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Das Meitzner Fährbootunglück. Eine amtliche Darstellung. Zum Fährbootunglück in Meißen liegen nun fol gende polizeiliche Feststellungen vor: Am 10. Juni vor mittags, kurz vor 12 Uhr, ist das den Fischermeistern Starke und Mergner gehörige Fährboot „Forelle" bei der Ueberfahrt vom linken nach dem rechten Elbufer dicht unterhalb der Eisenbahnbrücke von dem bergwärts fahrenden Eilfrachtmotorschisf „Pirna" gerammt wor den. Die Insassen des Fährbootes sind sämtlich ins Wasser gestürzt. Außer dem Fährbootsführer Mergner sollen sich sieben Personen im Boote befunden haben. Mergner und der Kaufmann W. von hier haben sich durch Schwimmen ans Land gerettet. Der Speditions arbeiter Emil Hesse aus Leipzig, die Pensionärin Stanislawa Ansorge aus Stahmeln bei Leipzig, die Handlungsgehilfin G. von hier und eine Frau Lau terbach aus Regis-Breitingen sind von den Be satzungen der in der Nähe der Unfallstelle liegenden Schiffe gerettet worden. Die Lauterbach ist auf dem Transport nach dem Krankenhaus gestorben, wäh rend die übrigen drei Personen sich schnell erhalt haben. Zweifellos ertrunken und abgeschwommen sind der Kaufmann Kurt Jobst und der Steinsetzer Otto Mär kisch, beide von hier. An dem Führboot ist an der Vackbordseite fast in der Mitte die Bordwand einge drückt worden. Auch die Steuerung ist defekt. Das Fährboot konnte von der Besatzung des Eilfrachtschiffes und den Inhabern Starke und Mergner geborgen wer den. Mergner hat bei dem Zusammenstoß Rippenguet- schungen erlitten, und hat sich in ärztliche Behandlung begeben müssen. Nach Angaben der Augenzeugen und den gemachten Feststellungen dürfte die Schuld an dem Unfall Mergner und auch den Führer des Eilfrachtmotsrschiffes treffen. Der Schiffsführer Hütte, als er das Führboot von seinem Landungssteg abfahren sah, annehmen müssen, daß er dieses in Gefahr bringen könne. Auch hätte der Schiffsführer sein Fahrzeug nach dem Berajoch zu bei drehen müssen, oder, wenn ihm dies nicht mehr möglich war. Warnungssignale abgeben sollen. Bezüg lich Mergner ist zu erwähnen, daß dieser bei dem schnellen Näherkommen des Schiffes damit rechnen mußte, daß er mit seinem Fahrzeug nicht mehr vor dem Schiffe vorbeikommen werde. Er hätte warten müs- sen.bisdasSchiff vorüber mar. Bei der Ueberfahrt dürfte er auch nicht die nötige Aufmerksam keit auf das Eilfrachtmotorschiff gerichtet haben. Er Hütte setzen müssen, daß das Eilfrachtmotorschiff nach dem Talinch ui Gefahren ist. und durfte nicht annehmen daß dieses unbedingt durch das Vcrgsoch fahren müsse. Insgesamt drei Tote. Weiter wird uns zu dem Unglück gemeldet: Nach den von dem Straßen- und Wasserbauamt und der Kriminalpolizei Meißen angestellten Erörterungen sind insgesamt die erwühnten sieben Passagiere und der Führmeister auf der „Forelle" gewesen. Andere Verlustanzeigen über Vermißte sind nicht eingegangen. Die Leichen der beiden Vermißten Jobst und Märkisch sind trotz eifrigen Suchens bis Dienstagmittag nicht ge fundcn worden. Der Führmeister Mergner ist verhält nismüßig leicht verletzt. Er konnte am Montagabend die geborgene „Forelle" selbst in den Hafen bringen. Die Uebergabe der Angelegenheit an die Staatsanwalt schaft Meißen ist am Dienstagmittag erfolgt. Aus aller Well. * Eigenartiger Verkehrsunfall in Fulda. Bei einem an einer abschüssigen Straße haltenden Lastkraft wagen löste sich die Bremse, worauf der Wagen ins Rollen kam, und die steile Straße hinabsauste. Der Wagen fuhr mit voller Wucht gegen die Vorderfront eines Hauses, und drückte die Hauswand ein. Das Haus wurde so stark beschädigt, daß die gesamte Front bis zur Höhe des ersten Stockwerkes erneuert werden muß. Ein Hausbewohner wurde durch Elassplitter im Gesicht schwer verletzt. " Schwerer Unfall auf einem Rummelplatz. Auf dem Vergnügungsplatz am