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Neueste Nachrichten« Notfrontverbot in Hessen. Darmstadt. 17. Mai. Auf Grund des Ersuchens der Reichsregierung hat die hessische Regierung den Rot frontkämpferbund für das Gebiet des Volksstaates Hessen verboten und aufgelöst. Auch Mecklenburg-Schwerin löst den Roten Front- kiimpferbund auf. Schwerin, 17. Mai. Auf Grund eines Freitag morgen bekanntgegebenen Erlasses der mecklenburgischen Staatsregierung, gibt das Linksministerium Schröder- Asch bekannt, daß für das Gebiet des Freistaates Mecklenburg-Schwerin auf Ersuchen der Reichsregierung der Rote Frontkämpferbund einschließlich der Jungfront und Roten Marine aufgelöst wird. Die Sängerin Lili Lehmann gestorben. Berlin, 17. Mai. Die einst weltberühmte Sängerin Lili Lehmann, deren Name der heutigen Generation kaum noch geläufig war, ist am Donnerstag in ihrem Hause in Berlin-Grunewald, wo sie seit Jahren ganz zurück gezogen lebte, 87 Jahre alt, gestorben. Die unmittel bare Ursache des Todes war eine Herzschwäche, die offen bar von einem Magenleiden herrührte. Trotzdem kam der Tod der Künstlerin überraschend, da sie noch bis zuletzt sich einer in Anbetracht ihres hohen Alters außer gewöhnlichen Frische erfreute. Großer Wasserrohrbruch in Liegnitz. Liegnitz, 17. Mai. Heute morgen gegen M Uhr platzte in Liegnitz das Hauptwasserrohr, durch das die Stadt Liegnitz versorgt wird. Von dem furchtbaren Druck wurde die Straße in zehn Meter Länge auf gerissen. Riesige Erdmassen wurden in die Höhe ge hoben und brachen dann ein. Im breiten Strom ergoß sich das Wasser in die tiefer gelegenen Gärten und setzte einige an der Straße gelegene Fabrikgrundstücke unter Wasser. Durch die Wassermassen wurde die Trans formatorenanlage einer Fabrik stark gefährdet. Man rechnet mit einer Explosion. Die Ursache des Wasser rohrbruches ist noch nicht festgestellt. Die Stadt wird durch ein kleines Nebenrohr vorläufig mit Wasser ge speist, doch werden in den weiter entfernt liegenden Stadtteilen die Häuser ohne Wasser sein. Zur Erklärung Stimpsons. — Kein Zusammengehen mit den Alliierten in der Reparationsfrage. Paris, 17. Mai. Die ablehnende Haltung der Re gierung Hoover gegenüber einer engeren Verbindung Amerikas mit der Reparationsbank, wurde, wie er gänzend aus Washington gemeldet wird, durch den weiteren Hinweis Stimpsons verstärkt, daß die ameri kanische Regierung es stets abgelehnt habe, sich in der Reparationskommission vertreten zu lassen. Sie habe sich auch der Praxis der alliierten Mächte in der Kon fiskation des beschlagnahmten deutschen Eigentums nicht angeschlossen und die verhältnismäßig geringe Summe, die die Vereinigten Staaten unter dem Dawes plan erhielten, würde ausschließlich für die Regelung der Ansprüche bestimmt, die durch die gemischte Schaden ersatzkommission in Erfüllung des Abkommens mit Deutschland festgestellt seien und für Rückzahlung der Ausgaben für die amerikanische Besatzungsarmee in Koblenz. Die amerikanische Regierung beabsichtigte nicht, diese Haltung irgendwie zu ändern. Die „Jtalia"-Rettungsexpedition ungenügend aus gerüstet. Kopenhagen, 17. Mai. Am Mittwoch abend hat das Schiff „Heimen" Bergen verlassen. An Bord be findet sich die aus acht Italienern und zehn Mann nor wegischer Besatzung bestehende Rettungsexpedition, die in der Arktik nach dem Verbleib der Ballonhülle der „Italia" forschen will. Die Expedition steht unter der Führung des Italieners Albertini. Zunächst soll Tromsö angelaufen werden. Von dort aus soll es nach Spitzbergen und dann weiter in die Eisregionen gehen. Wie aus Oslo gemeldet wird, droht der Expedition jedoch schon die Gefahr, von den norwegischen Polizei behörden wegen ungenügender Verproviantierung zu rückgehalten zu werden. In Bergen wies der Polizei meister den Führer der Expedition schon darauf hin, daß die Expedition mit einer Abwesenheit von zwei Jahren rechnen müsse, worauf Albertini erklärte, daß an Bord des „Heimen" kein Platz für Proviant für eine so lange Zeit sei. Die Seekontrolle in Bergen hat daraufhin der Seekontrolle in Tromsö entsprechende Mitteilungen gemacht. Die Expedition hat nur für fünf Monate Lebensmittel an Bord. Chamberlain soll wieder Außenminister werden. London. 