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Wir- England umsallen? Die öffentliche Meinung Englands bekennt sich wohl ohne Parteiunterschied zur sofortigen Räumung des Rheinlandes. Es ist kein Zufall, das; ein so einfluß- reiches Blatt wie „Manchester Guardian" in einem seiner letzten Leitartikel sich mit der ganzen Wucht tref fender Argumente für die Lösung des Rheinland problems einsetzt, und Punkt für Punkt alle Einwände gegen die sofortige Rheinlandräumung widerlegt. „Manchester Guardian" ist ein liberales Organ — die englische Regierung ist eine Arbeiterparteiregierung. Und doch ist das liberale Blatt in seinen Ausführungen viel radikaler als die Mitglieder des Arbeiter-Partei- Kabinetts. Es scheint, als ob auch die jetzige Negierung mehr Rücksicht auf Frankreich zu nehmen gezwungen ist, als es ihr lieb wäre. Noch vor wenigen Tagen haben einige Optimisten erwartet, das; die englischen Truppen aus dem Rheinland sofort zurückgezogen werden, ohne Rücksicht darauf, ob Frankreich und Belgien es auch tun oder nicht. Diese Erwartungen sind getäuscht worden. Der neue englische Aussenminister Henderson hat sich für eine gemeinsame Räumung ausgesprochen. Er will Frankreich nicht brüskieren. Seine Bemerkung, dass es selbst Deutschland unange nehm wäre, wenn nur englische Truppen abzögen, und die französischen und die belgischen Truppen weiter ver bleiben würden, ist ein politischer und psychologischer Irrtum, vielleicht ein von Henderson beabsichtigter Irr tum. Denn Henderson mutz ausgezeichnet darüber orien tiert sein, datz ein Abzug englischer Truppen aus dem Rheinland von dem gesamten deutschen Volk als freund licher Akt begrützt würde. Aber Henderson will eben dem deutschen Volk dieses Vergnügen nicht bereiten, weil dadurch Frankreich und Belgien in eine recht peinliche Situation gebracht würden. Das liegt anscheinend doch nicht im Sinne der englischen Regierung. Man hat dem konservativen Autzenminister Sir Austen Chamberlain in der letzten Zeit vorgeworfen, er sei in eine demütigende Abhängigkeit von Briand und Poincare geraten. Der neue englische Autzenminister Herbert Henderson mlltzte erst noch beweisen, inwieweit ein solcher Vorwurf nur Sir Austen Chamberlain persönlich und nicht d i e gesamte und gegenwärtige englische Außenpolitik trifft. Die ersten Regierungstage des neuen Kabinetts haben nichts an der Tatsache ge ändert, datz es heute Frankreich ist, das in Europa herrscht und allen Staaten seinen Willen aufzwingt. Die politische Hegemonie Frankreichs würde in den letz ten Jahren von England widerspruchslos unterstützt. Düsseldorf, 8. Juli. Die Spitzenorganisation der rheinisch-westfälischen Wirtschaft, der Verein zur Wah rung der wirtschaftlichen Interessen im Rheinland und Westfalen, hatte zu heute seine Mitglieder und Freunde zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung nach Düsseldorf eingeladen, um über die Ergebnisse der Pariser Konferenz Stellung zu nehmen. Unter den zahlreichen Teilnehmern waren auch die Spitzen der industriellen Verbände der Reichsbahn, der Wissenschaft und Presse vertreten. Auch Dr. Vögler, Dr. Kastl und Dr. Mel chior waren anwesend. Die Tagung wurde eingeleitet durch eine Ansprache von Generaldirektor Reusch-Oberhausen, der u. a. folgendes ausführte.' Der deutschen Abordnung gebühre für ihren zähen Kampf aufrichtiger Dank, besonders auch Dr. Vögler. Die gehässigen Angriffe gegen Dr. Vögler müsse man lebhaft bedauern. Mit der im Poungplan vorgesehenen Festlegung der Tributpflicht auf weitere lange Jahre wird und kann sich das deutsche Volk nicht abfinden. Wer wie ich Enkelkinder hat, welche bereits die Schulbank drücken, mutz bei Durchführung des Abkommens mit der geradezu erschütternden Tatsache rechnen, datz seine Nachkommen bis in die fünfte Generation tri butpflichtig bleiben. Datz die Höhe der vorgesehe nen Annuitäten für die deutsche Wirtschaft untrag bar ist, haben