerwehr konnte den Brand bald löschen. Der schuldige Kraftwagenführer ist verhaftet worden. Fünf Selbstmorde und sechs Selbstmordversuche in Wien. Wien, 29. Juli, Am Sonntag verzeichnete man in Wien fünf Selbstmorde und sechs Selbstmordversuche. Ein Bundesangestellter sprang wegen Krankheit und Familienzwist in die Donau. Ein Kellner stürzte sich aus Furcht vor einer Gerichtsverhandlung aus einem Fenster seiner Wohnung im dritten Stockwerk aus die Straße. Ein Schneidergehilfe erhängte sich an einem Fensterkreuz. Ein 60jähriger Anstreicher wurde in der mit Leuchtgas angefüllt Küche tot aufgefunden. In einem Wald in der Umgebung von Wien fanden Aus flügler einen alten Mann an einem Baum erhängt auf. Die zweite Probefahrt des „Graf Zeppelin" Friedrichshafen, 28. Juli. Das Luftschiff „Graf Zeppelin" ist am Sonntag früh 7.34 Uhr unter Führung vs» Dr. Eckener zu seiner zweiten großen Probefahrt auf gestiegen. An Bord befinden sich außer der Besatzung noch 27 Fahrgäste. Um 8.50 Uhr erreichte das Luftschiff Stuttgart, und um 9.30 Uhr überflog es Karlsruhe, von wo aus es in Richtung nach der Pfalz weiterflog. Um 11.45 kreuzte das Luftschiff über Trier und setzte seine Fahrt in der Richtung des Moseltales fort. Kurz vor 13 Uhr wurde sodann das Luftschiff über Koblenz gesichtet. Amerikafahrt in der kommenden Woche. Friedrichshafen, 28. Juli. Nach der bei schönstem Wetter ausgeführten Probefahrt, die beinahe zwölf Stun den dauerte, ist „Gras Zeppelin" im Heimathafen kurz nach 19 Uhr wieder glatt und ohne jeden Zwischenfall gelandet. Eine riesige Menschenmenge wohnte der Lan dung bei. Die Motoren, die wie bei der ersten Probefahrt auf Höchstleistung gebracht worden sind, haben zur höchsten Zufriedenheit der Schiffsleitung gearbeitet. Folgende Städte wurden überflogen: Tübingen, Stuttgart, Karls ruhe, Pirmasens, Landau, Kaiserslautern, Koblenz, Worms, Villingen, Tuttlingen und Mtenrhein. Chinesisch-russische Verhandlungen in Berlin? Die deutsche Regierung nicht beteiligt. Washington, 27. Juli. Staatssekretär Stim- son gab bekannt, daß nach einer offiziellen Mitteilung, die ihm der chinesische Gesandte Wu gemacht habe, die Regierungen in China und Rußland zurzeit durch ihre diplomati scheu VertreterinVer linVor- verhandkungen führen mit der Absicht, den Konflikt um die ostchinesische Bahn direkt zu erledigen. Auf Anfrage erklärte man im Staatsdepartement, daß Berlin gewählt worden sei, weil dort zwei der hervor ragendsten Vertreter der beiden Länder Missionschefs sind. Die deutsche Negierung selbst sei, soweit ihm be kannt, an diesen Verhandlungen nicht beteiligt. Die amerikanische Negierung begrüßt diesen Beweis des ernstlichen Willens der beiden Negierungen, baldmög lichst zu einer Verständigung zu gelangen. Im allgemeinen beurteilt inan neuerdings die Lage im russisch-chinesischen Konflikt wieder stark opti mistisch. Dazu hat wohl neben der Tatsache, daß Vor verhandlungen eingeleitet worden sind, eine Exkiärung des chinesischen Außenministers beiqetragen. die er im Laufe des Sonnabends abgab und auch in Washington durch die chinesischen Botschafter zur Kenntnis brachte. In dieser Erklärung wird zunächst noch einmal die kom munistische Propaganda festgestellt, aber schließlich be tont, daß China weder russische noch sonstige legitime Rechte an der Bahn zu verletzen beabsichtige und eine Regelung des Streites auf friedlichem Wege anstrebe. Es wurde besonders begrüßt und besonders günstig aus genommen, daß der chinesische Außenminister betont, daß eine Konfiskation von Privateigentum nicht in Frage komme. Man hofft daher, daß eine Verständi gung verhältnismäßig bald möglich werden wird.