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Das sozialistische Magdeburg, 29. Mai. Der sozialdemokratische Parteitag setzte heute die Aussprache über dasWehr - Programm fort. Seger (Dessau) erklärte, das Programm sei auf Halbheit aufgebaui. Er empfahl den Antrag auf Neutralisation Deutschlands. Seyde- m i tz (Zwickau) stellte fest, daß die Aenderungen den Entwurf nicht annehmbarer machten. Die Opposition sei einig in der Ablehnung des Entwurfes. Die Macht der Arbeiterklasse sei groß genug, um Kriege zu ver hindern. Schöpflin (Karlsruhe) warnte vor einer Lertagung der Wehrfrage. Eckstein (Breslau) be zeichnete die wissenschaftlichen Werke der Rosa Luxem burg als die geistigen Unterlagen des Oppositionsan trages. Die Reichswehr sei die fertige Waffe des Bürgertums gegen das Proletariat. Das Vaterland gehöre dem Proletariat, wenn einmal die sozialistische Gesellschaftsordnung da sei. In der kapitalistischen Ge sellschaftsordnung habe die Arbeiterschaft kein Vater land. Crispien bezeichnete als größten Vorzug der Richtlinien, daß sie ausgingen von der gegenwärtigen politischen Lage. Die Abrüstung könne nur inter national durchgeführt werden. Wir könnten nicht ab rüsten, während die anderen Staaten aufrllsteten. Ihre Richtlinien seien die denkbar schärfste Absage an Mili tarismus und Krieg. Severing über die Reichswehr. Im weiteren Verlauf der Aussprache nahm Reichs innenminister Severing das Wort. Er erklärte, daß er volles Verständnis dafür aufbringen würde, wenn diese Aussprache auf einem internationalen Kon greß stattfünde. Daß man aber hier diese theoretischen Auseinandersetzungen führe im Hinblick auf unser 100 OOO-Mann-Heer, scheine ihm doch nicht von einem richtigen politischen Augenmaß zu zeugen. Severing fuhr dann fort: DerAbg. Künstler hat gemeint, daß ohne die Panzerkreuzeraffäre die Wehraussprache wahr scheinlich nicht nötig gewesen wäre. Ich gehe noch weiter: Wenn wir, die Republikaner, im letzten Jahrzehnt ein anderes Verhältnis zur Reichswehr bekommen Hütten, wenn wir wüßten, daß sie eine republikanische Einrich tung ist, in der selbst ein Panzerkreuzer nicht gegen den Frieden und gegen die Arbeiterklasse mißbraucht wird, dann Hütten wir wahrscheinlich diese Aussprache nicht. Deshalb kommt es mir darauf an, zu untersuchen, wie wir Wehrprogramm. ein besseres Verhältnis der deutschen Republikaner zur Reichswehr Herstellen. Demokratie bis ins kleinste in die Reichs wehr zu tragen, ist mit dem Charakter der Reichswehr einfach unerträglich. Darauf kommt es auch nicht an. Nötig ist vielmehr, daß wir die Reichswehr rcpublikani- siern. Das ist bisher nicht in wünschenswertemUmfange geschehen. Daran ist aber nicht die Reichswehr allein schuld,, es gab einmal nicht nur unabhängige, sondern auch mehrheitssozialistische Organisationen, die vor dem Eintritt in die Reichswehr warnten. 1919 haben Noske, ich und andere vergeblich versucht, Republikaner in d i e R e i ch s w e h r zu be kommen. Sollten wir setzt diese Fehler konservieren oder nicht endlich zur Besinnung kommen und energisch den Kampf für die Republikanisierung der Reichs wehr aufnehmen? Es ist selbstverständlich nicht möglich, so fort die Reichswehr zu republikanisieren, wie das bei der Polizei möglich war. Tatsächlich hat sich seit Groener schon manches geändert. Nicht umsonst Hetzen jetzt auch die Nationalsozialisten gegen die Reichswehr, aber wenn wir Groener in Gesellschaft von deutschnationalen Ministern bringen, glauben Sie, daß sich dann die For derungen des oppositionellen