sämtliche Sachverständigen zum Aus druck gebracht. Kein verständiger Mensch denkt da ran, datz diese Annuitäten aus Ausfuhrüberschüssen herausgeholt werden könnten. Von dem deshalb un vermeidlichen Ausverkauf der deutschen Wirtschaft, der bereits begonnen hat, wird insbesondere die deut sche Industrie betroffen. Ausländer werden einen grotzen Teil der deutschen Industrie beherrschen. Das deutsche Volk würde bald aufhören, eine Nation zu sein, Deutschland würde zu einem geographischen Be griff herabsinken. Mit einem überzeugenden Zahlenmaterial schloß der Redner mit der eindringlichen Mahnung: „Der Herr Reichsinnenminister hat am 14. April 1929 in Kiel ge sagt: Verbilligung der Produktion und Erhöhung der Kaufkraft der Massen sind unsere Ziele. Mit diesen Zielen können auch wir uns einverstanden erklären. Die gegen wärtigen Maßnahmen der Regierung haben ihr Ziel noch keineswegs erreicht, die Ausfuhr ist beschwert, der Inder ist gestiegen, die Arbeitslosigkeit hat zugenommen. Nach Generaldirektor Reusch sprach Geheim rat Prof. Dr. Weber-München über das Er gebnis der Pariser Konferenz führte folgendes aus: „Durchdenkt man die weltwirtschaftlichen Zusam menhänge unbefangen, so kommt man mit Notwendig keit zum Ergebnis, datz in der kapitalistischen Weltwirtschaft mit ihrer verwickelten Arbeitsteilung und ihren auf gegen- Wird es auch weiterhin so bleiben? Das Kabinett Mac donald-Henderson wird nicht umhin können, diese Frage recht schnell und recht klar zu beantworten, und zwar durch Taten. Das Rheinlandproblem bietet ihm die beste Gelegenheit dazu. Auch England gegen die „unnötige Erörterung der Saarfrage". London, 8. Juli. Der diplomatische Mitarbeiter des „Daily Telegraph" bestätigt, datz die britische Re gierung in dem in Paris überreichten Aide memorire an ihrer Auffassund festgehalten hat, wonach sie der französischen Ansicht, die sich aus dem Poung-Plan er gebenden Fragen auf mehreren aufeinanderfolgenden Sachverständigen- und diplomatischen Konferenzen zu regeln, nicht beitrsten könne. Im Hinblick auf diekri - tische Lage des französischen Kabi netts wird mit einer mehrtägigen Verzögerung der französischen Antwort gerechnet. Den Hinweis des Aussenministers Henderson im Verlaufe seiner politi schen Rede im Unterhaus am Freitag, datz die britische Negierung von der französischen Seite her keine unüber windlichen Hindernisse für ihre Aufassung hinsichtlich einer sofortigen und vollständigen Räumung des Rhein landes erwartet, bezeichnet der Mitarbeiter in ihrer Höflichkeit als etwas übertrieben. Die französische Re gierung werde vielleicht im Laufe der Zeit von ihren Forderungen — ständige Feststellungs- und Ausgleichs kommission, Einsetzung der internationalen Bank und Kommerzialisierung des französischen Anteils an den deutschen Zahlungen — zurückweichen, aber ihre Stel lung nicht bereitwillig aufgeben, so datz die Konferenz in jedem Falle schwierig zu werden verspreche. In englischen Kreisen sei man der Auffassung, datz viele Schwierigkeiten sehr erheblich vermindert würden, wenn Washington ebenso wie im Jahre 1924 einen amerikanischen Beobachter auf die Konferenz entsenden würde. Im Jahre 1924 sei es bereits sehr wesentlich der Einflutz des amerikanischen Beobachters, Oberst Logan, gewesen, der bei zwei wichtigen Gelegenheiten die da mals auftretenden Widerstände zu brechen verstanden habe. Was die Saarfrage angehe, so werde damit ge rechnet, datz die französische Regierung ihre Erörterun gen auf der kommenden Konferenz ablehnen wird. Der Mitarbeiter bestätigt, datz auch in englischen Kreisen die Aufrollung der Saarfrage in diesem Augenblick als unzweckmäßig angesehen werde. Es werde nunmehr angeregt, datz der Wert der Saargruben, auf deren Rückgabe Deutschland besonderes Gewicht lege, d«rch die Konferenz abgeschätzt werden solle, um eine Grundlage für eine frühere Rückgabe des Saargebietes an Deutsch land gegen