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Volksentscheid über den Boung-Plan? Entschließung des deutschnationalen Parteivorstandes Im Einvernehmen mit der gesamten Reichslags fraktion hat in seiner Sonnabend-Sitzung der Vorstand der DNVP. einstimmig beschlossen: Die Einleitung und der Ausgang der Pariser Re parationstagung, die verderbliche Einflußnahme hei mischer Kreise, insbesondere der Regierung auf die deutschen Sachverständigen, sowie die Absicht des jetzigen Kabinetts, unter das unerträgliche Ergebnis der Verhandlungen eine uneinlösbare deutsche Unter schrift zu setzen, stellt einen Vorgang dar. der zu den ver hängnisvollsten der deutschen Geschichte gehört. Dem gegenüber ist es die Pflicht aller derjenigen, die sich den klaren Blick für die Wirklichkeit der Dinge und ihren deutschen Willen bewahrt haben, alle, aber auch alle Mittel zu versuchen, die etwa noch geeignet sein könnten, das Inkrafttreten des neuen Vertrages zu verhindern. Es wird daher die Aufgabe aller derjenigen sein, die bereit sind, dadurch ihre ernstliche und wirkliche Gegnerschaft gegen den neuen Akt der Versklavung zu bekunden: auf Grund des Art. 72 der Verfassung im Reichs tage den Antrag zu stellen, die Verkündung des beabsichtigten Genehmigungsgcsetzes auf zwei Mo nate auszusetzen. Die DNVP., die sich dabei nicht als Partei, sondern als Glied und stärkste parlamentarische Vertretung der nationalen Bewegung fühlt, wird einen solchen Antrag gemeinsam mit allen, die es wollen, im Reichstage stellen. Damit eröffnet sich die Möglichkeit, den Weg für ein Volksbegehren freizumachen, das unser deutsches Volk selbst vor die Frage stellt, ob es Kinder und Kindeskinder um eines einmaligen Linsengerichtes willen in Notsklaverei und Würde losigkeit stoßen will. Sollte cs nicht gelingen, die verfassungsmäßigen Voraussetzungen sür dieses Volksbegehren zu schaffen, so werden wir, gemeinsam mit allen Gleichgesinnten, ein Volksbegehren cinbringen, das den Widerruf der Kriegsschuldliige gesetzlich vorschreibt — der erpreßten Grundlage aller Zwangsdiktate und uns abgenötigten Verträge. Die Gründe: Die deutschen Zusagen in Paris sind unerfüllbar. Die deutsche Wirtschaftsbilanz ist seit 1924 passiv. Die Tributleistungen und die Einfuhr fremder Lebens mittel werden aus geborgtem Eelde bezahlt, belasten unser Volk mit wachsenden Schuld- und Zinsenlasten und richten die heimische Wirtschaft, namentlich die Landwirtschaft, zugrunde. Wetterführung der Schuldenpolitik bedeutet Ge fährdung der Währung und völlige Preisgabe unserer wirtschaftlichlichen und politischen Zukunft. Wird dieser Weg weitergegangen, so ist der völlige Verlust unserer politischen und wirtschaftlichen Selbständigkeit sicher. Dieser Preisgabe der deutschen Zukunft steht lediglich die vorübergehende Entlastung des Reichs haushaltes um einige hundert Millionen gegenüber. Diese Entlastung genügt in Wahrheit nicht einmal, um die vorhandenen Fehlbeträge im Reichshaushalt und bei der Reichsbahn zu decken. Die Pariser Tribute sind genau so unerfüllbar wie die Dawestribute. Der Weg fall des Wohlstandsindex, der ein Hauptargument der offiziösen Propaganda bildet, ist also ohne jeden Wert. Die Lockerung der fremden Kontrolle erhöht die Schwere der deutschen Verantwortung. Den kaum fühlbaren vorläufigen Erleichterungen gegenüber sind in Paris die furchtbarsten Erschwerungen der deutschen Lage übernommen worden: Die Tribut pflicht ist um mehr als ein Menschenalter verlängert. Während sie nach dem Versailler Diktat 31 Jahre lang dauern sollte, ist sie jetzt bis zum 7V. Jahre seit dem so genannten Friedensschluß ausgedehnt. Die Tribute waren bisher in deutscher Mark zu zahlen. Künftig müssen sie in fremder Währung be zahlt, das heißt die nötigen Devisen müssen gekauft werden. Auf die Anrechnung der nach müßiger