Aktionsprogramms durch setzen können? Unter Groener ist es durchaus möglich, zu den ersten Ansätzen einer Republikanisierung der Reichs wehr zu kommen. Wie wir aber von der Reichswehr ver langen, daß sie sich als verfassungsmäßige Institution der Regierung fühlt, so müssen die Republi kaner auch alles das, was erforderlich ist für die Reichswehr bewilligen und zwar nicht nur geldliche sondern auch moralische Kredite. Wer seine Aufgabe als Sozialist darin er blickt, nur ständig die Reichswehr zu kritisieren und es nicht fertig bringt, zu sehen, was die Reichswehr ge legentlich Gutes bringt, wird die Republikanisierung nicht erreichen. Annahme der Richtlinien zur Wehrpolitik Magdeburg, 29. Mai. Aus dem sozialdemokratischen Parteitag wurden die vom Programmausschuß vorgeleg ten Richtlinien zur Wehrpolitik mit 244 gegen 147 Stim men unter lebhaftem Beifall angenommen. Mit dieser Abstimmung wurden sämtliche Aenderungsanträge für erledigt erklärt. Vorher wurde ein Berliner Vertagungs antrag mit 225 gegen 166 Stimmen abgelehnt. MMr WIg dn dkiiM WWW in MmM. Barcelona, 29. Mai. Die deutsche Ausstellung kann trotz der zur Verfügung stehenden beschränkten Mittel als ein durchschlagender Erfolg bezeichnet werden, insbesondere wegen der großartigen Sach leistungen der deutschen Industrie. Diese Auffassung wird nicht nur von der Presse bestätigt, sondern auch durch die Festrede, die P r i m o dcRivera auf dem vom deutschen Reichskommissar von Schnitzler ver anstalteten Festessen hielt. Primo de Rivera fand für Deutschland außerordentlich herzliche Worte, wie sie seit 15 Jahren in Spanien nicht mehr vernommen wur den. Er schilderte den Reichspräsidenten v. Hinden burg als weltgeschichtliche Figur unter dem Kaiserreich wie auch in der Republik und als Repräsentanten für Deutschlands kraftvolles Streben. Primo de Rivera erkannte die deutsche Ausstellung als den greifbaren Ausdruck des Wiedererstarkens der deut sch e n W i r t s ch a f t an und sprach die Hoffnung aus. daß Deutschland im Interesse des sonst gefährdeten euro päischen Gleichgewichts eine weitere wirtschaftliche und politische Kräftigung erfahren werde. Auch das Königs paar gab Beweise des tiefen Eindrucks, den die Besich tigung der deutschen Ausstellung gemacht hat. Der König bekundete in dem Gespräch mit dem Reichskommissar in fließendem Deutsch das stärkste Interesse an den Fortschritten der deutschen Technik. Besonders auf dem Gebiete des Flugwesens, der Chemie und der internationalen Geltung der deutschen Indu strie. Er äußerte die Meinung, daß der zunehmende Zusammenschluß der großen europäischen Industrien eine wirkungsvolle Förderung des Weltfriedens bedeute. Die Königin, die sich gleichfalls in deutscher Sprache mit Frau von Schnitzler unterhielt, bekundete starke An hänglichkeit an ihre deutschen Verwandten, sowie ihr großes Interesse für die wirtschaftlichen Verhältnisse des deutschen Volkes. Das Königspaar gab seine Ab sicht bekannt, anläßlich der Deutschen Woche einzelne deutsche Leistungen eingehender studieren zu wollen. Das Telegramm Hindenburgs an den König, in dem sich der Reichspräsident sehr anerkennend über die spanische Leistung der Weltausstellung äußerte, hat in allen politischen Kreisen, sowie in der gesamten spa nischen Presse große Briedigung ausgelöst. AMW MW M MM. Paris, 29. Mai. Im „Petit Journal" veröffent licht der Kabinettschef des Luftfahrtministers, L. Kahn, mit Zustimmung des Ministers eine Aufsatzrcihc „Eine Nacht an Bord des „Graf Zeppelin". Bemerkenswert sind