17. Mai. Außenminister Chamberlain teilte am Donnerstag in einer Wahlversammlung in West-Virmingham mit, daß Ministerpräsident Baldwin ihn gebeten habe, im Falle einer Rückkehr der Konser vativen zur Macht, auch in einem neuen Kabinett das Außenministerium wieder zu übernehmen. Er habe dem Ministerpräsidenten eine Zusage gegeben. Baldwins Sohn Wahlkandidat der Arbeiterpartei. London, 17. Mai. Die Arbeiterpartei hat den Sohn des Ministerpräsidenten Baldwin, Oliver Bald win, für den Wahlkreis Dudley als Kandidaten auf gestellt. Aufhebung des Prohibitionsgesetzes im Staate Wisconsin. Neuqork, 17. Mai. Der Senat des amerikanischen Staates Wisconsin, hat eine Vorlage verabschiedet, durch die das Prohibitionsgesetz aufgehoben wird. Die Vorlage geht nunmehr an den Staatsgouverneur, der die endgültige Bestätigung abgibt. Aus aller Well. * Vielnf in Breslau? Die Gerüchte von der An wesenheit Vielufs in Breslau (der übrigens in allen Teilen des Reiches gesehen wird, ohne es zu sein) er halten sich hartnäckig. In dem Kreis, wo Vieluf früher verkehrte, dem der Dirnen, soll er wiederholt beobachtet worden sein. Hier soll er auch immer wieder Unter schlupf finden. In der Nacht zum Mittwoch wurde die Kriminalpolizei nach dem Hause Bahnhofstraße 22 ge rufen. Das Haus wurde erfolglos abgesucht, obwohl Hausbewohner mit Bestimmtheit erklären, Vieluf sei in der Bahnhofstraße gesehen worden. * Wieder ein Kassenbote in einer Berliner Bank bestohlen. Der Bote einer Berliner Eroßfirma aus der Friedrichstraße, der in der Filiale der Commerz- und Privatbank in der Friedrichstraße 18 000 Mark abge hoben hatte, wurde, während er mit dem Nachzählen be schäftigt war, um 6000 Mark bestohlen. Ein Mann hatte die Aufmerksamkeit des Kassenboten abgelenkt, und inzwischen hatte ein Helfershelfer des Diebes das Geld an sich genommen. * Zum Kapitel Wohnungsnot. Ein Gerichts vollzieher, der mit dem Räumungsurteil in die Man- sarden-Zimmer des 60jährigen Kammerjägers Althoff und seiner Frau in Münster kam, fand das alte Ehe paar tot auf. Es hatte aus Angst vor der Räumung den Gashahn geöffnet. * Drei Personen ertrunken. Ein Gasthausbesitzer in Elsboten (Salzkammergut) fuhr mit zwei Kindern auf einer mit Sand beladenen Zille über die Salzbach. Die Zille kippte um und alle drei Insassen ertranken. * Drei weitere Kommunistenverhaftungen in Wien. Im Laufe des Donnerstag sind drei weitere Personen festgenommen worden, die im Verdacht stehen, dem ungarischen kommunistischen Propagandabüro Pässe zur Fälschung übergeben zu haben. Es sind zwei Wiener und eine Ungarin, deren Namen geheim gehalten wer den. Zwei Beamte der ungarischen Staatspolizei weilten am Donnerstag in Wien, um Erkundigungen über den Vorfall einzuziehen. * Die Typhusgefahr in Zug beseitigt. Die Typhus gefahr ist nunmehr restlos beseitigt. Der Typhusherd ist in dem Röschenwasser, das infolge der schlechten Trinkwasserversorgung teilweise als Trinkwasser be nutzt werden mußte, festgestellt worden. Seitdem die Einwohner mit ausreichendem und gutem Trinkwasser aus dem Eemeindebrunnen versorgt werden, sind Typhuserkrankungen nicht mehr vorgekommen. Es kommt in allen Haushaltungen nur noch gutes Brunnen wasser zur Verwendung. Mit dem Bau der Wasser leitung wird nach