Berechnung bereits über 50 Milliarden betragenden deutschen effek tiven Leistungen ist ausdrücklich verzichtet. Der Wührunqsschutz, der im Dawesplan zugesagt war, ist teils aufgegeben, teils entwertet. Die Kommerzialisierung, das heißt die Umwand lung in eine Kapitalschuld, würde jede Hoffnung auf Erinäßigung der kapitalisierten Summe zerstören. Zu dem eröffnet sie den Weg. um die fremden Staats schulden auf das deutsche Volk überzuwälzen. Ueber das Versailler Diktat und den Dawcsplan hinaus ist ein neuer Verpflichtunqsgrund in den Ver trag hineingenommen worden, nämlich die Uebernahme der alliierten Schulden an die Vereinigten Staaten. Sollten die Vereinigten Staaten Schuldennach lässe gewähren, so kommen sie Deutschland nach den Pa riser Verhandlungen nur in höchst verkürztem Maße zugute. Ein völlig grundloser Sonderanspruch Bel giens ist neben dem Pariser Plan anerkannt worden. Beeinflussungen der Sachverständigen? Der „Montag", die Sonntagnachtausgabe des „Berliner Lok.-Anz.", bringt die Meldung, daß der Reichskanzler Müller unter Zustimmung des Reichskabinetts an die deutschen Sachverständigen in Paris einen Brief geschrieben habe, in dem er den Wunsch der Neichsregierung zum Ausdruck brachte, den Poungplan unter Hintansetzung wirtschaftlicher Er wägungen anzunehmen. Das Blatt folgert daraus, daß die Neichsregierung trotz aller Ab leugnungen einen Druck aus die deutschen Sachverständigen ausge- Lbt und diese zur Unterzeichnung eines Planes veranlaßt hat, von dessen wirtschaftlicher Undurchführbarkeit die Reichs regierung selbst überzeugt war. Amtliche Ableugnung» Berlin, 17. Juni. Zu der Mitteilung des „Mon tag", wonach der Reichskanzler mit Zustimmung des Reichskabinetts an die deutschen Sachverständigen in Paris ein Schreiben gerichtet und darin den Wunsch der Reichsregierung zum Ausdruck gebracht habe, den Poungplan unter Hintansetzung wirtschaftlicher Erwä gungen, anzunehmen, wird von Berliner zuständiger Stelle erklärt, daß, wenn der Reichskanzler einen Brief geschrieben habe, dieser nicht in dem vom „Montag" angeführten Sinne gehalten sein könne. Es wird u. a. auf eine Erklärung des deutschen Sachverständigen Kastl hingewiesen, der noch während der Konferenz gegenüber andersartigen Darstellungen in der Presse er klärt habe, daß die Neichsregierung die deutschen Sach verständigen in ihren Entscheidungen in keiner Weise beeinflußt habe. Das Vorhandensein eines Briefes des Reichs kanzlers an die deutschen Sachverständigen wird nicht bestritten. Eine Mitteilung über den tatsächlichen In halt des Briefes steht aber noch aus . Lob der Arbeit der deutschen Sachverständigen. Berlin, 17 .Juni. Der Vorsitzende des Sachver ständigenausschusses Owen Poung hat an den Reichs kanzler folgendes Telegramm gerichtet: Bevor ich mich neuen Aufgaben widme, möchte ich von meinem letzten Vorrecht als Vorsitzender des Sachoerständigenausschusses Gebrauch machen und von der gründlichen und gewissen haften Arbeit der Herren Schacht, Vogler, Kastl und Melchior in unserem Komitee Zeugnis ablegen. Wir bedauern den Verlust Dr. Voglers, indessen wurde seine Arbeit unverzüglich von Herrn Kastl ausgenommen und zu Ende geführt. Niemand konnte klarer und wirkungs voller die wirtschaftlichen, sozialen und finanziellen Ver hältnisse darlegen als Dr. Schacht, niemand konnte das Reparationsproblem mit größerer Sachkunde hinsichtlich ! aller seiner Seiten behandeln als Dr. Kastl und Dr. Melchior. Ich sehe die Arbeit der deutschen Gruppe als I einen überragenden Beitrag zur Regelung einer der schwie rigsten Ausgaben unserer Zeit an. Hochachtungsvoll Owen Poung. Um die Räumung. Französische Quertreibereien. London, 17. Juni. Wie Pertinar im „Daily Tele graph" berichtet, habe die französische Regierung ihre Forderung auf Einsetzung eines ständigen Kontrollaus