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dieser wachsende Reue über seine Untaten zeigte. Tat sächlich traf er Filke in sehr gedrückter Stimmung an und der Zigeunerhauptmann gestand dem Präsidenten alle sechs Morde ein, die ihm zur Last gelegt werden. Das Geständnis erfolgte unter vier Augen. In der heutigen Verhandlung beschloß der Gerichtshof, zu Mittag einen neuerlichen Lokaltermin in Stosz, wo Jmling ermordet wurde, vorzunehmen. Poincare über den Frieden. Paris, 3. Juni. Ministerpräsident Poincare hielt bei der Einweihung eines Kriegerdenkmals in einem Pariser Stadtteil eine Gedenkrede, in der er sich gegen diejenigen wandte, die zukünftige Kriege dadurch am besten zu verhindern meinten, daß sie die Erinnerung an bisherige Kriege aus der französischen Geschichte aus löschten. Nach Ansicht des französischen Ministerpräsi denten, ist die Friedensliebe Frankreichs, die durch die erduldeten Leiden verstärkt werde, durchaus mit der Huldigung an die Tapferkeit und der Erwähnung der gebrachten Opfer zu vereinbaren. Man werde den Frieden nur dadurch stärken können, daß man die Ge fühle und die Haßgedanken, die ein schrecklicher Kampf zurückgelassen habe, allmählich durch versöhnlichere An schauungen ersetze. Frankreich habe durch sein Ver halten gegenüber seinen ehemaligen Feinden unauf hörlich gezeigt, daß es mit seinen ritterlichen Ueber- lieferungen nicht brechen wolle und bereit sei, mit allen Völkern herzliche Beziehungen aufzunehmen. Wenn es mitunter noch von vergangenen Kämpfen spreche, so ge schehe dies nicht, um irgendeinen Groll aufrecht zu er halten. Eine Nation, die unter dem Vorwand, den Krieg abzuschaffen, sich den Anschein geben würde, als schäme sie sich der im Kriege offenbarten Eigenschaften, werde sich selbst herabsetzen und die Gefahr heraufbe schwören, die Quellen der moralischen Kräfte zum Ver siegen zu bringen. UmAMM M ein LMssinanMt. Oldenburg, 3. Juni. In der Nacht zum Montag wurde auf die Gebäude des hiesigen Landes finanzamtes und der Finanzkasse, die am Marktplatz liegen, ein Sprengstoffattentat verübt. Durch den Luft druck wurden sämtliche Fenster, die nach der Seite der Lambertkirche auf dem Marktplatze zu liegen, sowie die Fenster der Landessparkasse vollständig zertrümmert. Auch die Fenster der Kirche sind zum Teil eingedrückt worden und eine Kirchentür wurde von innen nach außen aufgerissen. Die Sprengladung ist wahrschein lich in der Ecke der Landesfinanzkasse und des Landes finanzamtes gelegt worden. In der Finanzkasse sind durch den Luftdruck sämtliche Türen eingedrückt worden. Beschädigungen der Gebäude liegen nur an der Stelle vor. wo die Sprengladung angebracht war. Die Ex plosion war weit über das Stadtgebiet von Oldenburg zu hören. Die Kriminalpolizei, der Generalstaatsan- walt und Oberstaatsanwalt sowie der Untersuchungs richter waren bald am Tatort. Vis jetzt ist von dem Täter noch nichts bekannt. Der StahShelmtag in München. Vorbeimarsch des Stahlhelms vor Seldte und Düsterbrrg München, 2. Juni. Punkt 3Z4 Uhr begann vor dem Nationalmuseum in der Prinzregentenstraße, in dessen Umgebung sich schon lange vorher eine große Menschen menge angesammelt hatte, der Vorbeimarsch des ge waltigen Zuges vor den beiden Führern des Stahl helms, Seldte und Düsterberg, die auf einem schwarz-weiß-rot ausgeschlagencn Podium den Vorbei marsch abnahm. Zuerst marschierten lebhaft begrüßt, Ostpreußen vorbei. Ihn folgte, mit ebenfalls starker Beteiligung Danzig. Einen besonders freundlichen Widerhall fanden die Mannschaften aus dem Saar gebiet. Ihnen reihten sich die Abteilungen Südwest afrikas, Nordamerikas, Mexikos und Portugals an. Dann las man die Namen von Straßburg und Tientsien. In