Pfingsten begonnen. * Schweres Hochofenunglück in Spanien. In der Nacht zum Donnerstag explodierte auf der Insel Orio bei San Sebastian ein 30 Meter hoher Turm, in dem der Druck für die heiße Luft erzeugt wird, Der Turm stürzte auf die Baracken, in denen sich 18 Arbeiter auf hielten. Als diese die Explosion hörten, versuchten sie, aus den Baracken zu fliehen, was jedoch nur zehn Ar beitern gelang, während die acht übrigen unter den Trümmern begraben wurden. Da auf die Explosion ein Brand folgte, erlitten drei der Verschütteten den Feuer tod, die fünf anderen trugen sehr schwere Brandwunden davon. * Banditen mit Maschinengewehren. Nach Mel dungen aus Bukarest sind die zwischen Kischinew und Hanzesti verkehrenden Autobusse Mittwoch abend nach einander von starken Räuberbanden angegriffen, auf gehalten und vollständig ausgeplündert worden. Dabei wurde ein Passagier getötet. Auch die Wagen und Motors wurden vollständig zertrümmert. Die von Bauern verstärkte Gendarmerie konnte die Räuberbande nach langem Umherstreifen beim Morgengrauen an einem Waldrand stellen, doch zeigte sich beim Angriff, daß die Banditen militärisch organisiert und mit Ma schinengewehren ausgerüstet waren. Als die Gen darmen und die Bauern die Stellung der Banditen zu stürmen versuchten, wurde der Gendarmeriekomman dant schwer verwundet, ein Gendarm und zwei Bauern getötet. Die Banditen konnten sich dann unter dem Schutz des Maschinengewehrfeuers ohne Verlust zurück ziehen. Nachwuchs für die Schweizer Garde. Im Vatikan fand dieser Tage die alljährliche feierliche Ver ¬ eidigung von 28 neuen Rekruten für die Schweizer Garde des Papstes statt, die in unserem Bilde festgehalten wird. Josephas Töchter Roman von Lola Stein. 62j (Nachdruck verboten.) Und so gewann Ralph Zutritt und Einblick in dieses Reich. Und erlangte damit, was er gewollt hatte. Er lernte Hubert Gerling kennen. In seiner ureigensten Sphäre. Bei der Arbeit. In seinem Milieu. Es war auch jetzt noch nicht leicht, zu ihm vorzu dringen. Wohl hatte der Finanzgewaltige angeordnet, daß man Ralph Nllwart gleich zu ihm lassen sollte. Aber ihn empfing im Zimmer des Chefs gewöhnlich der Sekretär. Hubert Gerling hatte eine wichtige Konferenz, einen unaufschiebbaren Gang, einen Besuch, der allein abge fertigt werden mußte. Ralph wartete. Dann erschien Gerling. Verhetzt, verstimmt. „Guten Tag, Herr Allwart. Seien Sie mir nicht böse, aber jetzt habe ich keine Zeit für Sie. Ich mutz disponieren, diktieren, konferieren." „Das schadet nichts, Herr Gerling. Lassen Sie sich durch mich nicht stören. Arbeiten Sie soviel, wie Sie wollen. Ich arbeite auch." Er hörte zu, was Hubert Gerling mit seinen Direk toren und Unterbeamten verhandelte. Lauschte auf die Telephongespräche, die er führte. Gewann allmählich einen Überblick über diese ihm bisher unbekannte Art von Geschäften. Spähte unausgesetzt auf Hubert Gerlings Mienenspiel. Belauerte ihn förmlich, versenkte sich in jede Falte, jeden Ausdruck dieses großlinigen, klugen Gesichtes mit der gemeißelten Stirn, den scharfen, durchbohrenden Augen, dem brutalen Zug um den Mund. Setzte seine Beobachtungen fort» wenn er Hubert Gerling gesellschaft lich traf. Wenn er ihn in Lonnys Gegenwart sah. Be merkte die tierhafte Wildheit, die dieser Mann nur mit äußerster Anstrengung bändigte, in seinen Zügen, in seinem Flackerblick, das Beben der Nasenflügel und des Mundes, die Glut, die unter der beherrschten Miene immer wieder hervorbrach, die Lonny so maßlos ängstigte. Ralph malte nicht allzuviel in Gerlings Gegenwart. Er beobachtete. Er nahm jeden Muskel, jeden Nerv, jeden Blick in sich auf. Blieb er dann später allein, wenn Gerling nach irgendeinem Telephongespräch fortraste oder ins Konferenzzimmer hinüberging, um