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Die ehemaligen deutschen Kolonien als Rohstosslieseranten. Bon Max Lohen, Reuß. Deutschland ist verhältnismäßig arm an Rohstoffen, es hat (im Gegensatz beispielsweise zu den Vereinigten Staaten von Amerika) nur wenige, die von anderen Nationen gern und leicht genommen werden. In der Hauptsache sind es Kali und Kohle, von denen das erste auch in Uebersee, besonders für die Baumwollkultur, guten Absatz findet. Hingegen muß Deutschland, dessen Stärke in der Ausfuhr qualitativ hochwertiger Fertig fabrikate liegt, eine Unmenge ausländischer Rohstoffe einführen. Mit ihnen deckt es sowohl seinen Eigen bedarf, wie es auch durch ihre Umarbeitung in Fertig waren und deren Ausfuhr seinen Einfuhrbedarf be zahlen muß. Da jede Einfuhr von draußen mit einer Ausfuhr nach draußen bezahlt werden muß ((die Aus fuhr großer Warenmengen in der Nachkriegszeit aber immer schwerer wird), ist es klar, von wie großer Be deutung es ist, möglichst viele Rohstoffe im eigenen Lande zu haben. Was man selber hat, braucht man nicht von anderen zu kaufen, und je mehr man hat, desto leichter ist die Handelsbilanz aktiv zu gestalten. Wenn es auch für Deutschland keine Möglichkeit gibt, sich innerhalb der eigenen Zollgrenzen Rohstoff gebiete zu beschaffen, wie sie etwa die Vereinigten Staaten oder (wenn auch noch unerschlossen) Rußland haben, so wäre es dennoch von großer Bedeutung, einen weiteren Teil der für uns unentbehrlichen Rohstoffe in Gebieten zu produzieren, die zum deutschen Zollgebiet gehören. Das ist nur in eigenen Kolonien möglich, wie sie Deutschland vor dem Kriege besessen hat. Diese Kolo nien kommen viel mehr als Rohstoffquellen in Betracht, als es in weiten Kreisen angenommen wird. Wenn von kolonialgegnerischer Seite immer auf die geringe Roh stoffproduktion der deutschen Kolonien in der Vorkriegs zeit hingewiesen wird, so wird dabei übersehen, daß es sich damals erst um Anfänge handelte und die Erschlie ßung kaum begonnen hatte. In der heutigen Lage Deutschlands würden selbst geringe, in eigenen Kolo nien erzeugte Rohstoffe die deutsche Handelsbilanz er leichtern können, und heute würde, wenn der Krieg die Arbeit nicht unterbrochen hätte, ein nicht unbeträcht licher Teil verschiedener von Deutschland benötigter Rohstoffe aus den ehemaligen deutschen Kolonien be zogen werden können. Das soll an ein paar Beispielen dadurch gezeigt werden, daß die deutsche Einfuhr in dem betreffenden Rohstoff der aus dem deutschen Kolonialland ausge- führten Menge desselben Jahres gegenübergestellt wird. In der nachstehenden Tabelle ist für die drei Jahre 1925, 1926 und 1927 die Ausfuhr der Rohstoffe in Pro zenten des deutschen Einfuhrbedarfs angesehen: es ist dabei auf die Angabe all jener Waren (wie Baumwolle, Kautschuk, Kaffee usw.) verzichtet worden, bei denen die Ausfuhr unter 10 Prozent des deutschen Bedarfs lag. 1925 1926 1927 Sisal 117 171,8 158,26 Sesam 16,28 47,49 77,56 Wachs 43,06 48,11 69,66 Palmöl 51,31 65,43 43,64 Koprai 43,19 33,41 Kakao 23,39 30,00 31,45 Palmkerne 20,42 19,51 16,38 Obwohl, wie bereits gesagt, der auch in den Ko lonien geführte Krieg nicht nur die Tätigkeit hier unter brochen, sondern auch viele Werte vernichtet hat, würde, wenn Deutschland die in der Tabelle angeführten Waren aus eigenen Kolonien bt-ziehen könnte, statt sie aus fremden Ländern nehmen zu müssen, eine in unserer Lage nicht zu verachtende Verbesserung unserer Handels bilanz eingetreten sein. Wenn diese Verbesserung, an dem Milliardenbedarf unserer Gesamteinfuhr gemessen, auch nur klein ist, so muß man bedenken, daß so wichtige Fragen, wie die Sicherung von Rohstoffquellen, eine Angelegenheit ist, die auf weite Sicht hin in Angriff genommen werden muß. Wie würde die deutsche Schaffenskraft heute daran gehen, in eigenen Kolo nien den