die allgemeinen Ausführungen Kahns über Luft schiffe, in denen es u. a. heißt: „Der Luftfahrtminister hat dem Zeppelin nicht erst in dem Augenblick Interesse entgegengebracht, als der Zeppelin die allgemeine Auf merksamkeit auf sich zog. Das starre Luftschiff stellt heute, wenn nicht ein endgültiges Werk, so doch minde stens ein deutscher Hartnäckigkeit zu dankendes technisches Ganzes dar. Wir haben nicht das Recht, es nicht zu kennen. Mit der Schaffung des Luftfahrtministeriums hat Laurent Eynac gewünscht, daß diese Fragen be sonders verfolgt werden, lieber die Ereignisse vom 17. Mai schreibt Kahn, obwohl sich die Lage am Nachmittag verschlimmert Hütte, habe er den Zeppelin nicht für ge fährdet gehalten. Trotzdem habe er die Zentren von Orqy und Cuers alarmieren lassen, die beide in ge wöhnlichen Zeiten nicht genügend für derartige Lan dungen vorbereitet seien und Laurent Eynac Bericht erstattet. Der Luftfahrtminister habe darauf Weisung gegeben, dem Zeppelinp sofort Gastfreundschaft an zubieten, ohne ein Gesuch Dr. Eckeners abzuwarten. Der erste Aufsatz schließt mit einer Schilderung des Abfluges Kundgebung des Auslandsdeutschtums in Kiel. ! Der Verein für das Deutschtum im Ausland hielt zu Pfingsten in Kiel seine 48. Jahrestagung ab. Aus ! ganz Deutschland und einer Anzahl deutscher Sprachge- ! biete im Ausland waren Mitglieder und Freunde des I VDA. herbeigeeilt, um hier an der Nordgrenze des ! Reiches für Aufrechterhaltung und Förderung des Deutsch tums in aller Welt einzutretm. Auf dem Flandern-Platz in der Wiker Bucht wurde u. a. ein großer Festgottesdienst veranstaltet, dessen Teil nehmer unser Bild zeigt. Im Hintergründe sieht man die beiden Linienschiffe „Elsaß" und „Hessen". von Cuers und der Begeisterung der Menge. Aus eigenem Antriebe hätten 600 französische Soldaten ihre Mützen in die Luft geworfen, als sich vor ihren Augen das Luftschiff erhoben habe. Ein ungeheures „Hurra" sei emporgestiegen. Auf den überraschten Gesichtern der Deutschen habe man auch einen Augenblick dankbare Erregung gesehen. Neue chirresifch-ruWche Spannung. Peking, 28. Mai. Im sowjetrussischen General konsulat in Charbin wurde eine Haussuchung von etwa 100 chinesischen Polizisten vorgenommen, die unver mutet in das Gebäude eindrangen. Die verriegelten Türen wurden erbrochen, worauf die russischen Beamten versuchten, eine große Menge von Schriftstücken zu ver brennen. Hierbei geriet auch die Inneneinrichtung in Brand und die Feuerwehr mußte gerufen werden. Die Polizei nahm alle Anwesenden, darunter 45 Russen fest. Unter den Festgenommenen befinden sich der somjetrussische Generalkonsul in Charbin, Merinkoff, und der Generalkonsul von Mukden, Riznechoff, ferner drei russische Frauen. Die chinesische Polizeibehörde in Charbin veröffent licht eine Erklärung, in der es heißt, daß die Haus suchung vorgenommen worden sei, weil der Verdacht be standen habe, daß eine geheime Zusammen kunft der Dritten Internationale im Konsulat abgehalten morden sei. Ferner wird erklärt, daß man auch Waffen und Opium vorgefunden habe. Die Gründe des Vorgehens. London, 29. Mai. Der von den chinesischen Be hörden ausgefllhrte Ueberfall auf das russische General konsulat in Charbin und die Verhaftung einer Anzahl von Personen unter der Beschuldigung revolutionärer Umtriebe in Nordchina, hat zu einer neuen Spannung zwischen Sowjetrußland und der Nakingregierung ge führt. In Pekinger maßgebenden Kreisen glaubt man jedoch, daß Sowjetrußland sich auf einen entschiedenen Protestschritt, die