besonders großer Anzahl marschierten, mit unaufhör lichen Heilrufen empfangen, die Oesterreicher auf, bei denen allein der Frontkämpferbund mit 1000 Mann vertreten war. Schier endlos waren die Marsch kolonnen des Landesverbandes Groß-Berlin. Hier, wie in zahlreichen anderen Gruppen des Zuges sah man auch Radfahrergruppen, die zu Rad, oft sehr weite Wege von vielen hundert Kilometern zurückgelegt hatten. Bei der Gruppe Potsdam marschierten mehrere Prinzen des Hauses Hohenzollern im Zuge mit. Bei der Gruppe, Mansfeld waren auch Bergleute in ihren kleidsamen Trachten vertreten. Der Fahnengruppe folgten in mächtiger Marschsäule die Trupps aus dem rheinischen Industriegebiet, voran Gelsenkirchen, Essen und Dort mund. Auch hier waren Bergleute in der Knappen tracht zu sehen. Während des Vorbeimarsches hatte sich der bis dahin heitere Himmel gewitterhaft über zogen. Im Vordergründe gruppierte sich die Urzelle des Stahlhelms, die Eründungsgruppe Magdeburg, sowie die Vertretungen des Auslandsdeutschtums. 26 Fahnen neugegründeten Gruppen harrten der Einweihung durch den Bundesführer. Gegen 1 Uhr erschien der Stab des Stahlhelms mit den Ehrengästen, darunter derEene - ralfeldmarschall v. Mackensen in großer Uniform mit der Totenkopfmütze und Großadmiral von Tirpitz. Aus aller Wett. * Frecher Diebstahl am Bankschalter. Ein Kassen bote hatte in der Depositenkasse der Darmstädter u. Na tionalbank in der Königstraße in Berlin eine größere Summe abgehoben und war gerade im Begriff, das Geld am Schalter nachzuzählen. In diesem Augenblick erschien ein Mann -am Schalter, der sich über den Tisch beugte, auf den Bankbeamten einsprach und seinen Hut mit einer unauffälligen Geste auf das noch nicht gezählte Geld des Kassenboten legte. Der Fremde entfernte sich darauf in großer Eile und der Kassenbote stellte fest, daß der Fremde ihm mit diesem Huttrick 1800 M. gestohlen hatte. Im Schalterraum befand sich ein Kriminal beamter, der sofort die Verfolgung des Diebes aufnahm und dabei auf zwei andere Männer stieß, die vor der Bank gewartet hatten und nunmehr mit diesen eine Straßenbahn bestiegen. Der Beamte schwang sich eben falls auf den Wagen und konnte die beiden Komplizen des Diebes fassen, während der Haupttäter durch den Wagen rannte, die Vordertür aufriß und absprang, ehe man seiner habhaft werden konnte. Die beiNen Fest- Sensation im Jakubowski-Prszeß. — August Nogens durch einen kriminalistischen Trick des Mordes an seinem kleinen Neffen überführt. Der Lokaltermin in Palingen brachte eine Reihe von Höhepunkten, wie sie kaum in einem anderen Prozeß vorkommen. Als sich das Gericht mit den Angeklagten von der Heidekate, dem Mordhaus, nach dem Kaninchen loch begab, in dem die Leiche des Kindes ausgefunden wurde, fragte Rechtsanwalt Brandt den Angeklagten genommenen setzten dem Beamten Widerstand entgegen. Das Publikum konnte nur mit Mühe davon abgehalten werden, an den beiden Festgenommenen Lynchjustiz vorzunehmen. Auf dem Polizeipräsidium stellte es sich heraus, daß man zwei langgesuchte Taschendiebe gefaßt hatte. * Kassenraub in Hamborn. Im Depot der städ tischen Straßenbahn in Hamborn drangen vorgestern nacht drei maskierte Räuber mit schußbereitem Revolver während der Abrechnung in den Kassenraum, hielten das Kassenpersonal mit der Waffe in Schach und raubten etwa 1300 Mark. * Verhaftung der Frau Neumann. Nach einer Mel dung Berliner Blätter, wurde Frau Neumann, die Wirtschafterin des ermordeten Professor Rosen, die sich seit Sonnabend bei der Falschgeldzentrale des Berliner Polizeipräsidiums in Haft befindet, am Sonnabend verhaftet und am Sonntag von dem Breslauer Unter suchungsrichter, Landgerichtsrat Otto, vernommen. Sie