Rohhstoffertrag zu vermehren, um die durch den verlorenen Krieg und seine Folgen doppelt schwierig gestaltete Lage unseres Landes zu verbessern! Wenn auch vorerst nur einige tausend deutscher Menschen in eigenen Kolonien arbeiten können, der Leistungswille dieser Tausende würde den Boden vorbereiten für Zehn tausende, die im Laufe der Jahre nachfolgen könnten. Die Frage einer zukünftigen deutschen Kolonial politik muß von parteipolitischen Prinzipien freigemacht und lediglich unter die für uns alle wichtigen wirt schaftlichen Gesichtspunkte gestellt werden. Dann wer den wir in nicht zu ferner Zeit eine Einheitsfront für die Wiederaufnahme einer deutschen Kolonialarbeit haben, und dann wird die Wiederaufnahme auch durch geführt werden können. IIMWMl stWM MWWtz beim Mew. Friedrichshafen, 20. Mai. Dr. Eckener, der am Sonntag nach Friedrichshafen zurückgekehrt ist, ge währte dem Sonderberichterstatter der Telegraphen union eine längere Unterredung, während der er sich ausführlich über die letzte Fahrt des Luftschiffes ver breitete. Dr. Eckener erklärte, daß er nach Friedrichshafen zurückgekehrt sei, um mit Dr. Maybach Rücksprache zu nehmen und zu beschließen, was geschehen solle. Ein klares Bild könne man sich im Augenblick nicht machen, da zunächst einmal die Frage geklärt werden müsse, i worauf die Motorpannen zurllckzuführen seien. Dazu ! sei die genaueste Untersuchung der gebrochenen Teile ! notwendig. Er halte es jedoch schon jetzt nach Lage der Dinge für ausgeschlossen, daß Sabotage vorliege, denn es sei unmöglich gewesen, daß jemand an die Kurbelwellen der Motore habe herankommen können. Auch die Veränderungen, die anläßlich der Mittel- meerfahrt an den Motoren getroffen worden seien, Hütten nichts mit den jetzt in Erscheinung getretenen Störungen zu tun. Ermüdung halte er in Anbetracht der Güte des Materials für ausgeschlossen, da die Mo toren durchschnittlich 2000 Betriebsstunden arbeiten könnten, aber in Wirklichkeit 600 gearbeitet Hütten. Es handle sich vielmehr um ein ganz neues Moment, das noch der eingehenden Prüfung bedürfe. Auf alle Fälle aber könne an eine Ueberquerung des Ozeans nicht gedacht werden, bis die Ursache der Schäden einwandfrei feststände. Zum Fahrtverlauf selbst erklärte Dr. Eckener, daß er den Weg über Gibraltar genommen habe, weil hier nach den Wetternachrichten mit einem schnellen Vor wärtskommen gerechnet werden könnte. Schon kurz hinter Barcelona hätte ein Steuerbordmotor abgestellt werden müssen, da eine Kurbelwelle gebrochen war. Nach eingehender Beratung mit Graf Soden, der ein ausgezeichneter Techniker sei, sowie mit den Luftschiff- fllhrern Lehmann und Flemming sei man zu der Ueber- zeugung gekommen, daß der Bruch der Kurbelwelle keinerlei Schlüsse auf die übrigen Motoren zulasse, um so weniger, als alle Motoren auf der letzten Amerika fahrt ganz vorzüglich und ohne jedwede Unterbrechung gearbeitet hätten. Er habe sich daher zur Weiterfahrt entschlossen. Kurz hinter den Baleareninseln und Kap Nao sei dann ein zweiter Motor, wieder ein Steuer bordmotor, infolge Bruches eines Schwunggewichtes der Kurbelwelle ausgefallen. Jetzt habe er sofort kehrt gemacht und sei in schneller Fahrt gegen 10.30 Uhr abends schon wieder über Barcelona gewesen. Von hier ab aber sei das Vorwärtskommen immer lang samer geworden. Der starke Mistral in der Bucht von Lyon habe das Schiff einfach nicht mehr vom Fleck kommen lassen. Die Böen hätten etwa 90 bis 95Stunden- kilometer betragen, und die Kraft der Motoren hätte „auszukämpfen". Von Barcelona bis an die Küste habe er volle neun Stunden gebraucht, während auf dem Hinflug die Strecke in 2^ Stunden bewältigt wurde. Gegen 11 Uhr morgens wurde Nimes überflogen. Hier habe er, obgleich die Motoren mit äußerster Kraft liefen, etwa eine halbe Stunde lang nicht vom Fleck kommen können, bis