schusses im Rheinlande nicht aufgegeben. Eine schwie rige Frage werde in den kommenden Verhandlungen die Privatisierung eines Teiles der deutschen Schuldver pflichtungen sein. Die Tatsache, daß die deutsche Reichs anleihe von 500 Millionen Mark kürzlich mit einem Mißerfolge endete, habe in dieser Hinsicht einen ungün stigen Eindruck hinterlassen. Der Anleihesehlschlag werde io ausgelegt, daß der deutsche Kredit gegenwärtig nicht sehr gut sei und einige Zeit vergehen müsse, bevor es praktisch yiöglich sei, die deutschen Obligationen auf den Markt zu werfen. Auf der anderen Seite habe Poin- care Parker Gilbert gegenüber stets betont, daß keine Räumung stattfinden könne, bevor die Privatisierung der deutschen Schuld sehr weit vorgeschritten sei. Bis zu welchem Ausmaß Poinacre unter den neuen Umständen seine Ansicht geändert habe, sei im Augenblick nicht be kannt. Poincare und Briand scheinen jedenfalls in engerer Uebereinstimmung zu sein, als zu irgendeiner an deren Zeit. Der „Quotidien" für Nheinlandräumung. Paris, 17. Juni. Der „Quotidien" setzt sich erneut für die Räumung des Rheinlandes ein, da Frankreich mit der Besetzung keine wirkliche Garantie finde. Die Besetzung sei ein Keim des Hasses und ein unüberwind liches Hindernis für jede dauernde Annäherung zwischen > den beiden Völkern. Diese Ueberzeugung sei jedoch nicht j die der Mehrheit der Parlamentsmitglieder. Aber i kein ernst, zu nehmender Mensch könne daran denken, aus dem Dawcsplan zurückzukommcn. rFankreich müsse heute versuchen, die größten Vorteile aus dem Poung- plan zu ziehen und dürfe sein Ergebnis nicht durch un zeitgemäße Eile gefährden. Die französischen Ozeanslieger in Le Bourget gelandet. Die Ozeanflieger Assolant, Leffevre und Lotti sind am Sonntag abend 8.44 Uhr mit ihrem „Gelben Vogel" > und dem „blinden Passagier" Arthur Schreiber ans Portland, wohlbehalten in Le Bourget, dem Pariser > Flughafen eingetroffen. Der Flug des „Gelben Vogels" Paris, 17. Juni. Die französischen Ozeanflieger Assolant, Lefevre und Lotti, wurden bei ihrer Landung in LeBourget am Sonntag abend vom Luftfahrtminister Laurence Eynak, begrüßt. Lotti erklärte den Zeitungs berichterstattern, daß der «start in Amerika einiger maßen schwierig gewesen sei. Eine viertel Stunde nach dem Start habe man den „blinden Passagier", Schrei ber, entdeckt gehabt, der sich gerade an der Stelle im Apparat versteckt gehabt hätte, an der die Drähte für die verschiedenen Steuern angebracht seien, die leicht Hütten beschädigt werden können. Nach anfänglichem Zorn seien sie aber, in Erinnerung an ihre herzliche Aufnahme in Amerika anderen Sinnes geworden und Hütten den jungen Amerikaner als ihren Fahrgast be trachtet. Das Wetter sei während der ganzen Ueber- fahrt ungünstig gewesen. Immer wieder hätten Ge witter umflogen werden müssen. Nach dem 45. Brejten- grad hätten sie beschlossen, die Dampferroute aufzu geben, um an den Azoren vorbeizufliegen. Plötzlich seien sie in ein Gewitter geraten, und hätten einen phantastischen Flug in 800 und 900 Metern Höhe ge macht. Der „Gelbe Vogel" hätte zwar die französische Küste erreichen können, sie hätten es jedoch vorgezogen, vor Tagesende auf dem Festlande niederzugehen. Neueste Nachrichten. Ehrung Dr. Kahls. Berlin, 17. Juni. Die Reichstagsausschüsse für die Strafrechtsreform und für die Rechtspflege, deren Vorsitz Dr. Kahl führt, haben dem Jubilar neben einem Blu menkorb folgende Adressen überreichen lassen: Unserem hochverehrten langjährigen Vorsitzenden Dr. Wilhelm Kahl bringen wir im Namen des Ausschusses des Reichs tags sür Rechtspflege und für den Entwurf eines all gemeinen Deutschen Strafgesetzbuches die wärmsten Glück wünsche für Vollendung des achtzigsten Lebensjahres. Viele Jahre hindurch haben Sie dem Wohle des Vater landes, der Wissenschaft und den