bestritt die ihr zur Last gelegte Tat wieder ganz ener gisch, so daß beide Vernehmungen ergebnislos abge brochen werden mußten. Die Berliner Kriminalkom missare, die seit 1^ Jahren die Untersuchung weiter ge führt haben, glauben einwandfrei festgestellt zu haben, daß in der Mordnacht in der Bischofswalder Villa keine fremden Personen, auch keine Einbrecher eingedrungen sein können. Als Täter käme nur eine Person in Frage, die in der Villa selbst gewohnt oder übernachtet hat. Sollte das ein Fremder gewesen sein, so habe er nur mit Wissen der Wirtschafterin in die Villa gelangen können. Inzwischen hatte Frau Neumann Breslau ver lassen und hielt sich seit etwa acht Tagen bei einer Be kannten, einer Hellseherin auf, die im Berliner Zen trum wohnt. Vorher hatte sie sich in Bad Salzbrunn aufgehalten und dort als große Dame gelebt. Sie wurde von der Kriminalpolizei dauernd überwacht. Die von den Kriminalkommissaren aufgenommenen Proto kolle umfassen mehr als 1000 Seiten. Nach Ansicht der Justizbehörden steht der Mordfall Rosen vor seiner rest losen Aufklärung. * Lückendorf in Nenyork. Bei einem Automobil rennen auf der städtischen Autorennbahn in Neuyork, raste ein Rennwagen, dessen Führer die Gewalt über die Steuerung verloren hatte, in die Menschenmenge. Zwei Personen wurden auf der Stelle getötet, zwei schwer verletzt. Der Führer liegt ebenfalls schwer ver letzt im Sterben. August Nogens, ob er am Mordabend auch diesen Weg gegangen sei. Der Angeklagte, der bisher stets geleugnet hatte, in Palingen gewesen zu sein, antwortete mit „Ja!" Damit hat sich August Nogens überrumpeln lassen und sich unbewußt verraten. — Unser Bild zeigt das Gericht mit den Angeklagten auf dem Wege von der Heidekate zum Kaninchenloch: 1. Oberstaatsanwalt Weber, 2. Ee- richtsvorsitzender Peter, ganz links (ohne Hut) der An geklagte August Nogens. Josephas Töchter Roman von Lola Stein. 68j (Nachdruck verboten.) Aber Hubert Gerling folgte ihr in ihr Zimmer. „Nicht umkleiden, Lonny. Bei dem heißen Tag kannst du ruhig in diesem Kleid fahren. Bitte, komm endlich! Nimm deinen Ledermantel für alle Fälle mit und die Lederlappe. Setze einen kleinen Hut auf, nimm einen Schleier. So, -nun haben wir alles, was wir brauchen Nun rasch!" Er selbst hatte Ledermantel und Kappe aus dem Schrank genommen und über den Arm geworfen. Er faßte seine Braut an der Hand und zog sie aus dem Zimmer. Wieder beschlich Lonny ein unbehagliches Gefühl. Aber dann ging alles so schnell, so furchtbar rasch, daß sie überhaupt nicht mehr zum Nachdenken kam. Hubert lief beinahe mit ihr die Treppe hinunter und durch den kleinen Vorgarten Nun waren sie am Auto, nun hob er sie hinein. Legte Mantel und Kappe neben sie und sprang auf den Führersitz. Lonny winkte zurück, denn Lily stand am Fenster. Da zog der Wagen an. Fuhr gleich in einem besonders schnellen Tempo, das ihr unangenehm war. Aber es galt ja eiste Wette. So sagte sie nichts. An der nächsten Ecke streifte ihr Auto beinahe ein anderes, in dem nur ein Herr am Führersitz saß. Es ging furchtbar rasch, schon waren sie weiter Aber Lonny meinte, jener Herr hätte Ralphs Züge gehabt. Genau hatte sie ihn nicht gesehen, nur eine Sekunde lang flüchtig. Auch das Auto, das sie deutlicher betrachtet hatte, kannte sie nicht. War es wirklich Ralph gewesen? Sie dachte immer wieder darüber nach. Hatte er sie besuchen wollen und, sie nun nicht angetrosfen? Wie schade. Sie wandte sich um. War das nicht dasselbe graue Auto, das sie beinahe gestreift hatten? War es Ralph, der ihnen folgte? Das war wohl ein unsinniger Ge danke. Aber vielleicht hatte Hubert mit ihm gewettet? Nein, nein, auch das zu denken war Unsinn Sie hätte gern gefragt. Aber jetzt fuhr