deutsche Zahlungen an Frankreich zu schaffen. seitiges Geben und Nehmen eingerichteten Aus tausch kein Platz ist für einseitige Tributleistungen, vollends nicht in dem Umfange, wie es Deutschland zugemutet wird. Tatsächlich sehen wir überall die Finanzmini st er der ehemaligen Feindstaaten die Kriegsentschädigungen herbeisehnen, die Handelsmini st er aber müssen sich die erdenklichste Mühe geben, um den Millionen segen von der Wirtschaft, die von der Gratiskonkurrenz nichts wissen will, abzuwehren. Allgemein ist ferner die Erkenntnis vorgedrungen, datz letzten Endes die breiten Massen der Bevölkerung die Last der Tribute zahlen müssen. Suchen sich die Ar beiter durch künstliche Hochhaltung der Löhne zu weh ren, dann werden sie dafür Minderung des Kapitals und damit vergrößerte Arbeitslosigkeit in Kauf nehmen müssen. Die davon ausgehende soziale Beunruhigung muß der Ausbreitung der bolschewistischen Tendenzen Vorschub leisten. Auch aus dem Grunde bedeuten die Kriegsentschädigungen eine ernste Gefahr für Europa. Deutschland hätte auf Grund seiner gewaltigen bisherigen Leistungen — unsere Var- und Sachlieferun gen machen bis jetzt allein mindestens 40—50 Milliar den Mark aus — namentlich aber deshalb, rHil das Fundament der Kriegsentschädigungen die Kriegsschuld lüge nicht mehr zu halten, theoretisch das beste Recht auf seiner Seite wenn es weitere Tribute verweigern würde, aber es gibt keinen Gerichts hof auf der Welt, vor dem Deutschland seinen Fall an hängig machen könnte. Erfolgt nicht im Rahmen unserer gesamten Wirt schaft und Sozialpolitik recht bald eine grundlegende Umkehr, so mutz ein Teil unserer Wirtschaft verküm mern. Ich habe diese Ausführungen nicht gemacht, um die Arbeitnehmer anzuqreifen. für deren Bestrebungen nach besserer Lebenshaltung im Rahmen des Möglichen jeder sozial denkende Mensch Verständnis haben mutz, sondern aus dem Bedürfnis heraus, Negierung und ge setzgebende Körperschaften zu warnen, auf dem in den letzten Jahren beschrittenen Wege fortzufahren, ein Weg, der auf die Dauer das Ziel eine« besseren Lebens haltung nicht ereichen kann, sondern zur Verelendung des Volkes führen muß. Die uns zugemuteten Lasten übersteigen bedeutend das, was die deutsche Volkswirtschaft zu leisten in der Lage ist. Ganz abgesehen von den grundsätzlichen Be denken gegen die Kriegsentschädigungen überhaupt. Nehmen wir den Poungplan, so werden wir uns abermals bemühen müssen, Unmögliches möglich zu machen. Ehe wir daran denken, diesen Weg zu be schreiten, müssen die Rheinlands völlig frei werden und wird auch das Saarproblem zu unserer Zufriedenheit geregelt werden müssen. Die Länder der Welt dürfen nicht übersehen, datz, wenn man den Vogen zu straff gespannt hat, unser Untergang gleichbedeutend wäre mit dem Untergang der ganzen europäischen Herrlichkeit und das würde auch für den amerikanischen Geldbeutel eine äußerst empfindliche Einbuße bedeuten. Eupen un^ Malmedy wollen wieder zum Deutschen Reich Vonn, 7. Juli. Die Vereinigten Landsmannschaften Eupen-Malmedy-Montjoie traten in Bonn zu einer Tagung zusammen. Es wurde folgende Entschließung gefaßt und an das auswärtige Amt des Reichsmini steriums für die besetzten Gebiete und das preußische Staatsministerium gesandt: „Die Jahresversammlung der Vereinigten Lands mannschaften Eupen-Malmedq-Monjoie richtet an die Neichsregierung die dringende Bitte, bei den kommen den Verhandlungen mit Belgien dafür Sorge tragen zu wollen, datz der bei den belgischen Wahlen vom 26. Mai klar und unverfälscht zum Ausdruck gekommene Wille der abgetrennten Gebiete, wieder mit dem deutschen Vaterlands vereinigt zu werden, gehört und mit allen Mitteln zur Geltung gebracht werde." Zu der Tagung waren aus Neu-Belgien über 200 Gäste erschienen. Weitere Deutsche aus Neu-Belgien hatten sich angemeldet, mußten aber wegen Schwierig keiten mit der belgischen Behörde im letzten Augenblick absagen. Stratzenschlacht