Holzmarkt in Ratibor löste sich plötzlich eine etwa 100 Kilogramm schwere Gon del von einem fünf Meter hohen Turmkarusscll eines Leipziger Schaustellers. Die Gondel wurde, da sich das Karussell in voller Fahrt befand, mitten unter die Zuschauer geschleudert. Neun Erwachsene und fünf Kin der wurden verletzt, davon ein Erwachsener und zwei Kinder sehr schwer. Das Unglück soll darauf zurückzu führen sein, daß die Drahtseil-Enden nicht vorschrifts mäßig mit der Gondel verbunden waren. Das Unter nehmen wurde vorläufig geschlossen. * Graf Julius Andrassy gestorben. Der frühere ungarische Außenminister Graf Julius Andrassy, der sich am Dienstag mittag wegen eines schweren Protasta leidens einer Operation unterziehen mußte, ist um 18 Uhr an den Folgen der Operation im Alter von 69 Jahren gestorben. * Eine Taufgesellschaft durch zwei Stockwerke ge stürzt. Der Neffe eines Hausbesitzers in Neapel feierte in dem Hause seines Onkels die Taufe seines Sohnes. Während eines Tanzes, der sich an die Tauffeierlich keit anschloß, brach plötzlich der Fußboden der Zimmer im dritten Stockwerk ein, so daß sämtliche Anwesenden in den zweiten Stock hinabstürzten, wo ebenfalls der Fußboden durchschlagen wurde, so daß die Bedauerns werten im ersten Stock unter den Trümmern begraben wurden. Aus den Schuttmassen wurden zehn Schwer verletzte und zahlreiche leicht Verletzte hervorgezogen. Nur einige Mädchen, die sich an die Wand gelehnt hat ten, um den Tanzenden Platz zu machen, blieben von dem Unglück verschont. Aus dem Gerichlssaal. Tragischer Ausgang eines Tanzstundenausflugs. Am Spätnachmittag des 14. März unternahmen eine Reihe junger Leute, deren Bekanntschaft aus einer Tanzstunde herrührte, von Lohmen (Sächs. Schweiz) aus einen Auto mobilausflug zur Eeipelburg nach Meißen. Der Kraft wagen, der dem Besitzer des Gasthofes „Zum Erbgericht" in Lohmen, Emil Müller, gehört, wurde von dessen Stief sohn, dem 19 Jahre alten Koch Otto Rudolf Döring, gesteuert. Die Hinfahrt nach Meißen verlief, trotzdem in dem nur sechs Personen fassenden Wagen sieben Per sonen Platz genommen hatten, ohne jeden Zwischenfall. Auf der Heimfahrt ereignete sich jedoch am 15. März gegen 1 Uhr früh am Eingänge des Ortes Coswig in der Nähe des Gasthauses „Deutsche Eiche" ein außerordent lich bedauerlicher Unfall. Die von Meißen kommende, durch Coswig führende Staatsstraße macht an dieser Stelle eine ziemlich scharfe Kurve nach rechts, geradeaus führt die alte Leipziger Straße zum Güterbahnhof Cos wig. Döring, der wahrscheinlich mit den Oertlichkeiten nicht genau vertraut war, bemerkte infolge des regneri schen Wetters wahrscheinlich erst in letzter Sekunde die Kurve und kam dadurch mit seinem Wagen auf die linke Straßenseite. Hier fuhr er auf einen Steinhaufen, das Auto prallte schließlich noch gegen einen Lichtmast und dabei wurde der im Wagen sitzende 18 Jahre alte Tisch ler Hickmann aus Dittersbach herausgeschleudert. Seine Verletzungen waren so schwer, daß er am 29. März im Ländlichen Krankenhaus zu Meißen verstarb. Döring, der gegenwärtig als Schiffskoch auf dem Lloyddampfer „Stuttgart" fährt, mußte sich nun wegen fahrlässiger Tö tung und Vergehens gegen die Bestimmungen der Kraft fahrgesetze vor dem Gemeinsamen Schöffengericht Dresden verantworten. Die Hauptverhandlung fand, da eine Orts besichtigung der Unfallstelle notwendig war, im Rathaus zu Coswig statt. Zur Last gelegt wurde dem Angeklag ten, daß er mit einem zu stark belasteten Wagen über mäßig schnell und auf der falschen Seite gefahren sei, wodurch der Unfall entstanden und damit der Tod des jungen Hickmann verschuldet worden sei. Der Angeklagte, der unbestritten völlig nüchtern war, erklärte den Unfall damit, daß er kurz vor der Kurve auf einen großen Pflasterstein gefahren wäre, dadurch sei der Wagen ins Schleudern geraten und schließlich