Volltext Seite (XML)
Schweres Flugbootunglück auf dem Bodensee 5 Tote, 2 Verletzte. Lindau,.30. Juni. Am Sonnabend 18.10 Uhr stürzte zwischen Bad Schachen und Lindau die erst vor einigen Wochen in Dienst gestellte Dornier-Seeflngmaschine des Bodensee-Aero-Lloyd „D. 1620", als sie auf der Rück kehr von einem Rundflug auf den See aufsetzen wollte, mit solcher Wucht auf das Wasser, daß sich der vordere Teil mit dem Motor vom Rumpf trennte und das Flug zeug nach kurzer Zeit zum größten Teil im Wasser ver sank. Ein Teil des Rumpfes ragte 30 Zentimeter aus dem Wasser heraus. Dem Bootsvermieter Enderling und seinem Sohn gelang es, zwei Personen aus dem Rumpf des Flugzeuges herausznbringen, und zwar den Apotheker Fierley aus Friedberg in Hessen und den Kaufmann Wüster aus Barmen. Wüster hatte schwere Quetschungen an der Brust erlitten, während Fierley fast unverletzt geblieben war. Die beiden Frauen der Geret teten konnten vom herbeigeeilten Wasserschutz der Landes polizei nur noch als Leichen geborgen werden. Ebenso ertranken der bekannte Lindauer Ballonführer Eduard Hagge und Oberbaurat Ludwig Haag aus Friedberg in Hessen, sowie der bekannte Dornier-Flugzeugführer Zinsmeier aus Friedrichshafen, dessen Leiche bis Sonn tag nachmittag noch nicht geborgen werden konnte. Man nimmt an, daß sie sich in dem abgetrennten Teil des Flugzeuges befindet. Das Unglücksflugboot stellt eine Verbesserung des alten Delphin-Typs dar und konnte acht Fluggäste fassen. Es war das dritte zu Rundflügen über den Bodensee verwendete Flugboot des Bodensee-Aero-Lloyd. Die Ur sache des Unglücks ist bisher noch nicht festgestellt wor den. Es wird vermutet, daß das Flugzeug einen Motor schaden 'rlitten haben mutz, der den Führer zum Nieder gehen neranlatzt habe. Da die Umgegend von Lindau stets von Teilböen heimgesucht wird, wird wohl hierin die Ursache zu suchen sein. Da das Flugzeug nicht ohne weiteres an Land gezogen werden konnte, mutzte sein Rumps mit einem Schlepper unter Wasser in den Lin dauer Hasen gebracht werden. Die Ursache des Flugbootunglücks. Der Pilot von der Sonne geblendet. München, 30. Juni. Zu dem schweren Flugboot unglück auf dem Bodensee am Samstag nachmittag, bei dem insgesamt 5 Personen den Tod fanden, wird von der Süddeutschen Lufthansa mitgeteilt, das Unglück habe sich dadurch ereignet, daß der Pilot, der in westlicher Richtung bei glatter See nach einem Rückfluge landete, von der Sonne stark geblendet wurde, dadurch verschätzte er sich beim Abfangen -er Maschine. Das Flugboot ge riet mit dem Bug unter Wasser und überschlug sich, wo bei der ^ordere Teil des Bootes mit dem Piloten abge rissen wurde, und untcrging, worauf das Wasser in die Passagierkabine eindrang. Die Rettungsarbeiten. Friedrichshafen, 1. Juli. Wie zu dem Flugzeugun glück auf dem Bodensee weiter bekannt wird, geht es den Geretteten verhältnismäßig gut, abgesehen davon, datz beide einen Nervenschock erlitten haben. Beide liegen im Lindauer Krankenhaus. An dem Rettungswerk be teiligten sich auch die Landespolizei Lindau, Privatboot besitzer, der Schwimmverein und die Sanitätskolonne. Um 8.30 Uhr abends waren sämtliche Leichen der Pas sagiere geborgen, während die Leiche des Piloten Zins meir noch nicht aus dem Flugzeug herausgeholt wer den konnte, da sie in der Führerkabine eingeklemmt ist. Nach Lindauer Blättermeldungen ist es übel vermerkt worden, datz der badische Dampfer „Baden", der die Unfallstelle passierte, seinen Weg ohne anzuhalten fort setzte. Mit seiner Hilfe wäre vielleicht die Rettung noch weiterer Insassen möglich gewesen. Die unverständliche Haltung der badischen Schiffssührung erregte großen Pro test bei den am Ufer Versammelten. Än der Unfall stelle traf u. a. auch der Oberbürgermeister Siewert von Lindau -in und beteiligte sich an den Rettungsarbeiten. Drei Unglücksfälle beim Tauben- suhler Vergrennen. Landau, 1. Juli. Im Laufe -es am Sonntag am Taubensuhl bei Landau abgehaltenen Bergrennens er eigneten sich drei UnglücksfäHe, von denen einer schwerer Natur ist. Der DKW.