dort Besucher zu empfangen, dann malte er. In seiner in Kollegenkreisen berühmt gewordenen lässig-genialen Art, die mit einigen kühnen Pinselstrichen mehr erzielte, größere Ähnlichkeiten schuf, als die meisten Künstler in Wochen emsiger Arbeit erreichten, überblickte das werdende Bild. Ls gelang. Es wurde so, daß er mit ihm zufrieden sein konnte. Er nickte vor sich hin. Ein Ausdruck gesättigten Triumphes breitete sich über seine schönen Züge, wenn er auf das reifende Porträt Hubert Gerlings starrte. Aber er hütete es ängstlich vor allen anderen Augen. Kein Fremder durste es sehen. Auch Hubert Gerling selbst nicht. „Es ist eine Eigenart von mir, nennen Sie es meinet wegen eine Laune, Herr Gerling, aber ich lasse meine halb fertigen Arbeiten nicht betrachten. Sie sollen überrascht werden von Ihrem Porträt. Lasten Sie mir meinen Willen." Und Gerling, der weder Maler noch Bild wichtig nahm, der viel zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt war, um dem Porträt überhaupt noch Interesse zu schenken, dem Ralphs Besuche höchst gleichgültig waren, der sie gar nicht mehr beachtete, kümmerte sich nicht um das werdende Bild und ließ Ralph gewähren. Er sprach auch viel offener in seiner Gegenwart als in der Nähe eines anderen Menschen, wenn es Geschäftsgeheimnisse gatt. Dieser Mann war ein Künstler, nichts als ein Künstler. Nur mit seinen Ideen, seinen Bildern beschäftigt. Einer, der von anderen Dingen nicht das mindeste verstand. Ein Idealist. Ein, wie man allgemein hörte, genialer Maler, aber eigentlich doch ein recht überflüssiges Wesen. So dachte Hubert Gerling. Und ging ahnungslos in die Falle, die ihm Ralph Allwart gestellt hatte. Offen barte ihm unbewußt und ungewollt sein tiefstes Wesen, ließ die Maske der Verstellung fallen von seinem Gesicht in Allwarts Gegenwart. Die Zeit verging. Das Gemälde schritt seiner Vollen dung entgegen. Nun waren Ralph und Lonny beinahe schon drei Wochen in Berlin. Sie fahen sich seLHn. Sie sprachen sich nie allein. Sie verzehrten sich in Sehnsucht nacheinander. Aber in des Mädchens Herzen war keine Hoffnung mehr. Immer stiller, immer resignierter, immer müder, wurde Lonny. Ralph merkte es ihr an. Aber noch konnte er ihr nicht helfen. Sie glaubte an keine Hilfe, an keine Zukunft, an kein Glück mehr. Und hatte nur noch de« einen Wunsch: da sie mit dem Geliebten nicht leben konnte, mit ihm vereint zu sterben. Aber nur ihre Augen sprachen Ralph von dieser Sehnsucht, die seine unbedachten Worte in ihr erweckt hatten. Fhr Mund schwieg. Sechstes Kapitel. An einem Morgen rief Ralph st» der Bargseßtfch« Villa an und bat Lonny ans Telephon. „Herrn Gerlings Porträt ist gestern fertig geworden," sagte er, „ich will es ihm heute zeige« und möchte, daß du dabei bist." Sie sagte zu. Sie vermied es sonst, aüei« mit diese« beiden Männern zu sein, von denen sie ei«« liebte, wäh- rend sie zu dem andern gehören sollte. Aber heute war der Wunsch, Ralphs Werk zu sehen, größer als alle Be denken. Dieses Porträt, über das er nie gesprochen und an das er so viel Zeit durch Warten auf Hubert Gerling und den richtigen Moment, in dem er einmal einige Minuten still saß, verschwendet hatte, wie nie zuvor an ein Gemälde. Wenn man ihn nach dem Fortgang seiner Arbeit fragte, so hatte er gelächelt, rätselhaft gelächelt. Lonny war ungeheuer gespannt auf das Porträt. Ihrem Verlobten war es ganz unwichtig, das wußte sie. Aber für sie hatten Ralphs Bilder von jeher einen starken, und geheimnisvollen Zauber gehabt. Und wenn es auch der gefürchtete und verhaßte Mann war, den er darge- stellt hatte, so war es dennoch sein Werk. Unter seine« Händen entstanden, Leben von seinem Leben, Seele von! seiner Seele, wie alles, was er schuf. (Fortsetzung solgt.)