der Wind nachgelassen habe. Gegen 3 Uhr nachmittags habe man sich Valence genähert und ge hofft, hier bessere Bedingungen vorzufinden. Während dieser ganzen Zeit sei das Luftschiff langsam, aber ruhig und stetig fortgekommen. Von einem Stampfen und Schlingern könne keine Rede sein. Kurz vor Valence sei er nach Nordosten abgebogen, um den Weg über Genf und die Schweiz zu nehmen. Man habe schon geglaubt, das Schlimmste hinter sich zu haben, als kurz nach 3 Uhr östlich von Valence ein dritter Motor versagte. Unter dieser Umständen und angesichts der Gefahr, daß noch ein weiterer Motor ausfallen könnte, habe er sich zu einer baldigen Landung entschlossen. Noch in Erwä gungen darüber, wo diese Landung stattfinden sollte, sei ihm die Meldung überreicht worden, wonach auch der vierte Motor eine Panne aufwies. Alle Motoren Hütten dieselben Pannen gehabt, nämlich Bruch eines Schwunggewichts an der Kurbelwelle. Er habe sich so fort mit Lyon in Verbindung gesetzt und Hilfe für eine Notlandung in Valence erbeten. Ueber dem Flugplatz von Valence habe er jedoch so kräftige Winde ange troffen, daß an eine Landung nicht gedacht werden konnte. Er habe nunmehr das Luftschiff in ein Seitental des Gebirges gesteuert, in dem Glauben, hier günstigere Windverhältnisse anzutreffen. Daraus ergäben sich wahrscheinlich auch die Falschmeldungen, wonach das Luftschiff hilflos ins Gebirge getrieben worden sei. Er sei mit voller Absicht in das Gebirgsgelände gegangen, und habe dabei das Schiff mit einer laufenden Ma schine so vollkommen in der Hand gehabt, daß er zwischen den recht hohen Bergen hindurch bis weit hinaus ins Drometal gelangt sei. Wenn auch der Wind erheblich schwächer als außerhalb des Gebirges gewesen sei, so hätten Fallböen und auf steigende Wind stöße eine einigermaßen glatte Landung von vorn herein unmöglich gemacht. Er habe also den einzig möglichen Ausweg benutzen müssen, etwa 200 Kilometer bis zur Riviera zu fliegen, was dann auch mit einer Geschwindigkeit von etwa 100 Stundenkilometern mit gutem Schiebewind gelungen sei. An den Landeplatz Cuers habe er zunächst nicht gedacht, da dieser ja in dem verbotenen Sperrgebiet von Tou lon liege. Er habe vielmehr geglaubt, in den Vor bergen der Riviera Windstille und Täler für eine Lan dung vorzufinden. Erst später habe er an die Möglich keit einer Landung in Cuers gedacht, und sei gerade im Begriff gewesen, eine Anfrage an das fran zösische Luftfahrtministerium zu richten, als diese von sich aus eine Landung in Orly bei Paris oder aber in Cuers anbot. Obgleich von Toulon aus Anweisung ergangen war, nicht vor 8.30 Uhr zu landen, da die unterwegs befindlichen Landetruppen nicht früher zur Stelle sein konnten, habe man sich der Laune des einzigen Motors nicht länger aussetzen wollen und sei unverzüglich zur Landung geschritten. Nur etwa 30 bis 40 Leute der Platzmannschaft von Cuers hätten auf dem Landungs feld gestanden und in dieses hinein habe er bei völliger Windstille das Luftschiff fallen lassen und noch genug Bremspalast gehabt, um eine sehr elegante Landung ausführen zu können. Erst als das Schiff bereits auf dem Boden war, von wenigen Leuten gut gehalten, seien einige hundert Mann eingetroffen, die es mit sehr viel Geschick, Vorsicht und Umsicht, in die Halle gebracht Hütten. Ueber die Reihenfolge der ausgefallenen Motoren befragt, erklärte Dr. Eckener, daß zunächst ein Steuer bordmotor, dann der zweite, dann der Hintere Vackbord- motor, und als vierter der Hintere Heckmotor aus gefallen sei, so daß zuletzt nur noch der vordere Backbord motor gearbeitet hätte. Ueber seine Absichten äußerte sich Dr. Eckener dahingehend, daß er nach den Besprechungen mit Dr. Maybach am Mittwoch nach Cuers zurückkehren werde, um am Donnerstag oder Freitag das Luftschiff nach Friedrichshafen zu bringen. Die beiden am