in New-Orleans Im Zusammenhang mit dem Stratzenbahnerstreik kam es vorgestern erneut zu schweren Straßenkämpfen, bei denen die Polizei mit Tränengas und Bomben vor gehen mußte. Die Behörden erwägen die Verhängung des Ausnahmezustandes, da sie sonst die Unruhen nicht Niederkämpfen zu können glauben. Die Streiken den, verstärkt durch Pöbel, versuchten, ein großes Straßenbahndepot in Brand zu setzen, wo 5000 Ar beitswillige untergebracht sind. Die polizeilichen Dek- kungsmannschaften gingen unter Anwendung aller Kampfmittel gegen die Menge vor. Auch die Feuer wehren wurden gegen die Angreifer aufgeboten. Stel lenweise geriet die Polizei gegenüber den Empörern in verzweifelte Lage. Es gelang bisher nicht, die Aufrüh rer zu zerstreuen, obwohl Tränengase und riesige Was sermengen gegen sie angewendet werden. Die Polizei- leitunq erließ eine letzte Warnung an die Streikenden, in der sie betonte, daß sie rücksichtslos auch von den äußersten Mitteln Gebrauch machen müsse, wenn die Ge waltakte nicht aufhörten. Die Metallarbeiter beabsichtigen, in einen Sym pathiestreik zu treten. Eine große Anzahl von Streiken den überrannte die Polizeiposten, legte au sieben Straßenbahnwagen Feuer an und sprengte die Depots mit Dynamitbomben in die Luft. Als die Feuerwehr den Brand an den Straßenbahnwagen löschen wollte, zerschnitten die Aufrührer die Schläuche. Nach dem Ein treffen von Polizeiverstärknngen entspannen sich neue Kämpfe, wobei die Streikenden Pflastersteine als Waffe benutzten. Die Polizei machte erneut von der Schußwaffe Gebrauch. Attentat auf den bulgarischen Ministerpräsidenten In Anwesenheit des Ministerpräsidenten Liaptscheff und des Ministers Wissileff hatte am Freitag die feier liche Einweihung einer neuen Chaussee im Nhodope- gebirge stattgefunden. Als die Minister und die übri gen Gäste auf der Heimfahrt in Kraftwagen in die Nähe des Ortes Kritschim bei Philippopel kamen, wurde der als letzter fahrende Kraftwagen aus der Dunkelheit be schossen. Die Kraftwagen, in denen sich der Minister präsident und der Minister befanden, kamen ohne Zwischenfall an der Unfallstelle vorüber. Der Wagen, in dem mehrere Abgeordnete und der Kreispräfekt von Philippopel saßen, wurde von, einer an beiden Straßen seiten ausgestellten Gruppe mit einer Gewehrsalve emp fangen. Ein Polizeiagent wurde von einer Kugel töd lich getroffen. Der Täter konnte unerkannt entkommen. Aus Philippopel wurden Truppen aufgeboten, die die ganze Gegend absuchten. Wahrscheinlich hat der An schlag dem Ministerpräsidenten gegolten, der ihm nur durch die Verwechselung des Kraftwagens in der Dun kelheit entgangen ist. Die Unwetterkatastrophe in Bayern Die Unwetterkatastrophe, die vor kurzem fast ganz Bayern heimsuchte, ist noch viel größer, als die bisheri gen Meldungen erkennen ließen. Die Getreideernte, die Obst- und Kartoffelernte sind in vielen Gegen den nahezu vollständig vernichtet worden. Man rechnet mit einem Gesamtschaden von vielen Millionen. Auch der Bayrische Wald wurde durch das Unwetter schwer heimgesucht. Der angerichtete Schaden an Feldern. Wäldern und an den Straßen ist ungeheuer. Durch die Gewalt des Unwetters wurden mehrere Personen ver letzt. Am meisten wütete der Sturm im Bayrischen Wald in den Städten Deggendorf und Zwiesel. Weite Kreise der Landbevölkerung haben unter den wirtschaft lichen Folgen der Katastrophe schwer zu leiden. Am Sonnabendnachmittag ging über viele Gegenden des Lhiemgaues ein neues schweres Hagelwetter nieder. Zehn Minuten lang prasselten riesige Hagel körner auf die Fluren. Mehrere Gemeinden wurden vollständig verhagelt. Die Ernte wurde zu hundert Pro zent vernichtet, die Felder wurden dem Erdboden gleich gemacht. Die Opfer des Unwetters. Die Unwetterkatastrophe im nördlichen Böhmen am Donnerstag hat alle Befürchtungen übertroffen. Durch die zerstörten Telephonlinien ist es erst jetzt mög- Der Wahnsinn -es Boungplanes.