-Fahrer Schätzle-Freiburg kam auf der infolge -es anhaltenden Regens sehr schlüpfrig gewordenen Rennstrecke zum Sturz. Sein Beifahrer kam mit leichten Verletzungen davon. Schätzle mußte mit zer splitterten! Knie in das Landauer Krankenhaus gebracht werden, wo ihm noch in den Abendstunden das verletzte Bein abgenommen werden mußte. Die Maschine wurde schwer beschädigt. Ein weiterer Sturz ereignete sich kurz daraus, als -er ebenfalls Freiburger Fahrer Fickert kurz hinter dem Ziel mit seiner UT.-Maschine zu Fall kam. Fickert erlitt leichtere Verletzungen. Während -er Rennen der Sportwagen geriet -er Mainzer Lancia-Fahrer Schel ling auf der Geraden in der Ebene auf -er aufgeweichten Straße ins Schleudern. Der Wagen fuhr mit großer Schnelligkeit gegen einen Leitungsmast. Wie durch ein Wunder blieb Schelling selbst unverletzt, während der Wagen vollständig zertrümmert wurde. Unglück beim Fichtelberg-Motor- und Kraftwagenrennen. Chemnitz, 30. Juni. Bei dem Fichtekbergrcnncn mit Motorrädern und Kraftwagen ereignete sich ein folgen schwerer Unfall. Der Fahrer der Wagenklasse Engelmann- Dresden stürzte und erlitt einen schweren Schädelbruch, so daß sein Zustand bedenklich ist. Amerika die größere Gefahr! Paris, 1. Juli. Bei dem Festessen am Schluß der Tagung des französischen Jndustriellenverbandes hielt der Abg. F o u g e r e eine aufsehenerregende Rede, in der er über Amerika unter anderem sagte: Amerika sei eine edlerer Gefühle unfähige Nation, die die Welt durch ihr wirtschaftliches Uebergewicht zu erdrücken drohe. Amerika bedeute eine weit größere Gefahr als die, gegen die Frankreich vor 13 Jahren habe kämpfen müssen. Wenn wir, so fuhr der Redner fort, um unsere Freiheit zurückzuerobern, Amerika die Milliarden zu- rnckgcben müssen, die es für notwendig zu erachten scheint, so werden wir sie ihm geben, obwohl Amerika 3^ des Goldes der ganzen Welt besitzt. Vielleicht werden wir gezwungen sein, uns an unsereGegner von g e - stern zu wenden, um mit ihnen ein W i r t s ch a s t s b ü n d n i s zu s ch l i e ß e n, u m Europa zu retten. Paris, 1. Juli. Auf dem Festessen bei einem Kon greß in Besancon hielt der Parteivorsitzende, Abg. D a - lädier, eine Rede, in der er die Fragen der Kriegs- liguidierung streifte. Er machte den Regierungen des nationalen Blockes zum Vorwurf, nur Prestige - Politik betrieben zu haben. In dieser Stunde ständen alle Völker vor der gleichen Frage, entweder sich zusammenzuschließen, oder unter Oberhoheit des ausländischen Goldes, das Europa nach seinem Gutdünken formen wolle, Vasallen zu sein. Es gebe keine Möglichkeit mehr, die Schäden wieder gut zu machen, die ein fünfjähriger Krieg verursacht habe. Hätte man seit 1919 eine Politik der Vernunft befolgt, so stände man nicht den gegenwärtigen Schwierigkeiten gegenüber. Nach Lage der Dinge konnte jedoch Frank reich keinen Pfennig mehr bezahlen, als es von Deutsch land erhalte. Frankreichs Zustimmung zum Poungplan müsse die Abänderung der vorgesehenen Satzung der Jenternationalen Bank zur Folge haben. Caillaux predigt Vernunft. Paris, 1. Juli. Bei einer Veranstaltung- der radikal-sozialistischen Partei in Saint-Paul Le Gaultier hielt der frühere Ministerpräsident und Finanzminister Caillaux, der damals für das Mellon-Veranger- Abkommen verantwortlich zeichnete, eine Rede über die interalliierte Schuldenfrage und den Poungplan. Ein leitend erklärte Caillaut, es sei das erste Mal in der Ge schichte, daß 10 Jahre zwischen der Einstellung der Feindseligkeiten