der bedauerliche Unfall eingetreten. Nachdem das Gericht drei Zeugen und einen Sachverständigen gehört hatte, begab es sich zur Un glücksstelle. Die Inaugenscheinnahme ergab deutlich, daß der Unfall nur dadurch möglich geworden war, daß der Angeklagte zu spät erst die Rechtskurve bemerkte. Ein Stein war damals von niemand bemerkt worden, auch lag die Stelle, die Döring bezeichnete, viel zu nahe an dem Lichtmast, so daß dieser als Ursache des Unfalles ausschied. Das Gericht verurteilte Döring wegen fahr lässiger Tötung zu zwei Monaten Gefängnis und wegen einer Uebertretung nach den Krastverkehrsbestimmungen fUeberlastung des Wagens) zu zehn Mark Geldstrafe oder zwei Tagen Hast. König Fuads Einzug in Berlin. Unser Bild zeigt den Reichspräsidenten und den man die ägyptische Kolonie, die sich zur Begrüßung ihres König (X) vor dem Lehrter Bahnhof. Rechts sieht Staatsoberhauptes eingefunden hatte. Schweres Blut. Roman von Emmi Lewald. H (Nachdruck verboten.) „Ich will ja auch die Tugenden des Hartking gar nicht schmälern/ spottete Hiddensen, „nur wäre es sym pathischer für uns hier gewesen, er hätte weiter auf seinen entlegeneren Höfen gewohnt, wie er es doch die ersten Jahre nach dem Krieg getan hat. Da sind doch seine Pferde koppeln etcetera. Warum setzt er sich nun uns hier direkt an die Stratze — er scheint ja nunmehr definitiv den Ul- menhos bewohnen zu wollen, wenn er sich ausgerechnet dahin sein neues Haus baut." „Gewiß, der Ulmenhof war seines Vaters Hof. Dort ist er geboren und großgezogen. Will er eine Familie gründen, gehört sie dorthin. Auch unsere Bauern haben ihre dynastischen Gefühle. Und wie er mir sagte, legt er auch darauf großen Wert, ein Pfarrhaus in der Nähe zu haben. Die Hartkings waren immer kirchliche Leute und ihre Höse in Osning und Süntal liegen einsam, weitab von dem nächsten Pfarrdorf." „Sie sind ein guter Anwalt für die treuen Schafe Ihrer Herde," murrte Hiddensen. „Ganz gewiß," sagte der Pastor bestimmt und scharf. „Gäbe es nicht noch Gläubige, die sich zur Kirche halten, wo sollte dann wohl für unsereinen noch Freude am Be ruf Herkommen bei so viel »rüstigem Heidentum rings um?" Hiddensen seufzte tief auf und hielt die Karte dicht vor seine kurzsichtigen Augen. „Ach, die Schlehenhecke! Die Schlehenhecke ist ja gar nicht verzeichnet. Die wuchert doch wild, vielleicht e-rst ein paar Jahre. — Der Graben ist die Grenze! Allenfalls stoßen wir und Sie zusammen und wir würden uns schon einigen über den Fall. Aber der Bauer hat hier nichts zu tun, glauben Sie mir." „Du läufst ja schnell," sagte Gerda zu dem rotblonden Jungen, der neugierig neben ihr stand. „Spring auf den Ulmenhof und sieh zu, ob der Herr da ist. Und sage, das Fräulein von Wessenberg und Baron Hiddensen bäten ihn zu einer Rücksprache hierher." „Ich muß selbst dorthin," sagte der Geistliche. „Ich gehe auch einen tüchtigen Schritt. Ist Herr Hartking nicht da, kann man vielleicht vom Ulmcnhos aus an ihn tele phonieren." „Er hat ja Pferde genug, um schnell zur Stelle zu semi" sagte Hiddensen scharf. „Vorgestern hat er ja wieder ein Rennen gewonnen auf seinem „Nrminius"! Zu diesen Leuten, die Geld haben, kommt immer mehr dazu. Das ist wie ein Naturgesetz. Nein wie magnetische An ziehung." „Also, wir bewachen hier den Fund," sagte Gerda. „Kommt er dem Bauern zu, muß er ihn sofort auf seinen Hof nehmen, bis die Besitzrechte geklärt sind. Bei mir im Schloß ist dergleichen nicht sicher — ich habe keine verläß lichen Leute mehr. Und in Hiddensen ist das vermutlich ebenso. Ich weiß, daß Hartking einen Freund in der Nähe hat, der Spezialist ist für derartige schöne Überraschungen, wie sie im Gebiet der Weser noch zuweilen zutage kommen. Er kann ja dann mal den Schatz taxieren." Dann wandte sie sich der Quelle zu, die märchen haft unbeirrt immer im gleichen Sprudeltatt