Forderung der Freilassung der Ge fangenen und Schadenersatz beschränken werde. Die chinesische Polizei erklärte, der Zweck der Untersuchungen sei die Unterbrechung einer Zusammenkunft von Ver tretern der Dritten Internationale in den Keller räumen des russischen Generalkonsulats, sowie die Be schlagnahme rechtswidriger Papiere gewesen. In Wirk lichkeit stellt der Vorgang nur einen weiteren Schritt der Uebernahme der chinesischen Ost- eisenbahn durch China dar. Die Mukdener Vertretung der Sowjetregierung hat bereits vorläufig gegen die Durchsuchung Einspruch eingelegt. Weiter verlautet, daß neben dem russilschen Generalkonsul in Charbin, auch der Generalkonsul in Mukden und drei russische Frauen verhaftet worden seien. Die beschlag nahmten Schriftstücke füllen drei große Kraftwagen aus. Wichtige Beschlüsse -es Sächsischen Gemein-eiages. Bereits auf der Mitgliederversammlung im " zember 1928 war beschlossen worden, eine anderweite Verteilung des sog. Bezirksanteils in Höhe von 18 Pro zent des Eesamtanteils an der Einkommen- und Körper schaftssteuer zugunsten der Bezirksgemeinden zu be antragen. Es sollen sofort nach dem Zusammentritt des neuen Landtages diesem Anträge über die Neugestaltung des sächsischen Finanzausgleichs unterbreitet werden: es handelt sich hierbei um vor läufig gemeindliche Straßen in einer Gesamtlänge von 1020 Kilometer. Der Vorstand des Sächsischen Ge- meindetages bemüht sich seit längerer Zeit, eine anderweite Verteilung des Aufkommens an der Kraftfahrzeugsteuer zu erreichen: das Finanzministerium Hal sich jedoch bisher auf einen ablehnenden Standpunkt gestellt. Da bei ist zu betonen, daß die von Sachsen gestellten An träge auf eine Aenderung des Verteilungsschlüssels gegenüber dem Reiche, der zurzeit Sachsen außerordent lich stark benachteiligt, noch nicht erledigt sind. — Von besonderer Wichtigkeit ist die künftige Rechtsstellung der Dauer- und Tarifangestellten der sächsischen Gemeinden. Nachdem durch Urteil des Oberverwaltungsgerichts in einem die Stadt Leipzig betreffenden Falle festgestellt worden ist, daß es Dauer angestellte im Sinne des Leipziger Ortsgesetzes über haupt nicht gebe, muß diese Frage in allen Gemeinden nachgeprüft werden. Der Vorstand beschloß, für die Tarifangestellten aller sächsischen Gemeinden einen zen tralen Manteltarif abzuschließen. Mit seiner Durch führung ist der Arbeitgeberverband sächsischer Gemein den betraut worden, der diese Arbeit beschleunigt in Angriffs nehmen wird. — Weiter soll bei der Regierung beantragt werden, die durch die Landtagswahl den Ge meinden erwachsenen Kosten ihnen zu erstatten. Der Vorstand sprach sich anläßlich der geplanten Errichtung einer Bezirkssparkasse in Zittau für die Schaffung leistungsfähiger Sparkassen aus, insbesondere auch für die Schaffung von Spar kassenoerbünden, soweit ein Bedürfnis hierfür besteht. Weiter wurde beschlossen, dem Ministerium für Volks bildung gegenüber die Rechte der vormals revidierten Städte zu vertreten und insbesondere zu beantragen, daß alle Stützte, die die Rechte der unteren Verwaltungsbehörde haben, Mitglieder des Bezirksschulamtes bleiben und eigene Bezirksschulümter gemeinsam mit dem Bezirks schulrat bilden können. — Endlich wurde beschlossen, die Verhandlungen mit der Kreditanstalt Sächsischer Ge meinden und der Landstündischen Bank über eine ver gleichsweise Regelung und Aufwertung der dem An leiheablösungsgesetz unterliegenden Darlehen der Kre ditanstalt Sächsischer Gemeinden und der Landstän dischen Bank wieder aufzunehmen.