Arbeiten des Reichstages Ihre Kraft gewidmet. Wir sprechen den Wunsch und die Hoffnung aus, daß Sie in gleicher Frische wie bisher uns noch viele Jahre erhalten bleiben, gez. Dr. Bell. Ministerpräsident Braun hat ein in herzlichen Worten gehaltenes Glückwunschtelegramm an Geheimrat Kahl ge richtet. Ein deutsches Flugzeug in der Tschechoslowakei fest gehalten. Prag, 17. Juni. Unweit Schüttenhofen ist am Sonnabend nachmittag ein reichsdeutsches Flugzeug mit drei Personen, und zwar einem Piloten, einem Inge nieur und einem Studenten notgelandet. Da die Flieger eine Filmapparat und einen Photographen apparat bei sich hatten, wurden sie von der Vezirksver- waltung vorläufig festgehalten. Aus Prag hat sich ein Offiziersausschuß nach Schüttenhofen begeben, um die Untersuchung einzuleiten. Nach einer Mitteilung des Gemeindeamtes von Schüttenhofen, ist die Nachricht von der Beschlagnahme eines notgelandeten reichs deutschen Flugzeuges insofern falsch, als es sich nicht um einen Flugapparat, sondern um einen Freiballon handelt, der in Schwarzenberg ausgestiegcn war. In diesem befand sich Oberingenieur Prem als Führer. Dr. Baumgärtel und Eoßmeier. Die Meldung, daß bei der Besatzung Photoapparate gefunden wurden, be stätige sich. Die Besatzung sei im Hotel in Schütten hofen untergebracht und werde nach Beendigung der Untersuchung weiterfahren. Zu einem Spionagever dacht sei vorläufig kein Grund vorhanden. Die hie sigen Behörden sind anscheinend durch die Spionagefälle der letzten Wochen sehr nervös geworden und nur un gern bereit, auf Anfragen Auskunft zu erteilen. Ein bemerkenswerter Altertumsfund. Malmö, 17. Juni. Nach Meldungen aus Wisby ist auf der Insel Gotland ein bemerkenswerter Alter tumsfund gemacht worden. Es handelt sich um ein etwa 2^/2 Meter langes Kanu, in dem ein Skelett lag. Daneben fand man ein etwa 75 bis 80 Zentimeter langes Bronzeschwert. Das Kanu war aus einem aus gehöhlten Eichenstamm gefertigt. Ueber dem Skelett lag eine Eisenplanke. Der Griff des Bronzeschwertes ist abgebrochen, die Klinge ist ganz. Man schützt das Alter des Fundes auf etwa 2000 Jahre. Zu den Unruhen in Limoges. — 62 Polizeibeamte schwer verletzt. Paris, 17. Juni. Die amtlichen Nachforschungen nach den Urhebern der Unruhen in Limoges, im An schluß an das gegen die Mörder Baratauds gefällte Ur teil, haben ergeben, daß zwei Familien aus den Fen stern ihrer Wohnungen siedendes Wasser auf die Polizei beamten gegossen haben. Diese Familien werden zu sammen mit den übrigen 38 Verhafteten abgeurteilt werden. Nach den letzten Berichten sind im ganzen 62 Polizeibeamte teils schwer verletzt worden. Schwerer Kraftwagenunfall des österreichischen Gesandten in Washington. ' Neuyork, 17. Juni. Von einem schweren Kraft wagenunfall ist die Familie des österreichischen Gesandten betroffen worden. Der Gesandte, der seinen Wagen selbst steuerte, versuchte in Virginia einem anderen Kraft wagen auszumeichen. Dabei stürzte sein Wagen von der Böschung ab. Die Frau des Gesandten trug Rücken verletzungen und Brustquetschungen davon, während die siebenjährige Tochter einen Bruch des Fußknöchels erlitt. Der Gesandte, sein Sohn und ein mitsahrendes Dienst mädchen blieben unverletzt. Während die Gattin des Gesandten in ihre Wohnung überführt wurde, fand die Tochter Aufnahme im Kinderkrankenhaus. Klage gegen Habib Ullah vor dem Haager Inter nationalen Gerichtshof. Budapest, 17. Juni. Der Budapester Kaufmann Andreas Kampos, der 20 Jahre in Afghanistan gelebt und sich dort ein großes Vermögen erworben hatte, ist nach Budapest zurückgekehrt. Während der Kämpfe hatte er sich unter den Schutz der englischen Gesandtschaft begeben, verlor aber sein ganzes Vermögen, das von Habib Ullah beschlagnahmt wurde. Kampos hat nun mehr beim Haager Internationalen Gerichtshof Klage eingereicht. L.