sich in der Welt der Erdoberfläche zurechtfand. „Ihrem Vetter wäre etwas Bares auch zu gönne«," sagte Hiddensen und trat aus der Hörweite der Arbiter fort an ihre Seite. „Möglich, daß die Schlehenhecke die Grenze ist, aber doch nur zwischen Ihnen und uns! Muß ich teilen, teUe ich mit Ihnen lieber als mit dem Bauern, zumal ich ja auch immerhin schon vorhatte, den eventu ellen Vorschlag einer gemeinsamen Bädergrüudung Ihnen und Ihrem Vetter zu machen. Mir scheint so was äußerst zukunftsreich. Nur natürlich richtig aufgezogen werden muß es. Golfplätze für die Amerikcmer. Das ist die Hauptsache. Und Golfplätze hat die Konkurrenz hier noch nicht — ich sehe es ordentlich vor mir! Tennistourneeu, Rugby, die ersten Erbinnen von drüben " Gerda legte den Kopf zurück und schloß die Auge«. „Gott! Baron Hiddensen! Mir ist, als hörte ich Albrecht sprechen. Diese irrsinnige Projettenmacherei. Nichts verstehen und alles gründen wollen! Illusionen fernen Reichtums, wo jede finanzielle Vorbedingung Hiddensen wurde zornig. „Mit Ihrem Pessimismus und Ihrer Schärfe kommt man jedenfalls auch nicht voran, verehrte Nachbarin," sagte er ingrimmig. „Auf die Weise erreicht man nur, mit den paar nahen Menschen, die man noch hat, gänz lich zu verkrachen. Sie sind berühmt für Ihre Schroff heiten. Mit dem eigenen Vetter, Ihrem nächsten Ver wandten, haben Sie das Tischtuch entzweigeschnitten, ob wohl Sie mit ihm Ihr Alt-Wessenberg teilen, jede Scholle halb und halb mit ihm besitzen und aus gutes Einver nehmen mit ihm doch direkt angewiesen sind." Gerda lachte „Meine Unbeliebtheit zwischen Weser und Lippe s mich nicht, r § sie nur in den Kreisen besteht, die mir gleich gültig sind. Schroff? Nun ja! Das war allzeit die erb liche Untugend derer von Wesicuberg. Sie wissen, daß in der Chronik von dem streitbaren Bischof Wedigo steht, der so eigensinnig war, daß er lieber in seinem brennenden Schloß umkam, ehe er sich von einem verfeindeten Lehns- vetter retten ließ. Gegen Albrecht aber bin ich schroff mit allem Grund, denn er ist es, der mit seinen Schulden und den Schulden seiner Frau mir die Scholle ruiniert! Für mich gibt's nur einen Gedanken, für den ich lebe, und das ist Äe Scholle, der Boden hier!" „Das funktioniert ja alles sehr rasch!" rief Hiddensen, „refhÄtaAe Beine hat der Herr Pastor. Da kommt wahr- hastig sihim der Bauer auf seinem famose« „Arminius" an- getrabt. Met« Gott, welche Zeitenwende müssen wir ev- Gerda ging langsam zur Quelle zurück. Sie bohrte dte Zinken der Harke in die feuchte Erde und lehnte wieder des GM gegen ihre Brust. Beide Hände nm den Stiel Affattet, stand sie reglos da und sah sehr aufmerksam dem Retter zn, der da abspraug und dem «Oe« der umher - stehenden Jungen das Pferd übergab. Gerda von Wessenberg war noch nie in die Lage ge kommen, ein Wort mit diesem Nachbam zu wechseln. Da das Geschieh des Bauern eisst Prozesse gegen ihren Vetter gehabt hatte, schnitt man sich, wo man sich traf. Sie grüßte ihn noch kürzer a« fie vorher Hiddense« gegrüßt hatte. Hiddensen stand mit verschränkte« Arme« mW grüßte beinah «och kürzer als Gerda. Auch der „Bauer" grüßte kaum, sie standen wie feind liche Weltanschauungen gegeneinander und nmüerte« sich kalt. „Ich bin bereits im Bilde," begann Hartking, „meine Sarü ist nicht zur Hand. Wenn Fräulein von Weffenberg eine Karte besitzt, kann sie ja selbst äußern, ob die Grenze bei der Schlehenhecke oder beim Graben ist." Gerda sah ihn scharf an. Der „Bauer" hatte das alte Familiengeficht dieser Hartkings. Sie hatten alle so aus gesehen, der Vater und die drei Brüder, die im Kriege blieben. So von fern war ihr dies Gesicht als allgemeiner Typus geläufig, ein Gesicht, finster und willensstark, hell von Haut, älter als seine Jahre. Sie fühlte ein heftiges Widerstreben gegen seine kurz^ gleichgültige Art. igonfeyunp iolgi.