der Wagen schon in so schneller Fahrt, daß Hubert ihre Stimme, als sie ihn anrief und ihn fragen wollte, wohl nicht hörte. Oder wollte er sie vielleicht nicht hören, sich durch nichts beirren und stören lassen in seiner sausenden Eile? Wieder sah sie zurück. Die Entfernung zwischen dem grauen Auto und ihrem Wagen hatte sich etwas ver größert. So schnell wie Huberts Auto konnten eben die wenigsten fahren. Es war wirklich Ralph, der ihr folgte. Denn er hatte sie erkannt. Wenn die Begegnung auch in Blitzesschnelle geschehen war, so hatte er doch für einen Augenblick ganz deutlich Hubert Gerling am Führersitz und Lonnys lichte Gestalt im Fond erkannt. Und so hatte er den Vorgang kombiniert. Irgend einer seiner Freunde hatte Hubert Gerling gewarnt. Er wußte von seiner bevorstehenden Verhaftung. Er war auf der Flucht. Sicher besaß er einen falschen Paß, der auch auf Lonnys Person lautete. Er war ja mit allen Hunden ge hetzt, dachte an alle Möglichkeiten. Und so würde ihm seine Flucht vielleicht noch glücken, würde er Lonny ent führen. Wenn er mit ihr im Ausland war, war sie in seiner Gewalt. Ohne Freunde, ohne Geld, von ihm bewacht und geguält, würde sie keinen Ausweg sehen, würde sie sich in ihr Schicksal ergeben und dort seine Frau werden. Atte diese Vorstellungen zogen in wirbelnder Schnelle durch Ralphs Hirn. Er drehte den Wagen. „Ihm nach! Hubert Gerling nach! Ihm die Beute abjagen, ihm Lonny entreißen, ehe es zu spät war! Und wenn es sein mußte, auf Tod und Leben mit ihm kämpfen nm sie!" So dachte er. Er vergrößerte die Schnelligkeit. Er hatte einen guten Wagen, aber Hubert Gerlings Auto war wohl noch besser. Und er batte einen Vorsprung von einigen Minuten. „Ihn einholen!" Das war der einzige Gedanke, der Ralph jetzt beherrschte. Alles andere war ausgeschaltet , aus seinem Hirn. Er selbst war zur Maschine erstarrt, zur rastlos arbeitenden, vorwärtsstrebenden Maschine, die über die Straße flog, die die Kilometer fraß, die nichts kannte und wollte und fühlte als nur das eine: Vor wärts! Vorwärts um jeden Preis! Wohin die Fahrt ging, kümmerte ihn nicht, wo er sich befand, wußte er bald nicht mehr. Er hatte keine Zeit, auf die Gegend zu achten. Er sah nichts als diesen vorwärtsstürmenden Wagen vor ihm, den er einholen, den er erreichen mußte um jeden, jeden Preis. Bäume, Hecken, Sträucher, Häuser, Wiesen und Wäl der, Landstraßen, Dörfer mit ragenden Kirchtürmen, dem eigenen Wagen entgegenkommende Autos und dörfliche Gefährte, E, alles flog mit wahnsinniger Schnelligkeit an Lonny vorüber. Sie faß gequält und unruhevoll aus ihrem Sitz. Sie hatte, seit sie das Haus verlassen, noch kein Wort wieder mit Hubert gesprochen. Nicht ein einziges Mal drehte er sich zu ihr um. Wenn sie ihn anrief, verhallte ihre Stimme im Winde, denn er antwortete ihr nicht. Es war, als sei sie überhaupt nicht vorhanden für ihn, als hätte er ihre Anwesenheit vergessen. Sie erhob sich. Alles schwankte um sie her. Sie griff mit beiden Händen nach vorn, hielt sich mit Mühe auf recht, schnellte ihre Gestalt zum Führersitz heran und rief den Mann am Steuer, der nichts zu hören und zu sehen schien, angstvoll an: „Hubert, Hubert, so antworte mir doch endlich! Wo hin fahren wir? Was hast du vor?" „Setz' dich!" scholl es gebietend zurück. „Du wirst das Gleichgewicht verlieren und fallen." „Nicht eher, bis du mir sagst, wohin wir fahren!" „Das Ziel ist doch gleich. Ich kann nicht sprechen!" Auch seine Stimme verhallte im Winde. „Es gilt eine Wette, hab' noch ein wenig Geduld!" Sie sank wieder auf ihren Sitz zurück. Ein wenig be ruhigt, aber voch noch mit dem beklemmenden Gefühl der Unsicherheit. Gar zu seltsam erschien ihr das alles. (Fortsetzung folgt.)