und der finanziellen Abrechnung zwischen Siegern und Besiegten lägen. Er bezeichnete es alsgebieterischePflichtder verantwort lichen Staatsmänner die Flut der Leidenschaften einzu dämmen, Ruhe zu predigen, um zu wissen, daß ein großes Land über Sieg und Niederlage stehen müsse. Er fuhr dann fort: „Die Vernunft, die bisher nur schüchtern an die Tür der Veratungszimmer Europas klopfte, ist im Be griffe, die Schwelle zu überschreiten. Der Sachverstän digenplan wird, wenn man ihn mit allen seinen Folgen annimmt, und nur die übertriebenen Satzungen einer riesenhaften internationalen Bank abändert, zum mindesten die Einigung der Völker Europas vorbereiten. die die Voraussetzung für die wirtschaftliche Unab hängigkeit und die Lebensfähigkeit des alten Kon tinents ist. Wesentlich ist, daß die Vorschläge der Sachverstän digen dadurch, daß sie eine finanzielle Verständigung zwischen den Gegnern von gestern besiegeln jeden Vorwand für die Beibehaltung einer militärischen Besatzung am Rhein nehmen, die mit der in Locarno eingeleiteten Po litik in Widerspruch steht. Wesentlich ist auch, daß der Geist des Maßhaltens die Arbeit des Poungausschusses bei derFestsetzung der von Deutschland zu zahlenden Ent schädigungen beherrschte. Warum mar dies nicht im Jahre 1919 so? Wenn man zu jener Zeit nicht in dem Reiche der Einbildungskraft herumstolziert wäre, und statt astronomischer Ziffern von Deutschland die Zah lung einer vernünftigen Gesamtsumme verlangt hätte, die für die Wiederherstellung der verwüsteten Gebiete in Nord- und Ostfrankreich hinreichend gewesen wäre, dann wären uns auch die wirtschaftlichen Wirren er spart geblieben. Heute verlangt Poincare vom Parla ment die Ratifizierung der interalliierten Schulden abkommen. Wir können nur erwarten, daß unsere ameri kanischen Verbündeten, die uns bereits einen Nachlaß von mehr als der Hälfte unserer Schulden gewährten, eine neue Geste machen. Frankreich kann keine Minute daran denken, seine Unterschrift unter den von seinen Regierungen während des Krieges übernommenen Schuldcnvcrpflichtungen zu verleugnen. Der Wort- bruch würde dem Kredit unseres Landes den größten Schaden zufügen. Reichsernährungsminister Dietrich über sein landwirtschaftliches Programm. Berlin, 29. Juni. Vor einem Kreis von Presse vertretern äußerte sich Reichsernährungsminister Dr. Dietrich abschließend über das Landwirtschaftspro gramm der Regierung nach dem Stande der letzten Reichstagsbeschlllsse. Im Interesse der Regulierung der Getreidepreise sei es gelungen, durch Aufhebung der Zwischenzölle, die am 10. Juli in Kraft treten soll, die Zollsätze für Roggen von 5 auf 6 Mark, für die Ver- tragslünder und auf 7 Mark für die Nichtvertrags länder zu heben. Weizen von 5 auf 6,50 Mark bzw. 7,50 Mark. Der Mehlzoll wird von 11,50 Mark auf 12,50 Mark erhöht. Der autonome Zoll ist 18,75 Mark. Durch die Kündigung des Handelsvertrages mit Schwe den zum 15. Februar 1930 ist zunächst der Weg frei ge worden für das Inkrafttreten der autonomen Eetreide- zölle. Hinzu kommt die Aufhebung der Mehlzollbin dung in dem Vertrage mit Frankreich. Es ist ein Er mächtigungsgesetz zur vorläufigen Inkraftsetzung der neuen Vereinbarung mit Frankreich beschlossen zur neuen autonomen Zwischenzollregelung für Mehl sunter Aufrechterhaltung des bisherigen Verhältnisses des Vertragssatzes zwischen Getreide und Mehls auf der Grundlage von 14,50 Mark gegenüber bisher 11,50 Mark. Wichtig ist, daß der Vermahlungszwang einge- fllhrt worden ist, wobei der Minister ermächtigt ist, nötigenfalls von sich aus den Veimahlungszwang ein zuführen. Der Minister hofft, daß es ohne den Bei mahlungszwang wird abgehen können, er ist aber be reit, jederzeit und ohne große Ankündigung auch zum Veimahlungszwang zu