Sonn abend nach Toulon abgegangenen Motoren, seien bereits am Sonntag dort eingetroffen, und der dritte noch in Friedrichshafen liegende Reservemotor werde auf allo Fälle am heutigen Montag zum Versand kommen und am Dienstag in Luers eintreffen. Der unterwegs nach Japan befindliche Motor braucht nicht mehr zurück gehalten zu werden, da der vierte ausgefallene Motor in Cuers selbst wieder repariert werden kann. Toulon, 20. Mai. Die Landstraße, die zwischen Rosenhecken und Weinfeldern von Cuers nach dem Flug platz führt, war gestern mit Tausenden von Automobilen verstopft. Der strahlende Pfingstsonntag hatte eine un- übersehrbaren Menschenmenge verlockt, dem Zeppelin einen Besuch zu machen. Die liebenswürdige Gast freundschaft der Luftschiffleitung, ermöglichte es allen, den „Graf Zeppelin" von innen und außen zu sehen. Truppweise wurde die Schar der Neugierigen von Marinesoldaten in die Halle geführt. Vor der Treppe zu der Passagiergondel drängten sich Hunderte unge duldig Wartende, bis die Reihe an ihnen war. Von der Besatzung hatten 22 Mann Urlaub be kommen. Viele von ihnen traf man im Hafen von Toulon die Kreuzer der französischen Mittelmeerflotte besichtigen, andere waren nach Marseille oder Cannes gefahren. Die Stimmung der Zeppelinleute ist denkbar gut, umsomehr als sie jetzt begründete Hoffnung haben, am Donnerstag bereits nach Friedrichshafen weiter zu fliegen, denn inzwischen ist Chefingenieur Dr. Dürr, der Konstrukteur des „Graf Zeppelin", mit zwei Ersatzmotoren eingetroffen. Von den drei anderen Motoren, die während des Fluges aussetzten, glaubt man, den einen soweit repa rieren zu können, daß er bis Friedrichshafen in Betrieb bleibt. Der „Graf Zeppelin wird also höchst wahrscheinlich mit vier stabilen Motoren den Heimflug antreten. Wiöviel Passagiere er mit- nehmen wird, steht noch nicht fest. Auf jeden Fall dürften sich die meisten von denen, die zu dem Amerika flug gestartet waren, die Gelegenheit nicht entgehen lassen, den Flug über den herrlich schönen Landschaften kostenlos mitzumachen, denn das Reisegeld nach Lake hurst wird ihnen ja zurllckerstattet. Einige Amerikaner, die dringender Geschäfte wegen nicht warten konnten, haben sich inzwischen nach Cherbourg begeben und sich dort nach Neuyork eingeschifft. Im „Hauptquartier", dem Grand Hotel in Toulon herrscht sonntägliche Ruhe. Die Journalisten ruhen aus von dem Kampf ums Telephon, bis auf die Ameri kaner, die unermüdlich kabeln müssen. Auch Dr. Wil ling, der Polflieger und Arktisforscher arbeitet fieber haft an seinem Bericht über die Eindrücke, die er als Fachmann erhalten hat. Die ihm von einem franzö sischen Journalisten zugeschriebene Aeußerung, Dr. Eckener habe mit diesem Fluge die Unbrauchbarkeit des Zeppelins bewiesen, hat Dr. Wilking kategorisch wider rufen. Er ist nach wie vor von der Zuverlässigkeit und Verwendbarkeit des lenkbaren Luftschiffes überzeugt. * Weiter ^Zuspitzung der Lage im amerikanischen T c x t i l a r b e i t e r st r e i k. Nach Meldungen aus Neuyork, spitzt sich die Lage im amerikanischen Textilarbeiterstreik weiter zu. Die Be hörden haben Truppen, darunter auch Kavallerie auf- geboten. In Elizabethown (Tennessee), wo die Wasser leitung der Stadt mit Dynamit in die Luft gesprengt wurde, haben sich neue Zusammenstöße zwischen Na tionalgarde und Streikenden ereignet. Die Polizei ging gegen die Streikenden mit Tränengas vor. Rund 10V Streikende, die entgegen dem Verbot Streikposten standen, wurden verhaftet. In einem Dorfe bei Eli- zabethown entwendete ein Mädchen einem Polizisten einen Dienstrevolver und zwang damit mehrere Auto busse, die mit Arbeitswilligen gefüllt waren, zur Um kehr. Elizabethown ist vorläufig ohne Wasser. In der Stadt selbst streiken 15 000 Textilarbeiter. In der näheren Umgebung ist die Zahl der Streikenden etwa gleich groß.