schreiten, wobei der Kontroll apparat sofort einsetzen würde. Der Minister hält aber ein gutes Einvernehmen mit den großen Mühlen für möglich und aussichtsreich. Die Großmühlen im Rhein land haben ihm zugesagt, 300 000 Tonnen mehr Weizen vermahlen zu können als bisher. Die gesetzliche Be stimmung geht dahin, «daß die deutschen Mühlen ge zwungen werden, mindestens 30 v. H. deutschen Weizen zu vermahlen. Außerdem ist der Ernährungsminister ermächtigt, wenn dieser Zwang nicht ausreicht, anzu ordnen, daß das zum Verkauf gelangende Weizenmehl mindestens zu 30 v. H. aus deutschem Weizen herge stellt sein muß. Im Interesse der rechtzeitigen Mobilisierung der Ernte ist ferner für das restliche Haushaltsjahr 1929/30 ein Betrag von 31/4 Millionen NM. zur Verfügung gestellt, für den gleichen Zweck sollen im Haushalt des Landwirtschaftsministeriums für 1930/31 7,5 Millionen Reichsmark bereitstehen. Der Grundgedanke der Reichsregierung ist der, der deutschen Landwirtschaft eine durchgreifende Umstel lung in der Erzeugung zu ermöglichen und Schutzmaß nahmen zu sichern. Die Frage der Erzeugungsumstellung ist nach Ansicht des Reichsernährungsministers mindestens ebenso wichtig wie Zoll- und andere Maßnahmen. Washington erwartet Ratifizierung Paris, 1. Juli. Einer Washingtoner Meldung der „Lhikago Tribune" zufolge, werden die Pariser Mitteilungen, wonach Frankreich die Schuldenabkom men mit den Vereinigten Staaten und Großbritannien nicht ratifizieren wolle, in Amerika als ein unmittel barer Versuch gedeutet, Politik in die Schuldenfrage hineinzutragcn. Die Regierung und der Kongreß stün den jedoch nach wie vor auf dem Standpunkt, daß zwischen den alliierten Kriegsschulden und der deutschen Kriegsentschädigung nicht die geringste Verbindung be stehe. Man rechne in Washington noch immer damit, daß die französische Regierung doch lieber das Ab kommen ratifizieren, als am 1. August 400 Millionen Dollar zahlen werde. Die französisch-amerikanischen Beziehungen seien durch die heftigen Ausfälle in der Kammer gegen die Haltung Amerikas nicht gebessert worden. Besonders die Rede Franklin Bouillons löse Kritik aus. Wird Poincare dem Druck der Kammer nachgeben? London, 1. Juli. Pertinar berichtet im „Daily Telegraph", Poincare werde wahrscheinlich gezwungen sein, dem Druck der Kammer nachzugeben, die Ratifi zierung des amerikanischen Schuldenabkommens an die Bedingung zu knüpfen, daß die Zahlungen von dem künftigen Eingang der deutschen Verpflichtungen ab hängig sein sollten. Die französische Diplomatie werde versuchen, diese Bedingung für die Regierungen in Washington und London annehmbar zu machen. Ucber den Mißerfolg derartiger Bestrebungen ist sich Pertinax anscheinend im klaren, enthält sich aber jeden Hinweises auf die wahrscheinlichen Auswirkungen dieses neuen französischen Vorstoßes. Vor dem Rücktritt des japanischen Kabinetts. London, 1. Juli. Das japanische Kabinett wird nach Tokioter Meldungen in einer für heute einbe- rufencn außerordentlichen Sitzung die letzten Amtsge schäfte durchführen und dann dem Kaiser das Rück trittsgesuch unterbreiten Ob der Rücktritt angenommen wird, steht noch dahin, doch rechnet man in unter richteten politischen Kreisen damit, daß über kurz oder lang die gegenwärtige Regierung aus dem Amte aus- scheidet. Die Rücktrittsabsichten gehen lange Zeit zu rück und haben ihren eigentlichen Grund in der mand schurischen Frage. Die Ansichten des Kabinetts über die Politik in der Mandschurei gingen bereits zu Lebzeiten Tschangtsolins auseinander und sind nach dessen Er mordung immer deutlicher in der Vordergrund getreten. Auch die monatelangen Auseinandersetzungen über die Ratifizierung des Kelloggpaktcs sind gleichfalls aus der durch die Uneinigkeit in der mandschurischen Frage her-